Neue Ostpolitik

Neue Ostpolitik
Erstes Treffen zwischen einem deutschen Bundeskanzler (Willy Brandt, links) und einem Vorsitzenden des Ministerrates der DDR (Willi Stoph), Erfurt 1970

Als Ostpolitik im engeren Sinne wird die im Rahmen des Ost-West-Konflikts auf Ausgleich mit der Sowjetunion und den osteuropäischen Staaten zielende Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, beginnend mit der Regierung Willy Brandt und Walter Scheel, zwischen 1969 und 1989 bezeichnet.[1] Die historischen Wurzeln reichen über die Zeit des Nationalsozialismus und der von der Regierung Konrad Adenauer verfolgten Ostpolitik im Hinblick auf die Westintegration hinaus. Im 19. Jahrhundert wurde die Idee einer Ostpolitik mit dem Schlagwort „Drang nach Osten“ vorbereitet.

Die Neue Ostpolitik beschreibt insbesondere eine Verständigungspolitik und die damit verbundene Umsetzung des von Egon Bahr, zwischen 1972 und 1974 Bundesminister für besondere Aufgaben unter Brandt, festgelegten politischen Prinzips des „Wandels durch Annäherung“ für den Umgang der Bundesrepublik Deutschland mit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und den osteuropäischen Nachbarstaaten. Sie bezeichnet die durch die Ostverträge schrittweise erfolgte Überwindung des Status quo der Politik beider deutscher Staaten bis zum Beginn des Zusammenbruchs der DDR im Jahre 1989.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Nationalsozialismus

Ausstellung „Planung und Aufbau im Osten“ im Jahre 1941.

Im nationalsozialistischen Deutschland hatte der Begriff „Osten“ keine allgemeingültige Ausformulierung erhalten. Vielmehr wurde der Begriff offen gehalten „für allerlei Assoziationen und Konnotationen und erhielt seine Definition immer erst im konkreten Kontext“.[2] Bezogen wurde der Begriff zumeist auf alle Gebiete des ehemaligen Zarenreichs (ohne dem als „nordisch“ bezeichneten Finnland), gelegentlich auch auf die osteuropäischen slawischen Gebiete (ohne Baltikum und Kaukasus), wobei die Begriffe „Russland“ beziehungsweise „Großrussland“ oftmals synonym für diese Gebiete und Völkerschaften benutzt wurde.[2] Insgesamt bestand in der nationalsozialistischen „Ostpolitik“ ein Pluralismus von Konzeptionen. Andreas Zellhuber verwies auf eine von Klaus Hildebrandt durchgeführte Studie, in der er insgesamt vier größere außenpolitische Positionen innerhalb der NSDAP beschrieb:[3][4] 1. das Konzept einer „großen Ostlösung“, das von den „wilhelminischen Imperialisten“ um Franz von Epp, Hjalmar Schacht und Hermann Göring vertreten worden sei; 2. ein weiteres Konzept der „revolutionären Sozialisten“ des „linken“ Parteiflügels um Joseph Goebbels, Gregor Strasser und Otto Strasser (→ Nationaler Sozialismus); 3. dann das Konzept der „radikal-agrarischen Artamanen“ um Heinrich Himmler und Walter Darré sowie 4. das Programm von Adolf Hitler. Hildebrandt beschrieb die Rolle des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg in diesem Zusammenhang als Hitlers „Ideengeber“.[3] Rosenberg war von Beginn an einer der führenden außenpolitischen Theoretiker der NSDAP. Seine frühen Schriften, insbesondere die über eine angebliche Verzahnung von Judentum und Bolschewismus, machten ihn „sehr schnell zu einem, wenn nicht dem Ostexperten der ›Bewegung‹“.[5][6] In den 1920er- und 1930er-Jahren hatten die Unterschiede in der Wahrnehmung des Ostens indessen noch kein politisches Gewicht. Das Ziel, das in Verbindung mit Vorstellungen von geometrischer „Unendlichkeit“ eine gemeinsame „Ostpolitik“ konstituierte, lag bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im „Utopisch-Irrationalen“.[7][8]

