Arnolfini-Hochzeit

Arnolfini-Hochzeit

Die Arnolfini-Hochzeit (auch: Giovanni Arnolfini und seine Frau Giovanna Cenami oder Die Hochzeit des Giovanni Arnolfini) ist ein Gemälde des flämischen Malers Jan van Eyck. Es entstand 1434 in Brügge und ist heute in der National Gallery in London zu besichtigen.

 
Die Arnolfini-Hochzeit
Jan van Eyck, 1434
Öl auf Holz, 81,8 cm × 59,7 cm
National Gallery (London)

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Der Titel des Bildes war zunächst nicht bekannt, erst knapp 100 Jahre später tauchte er in einem Inventar auf; dort hieß es: Großes Tafelbild, Hernoult le Fin mit seiner Frau in einem Zimmer. „Hernoult le Fin“ war die französisierte Form des italienischen Namens „Arnolfini“. Die Arnolfinis waren eine große Kaufmanns- und Bankiersfamilie, die zu der Zeit eine Zweigstelle in Brügge unterhielten.

Bildinterpretation

Im Bild reichen Mann und Frau sich die Hand, zugleich hat der Mann seine Rechte zum Schwur gehoben, für die damalige Zeit eine typische Geste im Rahmen einer Eheschließung. Genauer handelt es sich um eine morganatische Ehe, auch Ehe zur linken Hand genannt (die Szene macht es deutlich, Giovanni Arnolfini reicht seiner Gattin die linke Hand). Diese Form der Eheschließung kam regelmäßig zur Anwendung, wenn zwei Personen unterschiedlichen Standes sich das Eheversprechen gaben. Ihre rechte Hand liegt offen in seiner linken; das bedeutet, sie gibt sich ihm hin, er heiratet sie. Die Segenshand und auch die Handhaltung des Mannes ist vergleichbar mit analogen Darstellungen von Jesus als Herrscher über die Welt in mittelalterlichen Fresken. Daher stammt vermutlich auch die frontale Darstellung Arnolfinis.

Ob die Frau schwanger ist, ist nicht bekannt. Die Wölbung ihres Bauches spricht zwar dafür, doch war es für van Eyck und seine zeitgenössischen Malerkollegen durchaus typisch, die Fruchtbarkeit von Frauen durch diese Darstellungsweise besonders hervorzuheben, ohne dass damit gleich eine vorliegende Schwangerschaft angedeutet werden sollte (zu dieser Zeit ist die Heirat einer offensichtlich schwangeren Frau ohnehin undenkbar gewesen). Ihre anmutige Körperhaltung ist madonnengleich und auch die Farbe der Kleidung - Weiß Blau - steht für Maria und somit für Unschuld und Reinheit. Bei der weiblichen Figur handelt es sich wahrscheinlich nicht um ein Porträt, sondern um eine madonnenhafte Idealisierung, wobei die Gesichtszüge des Mannes durchaus Giovanni Arnolfini zugeordnet werden können. Die weiße Kopfbedeckung der Frau ist ein weiterer Hinweis für die Eheschließung, die Frau kommt „unter die Haube“ - auch heute noch ein gängiger Begriff für das Heiraten. In vergangenen Zeiten trugen verheiratete Frauen ihre Haare bedeckt, da offen getragene und unbedeckte Haare als verführerisch angesehen wurden und nur unverheirateten Frauen erlaubt waren.

