Natriummonofluorphosphat

Natriummonofluorphosphat

Als Fluoridierung bezeichnet man

  • die Zugabe von Fluoriden insbesondere zu Speisesalz, Trinkwasser, Milch, Tabletten und Zahnpasten,
  • das Aufbringen (gewöhnlich beim Zahnarzt) höher konzentrierter Fluorid-Produkte (Gele, Lösungen, Lacke) direkt auf die Zähne ("lokale" oder "topische" Fluoridierung)

zur Prophylaxe von Zahnkaries.

Inhaltsverzeichnis

Kariesvorbeugung durch Fluoride

a) Die Kristallite fluoridgeschützter Zahnhartsubstanz werden bei kariösen Angriffen nicht aufgelöst
b) Herrscht ein Fluoriddefizit, wird bei kariösen Angriffen die Oberfläche der Kristallite teilweise oder vollständig aufgelöst

Als Maßnahme für gesunde Zähne gelten neben der Zahnpflege und einer für die Zähne gesunden Ernährung Fluoridanwendungen, die die natürliche Fluoridkonzentration im Zahnschmelz zum Zweck der Prophylaxe erhöhen sollen. Fluorid soll bei den diversen Anwendungsarten in den Zahnschmelz eingebaut werden und zudem bei der Mundflora die Bildung von Säuren aus Zucker reduzieren (Hemmung der Glykolyse). Durch Säureeinwirkung wird der kristalline Schmelzanteil (Hydroxylapatit) aus dem Zahnschmelz ausgewaschen, aber zum Teil durch den Speichel in gewissen Mengen auch wieder zugeführt. Fluoridanwendung soll dieses Gleichgewicht in Richtung einer höheren Fluoridkonzentration des Zahnschmelzes (Bildung von Fluor-Apatit) verschieben. Fluor-Apatit ist unter Reagenzglasbedingungen (pH 5,5) zwar weniger säurelöslich als Hydroxylapatit, in den bakteriellen Zahnbelägen werden nach Zuckerzufuhr durch die gebildeten Säuren lokal aber weit niedrigere pH-Werte erreicht.

Einer der Erklärungsversuche zur Fluorid-Wirkung gegen Karies sieht so aus: Zahnschmelz besteht chemisch gesehen aus positiv geladenen Calcium-Teilchen und negativ geladenen Phosphat-Teilchen, die zusammen das Hydroxylapatit bilden. Im natürlichen Zahnschmelz enthält das Hydroxylapatit Magnesium und Carbonate, von denen manche Autoren meinen, es handele sich um "Verunreinigungen" aus dem Stoffwechsel der schmelzbildenden Zellen (Adamantoblasten). Diese Verunreinigungen sollen das Kristallgitter schwächen und werden bei Säureangriffen bevorzugt gelöst. Andere Autoren meinen, das (bi-)carbonat werde als wichtiges Puffersystem während der Schmelzbildung von dem Enzym Carboanhydrase gebildet [1] oder es handele sich gar um erste Kristallisationskeime, ohne die eine ordentliche Schmelzstruktur nicht gewährleistet sei.

Bei geringer Häufigkeit oder Stärke der Säureangriffe auf den Zahnschmelz wird bevorzugt magnesium- und carbonathaltiges Apatit gelöst und bei der Remineralisation in Anwesenheit von Fluorid als fluoridiertes Apatit wieder in den Schmelz eingebaut. Fluorid soll dann das Kristallgitter durch seine hohe Ladungsdichte (kleines Ion mit starker Ladung) verstärken und so seine Auflösung verhindern (Schutz vor Demineralisation). Dadurch wird im Verlauf des Lebens die äußere Schmelzschicht verstärkt, vorausgesetzt die Karies ist nicht zu aggressiv (das heißt die Entmineralisierungsphasen sind nicht zu lang und zu häufig). Regelmäßiges Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta ist dazu im Allgemeinen ausreichend. Bei Patienten mit hohem Kariesrisiko kann zusätzlich eine Fluoridapplikation durch den Zahnarzt notwendig werden.