In ideologischer Hinsicht fand die Ostpolitik in der NS-Zeit allgemein auf der Grundlage von völkischen, antisemitischen, antibolschewistischen und rassistischen Denkweisen in Deutschland statt. Während des Zweiten Weltkrieges, im Frühjahr 1940, arbeitete das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unter Mitarbeit von Konrad Meyer eine erste Fassung des Generalplan Ost aus, in dem nationalsozialistische Denkweisen „ihre Präzisierung zu einem konkreten Szenario“ fanden.[9] In den späteren Varianten des ersten Entwurfs wurde eine Politik der „Germanisierung" von Ostmitteleuropa und von Bevölkerungsverschiebungen in West- und Südeuropa konkretisiert.[9] Im Zuge des militärischen Angriffs auf Russland im Juni 1941 wurde in den besetzten Ostgebieten neben einer Militärverwaltung eine „Zivilverwaltung“ eingerichtet, die unter der Schirmherrschaft von Alfred Rosenberg und dem von ihm geleiteten Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (RMfdbO) stand. In enger Kooperation mit dem RMfdbO arbeiteten insbesondere das RSHA, das Reichsministerium der Justiz, das Reichsinnenministerium und das Auswärtige Amt. Im April 1942 wurde der bis dahin vom RSHA ausgearbeitete Generalplan Ost von Mitarbeitern des RMfdbO, insbesondere von Erhard Wetzel, einer kritischen Analyse unterworfen, wobei das darin formulierte Ziel der Kolonialisierung Ostmitteleuropas auf Wetzels „vorbehaltlose Zustimmung“ stieß.[10] Auf der Grundlage der Rassendoktrin sah der Generalplan Ost vor, dass der Anteil der städtischen Bevölkerung in den Kolonisationsgebieten erheblich reduziert werden soll. Vorrang sollte demgegenüber die landwirtschaftliche Besiedlung haben.[11] Nach den Kriegsereignissen um Stalingrad erlahmte speziell das Interesse von Himmler an einer endgültigen Fassung des Generalplan Ost, dennoch wurden die Arbeiten daran intensiv vorangetrieben. Parallel zur systematischen Vernichtungspolitik gegenüber jüdischen Menschen sowie insbesondere der slawischen Bevölkerung in Europa, wurden im Rahmen des Generalsiedlungsplans in einigen Gebieten Osteuropas versuchsweise Deutsche angesiedelt; ein Projekt, das aufgrund der Kriegsereignisse und Widerstände in der einheimischen Bevölkerung scheiterte.[12]

Ost-West-Konflikt

Mit dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus im Jahre 1945 und einschneidenden globalen Veränderungen in der internationalen Politik nahm die bis dahin verfolgte Rassen- und Kolonialpolitik ein endgültiges Ende. Von den Alliierten wurde Deutschland 1945 in vier Besatzungszonen aufgeteilt, am 23. Mai 1949 wurde die neue Bundesrepublik Deutschland gegründet und am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Von diesem Zeitpunkt an war Deutschland zweigeteilt (→ Deutsche Teilung). In der Folge setzte ein historisch folgenreiches Spannungsverhältnis beider Staaten ein, das seitdem unter dem Begriff „Ost-West-Konflikt“ beschrieben, analysiert und diskutiert wird. Beide Konfliktparteien warfen sich bis zur Deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 gegenseitig das Verfolgen von „falschen politischen Ideologien“ vor, wobei sich die Schärfe dieser Auseinandersetzung bis zur Wiedervereinigung erheblich reduzierte. Aus der westlichen Perspektive wurde bis dahin primär der gezielte Kampf gegen den Kommunismus und das damit verbundene Ideal einer Zentralverwaltungswirtschaft geführt. Und von östlicher Seite aus wurde – insbesondere in Anlehnung an marxistische Theorien – primär ein ideologischer Kampf gegen den Kapitalismus geführt. Auf dem Hintergrund dieser Entwicklung erforderte die Ostpolitik ein besonderes diplomatisches Geschick beider Konfliktparteien in Richtung einer gegenseitigen Annäherung.

