Naturpädagogik

Naturpädagogik
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Natur- und Umweltpädagogik will anhand praktischer Erfahrung Wissen über die Natur und über ökologische Zusammenhänge vermitteln. Sie soll Interesse und Freude an der Natur wecken, aber auch deutlich werden lassen, dass dem menschlichen Eingreifen in die Natur Grenzen gesetzt werden müssen. Ziel ist, bei der Bevölkerung eine Grundlage für ökologisch sinnvolles Handeln, Verhalten und Entscheiden zu legen.

Interesse und Freude an der Natur soll unter anderem auch dadurch geweckt werden, dass im Rahmen der Stadtplanung naturbelassene ("wilde", ungestaltete) Räume im Wohnumfeld für das freie (nicht pädagogisch angeleitete) Spiel der Kinder bereitgehalten werden (Städtische Naturerfahrungsräume).

Inhaltsverzeichnis

Die Bedeutung naturkundlicher Aktivitäten

Weder der städtische Lebensraum noch Presse, Funk und Fernsehen ermöglichen das Lernen aus dem direkten Kontakt zur Natur. Demzufolge sind die Kenntnisse vieler Menschen über ihren biologischen Lebensraum oft sehr unvollständig. Die Umweltpädagogik will diese Lücke mit bewusst gestalteten Aktivitäten füllen. Besonders Kinder im Vor- und Grundschulalter sind sehr gut für jede Art von Naturerfahrung zu begeistern.

Eine Möglichkeit bietet das Lernen auf Bauernhöfen. Zumeist auf Schul- und Lernbauernhöfen können Kinder unter sachkundiger Anleitung praktische Erfahrungen mit Kopf, Herz und Hand sammeln. Seit einigen Jahren gibt es in Städten auch sogenannte Naturerfahrungsräume, in denen Kinder frei und unbetreut spielen können (siehe Gesellschaftlicher Nutzen der Naturerziehung).

Daneben ist Natur- und Umwelterziehung auch ein wichtiges Anliegen der Erwachsenenbildung.

Die kindliche Neugier will den Reiz der Natur erfassen und sich von einer Hummel, die die Blüte besucht, von einem Frosch, der am Ufer quakt oder vom Farbspiel eines Sonnenuntergangs faszinieren lassen. Und wenn diese Faszination empfunden wird, sind auch die Ohren offen für das Verstehen der Zusammenhänge. Die Namen der Tiere und Pflanzen bleiben im Gedächtnis haften, und es entsteht der Wille, die Natur intakt zu halten. Gefördert wird dies auch dadurch, dass Naturerlebnisaktionen sehr schöne Gemeinschaftserlebnisse sind. So können wir uns als Teil der Natur erleben, sie als Lebensgrundlage verstehen, aber auch ihre Gefahren erkennen und lernen, wie man Sturm und Gewitter, aber auch Wespen und Kreuzottern in respektvollem Abstand begegnet

Da menschliche Gesellschaften der Natur auch mit handfesten wirtschaftlichen Interessen entgegentreten, ist es auch ganz wichtig, sinnvolle Grenzen des menschlichen Handelns aufzuzeigen. So muss es selbstverständlich sein, bei Naturerlebnisaktionen die gesetzlichen Vorgaben des Artenschutzes einzuhalten und auch zu erläutern. Jeder Teilnehmer kann verstehen, warum Individuen geschützter Arten nicht der Natur entnommen werden dürfen.

Im Rahmen der Naturerziehung kommt zur Sprache, dass von Menschenhand verursachte Störungen des Naturhaushalts meist zu unseren Lasten gehen. Es gibt also gute Gründe, den in unserer Gesellschaft historisch entstandenen Verlust an Naturverbundenheit wieder mit geeigneten Mitteln umzukehren. Gerade in Kindern und Jugendlichen darf man aber keine Existenzängste wecken, sondern man kann sie überzeugen, dass auch kleine Schritte sinn- und wirkungsvoll sind: etwa ein kleiner Teich im Schulbiotop oder eine Aktion, bei der Amphibien über die Straße getragen und vor dem Verkehrstod gerettet werden. Nebenbei kann dieses gemeinsame Streben nach einem naturverbundenen Ziel einen guten Beitrag zur Förderung des Sozialverhaltens leisten.

Sehr viel kann auch von naturverbunden lebenden Kulturen gelernt werden. So ist etwa die naturverträgliche Lebensweise der Indianer Nordamerikas vor dem Eindringen der europäischen Kultur ein faszinierendes Beispiel. Es gab noch bis in die jüngste Zeit viele Kulturen, die uns lehren können, wie Leben im Einklang mit der Natur möglich ist.