Ursprünglich wurde angenommen, bei Kindern könne durch Trinkwasserfluoridierung beziehungsweise durch Gabe von Fluoridtabletten bereits vor Durchbruch der Zähne in der Schmelzbildungsphase Fluoridapatit in den Zahnschmelz eingelagert und der gesamte Schmelz „durchgehärtet“ werden, was jedoch wissenschaftlicher Überprüfung nicht standhielt, denn selbst bei Zahnfluorose sind die gefundenen Fluoridgehalte im Zahnschmelz (0,04 %)[2] weit niedriger als man bei vorrangiger Bildung von Fluor-Apatit (ca. 3,8 % F-) finden müsste. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass die regelmäßige lokale Aufbringung niedrig dosierter Fluoride (Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta) den besseren Schutzeffekt direkt an der Zahnoberfläche bietet. Außerdem können die Fluoride erst durch die gleichzeitige Entfernung der bakteriellen Beläge an ihren Wirkungsort gelangen.

Verwendete Fluoride

Unter „Fluor“ versteht man im Zusammenhang mit Kariesprophylaxe die gebundene Form des Elements, das als Fluorid oder Fluorokomplex vorliegen kann. Üblicherweise benutzte Fluoride sind Natriumfluorid (NaF, z. B. in den Fluoridtabletten oder in manchen Zahncremes bzw. Mundwässern), Kaliumfluorid (KF, im fluoridierten Speisesalz), Zinn(II)-Fluorid (SnF2, manchmal in Zahncremes eingesetzt) oder Aminfluoride (in Zahncremes und fluoridhaltigen Gelen), wie Olaflur. Die gelegentlich ebenfalls unter den Begriffen „Fluoride“ oder „Fluor“ eingereihten Fluoridokomplexe umfassen Natriummonofluorphosphat (Na2PO3F, in Zahncremes verwendet), oder die Fluoridosilikate (Natriumhexafluoridosilikat, Na2SiF6; Hexafluorkieselsäure, H2SiF6), die seit Beginn der 1950er Jahre zur Trinkwasserfluoridierung eingesetzt werden. In der Frühzeit der Trinkwasserfluoridierung hat man in einer Stadt im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin sogar mit Fluorwasserstoff (HF, Flusssäure) „fluoridiert“, weil diese Säure in der Region produziert wurde und dort günstig zur Verfügung stand.

Aufnahme von Fluorid

Prinzipiell gibt es mehrere Möglichkeiten Fluoride aufzunehmen:

  1. Lokale Anwendung: das fluoridhaltige Mittel wird hauptsächlich in der Mundhöhle angewandt und bleibt eine Zeit lang im Speichel nachweisbar (Zahnpasten, Mundspülungen, Gele und Lacke).
  2. Systemische Anwendung: Fluorid wird mit der Nahrung aufgenommen oder als Tablette verabreicht. Das Fluorid wird im Verdauungstrakt resorbiert und über das Blut transportiert. Von dort aus kann es in neugebildetes Zahnhartgewebe (Dentin) und Knochengewebe eingebaut oder im Speichel ausgeschieden werden. Beispiele: fluoridhaltiges Trinkwasser, Mineralwasser, Tabletten, Speisesalz, fluoridhaltige Nahrungsmittel (Fisch, Schalentiere, Tee). Die Verweildauer im Mund ist sehr gering und die Konzentration an Fluorid meist sehr klein (außer bei Fluoridtabletten).
  3. Gemischte Anwendung: Lutschen von Fluoridtabletten, Verschlucken von fluoridhaltiger Zahnpasta wirkt zuerst lokal im Mund und danach systemisch.

Nach neuesten Forschungen wirken fluoridhaltige Verbindungen allerdings nur an der Zahnoberfläche, und durch das Essen aufgenommenes Fluorid oder fluoridhaltige Verbindungen können angeblich nicht auf den Zahnschmelz einwirken [3][4], was der Salzfluoridierung jeden Sinn nähme. Deshalb müsse man sich entweder regelmäßig einer Fluorid-Behandlung beim Zahnarzt unterziehen oder zum Zähneputzen eine fluoridhaltige Zahnpasta verwenden, um einen langfristigen Effekt zu erzielen. Interessant sind in diesem Zusammenhang eine Reihe von Patenten der American Dental Association Health Foundation (ADAHF) nach denen gerade die topische Anwendung höher konzentrierter Fluorid-Produkte eher zu einem Verlust an Zahnmineralien führt (durch Entzug von Calcium aus dem Apatit zur Bildung von Calciumfluorid an der Zahnoberfläche, von der letzteres leichter weggespült wird) [5], eine Erkenntnis, die zur Entwicklung von Zwei-Komponenten-Systemen führte.