Als einen der zahlreichen Konfliktpunkte stellte sich in den nachfolgenden Jahren beispielsweise der Anspruch der westdeutschen Bundesregierung heraus, Gesamtdeutschland allein zu vertreten. Dieser Anspruch fand indessen nur vorübergehend Beachtung. Die DDR als ein in Westdeutschland kritisierter und unter den Siegermächten umstrittener, aber dennoch existierender zweiter deutscher Staat, wurde verstärkt von neutralen Ländern und von Staaten der Dritten Welt diplomatisch anerkannt.

Regierung Adenauer

Bereits unter der Regierung Adenauer änderten sich die spannungsreichen Vorzeichen der westdeutschen Ostpolitik in Richtung einer Verständigungspolitik. Im Jahre 1955 nahm die Bundesrepublik Deutschland erstmals diplomatische Beziehungen mit der Sowjetunion auf und schloss mit ihr 1958 ein Wirtschafts- und Repatriierungsabkommen.[13] Eine Grundlage für das Gelingen derartiger Annäherungen bot auch der ideologische Wunsch des DDR-Regimes nach einer „Wiedervereinigung der Arbeiterklasse“, wie sie beispielsweise Walter Ulbricht in seiner Rede Neues Deutschland vom 30. Dezember 1956 zum Ausdruck brachte. So sagte er:

„Ist es also nicht notwendig, dass im Interesse der Wiedervereinigung die Arbeiterklasse ganz Deutschlands gemeinsam den Kampf gegen den Militarismus und die Herrschaft der großen Monopole in Westdeutschland führt und zu diesem Zweck eine Verständigung zwischen den Arbeiterparteien und den Gewerkschaften ganz Deutschlands erfolgt? Nachdem in Deutschland zwei Staaten mit verschiedenen gesellschaftlichen Systemen bestehen, ist es notwendig, zunächst eine Annäherung der beiden deutschen Staaten herbeizuführen, später eine Zwischenlösung in Form der Konföderation zu finden, bis es möglich ist, die Wiedervereinigung und wirklich demokratische Wahlen zur Nationalversammlung zu erreichen.“[14]

Und Heinrich von Brentano, Bundesminister des Auswärtigen, sagte am 23. Januar 1958 vor dem Deutschen Bundestag:

„Was soll eine Konföderation zwischen einer Demokratie und einer kommunistischen Diktatur? Schon wegen des inneren Widerspruchs der staatstragenden Ideen wäre eine solche Konföderation zur Aktionsunfähigkeit verurteilt. Die Bundesrepublik würde durch den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages mit der sowjetischen Zone deren Eigenstaatlichkeit anerkennen, ohne konkrete Fortschritte oder auch nur Zusicherungen hinsichtlich der endgültigen Wiedervereinigung zu erlangen. Die Vier Mächte wären aus ihrer Verantwortlichkeit für die Wiedervereinigung Deutschlands entlassen. Sie würde allein von der Zustimmung der auf die Aufrechterhaltung ihres Herrschaftssystems bedachten sowjetzonalen Machthaber abhängen. Diese Haltung der Sowjetunion verpflichtet uns um so mehr, die solidarische Unterstützung unserer Bündnispartner bei der Verfolgung des großen nationalen Zieles der Wiedervereinigung anzurufen, aber auch die Solidarität zu stärken.“[15]

Gegen Ende der Adenauer-Regierung setzten allerdings neue prägende Konflikte diesen anfänglichen Bemühungen zunächst ein jähes Ende. Zu diesen Konflikten gehörten vor allem die Berlin-Krise seit 1958, der Mauerbau von Seiten der DDR im Jahre 1961 und die Kuba-Krise von 1962.[13] Gleichzeitig setzte bei den Supermächten ein globaler Bewusstseinsprozess hinsichtlich der Problematik der Atompolitik und der bereits in diesen Jahren erzielten atomaren Pattsituation ein. Das führte seit 1962 wiederum zu einer Fortführung einer vorsichtigen Politik der Kontaktaufnahme mit den osteuropäischen Staaten Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Polen, insbesondere durch die Errichtung von bundesdeutschen Handelsmissionen.[13] Diese Staaten wurden deshalb als geeignete Verständigungspartner betrachtet, weil sie die politische Unabhängigkeit von der Sowjetunion anstrebten. Das Unternehmen scheiterte, weil die mit der DDR verbundene besondere Problematik in diesem Diskurs völlig ausgeklammert wurde, aber auch deshalb, weil die Kontakte mit Rücksicht auf die Hallstein-Doktrin und starken Kräften aus dem Kabinett Adenauer unterhalb der Ebene diplomatischer Beziehungen geblieben waren. Die Folge war eine Abwehrreaktion des gesamten Ostblocks.[13]

