Elisabethanisches Theater

Elisabethanisches Theater
William Shakespeare, Dramatiker (1564–1616)

Als Elisabethanisches Theater bezeichnet man gemeinhin das Theater der englischen Renaissance unter Königin Elisabeth I. (reg. 1558–1603) und ihrem Nachfolger Jakob I. (reg. 1603–1625).

Eine allgemeine kulturelle Blüte Englands führte im 16. Jahrhundert zur Entstehung eines Theaterwesens, das in seinen Ausmaßen wohl nur mit antiken Vorbildern zu vergleichen ist: Erstmals seit über tausend Jahren existierten wieder professionelle Schauspieltruppen. Das Theater avancierte – bis zum Verbot aller Theateraufführungen unter puritanischer Herrschaft im Jahr 1642 – zum Raum für die Begegnung der gesellschaftlichen Schichten. Schlagartig wuchs die Produktion dramatischer Werke an, entstanden vielfältige (und neue) theatrale Formen. Auch William Shakespeares Schaffen fällt in diese Zeit.

Inhaltsverzeichnis

Historische und soziale Voraussetzungen

Gesellschaftlicher Wandel im 16. Jahrhundert

Porträt Königin Elisabeths I. von Nicholas Hilliard, ca. 1585

Die Herrschaft Elisabeths I. war geprägt durch einen Interessenausgleich zwischen Bürgertum und Adel: Feudale Strukturen verloren nach und nach an Bedeutung, die Verwaltung des Landes wurde reformiert und das Parlament in seiner Bedeutung aufgewertet. Durch den Weltmachtstatus Englands und den damit verbundenen wirtschaftlichen Aufstieg war bereits Mitte des Jahrhunderts eine breite bürgerliche Schicht entstanden, die schon aufgrund ihres materiellen Wohlstands Mitsprache beanspruchen konnte; zudem führten humanistische Bildungsbestrebungen zu einem einheitlich hohen Bildungsniveau. Damit eröffnete sich die Möglichkeit sozialen Aufstiegs – eine entscheidende Veränderung dem Mittelalter gegenüber. Die lateinische Bildung vieler Bürger stellte den Nährboden für eine Dramatik dar, die sich auf klassische Autoren wie z. B. Seneca, Plautus oder Terenz berufen konnte. Deren Texte wurden in Schulaufführungen verbreitet.

Jakobs I. Regierungszeit wurde zwar durch zahlreiche innenpolitische Krisen (infolge religiöser Konflikte) erschüttert, doch brachte sie auch die Vision nationaler Einheit Britanniens hervor: Die Beschäftigung mit englischer Geschichte und englischer Sprache schuf wichtige Voraussetzungen für das Theater eines William Shakespeare.

Die elisabethanische Theaterpraxis entspricht exakt den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen: Das Publikum der großen Londoner Theater rekrutierte sich gleichermaßen aus Handwerkern und Händlern, Gelehrten und Angehörigen des Adels – dank niedriger Eintrittspreise. Ohne die enorme Bevölkerungsexpansion in der Großstadt London – der Hauptstadt eines Weltreichs – wäre die Existenz vieler Theater undenkbar gewesen. Auf der so genannten Bankside entstand dort ein regelrechtes Vergnügungsviertel.

Säkularisierung

Nachdem Heinrich VIII. 1534 die englische Nationalkirche geschaffen hatte, brachte die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts vor allem die Abwendung von römisch-katholischen Glaubensgrundsätzen mit sich. Die Englische Sprache hielt verstärkt Einzug in Gottesdienst und Bibelübersetzungen, ersetzte das Lateinische – diese Entwicklung bildete den Nährboden für eine volkssprachliche Literatur, die zudem durch den Buchdruck weite Verbreitung fand. So konnte ein literarischer Markt entstehen, an dem auch Theaterautoren wie Christopher Marlowe oder William Shakespeare partizipierten, deren Stücke im 17. Jahrhundert in Gesamtausgaben erschienen.

