Lebensberatung

Lebensberatung

Lebensberatung steht in Deutschland, Österreich und der Schweiz für psychosoziale Unterstützung in Lebenskrisen, Familienfragen und Problemen in der Arbeitswelt. Lebensberater dürfen keine Krankheiten behandeln, es sei denn, sie sind als Psychotherapeuten oder Ärzte dazu qualifiziert und befugt.

Deutschland

Der Ausdruck Lebensberatung bezeichnet in Deutschland – oft in Verbindung mit einem Städtenamen oder dem Namen eines Kirchenkreises – viele integrative Beratungsstellen der evangelischen Kirche. Für Rat suchende Menschen jeder Altersstufe wird dort professionelle Hilfe und Unterstützung von Fachkräften aus dem psychologischen, pädagogischen, medizinischen, juristischen und theologischen Bereich angeboten. Auch im Bereich der katholischen Kirche gibt es vergleichbare Beratungsdienste.

In der Regel verfügen die Mitarbeiter der evangelischen Beratungsstellen über eine spezielle Zusatzausbildung in „Integrierter Familienorientierter Beratung - IFB“ des Evangelischen Zentralinstituts für Familienberatung in Berlin. Grundlegend für die kirchliche Beratungsarbeit sind psychoanalytische und tiefenpsychologische sowie systemische Konzepte, teilweise wird auch auf gestalttherapeutische und verhaltenstherapeutische Konzepte zurückgegriffen. In der Ausbildung werden theoretisches Wissen, beraterische Praxis, Methodentraining und persönliche Entwicklung permanent aufeinander bezogen. Nach drei Jahren Ausbildung mit 6 zweiwöchigen Intensivkursen am Institut (mindestens 500 Unterrichtsstunden inclusive 120 Stunden Selbsterfahrung), 5 halbjährigen Praktika im multidisziplinären Team einer anerkannten Beratungsstelle, mindestens 180 Stunden dokumentierter Beratungspraxis und mindestens 50 Stunden Einzel- sowie 40 Stunden Teamsupervision schließt die Weiterbildung nach Prüfungen mit dem Diplom in IFB ab.

Anlässe der Beratung in evangelischen Beratungsstellen sind vor allem Probleme mit dem eigenen Verhalten und Erleben, Beziehungsprobleme und Fragen im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung; bei Kindern und Jugendlichen auch Entwicklungsauffälligkeiten oder Schulprobleme. Circa zehn Prozent der Klienten leiden unter schweren psychischen Störungen, finden aber regional keine entsprechenden zeitnahen Psychotherapieangebote im Gesundheitsbereich und nutzen in der Zwischenzeit die Lebensberatungsstellen.

Bei erwachsenen Klienten überwiegen deutlich die Anfragen von Frauen (ca. 70 Prozent der Anmeldungen), bei den Kindern werden bis zum Alter von 12 Jahren mehr Jungen als Mädchen angemeldet, bei den Jugendlichen dann wieder mehr Mädchen. Der Anteil älterer Menschen über 70 Jahren ist immer noch gering, nimmt aber stetig zu.

Lebensberatung wird verstanden als zeitlich begrenzte Form der Hilfe und Unterstützung, sie ist vor allem Hilfe zur Selbsthilfe. Im Gegensatz zum konkreten „Ratschlag“ durch Freunde, Bekannte oder Verwandte geben professionelle Berater zwar auch Informationen, sie versuchen in der Regel jedoch auf dem Hintergrund einer Beratungstheorie neuen Raum für Veränderungen zu öffnen; dabei bleiben die entscheidenden Handlungsschritte bei den Klienten. Berater unterscheiden zwischen "konfliktzentrierter" und "lösungszentrierter" Arbeit, die je nach Problemlage eingesetzt werden können.

Die meisten Beratungen (ca. 60 bis 70 Prozent) sind nach ein bis fünf Gesprächen beendet, nur ca. 15 Prozent aller Beratungen in evangelischen Beratungsstellen benötigen mehr als 10 Gespräche. Die Tendenz zu Kurzberatungen ist dabei sicher auch auf den großen Bedarfsdruck sowie die Entwicklung von speziellen Konzepten für kürzere Beratungen zurückzuführen. Für diese kirchliche Form der Lebensberatung, die auch als eine Form der seelsorgerlichen Zuwendung gesehen wird, gibt es bisher keine Alternativen des Staates und keine gesetzlich geregelte finanzielle Unterstützung. In vielen Beratungsstellen beteiligen sich daher die Klienten an den Kosten in Form von Gebühren oder durch Spenden.

Als Grundhaltung der Berater überwiegt eine ressourcenorientierte Wahrnehmungs- und Denkweise. Lebensberater gehen davon aus, dass Rat suchende Menschen selbst bei ausgeprägten Problemen oft noch über genügend eigene Ressourcen verfügen, die zur Klärung und Bewältigung in der kritischen Lebenssituation eingesetzt werden können. Der professionelle Berater ist in diesem Zusammenhang eher Klärungshelfer, Anreger und Unterstützer.

Wichtige Qualitätskriterien sind u. a. der freie, niedrigschwellige und unbürokratische Zugang, unabhängig von Konfession, Nationalität oder Einkommen, das multiprofessionelle Team, strenge Verschwiegenheitspflicht (§ 203 StGB), Verpflichtung zu regelmäßiger Fortbildung und Supervision sowie Ausrichtung der Beratungsarbeit ausschließlich nach den Regeln des fachlichen Könnens. Bisher existiert keine allgemein gültige Beratungstheorie und der Beruf Lebensberater oder Lebensberaterin ist in Deutschland bisher nicht gesetzlich geschützt.

Fachverband auf Bundesebene ist die Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung (EKFuL); auf landeskirchlicher Ebene gibt es Beauftragte, z. B. in der Landeskirche Hannover die Hauptstelle für Lebensberatung (HSt); regionale Lebensberatungsstellen findet man auf den Internetseiten des Fachverbandes bzw. der Hauptstellen und vor Ort in Verzeichnissen der Landkreise und Kommunen oder der Kirchengemeinden.

Bundesweit engagiert sich der evangelische Fachverband in der "Deutschen Gesellschaft für Beratung e.V. (DGfB)", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, der Fachöffentlichkeit, der Politik und dem Verbraucher einen Orientierungsrahmen für die Qualität von Beratungsleistungen zu bieten.

Österreich

In Österreich ist das Gewerbe Lebens- und Sozialberatung streng reglementiert. Um sich Lebens- und Sozialberater oder Dipl. Lebensberater nennen zu dürfen bzw. um als solcher tätig werden zu dürfen, muss man eine fünf- bis sechssemestrige Ausbildung absolvieren und entsprechende Praktika nachweisen. Die Ausbildung besteht zumindest aus folgenden Elementen:

  • 120 Stunden Selbsterfahrung in der Gruppe
  • 464 Stunden Theorie, darin enthalten auch 80 h Krisenintervention und 16 h Ethik
  • 30 Stunden Einzelselbsterfahrung
  • 750 Stunden praktische Tätigkeit

Lebensberater dürfen in Österreich keine krankheitswertige Störungen behandeln. Ihre Beratungstätigkeit beschränkt sich auf den sozialen Bereich, sexuelle Probleme, Fragen von Familie und Partnerschaft, sowie auf die Arbeitswelt.

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