Intensives Wahrnehmen der Natur war schon immer der Motor wissenschaftlichen Fortschritts. Ob Newton den Apfel vom Baum fallen sah, Konrad Lorenz mit seinen Gänsen schwimmen ging oder Erwin Schrödinger seine Katze bemühte (und im Gedankenexperiment in Lebensgefahr brachte), um das Paradoxon der Quantenmechanik zu erläutern -- die Neugierde auf die Natur war immer der Fortschrittsmotor. Natur- und Umwelterziehung ist deshalb nicht einfach nur eine Umweltschutzmaßnahme, sondern kann einen sehr breiten Bildungsauftrag erfüllen. Dazu zählt etwa auch die Biotechnik, die von der Natur hervorgebrachte erstaunliche technische Lösungen analysiert und schon immer den technischen Fortschritt der Menschheit beflügelt hat. Doch pädagogisch gute Arbeit muss auch Gegengewichte setzen - und das ist in diesem Fall ein Umweltbewusstsein, das die Menschheit davor bewahren muss, gefährliche Grenzen zu überschreiten.

Wie können die Lehrer bzw. Erzieher arbeiten?

Allgemein wird empfohlen, dass Lehrer und Erzieher durch Kurse von Umweltakademien oder Veranstaltungen von Naturschutzverbänden Möglichkeiten der Natur- und Umweltpädagogik kennenlernen, aber auch über Regeln des Naturschutzes Bescheid wissen.

Seit Oktober 2008 besteht die Möglichkeit des Bachelorstudiums "Umweltpädagogik". Dieses wird an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik Wien angeboten und bildet Umweltpädagogen aus, die in den oben genannten Bereichen tätig sein können. Die Schwerpunkte des Studiums liegen in den Bereichen Umwelt, nachhaltiger Entwicklung, Pädagogik, lokaler und regionaler Nachhaltigkeit, dem verantwortungsvollen Umgang mit Naturräumen, Klimaschutz, Energieeffizienz, allgemeinen Bildungswissenschaften, Persönlichkeitsbildung und Prozessmanagement.

Naturerlebnis im Barfußpark

Wichtig ist es, von den Interessen der Kinder auszugehen. Mit Vorschlägen in Richtung Naturerlebnis kann man die Neugierde der Kinder wecken und Aktionen durchführen, die ihnen auch Spaß machen. Hier ist das spontane Interesse der Kinder an Körpererfahrung sehr hilfreich, z.B. der Spaß am Barfußgehen, welches die Beziehung zur Natur unmittelbar erlebbar macht und auch die Beobachtungsgabe anderer Sinne schärft. Einen guten Einstieg kann ein Ausflug zu einem Barfußpark, das Anlegen eines Barfußpfads mit den Kindern, Fußgymnastikspiele oder auch gut vorbereitete Barfußwanderungen bieten, bei denen auch Zeit für Naturbeobachtung eingeplant werden sollte.

Ein weiteres sehr gut geeignetes Erlebnisangebot ist eine "Tümpelsafari", bei der man Wassertiere mit Aquarianernetzen oder Teesieben fängt und in Beobachtungsgläser setzt. Mit einer Lupe oder ggf. einem Mikroskop kann man sie genauer anschauen. Meist will man mehr über Eigenschaften und Lebensweise der Tiere erfahren. Vielleicht kann man eine Expertin für Erklärungen gewinnen. Aber auch wenn jede Teilnehmende ihr Wissen beiträgt, kann ein detailliertes Bild zustandekommen. Unter dem Aspekt des Gemeinschaftserlebnisses ist dies vielleicht sogar der bessere Ansatz. Ganz wesentlich ist natürlich, bei einer solchen Aktion verantwortliches Handeln zu fordern: Die Tiere dürfen nicht beschädigt oder gequält werden und müssen so bald wie möglich ihre Freiheit wiederbekommen.

Beim Betrachten der Tiere kann der Wissensschatz der Gruppe durch gezielte Fragen zu Tage gefördert werden: Was ist das für ein Tier? Wovon lebt es? Wo sind die Augen? Schwimmt es oben oder unten im Beobachtungsglas? Anhand dieser Fragen können Kinder beobachten, verschiedene Blickwinkel einnehmen und Rückschlüsse ziehen. Dies wirkt sich positiv auf die kognitive Entwicklung aus und legt eine Basis für naturwissenschaftliches Lernen.

Einen Teich auf dem Gelände einer Schule, KiTa etc. anzulegen, ist ein schönes, aber aufwändiges Projekt, das Planung und Arbeitseinsatz erfordert, aber zweifellos ein guter Baustein für die Naturerziehung der Kinder ist.