Francis Bacon (1561–1626)

Mit Francis Bacons Empirismus setzte sich zudem ein Weltbild durch, welches nicht mehr auf (kirchlichen) Dogmen, sondern auf Empirie basierte. Enorme wissenschaftliche Fortschritte auf fast allen Gebieten prägten die Epoche, begleitet von der Erforschung der Neuen Welt, deren Entdeckung allein eine große kulturgeschichtliche Umwälzung bedeutete. Nichtsdestoweniger glaubte ein Großteil der Bevölkerung Englands weiter an übersinnliche Ereignisse, an Magier und Hexen; auch Königin Elisabeth ließ sich regelmäßig Horoskope erstellen. In Shakespeares Stücken findet sich dementsprechend häufig ein Nebeneinander von Wissenschaft und Aberglaube, bevölkern Hexen (Macbeth) und Feen (Ein Sommernachtstraum) die Bühne.

Anthropozentrisches Weltbild

Ausgehend von Italien griff die Renaissance Mitte des 16. Jahrhunderts auch auf England über: Der Humanismus wandte sich antiken Traditionen zu und betonte die Freiheit des einzelnen Menschen, den die Vernunft über das Tierreich erhebt. Die Entstehung eines modernen Subjektbegriffs begünstigte Stücke, die sich aus dem Typhaften emanzipierten und statt dem Schicksal das menschliche Handeln und dessen Folgen in den Vordergrund rückten. An die Stelle allegorischer Darstellung traten nun Prototypen individueller Psychologie. Dabei kann die Freiheit stets auch ins Negative umschlagen: Dass der Zerfall sozialer Hierarchien und das Wegbrechen eindeutiger metaphysischer Erklärungsmuster auch als Bedrohung erfahren werden konnte, belegt die Figur Hamlets eindrucksvoll – die Last der Verantwortung für das eigene Tun führt hier zu einer Lähmung, zum resignativen Nichtstun.

Der Melancholiker ist eine paradigmatische Figur des Zeitalters, die in vielen Texten auftritt, stets auf Basis der Humoralpathologie, der wichtigsten anthropologischen Theorie der Zeit (so auch in Hamlet). Ihm gegenüber steht der rücksichtslose Aufsteiger, der sich selbst zu inszenieren weiß – Niccolò Machiavellis Il Prinicipe wurde (obgleich offiziell verboten) auch in England rezipiert. Christopher Marlowes Doctor Faustus (ca. 1589) zeigt die Folgen großer Machtbesessenheit, ebenso wie sein Tamburlaine the Great (1587), welches den Aufstieg und Tod eines mongolischen Fürsten (Dschingis Khan) vorführt.

Quellenlage

Detail einer Stadtansicht Londons aus dem Jahr 1616, im Bild u. a. das Globe Theatre

Während zahlreiche Dokumente zu den sozialen Auswirkungen der Blüte der englischen Theaterlandschaft im 16. und 17. Jahrhundert existieren (inklusive puritanischer Kampfschriften und städtischer Erlasse), sind Hinweise auf die zeitgenössische Aufführungspraxis weitaus seltener – sieht man von den Theaterstücken selbst einmal ab. Insbesondere Bildmaterial ist kaum überliefert. Eine wichtige Basis für die Rekonstruktion der Theatersituation sind deshalb die Berichte ausländischer Handelsreisender und fürstlicher Diplomaten, die London besuchten: Die Observationes Londinienses des holländischen Kaufmanns Johannes de Witt enthalten z. B. eine Zeichnung des Swan Theatre um 1596, während der Basler Arzt Thomas Platter seinen Landsleuten detailliert den Besuch einer Theateraufführung schildert.

Eine weitere Quelle sind juristische Texte: Zwei Bauverträge aus der Zeit nach 1600 sind erhalten, die Anweisungen an Handwerker zur Errichtung eines Theaters geben. Der Schauspielunternehmer Philip Henslowe hat in der Zeit von 1592 bis 1603 ausführlich seine Transaktionen in Tagebüchern festgehalten. Aus historischen Stadtansichten kann man die Lage und Anzahl der Aufführungsstätten rekonstruieren und gewinnt so einen zeitlichen Überblick.