Empfohlene Mengen

Als um 1945 in den USA die Trinkwasserfluoridierung („TWF“, Fluoridzusatz von ca. 1 mg je Liter) eingeführt wurde, ging man dabei von einer täglichen Fluoridzufuhr von 1 bis 1,5 mg pro Tag aus (McClure), und dieser Wert diente später als Basis für die Fluoridverabreichung in Tablettenform. Seit etwa 25 Jahren weiß man, dass in Orten mit Trinkwasserfluoridierung die tägliche Zufuhr bei etwa 3 mg (und mehr) pro Tag liegt.

Entsprechend passte das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BGVV) in einer Stellungnahme (September 2001) die Zufuhrempfehlung für eine Kariesprophylaxe auf 3,1 mg bis 3,8 mg pro Tag für Personen zwischen 19 und 65 Jahren an. [6]

Dagegen sieht sich die WHO nicht in der Lage einen Wert für einen täglichen Fluoridbedarf festzulegen, da es keine diagnostischen Parameter und keinen Beweis für die Existenz klinischer Symptome eines „Fluoridmangels“ gibt. [7]

Fluorose

Bei überhöhter Fluoridaufnahme, beispielsweise Zufuhr aus mehreren Quellen (beispielsweise Verschlucken von Zahnpasta plus Fluoridtabletten oder stark fluoridhaltigem Mineralwasser) kann Zahnfluorose entstehen, die unter anderem zu Zahnverfärbungen führt.

Bei höherer Dosierung kann auch Knochenfluorose entstehen. Letztere sieht man hauptsächlich in tropischen Ländern, wo fluoridreiches Wasser aus vulkanischen Quellen getrunken wird (Kenia).

Unter bestimmten Voraussetzungen (zum Beispiel Verzehr von vielen Fluoridtabletten durch Kinder, oder technisches Versagen von Anlagen zur Wasserfluoridierung) ist auch eine akute Fluoridvergiftung möglich.

Siehe: Fluorose

Kontroverse um Schaden und Nutzen

Unter verschiedenen Aspekten wird die Fluoridierung (insbesondere des Leitungswassers) kontrovers diskutiert, teilweise mit fragwürdigen Argumenten.[8] Einerseits sind Fluoride und ihre Komplexsalze giftig. Natriumfluorid und diverse Fluorosilikate sind daher auch als Ratten- und Insektengifte patentiert und verkauft worden.[9] Diese Verbindungen haben wiederholt zu oft tödlich verlaufenen akuten Vergiftungen beim Menschen geführt (durch Unfälle, Verwechslungen, Suizide und Mordanschläge), die mit ihrer Produktion befassten Arbeiter chronisch geschädigt (siehe Fluorose), oder als Immissionen Umweltschäden (an Nutzpflanzen und Tierbeständen) ausgelöst, die zu hohen Schadenersatzforderungen führten. Dass allein die „Dosis das Gift macht“ wird von Manchem nur schwer akzeptiert (auch die gleiche "Dosis" Alkohol wirkt sich bei verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich aus), zumal die Frage der „optimalen Dosis“ bei der Fluoridierung ebenfalls nicht völlig geklärt zu sein scheint. Schließlich stellt man durch Fluoridierung eine bestimmte Konzentration z. B. im Leitungswasser ein, wobei letztlich die individuelle „Dosis“ von der verbrauchten (Wasser)menge (plus Fluorid-Zufuhr aus anderen Quellen) bestimmt wird. Und die variiert. Andererseits empfinden viele Menschen die Fluoridierung als Zwangsmedikation, die sie rundweg ablehnen.

Ein Ende März 2006 herausgegebener Bericht des amerikanischen National Research Council befasst sich näher mit den medizinisch und toxikologisch relevanten Problemen, die eine striktere Regulierung der oft überhöhten Fluoridzufuhr erforderlich machen.[10]