Neue Ostpolitik

Begünstigende Faktoren

War die Politik des gegenseitigen Verständnisses in den 1960er-Jahren weitgehend durch einen Mangel an Mobilität und Verständigungsbereitschaft sowohl des westlichen als auch des östlichen Blocks geprägt, so begünstigten am Ende dieses Jahrzehnts einige internationale politische Entwicklungen die Wiederaufnahme der diplomatischen Gespräche. Zu diesen begünstigenden Faktoren werden vor allem gezählt, dass die Sowjetunion mit dem Einmarsch in die CSSR („Prager Frühling“) 1968 den eigenen Staatenblock stabilisieren konnte, die Zuspitzung des chinesisch-sowjetischen Konflikts durch die sowjetische Truppenverlegung an die chinesische Grenze sowie der sowjetische Bedarf an westlicher Technologie zur Modernisierung der eigenen Volkswirtschaft.[13] Auf diesen Hintergründen bildete sich die weithin so bezeichnete „neue Ostpolitik“ heraus.

Das neue Politikkonzept

Das neue Entspannungskonzept bildete sich im Kabinett von Bundeskanzler Willy Brandt heraus. Das Besondere an diesem politischen Konzept war, dass nicht nur kurzfristig oder mittelfristig ein spezifischer Konsens ins Blickfeld genommen wurde, sondern eine langfristige Annäherung, wenn nicht sogar eine Konvergenz der Gesellschaftssysteme von Ost und West, angestrebt wurde.[13] Politisches Instrument dieser Politik war die Konzentration auf gemeinsame Interessen, weshalb insbesondere die globale Friedenssicherung (atomare Risikominderung), allgemeine humanitäre Erleichterungen und die Möglichkeit der beidseitigen Akzeptanz des territorialen und machtpolitischen Status quo im Hinblick auf die Konferenzergebnisse von Jalta als ein – mehr oder weniger legitimes – Faktum in den Fokus beider Konfliktparteien geriet.[13]

Konkretisierung des Konzepts

Auf der Grundlage des neuen, gemeinsamen politischen Konzepts wurden zahlreiche Maßnahmen geplant, wie vor allem die Fortführung von Gesprächen (politisch, ökonomisch und sozial), die Überwindung der Deutschen Teilung und die Entwicklung einer gesamteuropäischen Friedensordnung.[13] Gegen Ende 1969 wurden diese Ideen konkret, indem

Die verhandelten politischen Grundsatzentscheidungen wurden dementsprechend gegen Ende 1970 im Moskauer Vertrag und im Warschauer Vertrag festgehalten. Zunächst wurde die Neue Ostpolitik skeptisch beäugt, vor allem von der CDU/CSU, die in der Politik einen Gegensatz zu der von Konrad Adenauer geförderten Westanbindung und -integration sah. Die damalige Opposition bekämpfte daraufhin die Vertragspolitik der Regierungskoalition aus SPD und FDP mit der Begründung, Leistung und Gegenleistung seien nicht ausgewogen. Später betrachteten alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien die abgeschlossenen Verträge als Grundlage ihrer Deutschland- und Ostpolitik.