1988 wurden Überreste eines Theaters südlich der Themse entdeckt; es handelt sich dabei um das Rose Theatre von Philip Henslowe, eine der ersten großen Spielstätten auf der Bankside. Mit den Mitteln der Archäologie konnten seither zahlreiche Theorien zum elisabethanischen Theaterbau im Grundsatz verifiziert werden, obgleich die Bühne des Rose Theatre mit zwei gleichwertigen Spielebenen eher atypisch für das Theater der Zeit sein dürfte. Die Fundamente können heute besichtigt werden. Aufgrund des 2.Weltkrieges jedoch sind nur wenige der Fundamentstücke zu betrachten.

Ursprünge

Jedermann kämpft mit Tod, Holzschnitt

Mittelalterliche Formen

Insbesondere die mittelalterlichen Moralitäten, allegorische Darstellung des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse, sowie die – seit dem 14. Jahrhundert belegten – Mystery Plays, dramatische Fassungen biblischer Ereignisse, häufig in liturgische Zusammenhänge integriert, scheinen großen Einfluss auf das Elisabethanische Theater ausgeübt zu haben – dort vermischten sich verschiedene Stilebenen, wurden Anspielungen auf den Alltag in die religiöse Handlungen integriert. Die Publikumsnähe vieler Shakespearescher Figuren kann als ein Überbleibsel der so genannten vice-Figur gedeutet werden: In den Moralitäten kämpfte dieses personifizierte Laster mit rhetorischem Geschick um die Seele des Menschen.

Fahrende Schauspieltruppen

Bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstanden die so genannten innyard-plays: Fahrende Schauspielertruppen bespielten die Innhöfe von Pubs, wo sie hölzerne Gerüste errichteten. Eine (mittlerweile eher unpopuläre) Theorie macht hier den Ursprung der Theaterarchitektur der Zeit (Shakespearebühne) aus: Offensichtlich standen die Zuschauer auf Galerien um den Hof. Die ersten spezifischen Theaterbauten (errichtet in den 1570er Jahren) trugen tatsächlich noch Merkmale der Wanderbühnen, hatten eher provisorischen Charakter.

Auch die Tierkampf-Arenen, die sich seit mindestens 1546 auf der Londoner Bankside befanden, hatten ihren Einfluss – zumindest insofern, als sie die Infrastruktur für den späteren Boom des Theaters bereitstellten; das Londoner Publikum war es gewohnt, sich außerhalb der City of London zu amüsieren.

Lateinische Dramatik

Antike Stücke waren durch den Humanismus einem großen Publikum bekannt; oft wurden diese in der Volkssprache imitiert. Handlungsmuster der Komödien von Plautus und Terenz finden sich noch bei Shakespeare, z. B. das Motiv der Brautentführung aus dem Haus des bösartigen Vaters (Der Kaufmann von Venedig). Die römische Tragödie Senecas kann hingegen als Vorbild gelten für zahlreiche Texte Christopher Marlowes und Thomas Kyds, den wichtigsten Autoren der 1580er Jahre.

Situation der Schauspielertruppen

Richard Burbage, einer der Teilhaber der Lord Chamberlain’s Men

Geschichte

Anfang des 16. Jahrhunderts entwickelten sich die ersten professionellen Schauspielertruppen, zusammengesetzt aus fahrenden Schaustellern und einer wachsenden Zahl an Arbeitslosen. Offensichtlich sahen gerade sozial schlecht gestellte Personengruppen in der Schauspielerei eine gute Verdienstmöglichkeit; die Zahl der Kompanien wuchs nach 1550 jedenfalls stark an. Als Reaktion darauf erlaubte das Vagabundengesetz von 1572 in London nurmehr Auftritte von Schauspielern, die unter der Patronage eines Adligen standen. Die erste Patentverleihung erfolgte 1574 an die Truppe des Earl of Leicester. 1583 dann wurden – mit den besten Darstellern der Zeit – die Queen's Men gegründet.