Kontroversen gibt es aber nicht nur im klassischen Sinn zwischen Befürwortern und Gegnern der Fluoridierung, sondern auch zwischen diversen Befürwortern (beispielsweise strittige Detailfragen zwischen Kinder-[11] und Zahnärzten[12]) und bei personellen Veränderungen innerhalb derselben Behörde, z. B. beim Positionswechsel des Bundesgesundheitsamts: 1982 noch dagegen,[13] bei Wechsel des Abteilungsleiters Kurswechsel in die Gegenrichtung mit Herausgabe eines "Erratums" zum SozEp Bericht.[14] Die Salzfluoridierung wurde im Oktober 1983 vom damaligen Gesundheitsministerium noch abgelehnt,[15] 1991 wurde sie eingeführt. Gelegentlich ändert sich auch die persönliche Überzeugung, wenn man sich intensiver mit dem Thema befasst: der vormals prominenteste kanadische Verfechter der Fluoridierung, der Zahnarzt Dr. Hardy Limeback, Universität Toronto, spricht sich inzwischen ausdrücklich gegen die Trinkwasserfluoridierung aus.[16] Zusammen mit über 1700 einschlägigen Experten, die sich seit Jahren uneigennützig mit der Problematik befassen, unterzeichnete er im August 2007 ein Statement, in dem der Stopp der Trinkwasserfluoridierung und eine Untersuchung durch den US-Kongress gefordert werden.[17]

Ideologische Auseinandersetzungen

Die Fluoridproblematik hatte bereits bei mancherlei Gelegenheiten für politischen Zündstoff gesorgt[18][19][20] als sie sich auch im "Kalten Krieg" als probates Mittel erwies um politischen Druck zu erzeugen. In seinem 1952 veröffentlichten Werk The truth about water fluoridation behauptete Charles Eliot Perkins, die Wasserfluoridierung sei durch den in England geborenen russischen Kommunisten Kreminoff 1935 nach England gebracht worden. Kurz darauf hätten englische Sozialisten die Fluoridierung in den USA eingeführt, wo sie viele Anhänger in höchsten Positionen gehabt hätten.[21] Oliver Kenneth Goff erklärte 1957, er sei in den späten dreißiger Jahren in einem Kommunisten-Camp ausgebildet worden, wo man ihn lehrte, mit einem Sack Natriumfluorid im Wasserwerk den kompletten Wasservorrat einer Stadt zu vergiften und unter der US-Bevölkerung Lethargie zu erzeugen. Es sei während seiner Ausbildung auch darüber diskutiert worden, wie die Wasserfluoridierung in Russland zur Ruhigstellung in Gefangenen-Lagern eingesetzt worden sei.[22]

Somit war "klar", dass ein echter Kommunist niemals fluoridiertes Wasser trinken würde. Umgekehrt konnte jemand, der fluoridiertes Wasser trank, nach dieser Logik unmöglich Kommunist sein. Wann immer also wieder einmal behauptet wurde, eine Regierung sei bis in höchste Positionen von Kommunisten durchsetzt, gehörte zur "Widerlegung" die öffentliche Erklärung man trinke selbst fluoridiertes Wasser. Dazu sahen sich gelegentlich sogar amerikanische Präsidenten genötigt: Dwight D. Eisenhower wusch sich so rein, und sein Nachfolger John F. Kennedy sah sich ebenfalls zu einer entsprechenden Erklärung genötigt.[23] Kennedy ließ in seiner Verteidigungsrede kein gutes Haar an der als rechtsradikal eingestuften John Birch Society, die ihn durch ihren wachsenden politischen Einfluss zum Handeln gezwungen hatte.

Dieser amerikanischen anti-kommunistischen Logik nimmt sich ein Film von Stanley Kubrick an: Dr. Seltsam, oder wie ich lernte die Bombe zu lieben. In diesem 1964 gedrehten Film erklärt der durchgedrehte General Jack D. Ripper seinem Assistenten Captain Mandrake: "Auf keinen Fall wird ein Kommunist je ein Glas Wasser trinken, denn er weiß genau, aus welchem Grund … Fluoridation des Wassers – der grauenhafteste kommunistische Anschlag, dem wir ausgeliefert sind." Ripper selbst trinkt sinnigerweise nur "destilliertes Wasser" (Regenwasser) und "reinen medizinischen Alkohol" (Scotch). In Anspielung auf eine kommunistische Durchsetzung der Regierung versuchen der amerikanische und der russische Präsident als gute Freunde die von Ripper geschaffene Kriegsgefahr gemeinsam zu bannen. Das Werk wird heute noch gerne zur Polemik gegen Fluoridgegner missbraucht [24]. Während so die Auswüchse der McCarthy-Ära Fluoridgegner wirksam in Schach hielten, schlug die Amerikanische Zahnärztekammer (American Dental Association) mit ihren Dossiers über Fluoridierungsgegner in die gleiche Kerbe: Ärzte und Wissenschaftler, die sich gegen die Maßnahme aussprachen, wurden in einem Atemzug mit Perkins, Goff, der Birch Society und dem Ku-Klux-Klan vorgeführt.[25]