Bilaterale Phase 1971–1973

Weitere bilaterale Konkretisierungen der neuen Ostpolitik zeichneten sich in den Jahren 1971 bis 1973 zunächst bezüglich der innerdeutschen Beziehungen ab. Nach dem politischen Sturz von Walter Ulbricht, des Staatsvorsitzenden der DDR, wurde am 3. September 1971 das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin geschlossen. Somit wurden von Seiten der DDR und der Sowjetunion erstmals seit 1945 der ungehinderte Transitverkehr von bundesdeutschen Bürgern auf der Straße, der Schiene und auf dem Wasserweg nach Berlin sowie die bestehenden Verbindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin garantiert. Es folgten eine Reihe weiterer Ostverträge, wie z. B. Ende 1972 der Grundlagenvertrag, in dem das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR neu festgelegt wurde, und Ende 1973 der deutsch-tschechoslowakische Vertrag (Prager Vertrag), mit dem sich die Vertragspartner auf die Nichtigkeit des überholten Münchner Abkommens von 1938 über die Abtretung des Sudetenlandes einigten.

Die Verhandlungen im Zuge des Vier-Mächte-Abkommens hatten die Deutschen in Ost und West ermutigt, das Verhältnis zwischen beiden Teilen Deutschlands zu entspannen. Auf der Grundlage dieser allgemeinen positiven Erfahrungen konnte die Entspannungspolitik, wie geplant, fortgesetzt werden. Dies änderte jedoch nichts daran, dass die innerdeutsche Grenze, insbesondere die Berliner Mauer, weiter ausgebaut und perfektioniert wurde. Der DDR-Schießbefehl blieb ebenso bestehen und auch weiterhin wurden Mauertote durch die Stasi vertuscht, um eine politische Eskalation zu vermeiden.

Nach der bilateralen folgte eine multilaterale Phase, die ihren Ausdruck insbesondere in den MBFR-Verhandlungen (1973–1989) und in den KSZE-Konferenzen (1973–1990) fand. Gleichzeitig fand mit dem Wechsel der sozialliberalen Koalition von Willy Brandt und Walter Scheel zum neuen Kabinett mit Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher die mit der bilateralen Phase der Ostpolitik verbunden gewesenen politische Euphorie ihren vorläufigen Ausgang.[13]

Ostverträge: Ein Überblick

Ostverträge 1963–1973

Die in den Ostverträgen festlegten Grundsätze lehnen sich an das Völkerrecht an. Aufgrund der in diesen Verträgen enthaltenen Vereinbarungen auf gegenseitigen Gewaltverzicht werden sie auch mitunter als Gewaltverzichtsverträge bezeichnet.

  • Passierscheinabkommen am 17. Dezember 1963 (bis 1966 wurden vier weitere abgeschlossen)
  • Moskauer Vertrag am 12. August 1970
  • Warschauer Vertrag am 7. Dezember 1970
  • Viermächteabkommen am 3. September 1971 (Inkrafttreten des Abkommens und der ergänzenden Vereinbarungen am 3. Juni 1972)
  • Protokoll über den Post- und Fernmeldeverkehr am 30. September 1971 (Abkommen am 30. März 1976)
  • Transitabkommen am 17. Dezember 1971
  • Vertrag über den Reise- und Besucherverkehr am 20. Dezember 1971
  • Verkehrsvertrag im Mai 1972
  • Grundlagenvertrag am 21. Dezember 1972 (Inkrafttreten am 21. Juli 1973)
  • Prager Vertrag am 11. Dezember 1973

Das Bundesverfassungsgericht wies Beschwerden, die eine Verletzung der Grundgesetzartikel 6, 14 und 16 durch die Zustimmungsgesetze zu den Ostverträgen rügten, als unzulässig zurück (BVerfGE NJW 1975, 2287).

Die Bundesrepublik Deutschland trat ebenso wie die Deutsche Demokratische Republik am 18. September 1973 als 133. und 134. Mitgliedstaat den Vereinten Nationen (UNO) bei. Mit ihrer Auflösung aufgrund des Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland endete die UN-Mitgliedschaft der DDR am 2. Oktober 1990.