Das Patronagesystem brachte enorme Vorteile für die Schauspielertruppen mit sich: Während in anderen europäischen Ländern noch im 18. Jahrhundert der Beruf des Darstellers als moralisch bedenklich eingestuft wurde, häufig auf eine Ebene gestellt mit der Prostitution, waren Schauspieler in England gesellschaftlich angesehen. Von Shakespeare und Richard Burbage ist sogar bekannt, dass sie Ehrenämter bei Hofe bekleideten. Zudem konnten die adligen Schutzherren ihren Kompanien im Notfall auch finanziell unter die Arme greifen – ob regelmäßig Zuschüsse flossen, ist nicht bekannt, aber wohl eher unwahrscheinlich: Die Truppen erwirtschafteten in der Regel Gewinn.

Der Tod Königin Elisabeths brachte viele Veränderungen mit sich: Hatten schon 1597 nurmehr zwei Schauspieltruppen (die Lord Chamberlain's Men und die Admiral's Men) die Lizenz zum Spiel in London inne, so übernahm nun der Hof alle Kompanien: Aus den Lord Chamberlain’s Men wurden so die King's Men.

Wichtige Truppen

  • Leicester’s Men: Die erste lizenzierte Schauspielertruppe spielte in den 1570er Jahren in James Burbages Theatre.
  • Derby’s Men: Die Kompanie ist bereits in den 1560er Jahren nachweisbar. Ab 1594 trug sie den Namen Lord Chamberlain’s Men. Unter Burbage und Shakespeare avancierte sie zur wichtigsten Schauspieltruppe, hatte zahlreiche Auftritte bei Hof. 1603 wurde sie umbenannt in King’s Men – der König war der neue Patron, man spielte im Globe Theatre und im Blackfriars Theatre.
  • Admiral’s Men: Philip Henslowes Truppe wurde 1603 umbenannt in Prince Henry’s Men; sie spielte im Fortune.

Organisation

Die Kompanien waren als Aktiengesellschaften organisiert. Teilhaber waren in der Regel die Schauspieler selbst, die dann Bühnenarbeiter und Statisten anstellten. Sofern eine Truppe kein eigenes Theater besaß, musste sie die Miete für eine Spielstätte aufbringen – Philip Henslowe wurde reich durch den Bau von Theaterhäusern. Shakespeare hielt ab 1599 immerhin zehn Prozent an den Lord Chamberlain's Men und war auch beteiligt am Bau des Globe Theatre, wodurch er zu einem gewissen Wohlstand gelangte.

Die Truppen bestanden aus jeweils ca. zehn bis zwölf Schauspielern sowie den so genannten boy actors, den Darstellern der weiblichen Rollen (denn Frauen auf der Bühne waren unerwünscht). Man hatte ein großes Repertoire, spielte häufig über 30 Stücke gleichzeitig – nur zu schaffen durch das Rollenfachsystem, d. h. der Besetzung nach bestimmten Typenmustern.

Eine zentrale Rolle spielte der book-keeper, der das Manuskript des Autors zu einzelnen Rollenbüchern (parts) verarbeitete und daneben auch als Souffleur tätig war. Keiner der Schauspieler erhielt den Text des gesamten Stückes, denn die Dramatiker fürchteten Raubdrucke und die damit verbundenen finanziellen Einbußen. Geprobt wurden wohl stets nur zwei bis drei Wochen. Regisseure waren dem Elisabethanischen Theater unbekannt.

Kindertruppen

Eine Besonderheit stellten die reinen Kindertruppen dar, die vornehmlich in den private playhouses wie z. B. dem Blackfriars spielten. Sie rekrutierten sich aus Lateinschülern und den Sängern von Kirchenchören und wurden – wie zeitgenössische Dokumente belegen – von den erwachsenen Schauspielern als große Konkurrenz wahrgenommen. Häufig wechselten die Kinderschauspieler im Laufe ihres Heranwachsens zu den großen Kompanien, um dort als boy actors weibliche Rollen zu übernehmen.