Auf anderer Ebene konnten sich westliche Nationen mühelos mit den "Kommunisten" einigen: Am 6. Mai 1937 schlossen in London Regierungsvertreter verschiedener Staaten ein internationales Zuckerabkommen ab, in dem erstmals auf Regierungsebene für eine Preis-Stabilisierung Export- und Import-Quoten festgelegt, eine Reduzierung von Steuerlasten und eine Steigerung des Pro-Kopf-Zuckerverbrauchs angestrebt werden. [26] [27] Als zentrale Anlaufstelle für alle Vertragsangelegenheiten wurde ein "International Sugar Council" mit Sitz in London ("Sugar Bureau") eingerichtet. Damit sind natürlich ernsthafte Bemühungen um eine an den Ursachen angreifende Kariesprophylaxe offiziell obsolet. Forscher der Universität Michigan, wo Forschungen über die Rolle von Zucker und Bakterien für die Kariesentstehung eine lange Tradition hatten [28], reagierten darauf prompt: "Despite the vast advertising resources of the sugar industry, attention is gradually becoming focused upon the role of sugar in the etiology of dental caries. Should this information become widespread to the extent that the sale of sugar becomes seriously affected, teeth would be spared only at the expense of our economic welfare. Too large a proportion of the world´s population is directly dependent upon the sugar industry for its distress not to be felt by everyone ... The present consideration of fluorine in dental caries research may affect the public favorably or adversely, dependent largely upon the attitude of the dental profession" [29] In Deutschland gab es 1967 ein Abkommen zwischen dem Bundesverband Deutscher Zahnärzte und der Zuckerindustrie (siehe Chronik). Auch dieses Abkommen wird als einer der Belege dafür angeführt, dass mächtige wirtschaftliche Interessengruppen bei den Auseinandersetzungen um die Fluoridierung eine Rolle spielen. Dabei wird behauptet, dass die Fluoridierung ein Vorwand sei um von den Ursachen der Zahnkaries abzulenken. Es liege insbesondere im Interesse der Zuckerindustrie, die Fluoridierung zu propagieren. In diesem Zusammenhang sind die Auseinandersetzungen um den Zahnarzt Dr. Johann Georg Schnitzer zu betrachten, der sich in seinen Veröffentlichungen hierzu äußerte[30]. Auch die unten genannte „weiterführende Literatur“ enthält Beispiele für Zucker-Interessen.