Gesellschaftlicher Nutzen der Naturerziehung

Die Kinder sollen anhand ihrer Naturerfahrungen ihre Stellung als Mensch im Kreislauf der Natur erfassen und zudem erkennen, dass unsere technischen und intellektuellen Möglichkeiten auch ein besonders verantwortliches Handeln erfordern. Es ist wichtig, den Kindern so früh wie möglich eine gute Beziehung zur Natur sowie den Wert und die Kostbarkeit des Lebens zu vermitteln. Gerade in den frühen Jahren bilden sich Charaktereigenschaften, Werte und Normen. Es ist unbedingt notwendig, die in jungen Menschen von Natur aus angelegte Tier- und Naturliebe weiterzuentwickeln. Eine sich immer weiter entwickelnde Symbiosebeziehung zu zahlreichen Lebensformen muss als die Lebensgrundlage der Menschheit verstanden und als wichtiger Wert unserer Gesellschaft anerkannt werden! Der Spaß am Naturerlebnis kann die jungen Menschen dahin führen, dass sie sich als wichtiger Teil eines großen Ganzen erkennen.

Kinder sollen nicht nur Natur pädagogisch angeleitet erleben, sondern auch entsprechende Räume selbstständig erkunden und hier spielen können. Dafür gibt es im besiedelten Bereich die „Städtischen Naturerfahrungsräume“. Ein Städtischer Naturerfahrungsraum (NERaum) ist eine städtische Grünfläche, die weitgehend oder völlig ihrer natürlichen Entwicklung überlassen ist. Diese mindestens ein Hektar große „wilde“ (weitgehend ungestaltete) Fläche ist in ein Wohngebiet integriert oder an seinem Rand gelegen, also leicht zugänglich für alltäglichen Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen, die hier ohne pädagogische Betreuung und ohne Geräte spielen können. Mindestens die Hälfte des NERaumes entwickelt sich ohne menschliche Eingriffe, die anderen Teilräume können durch extensive Pflege bzw. Beweidung offen gehalten werden. Der im Rahmen der Bauleitplanung auszuweisende NERaum lässt sich aus zwei Ausgangssituationen entwickeln: entweder aus Flächen mit naturferner Nutzung (Acker, Intensivgründland, Rasen) oder aus einer naturnahen Brachfläche, die sonst überbaut oder einer anderen intensiven Nutzung zugeführt werden würde. Sofern die Ausgangssituation zu monoton ist, um für das Spiel der Heranwachsenden attraktiv genug zu sein, kann auf Teilflächen mit einem einmaligen Baggereinsatz eine interessante Geländeform (Stichwort “Mondlandschaft“) geschaffen oder es kann in einer einmaligen Aktion ein Wasserbereich (Öffnung bzw. Umgestaltung eines Fließgewässers oder eines Teiches) angelegt werden. Anders als auf pädagogisch betreuten Abenteuerspielplätzen oder auf mit Verboten belegten Naturschutzflächen oder in naturfernen Spielräumen, die mit natürlichen Materialien gestaltet sind und allenfalls kleine naturbelassene Flächen aufweisen, können Heranwachsende in Naturerfahrungsräumen ungestört und eigenständig die Dynamik natürlicher Prozesse erleben und in ihre Aktivitäten einbeziehen. Mit der Bereitstellung von NERäumen wird das Ziel verfolgt, die bereits weit fortgeschrittene Entfremdung der Heranwachsenden von Natur zu überwinden und den Kindern eine für ihre physisch und psychisch gesunde Entwicklung wichtige alltägliche Begegnung mit Natur möglich zu machen.

Literatur

  • Göpfert, Hans (1994): Naturbezogene Pädagogik. Beltz Verlag, Weinheim. ISBN 978-3892710325
  • Schemel, H.-J. (1998): Naturerfahrungsräume. Ein humanökologischer Ansatz für naturnahe Erholung in Stadt und Land. – Angewandte Landschaftsökologie, Heft 19. Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg
  • Reidl, K.; Schemel, H. J.; Blinkert, B. (2005): Naturerfahrungsräume im besiedelten Bereich – Ergebnisse eines interdisziplinären Forschungsprojekts. Nürtinger Hochschulschriften Nr. 24, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
  • Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) (2008): Kinder und Natur in der Stadt. Spielraum Natur: Ein Handbuch für Kommunalpolitiker, Planer sowie Eltern und Agenda-21-Initiativen. BfN-Skripten 230, Bonn. BezugDownload

Siehe auch

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