Dramatik

Ben Jonson, Dramatiker (1572–1637)
Christopher Marlowe, Dramatiker (1564–1593)

Grundsätzlich ordnete sich die Dramatik der antiken Aufteilung in Komödie und Tragödie unter, obgleich Mischformen immer beliebter wurden. Eine Besonderheit der Elisabethanischen Dramatik sind die history plays. Mit einigen Ausnahmen (Ben Jonsons Werke etwa) lässt sich eine Abkehr von der strengen aristotelischen Poetik zugunsten möglichst spektakulärer Plots beobachten: Gerade die Komödien zeigen oft Helden, die durch zahlreiche exotische Länder reisen und dabei verschiedene Abenteuer bestehen müssen (z. B. Sir Clyomon and Sir Clamydes, um 1580).

Tragödien

Großen Anklang beim Publikum fanden Rachedramen nach dem Vorbild Senecas; zu nennen wären hier z. B. Thomas Kyds Spanish Tragedy oder John Websters Duchess of Malfi – blutige Inszenierungen der verschiedensten Gewalttaten. Aus der Antike wurden dabei vor allem Geisterauftritte als dramaturgisches Element übernommen, welche die Handlung motivieren: Der Verstorbene fordert den Helden in der Regel dazu auf, seinen Tod zu rächen. Besonderes Interesse bei der Handlungsführung gilt dann dem Kampf gegen gesellschaftliche Widerstände (auch moralischer Art). Eine weitere Form, die sich großer Beliebtheit erfreute, ist die Ehetragödie, wie sie etwa in Othello noch fortlebt: Hier wird ein Ehebruch mit physischer und seelischer Bestrafung bedacht, ehe im Tod die Versöhnung der handelnden Figuren erfolgen kann.

Komödien

Thomas Decker (The Shoemaker’s Holiday) gilt (ebenso wie Thomas Middleton mit A Chaste Maid in Cheapside) als Vertreter der city comedy, die sich satirisch mit dem Stadtleben auseinandersetzt. Ben Jonsons Lustspiele (Volpone) thematisieren dagegen den Konflikt des Individuums mit der Gesellschaftsordnung, setzen sich auch mit antiker Regelpoetik auseinander. Jonson gilt als Autor, der vor allem für den höfischen Rahmen schrieb. Er sprach der Satire in Anlehnung an Cicero korrektive Fähigkeiten zu. John Lyly hingegen schuf vornehmlich Liebeskomödien, die sich in ihrem Handlungsaufbau an Romanen orientierten: Die komplexe Fabel zeigt hier ein Paar, das zahlreiche Hindernisse (= Peripetien) überwinden muss, ehe es zueinander kommen kann.

Historien

Mit dem zunehmenden Nationalbewusstsein der Engländer, das zurückging auf weltpolitischen Erfolge (vor allem im Hinblick auf den Krieg gegen Spanien), wuchs das Interesse am eigenen Land und dessen Geschichte. Daraus entstanden die Historien oder historical plays. Shakespeares Königsdramen (z. B. Richard III. oder Henry V.) fallen ebenso in diese Kategorie wie viele Stücke von Christopher Marlowe, dessen Tragödien seinen Ruhm begründeten (The Tragical History of Dr. Faustus, The Jew of Malta).

Maskenspiele

Maskenspiele (masques) sind eine höfische Form, die vor allem unter Jakob I. blühte – sie sollten die Macht des Königs darstellen. Es handelt sich dabei um Darbietungen auf der Bühne mit spektakulären Effekten und Tanzeinlagen. Häufig partizipierten Mitglieder des Hofes an den Aufführungen. Bekannte masques sind u. a. die Masque of Blackness (1605) und die Masque of Queens (1609).