Chronik

  • 19.Jhdt.: Auf erste Nachweise von Fluorid in fossilen und rezenten Knochen und Zähnen folgt die Spekulation, diesem Mineral verdanke der Zahnschmelz seinen Glanz und seine Härte. Empfehlungen, Fluorid für eine ausreichende Schmelzbildung einzunehmen, widersprechen Zahnärzte, die im Fluoridgehalt gesunder und kariöser Zähne keinen Unterschied finden können.[31]
  • 1916: Die Zahnärzte Dr. Greene Vardiman Black & Dr. Frederick Sumner McKay berichten in einer Artikelserie über das endemische Auftreten gefleckter Zähne ("mottled teeth") in einigen Regionen der USA. McKay vermutet eine besondere Eigenschaft des lokalen Trinkwassers als Ursache. In den touristisch attraktiven Städten ist dieser negative Aspekt nicht sehr willkommen. [32]
  • 1931: Auf den Verdacht, die Zahnfleckung könne auf Aluminium zurückgeführt werden, reagiert ALCOA mit einer Untersuchung von Trinkwassserproben. Zur Überraschung findet man darin aber Fluorid, das in Tierversuchen als Auslöser entsprechender Zahnschäden überführt wird.[33] Im Öffentlichen Gesundheitsdienst der USA ("United States Public Health Service", USPHS) wird eine zahnärztliche Forschungsstation eingerichtet und mit dem Zahnarzt Dr. Henry Trendley Dean besetzt, dem künftigen "Vater der Fluoridierung" [34]. Ihm wird ein Beraterteam zur Seite gestellt, dem auch Dr. Weston Price und Dr. Russel Bunting angehören. Bunting, der einstige designierte Assistent Willoughby D. Miller´s, hatte inzwischen an der Uni Michigan Millers Arbeiten nach dessen Tod fortgeführt, dabei Zucker und bestimmte Bakterien (Lactobacillen) als Kariesursache herausgestellt.
  • 1937: erstes internationales Zuckerabkommen auf Regierungsebene (s.o.); die zahnärztliche Forschung im USPHS wird ausgebaut, der Fluorideinfluss auf die Häufigkeit von Zahnkaries wird in den Vordergrund gestellt. Ein Team besucht die texanischen Städte Amarillo (ca. 4 ppm) und Wichita Falls (0.4 ppm F-) für statistische Übungen.[35] Bunting wird als neuer Dekan der zahnmedizinischen Fakultät der Uni Michigan zur Schreibtischarbeit verbannt, sein Assistenzprofessor Philip Jay übernimmt die Forschung und fungiert als Berater des USPHS.[36]
  • 1940: Auf die Einsicht, dass eine kausale Kariesprävention durch Reduktion des Zuckerkonsums aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen ist (Jay, s.o.), folgen erste Fluoridierungsversuche: In Escanaba (Michigan) und Garretsville (Ohio) werden Wasserquellen mit erhöhtem Fluoridgehalt (1,7 ppm) erschlossen und deren Wasser mit Wasser aus bestehenden Quellen gemischt um einen Fluoridgehalt von 0,7 ppm zu erreichen. Nach zwei Jahren ist noch kein Einfluss auf die Karieshäufigkeit unter den Bewohnern nachzuweisen [37], trotzdem laufen bald Vorbereitungen für die ersten Versuche mit künstlichem Fluoridzusatz an.
  • 1942: Trendley Dean und Philip Jay stellen ihre statistischen Untersuchungen in 21 Städten vor, wonach der Kariesbefall bei Kindern mit zunehmender Fluoridkonzentration des Wassers sinken soll. Diese Arbeiten werden später heftig kritisiert.[38]