Verschiedene Symbole ergänzen das Bild:

  • Reichtum: Reich ist der Haushalt, das sieht man nicht nur an der pelzbesetzten Kleidung, sondern auch am Inventar (Glasfenster mit sog. Butzenscheiben, anatolischer Teppich, Orangenfrüchte auf dem Schrank vor der Fensterbank).
  • Kerze: Auf dem Lüster brennt lediglich eine Kerze, denn im Mittelalter wurde bei Hochzeitszügen meist eine große Kerze voran getragen oder der Braut vom Bräutigam überreicht. Die einzelne Flamme stellt den alles sehenden Christus dar, der Zeuge beim Ablegen des Ehegelöbnisses ist (vgl. Ewiges Licht in Kirchen = Anwesenheit Gottes). Kerzen an sich sind ein weiteres Symbol für den Wohlstand, wie auch der sehr aufwändig gestaltete Messing-Kronleuchter.
  • Hund: Der Hund - ein Affenpinscher - ist das Symbol für eheliche Treue, das sich auch auf Grabsteinen von Eheleuten in dieser Zeit wiederfindet. Das Tier befindet sich nicht zufällig eher zu Füßen der Frau, denn nur von der Frau erwartete man unbedingte Treue.
  • Boden: Symbolgehalt haben auch die scheinbar achtlos abgestellten Holzpantinen: „Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, darauf du stehst, ist ein heilig Land“ heißt es im Alten Testament der Bibel. Wenn zwei Brautleuten das Sakrament der Ehe gespendet wurde, galt auch ein simpler Dielenboden als „heilig Land“.
  • Figur auf der Stuhllehne: Im Bildhintergrund rechts (kaum zu erkennen neben dem an die Wand gehängten Besen) ist eine von der Frau halb verdeckte Stuhllehne mit einer geschnitzten Figur vorhanden: Sie stellt die heilige Margarethe dar, die Schutzpatronin werdender Mütter. Für die Reinheit der Frau sprechen der glasklare Spiegel und die durchsichtigen Perlen der Gebetskette (Vorläufer des Rosenkranzes, links neben dem Spiegel hängend).
Detail: Spiegel
Detail: Johannes de Eyck fuit hic
  • Runder Spiegel im Hintergrund: Die Form des Spiegels ist typisch für das Mittelalter; Spiegel konnten mit der damaligen Technik nur rundgewölbt hergestellt werden, weil bis dahin alle Versuche, ebene Glasspiegel zu gießen, an der Zerbrechlichkeit der Kristallplatte scheiterten. Hexen wurden diese Spiegel genannt, weil sie durch die Rundwölbung den Blickwinkel erweitern, Eyck hat diese Faszination in seinem Gemälde ebenfalls untergebracht (die Hexe an der Rückwand spiegelt die Deckenbalken, die der geradlinige Blick auf das Bild gar nicht hergibt). Auch sieht man im Spiegel, dass weitere Personen im Türrahmen stehen, möglicherweise die Zeugen für die Eheschließung bzw. den Maler selbst, während er die Szene festhält. Der Rahmen des Spiegels ist mit winzigen Passionsszenen verziert, ein weiteres Beispiel für den Detailreichtum der Bilder van Eycks. Die Passionsszenen können auch zur Bannung des Hexenspiegels gedient haben.

Die Signatur des Malers befindet sich über dem Spiegel. Der Maler ist hier von seiner üblichen Formulierung abgewichen: Er hat nicht Johannes de Eyck fecit (= hat gemacht) sondern Johannes de Eyck fuit hic (= war hier) notiert. Es sieht so aus, als sei Eyck einer der Zeugen der Hochzeit gewesen. Dadurch erhält das Bild ein Art Zeugnisfunktion, es wird zum Beleg und damit zum Dokument der Hochzeit.

Literatur

  • Erwin Panofsky: Jan van Eyck's Arnolfini-Portrait. In: Burlington Magazine. Nr. 64. 1934. S. 112-127.
  • Rose-Marie und Rainer Hagen: Meisterwerke im Detail Band 2. Köln 2003.
  • Wieland Schmied (Hrsg.): „Harenberg Museum der Malerei. 525 Meisterwerke aus sieben Jahrhunderten“. Dortmund: Harenberg Lexikon Verlag, 1999. ISBN 3-611-00814-1
  • Manfred Wundram: „Die berühmtesten Gemälde der Welt“. Bergisch-Gladbach: Imprimatur Druck- und Verlagsgesellschaft, 1976

Weblinks

 Commons: Das Arnolfini-Bild – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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