Theaterbau

Skizze einer Aufführung im Swan Theatre (aus Johannes de Witts Observationes Londinienses)
Rekonstruktion des Globe Theatre in London
Bühne
Zuschauerraum

Theater auf dem Land

Obgleich sich die Forschung in erster Linie auf die Situation in London konzentriert, waren wohl durchaus auch Aufführungen in kleineren Städten Englands üblich – feste Theaterbauten allerdings dürften hier kaum existiert haben. Überliefert ist, dass die großen Schauspieltruppen regelmäßige Tourneen durch die Provinz unternahmen und dort auf Plätzen, in Rat- und Zunfthäusern spielten, häufig in Personal und Ausstattung reduzierte Stückversionen. Shakespeare selbst hat wohl in seiner Jugend einige dieser Gastspiele gesehen – die Queen’s Men reisten mehrfach nach Stratford-upon-Avon.

Lage der Theater in London

Aus den temporären Bühnen der fahrenden Truppen entwickelten sich früh feste Wirtshaustheater. In London wurde diese 1596 per Erlass verboten, da sich die Klagen der Anwohnern mehrten – als Reaktion darauf zogen die Ensembles in liberties, d. h. Gebiete außerhalb der städtischen Jurisdiktion. Darum befanden sich die klassischen public playhouses, die großen öffentlichen Theater, im Süden oder Norden der Innenstadt. Hier existierte eine passende Infrastruktur: Die Nachbarschaft der Spielstätten bildeten Bordelle und Tierkampfarenen.

Bauweisen

Grundsätzlich unterscheidet man die public playhouses auf der Bankside von den private playhouses – dabei handelt es sich um überdachte Aufführungsmöglichkeiten in zentraler Lage, die aufgrund ihrer Unabhängigkeit von Wetter- und Lichtverhältnissen auch im Winter bespielt werden konnten. Für das Theater bei Hof hingegen gelten eigene Gesetzmäßigkeiten.

public playhouses

Geschichte

Die Ursprünge der public playhouses werden heute in den Arenen für Tierhatzen und Sportwettkämpfe vermutet, die sich ihrerseits am römischen Vorbild des Amphitheaters orientierten. Indem Bretterbühnen im Innenhof dieser Gebäude errichtet wurden, erweiterte man ihre Funktion. Der Vorteil einer solchen Konstruktion ist die große Anpassungsfähigkeit: Bei Bedarf kann das Theater wieder in eine Arena zurückverwandelt werden.

Vom ersten permanenten Theatergebäude Londons ist nur sehr wenig bekannt: 1567 errichtete John Brayne das Red Lion in Whitechapel, also östlich der Innenstadt. Welche Truppe es bespielte, bleibt fraglich. 1576 ließ James Burbage im Norden Londons das Theatre erbauen, ein Jahr später entstand ganz in der Nähe The Curtain. 1599 baute sein Sohn Richard Burbage die Holzkonstruktion des Theatres ab – aus dem Baumaterial entstand das Globe auf der Bankside, d. h. am südlichen Ufer der Themse. Hier sollte sich eine unglaubliche Theaterdichte herausbilden: Bereits 1587 stand das Rose, 1595 kam das Swan hinzu. 1600 folgte das Fortune, 1613 das Hope. 1613 brannte das Globe nieder – 1614 wurde an der gleichen Stelle das zweite Globe errichtet (mit wesentlich veränderter Architektur).

Bauweise

Die Grundrisse der public playhouses waren rund bzw. polygonal (eine einzige Ausnahme bildete hier das Fortune mit seinem viereckigen Grundriss). Die Fachwerkkonstruktion dieser Gebäude bestand aus einem hölzernen Grundgerüst mit ausgemauerten Zwischenräumen, das Dach wurde entweder mit Stroh oder hölzernen Schindeln bedeckt (thatch- oder tile-roofing). In das Rund des Theaters integriert war das Bühnengebäude (tiring-house) mit Lagerräumen bzw. Umkleiden. Der offene Innenhof (yard), umgeben von drei Stockwerken an Galerien, beherbergte während der Aufführung die soziale Unterschicht (groundlings). Hier ragte die rechteckige bzw. deltaförmige Bühne hinein – eine hölzerne Plattform auf Säulenstümpfen, wahrscheinlich von einer Balustrade umgeben. Diese platform verfügte über bis zu vier Falltüren (traps), welche für Geisterauftritte genutzt wurden. Der Raum unter der Bühne wurde als hell bezeichnet – ein Überbleibsel der Mysterienspieltradition. Die Bühnenfront (tiring house-facade) war durch – bis zu fünf – stage doors durchbrochen, über diesen befand sich die upper stage, daneben Logen für adlige Zuschauer, genannt lord rooms. Die so genannte hut (= Hütte) ruhte auf großen Säulen über dem hinteren Teil der Plattform. Hier befand sich in manchen Theatern sogar eine Flugmaschine, außerdem hisste man bei Aufführungen über der hut eine Flagge.