  • 1945: Beginn der ersten Fluoridierungsversuche in den US-Städten Grand Rapids (Michigan) und Newburgh (New York), sowie in Brantford (Ontario, Canada). Nach Ende des Krieges besucht Trendley Dean mehrere deutsche Städte für zahnmedizinische Untersuchungen.
  • 1948: David B. Ast, Initiator des Newburgh-Versuchs, und Henry Klein (USPHS) besuchen europäische Städte um dem American Jewish Joint Distribution Committee ein Bild von der zahnärztlichen Versorgung zu vermitteln. Beide versorgen ihre europäischen Kollegen mit Fluorid-Literatur.[39]
  • 1949: In Deutschland wird der Deutsche Ausschuss für Jugendzahnpflege gegründet, innerhalb dessen ein Jahr später sich eine "Deutsche Fluorkommission" bildet (mit dem späteren ORCA Mitgründer H. J. Schmidt).
  • 1950: Unter dem Druck durch Agitatoren aus Wisconsin spricht der USPHS vorzeitig eine offizielle Empfehlung der TWF aus und begünstigt so deren rasche Verbreitung in den USA.[40]
  • 1951: "Fluor-Grossaktion im Land Hessen" durch Verteilung von Fluorid-Pillen an Schulkinder. "Die Gesamtkosten ... werden teilweise von amerikanischer Seite getragen".[41] Auf der Jahresversammlung der State Dental Directors gibt der Vertreter aus Wisconsin seinen Kollegen Ratschläge, wie man autoritär, ohne lange Diskussion, die Fluoridierung an den Mann bringt.[42]
  • 1952: Zwischen Deutschland und den USA erfolgt ein reger Austausch von Zahnärzten für Studienbesuche. Am 2. Dezember 1952 beginnt in Kassel-Wahlershausen der erste deutsche Trinkwasserfluoridierungsversuch, auf Betreiben von Prof. Hornung.[43] Schon nach kurzer Zeit erfordert die Apparatur eine Instandsetzung.[44]
  • 1953: Zucker-, Getränke- und Fluorindustrie gründen die Arbeitsgemeinschaft für Fluorforschung und Kariesprophylaxe ORCA.[45]
  • 1962: Beginn der TWF in Basel
  • 1967: Der Bundesverband Deutscher Zahnärzte schließt mit der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker ein Abkommen auf gegenseitige Unterstützung, bekannt als „Süßes Gespräch“.[46]
  • 1971: Die Fluoridierungsanlage in Kassel wird auf Beschluss des verantwortlichen Ministeriums endgültig abgestellt als Ergebnis "gesetzlicher und gesundheitlicher Erwägungen".[47]
  • 1976: Der Deutsche Bundesverband der Zuckerindustrie, die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarindustrie CMA und die Arbeitsgemeinschaft Zucker der Verbände zuckerverarbeitender Betriebe zur Absatzförderung gründen den Informationskreis Mundhygiene und Ernährungsverhalten IME. Er soll die Mundhygiene und Fluoridierung in der Kariesvorbeugung fördern.[45]
  • 1984: In Berlin wird versucht, die TWF einzuführen.[48] Der Versuch scheitert am Widerstand der Bevölkerung. Doch Ulf Fink setzte sich nun für eine Gesetzesänderung über den Bundesrat ein, um die Fluoridierung von Kochsalz zu ermöglichen [49].
  • 1991: In Deutschland ist fluoridiertes Kochsalz erhältlich und beginnt den Markt zu erobern.
  • 1992: In einem Dorf in Alaska kommt es aufgrund eines Defekts in der Trinkwasseraufbereitungs-Anlage in der Bevölkerung zu Fluorid-Vergiftungen und einem Todesfall.[50]
  • 2003: In Basel wird die TWF eingestellt.