Unklar ist bis heute die genaue Konstruktion der tiring-house-facade, d. h. der Bühnenrückwand. Eine von vielen Theorien vermutet hier eine Öffnung hin zu einer Innenbühne (inner stage – ein Begriff, der von Shakespeares Zeitgenossen nicht verwendet wurde), die für Szenen genutzt werden konnte, in denen die Figuren eine überraschende Entdeckung machen. Andere Modelle arbeiten dagegen mit Vorhängen (arras) vor den stage doors oder Zelten, die im hinteren Bereich der platform aufgestellt werden konnten. Auch die genauen Charakteristika der upper stage als zweiter Spielebene (etwa für Balkonszenen) sind unklar; wahrscheinlich ist jedoch, dass hierfür einfach die Galerie genutzt wurde, auf der – bei Bedarf – auch Musiker saßen.

private playhouses

Die Spielästhetik in den private playhouses unterschied sich nicht wesentlich von der in den Amphitheatern, auch hier war die Bühne auf drei Seiten von Zuschauern umgeben. Allerdings befanden sich seitlich so genannte lord boxes, d. h. Logen für zahlungskräftige Zuschauer. (Generell waren die Eintrittspreise hier höher, was eine andere Besucherstruktur zur Folge hatte.) Die Besucherkapazität war dagegen wesentlich geringer: Fassten die public playhouses bis zu 3000 Zuschauer, nimmt man für die Theaterhallen eher Zahlen um die 800 an.

Theater bei Hofe

Ein gänzlich unterschiedliches Repertoire (die allegorisch-opernhaften masques) bedingte hier andere Aufführungsbedingungen. Inigo Jones' Banqueting Hall in Whitehall gilt als typisch für das höfische Theater, Zuschauer und Schauspieler saßen einander gegenüber. Bestrebungen einer Übernahme der italienischen Kulissenbühne sind belegt, so z. B. die Pläne Inigo Jones' für ein Theater in Cockpit-in-Court. Hier wurde das Konzept der Guckkastenbühne antizipiert.

Aufführungspraxis und Spielästhetik

Romeo und Julia, Gemälde von Ford Madox Brown (1821–1893)

Spielbetrieb

Während zunächst nur an Festtagen gespielt wurde (was die Puritaner unterbanden), kann ab den 1580er Jahren von Aufführungen an allen Werktagen ausgegangen werden. Bei Hofe dauerte die Theatersaison von November bis Ostern, in den public und private playhouses dagegen fanden während des ganzen Jahres Spiele statt, im Winter wohl auch in Wirtshäusern – trotz entsprechender Verbote.

Aufführungen begannen in der Regel am Nachmittag (d. h. während der regulären Arbeitszeit) und dauerten zwei bis vier Stunden. Voraussetzung waren gute Lichtverhältnisse, denn künstliche Beleuchtung gab es in den public playhouses nicht. Trompetenstöße kündigten den Beginn des Spiels an, auf der hut wurde zudem eine Fahne gehisst, die weithin sichtbar war – denn das Publikum musste schließlich vom anderen Ufer der Themse anreisen, entweder über die London Bridge oder mit einer Fähre. Im Anschluss auch an Tragödien (!) wurde dem Publikum stets ein jig präsentiert, ein burlesker Volkstanz.

Ausstattung der Bühne

Die Verwendung von Dekorationen war lange Zeit ein Streitpunkt in der Forschung: Ältere Literatur geht davon aus, dass die Bühne vollkommen leer war und nur durch den Stücktext Lokalisierungen vorgenommen wurden. Für dieses Verfahren hat sich der Begriff der Wortkulisse eingebürgert. Hinweise darauf sind die zahlreichen und ausführlichen Ortbeschreibungen in der Figurenrede der Dramen. Wahrscheinlicher jedoch sind emblematische Kulissen, d. h. Versatzstücke, die auf einen bestimmten Ort hindeuten (wie z. B. ein Thron oder Zelte) und – qua sprachlicher Charakterisierung – variabel eingesetzt werden können. Belegt ist auch die Verwendung von Ortsschildern, etwa über den Bühnentüren.

Die Bühne z. B. des zweiten Globe Theatre verfügte über eine enorme Maschinerie: Neben einem Fluggerät, welches dazu verwendet werden konnte, Dekorationselemente von der hut auf die Bühne abzusenken (und dadurch den Umbau zu beschleunigen), gab es auch die Möglichkeit, mehrere Schauspieler auf einmal im Bühnenboden zu versenken. Pyrotechnische Effekte sind ebenfalls belegt.

Kostüme

Die Kostüme zeichneten sich vor allem durch ihre Pracht aus – historische Genauigkeit war dabei weniger gefragt. Oft wurde die Kleidung von Adligen verwendet, welche diese nach ihrem Ableben ihren Dienern vermacht hatten. Durch einzelne Attribute – wie etwa Kopfbedeckungen oder Farben – konnten bestimmte Epochen oder Länder angedeutet werden.

Schauspielstil

Aus den Shakespearschen Dramen lässt sich mitunter auf bestimmte Inszenierungskonventionen schließen: So werden z. B. alle Auftritte explizit angekündigt – woraus man folgert, dass die Schauspieler im vorderen Bereich der platform standen, und hinzukommende Figuren erst einen langen Weg zurücklegen mussten, ehe sie am Geschehen teilnehmen konnten. Als nahezu gesichert kann ferner gelten, dass die Darsteller schnell sprachen, denn die durchschnittliche Aufführungsdauer war sehr kurz im Verhältnis zur Länge der Texte.

Vieles bleibt freilich spekulativ: So liegen z. B. über die Einbeziehung des Publikums mehrere Theorien vor; waren die public playhouses laute, überfüllte Arenen, in denen die groundlings permanent das Geschehen auf der Bühne kommentierten, worauf die Schauspieler ihrerseits reagierten? Oder vermochte ein Dramatiker wie Shakespeare sein Publikum zu fesseln, herrschte andächtige Stille während der Aufführungen?

Literatur

  • Muriel C. Bradbrook: Shakespeare. The poet in his world. Methuen, London 1989, ISBN 0-416-73690-4.
  • Albert R. Braunmuller, Michael Hathaway (Hrsg.): The Cambridge Companion to English Renaissance Drama. 2. Aufl. Cambridge 2003, ISBN 0-521-52799-6.
  • Edmund K. Chambers: The Elizabethan Stage. Clarendon Press, Oxford 1974, ISBN 0-19-811511-3 (4 Bde., Repr. d. Ausg. Oxford 1923)
  • Andrew Gurr: The Shakespearean Stage. 1574–1642. CUP, Cambridge 2005, ISBN 0-521-42240-X.
  • Dennis Kay: William Shakespeare. His Life, Work, and Era. Twayne Publ., New York 1995, ISBN 0-8057-7063-1.
  • Thomas Kullmann: William Shakespeare. Eine Einführung. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-503-07934-3.
  • Alois M. Nagler: Shakespeare’s Stage. Yale University Press, New Haven Conn. 1991, ISBN 0-300-02689-7.
  • Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, Der Mensch, Das Werk, Die Nachwelt. 4. Aufl. Kröner, Stuttgart 2000, ISBN 3-520-38604-6.
  • Ulrich Suerbaum: Das elisabethanische Zeitalter. Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-008622-3.

Weblinks

 Commons: Elisabethanisches Theater – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Siehe auch


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