Situation weltweit

  • Alaska: Trinkwasserfluoridierung mit 53 µmol/l (1000 µg/l). Hieraus resultiert ein Serumfluoridspiegel von 0,5–1,6 µmol/l (10–30 µg/l).
  • Irland: Trinkwasserfluoridierung in einigen Orten
  • Schweiz: Trinkwasserfluoridierung (nur in der Stadt Basel!) wurde 2003 eingestellt. Seit ca. 1955 Fluoridzusatz zum Kochsalz.

Literatur

Quellenangaben

  1. Arnold W.H.: D.Z.Z. 61 (2006) 524
  2. Wright J. T. et al.: J. dent. Res. 75 (1996) 1936 ff.
  3. Ilka Lehnen-Beyel: Warum Fluorid in die Zahnpasta und nicht ins Salz gehört
  4. Fluoride & Tooth Decay: Topical Vs. Systemic Effects (Englisch), siehe auch Literaturliste dort
  5. z.B. US Patent 4,556,561 vom 3.12.1985; US Patent 5,145,668 vom 8.9.1992; Europ. Patent 0719130 B1 vom 3.7.1996
  6. BGVV Juli 2002, Wdh. des Statements vom Sept. 2001 als (Trotz-)Reaktion auf das BfR-Dokument
  7. BfR Januar 2002, S. 22-23
  8. Meiers P.: J. Orthomolecular Med. 16:2 (2001) 73-82
  9. Meiers P., Fluoride-History Website (Juli 2006)
  10. U. S. National Research Council, März 2006 (engl.)
  11. Bergmann K. E. et al.: Stellungnahme der Kinderärzte
  12. Diskussion um Fluoridtabletten
  13. Schön D., Hoffmeister H., Darimont T., Mandelkow J., Sonneborn M.: "Gesundheitlicher Einfluß von Trinkwasserinhaltsstoffen", SozEp-Berichte 6/1982
  14. Bergmann K. E. (BGA): "Zahnkariesprophylaxe – Anwendung von Fluoriden" Stellungnahme zur GGB vom 29.11.1983; und: Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, Drucksache 10/2403 v. 20.11.1984, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Ehmke (Ettlingen), Frau Schoppe und der Fraktion DIE GRÜNEN, "Trinkwasserfluoridierung"
  15. Schreiben Dr. Drews, Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, an Dr. H. Nieper, 19. Okt. 1983 re. "Fluoridierung von Speisesalz"
  16. Hardy Limeback „Why I am now officially opposed to adding fluoride to drinking water“
  17. August 9, 2007: More than 1700 Professionals Call for an End to Water Fluoridation
  18. J. Scott Walker: "Mottled Enamel", J. Am. Dent. Assoc. 20 (1933) 1867
  19. Leon R. Kramer: "Proposed Nationwide Fluorine Survey", J. Am. Dent. Assoc. 33 (1946) 649
  20. Tom Hudson: "Lake Elsinore Valley. Its story 1776-1977", Laguna House, 1978
  21. Charles Eliot Perkins: "The truth about water fluoridation", The fluoridation educational Society, Washington 1952
  22. K. O. Goff: "Lest we forget", Notariell erfasste Niederschrift vom 19. März 1957, wiedergegeben im "American Sunbeam", 3. Jan. 1983
  23. "Kennedy lashes out at Birchites, other Rightist Fanatics", The Washington Post, 19. Nov. 1961
  24. Chicago Tribune: Look Mom, no cavities
  25. ADA Bureau of Public Information: "Comments on the Opponents of Fluoridation", J. Am. Dent. Assoc. 65 (1962) 694-710 und J. Am. Dent. Assoc. 71 (1965) 1155-1183)
  26. Erstes internationales Zuckerabkommen
  27. New York Times, 7. Mai 1937, S.9: "World sugar pact signed at London"
  28. Bunting RW: "The story of dental caries", Ann Arbor, MI, 1953
  29. Jay P.: "Research in dentistry: its importance to the public", Proc. Ann. Meet. Am. Assn. Dent. Schools 17 (1940) 65 ff.
  30. http://www.dr-schnitzer.de/agdb003.htm
  31. Meiers P.: Fluoridforschung im 19. und frühen 20. Jhdt. (engl.)
  32. Meiers P.: Gefleckte Zähne (engl.)
  33. Meiers P.: Die Bauxite Story - ein Blick auf ALCOA (engl.)
  34. Meiers P.: USPHS initiiert zahnmedizinische Forschung
  35. Fragwürdige Gesundheitstests (engl.)
  36. Annual Report of the Surgeon General of the Public Health Service of the United States for the Fiscal Year 1938, USPHS 1939, S.56
  37. Arnold FA, Dean HT, Elvove E.: "Domestic water and dental caries, IV. Effect of increasing the fluoride content of a common water supply on the Lactobacillus acidophilus counts of the saliva", Publ. Health Rep. 57 (1942) 773
  38. Ziegelbecker R.: Fluoride sind keine Kariesprophylaktika, Erfahrungsheilkunde 20 (1971) 389
  39. Ast DB: Schreiben an Henry Klein, USPHS, vom 15. Jan. 1948; American Jewish Joint Distribution Committee Archives, Collection #45/54, File 349
  40. McNeil DR: "The fight for fluoridation", New York, 1957
  41. Zahnärztl. Welt 6 (1951) 235
  42. Konferenz der zahnärztlichen Direktoren der Staatl. Gesundheitsämter der USA
  43. Zahnärztl. Praxis 4:Nr.5 (1953) S.6; Zahnärztl. Praxis Nr. 24 (1954) S.6; Zahnärztl. Praxis Nr. 10 (1955) S.5
  44. Zahnärztl. Mitteil. Nr.2 (1954) S.60
  45. a b Helga Federspiel, Zahn um Zahn, 1986, S. 80.
  46. Zahnärztliche Mitteilungen, Bd. 57, Nr. 20, 1967, S. 974; zitiert nach: Max O. Bruker und Rudolf Ziegelbecker: Vorsicht Fluor. emu-Verlag, 2005, ISBN 3-89189-013-3.
  47. DVGW: Dokumentation zur Frage der Trinkwasserfluoridierung, Eschborn 1975, S.42
  48. Idris E.: "Mehr Schaden als Nutzen durch Fluorid?", Selecta Nr. 2, v. 9.1.1984, S.70
  49. "Fink geht auf Abstand zu Fluor-Plänen für das Wasser. Mehrheit der Befragten dagegen - Jetzt Hinweis auf Kochsalz", Der Tagesspiegel, 25.8.1984
  50. Illinois dental journal: Fluoride overfeeds in public water supplies; PMID 8259189.

Weiterführende Literatur

  • Max O. Bruker, Rudolf Ziegelbecker: Vorsicht Fluor. Das Kariesproblem. Verlag emu. 7. Auflage 2005. ISBN 3-89189-013-3
  • Krista Federspiel: Zahn um Zahn. Vom Umgang mit Zahnproblemen und Zahnärzten. Ein Ratgeber. Köln: Kiepenheuer & Witsch. 1996. ISBN 3462021826 (erstmals erschienen 1986)
  • Dietrich Volkmer: Jenseits der Molaren. Zahnmedizin oder Zahn-Heilkunde. Books on Demand GmbH. 2008. ISBN 3837058468

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