Deutsche Wiedervereinigung

Nach dem Zusammenbruch und der Auflösung der DDR sowie dem Ende des Kalten Krieges wurde mit der Arbeit an einem Konzept zum Aufbau Ost begonnen. Mit diesem politischen Projekt ist seitdem das Ziel verbunden, in den neuen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland ein selbst tragendes wirtschaftliches Wachstum zu erreichen, um die Transferabhängigkeit zu reduzieren und die hohe Arbeitslosigkeit abzubauen. Er soll als abgeschlossen gelten, wenn die Lebensbedingungen in Ostdeutschland auf Westniveau gestiegen sind. Mit ihm sollen die Folgen der Deutschen Einheit überwunden werden. Allerdings wurde in dem mit diesen politischen Entwicklungen einhergehenden Diskurs der Begriff „Ostpolitik“ in den nachfolgenden Jahren kaum noch verwendet, da sich die politischen Leistungen auf das gesamte Bundesgebiet beziehen. Inoffizielle Amtsbezeichnungen, wie vor allem der Begriff „Aufbau-Ost-Minister“, werden indessen noch in der Gegenwart verwendet.

Wirkungsgeschichte

National

Im Laufe der Neuen Ostpolitik, die mit dem Erfurter Gipfeltreffen 1970 symbolträchtig begann, wurde die Hallstein-Doktrin, die bis dahin in der Außenpolitik galt, aufgegeben. Die Bundesrepublik bleibt nach wie vor völkerrechtlich identisch mit dem Deutschen Reich und ist somit kein Rechtsnachfolger; ebenso die Ansicht bundesdeutscher Staatsorgane (u.a. des Bundesverfassungsgerichts), dass nur durch die Bundesrepublik die staatsrechtliche Kontinuität erhalten bleibt beziehungsweise fortgeführt wird. Die DDR wird zwar nun staatsrechtlich anerkannt, bleibt jedoch auch zukünftig aus Sicht der Bundesrepublik immer noch ein Teil (Gesamt-)Deutschlands und ist somit völkerrechtlich kein eigener neuer deutscher Staat.

International

Der Begriff Ostpolitik fand auch als deutsches Lehnwort Eingang in zahlreiche andere Sprachen. In Südkorea benutzte der Präsident Roh Tae-woo den deutschen Begriff Nordpolitik, um seine neue Politik gegenüber Nordkorea zu bezeichnen.

Literatur

Deutsches Kaiserreich

  • Eberhard Demm: Ostpolitik und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Frankfurt a.M. u.a. 2002, ISBN 3-631-36506-3.

Nationalsozialismus

  • Klaus Hildebrand: Deutsche Außenpolitik 1933–1945. Kalkül oder Dogma? Stuttgart u.a. 1971. (3., überarb. Aufl., München 2008, ISBN 978-3-486-58698-5.)
  • Andreas Hillgruber: Die „Endlösung“ und das deutsche Ostimperium als Kernstück des rassenideologischen Programms des Nationalsozialismus. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Heft 2 (1972), S. 133-153. Online verfügbar: Archiv IfZ
  • Wolfgang Michalka: Die nationalsozialistische Außenpolitik im Zeichen eines „Konzeptionen-Pluralismus“. Fragestellungen und Forschungsaufgaben. In: Manfred Funke (Hg.): Hitler, Deutschland und die Mächte. Materialien zur Außenpolitik des Dritten Reiches. Kronberg/Ts. 1978, S. 46–62, ISBN 3-7610-7213-9.
  • Rolf-Dieter Müller: Hitlers Ostkrieg und die deutsche Siedlungspolitik. Die Zusammenarbeit von Wehrmacht, Wirtschaft und SS. Frankfurt a.M. 1991, ISBN 3-596-10573-0.
  • Hans-Erich Volkmann: Das Rußlandbild im Dritten Reich. Köln / Weimar / Wien / Böhlau 1994. (2. Aufl. 1994, ISBN 3-412-15793-7.)

Bundesrepublik Deutschland

  • Jürgen Bellers: Deutsche Ostpolitik 1970–1990. Diskussionspapiere des Faches Politikwissenschaft der Universität GH Siegen. Univ. Siegen 2003. DNB
  • Karsten Rudolph: Wirtschaftsdiplomatie im Kalten Krieg. Die Ostpolitik der westdeutschen Großindustrie 1945–1991. Frankfurt a.M. / New York 2004, ISBN 3-593-37494-3.
  • Christine Simon: Erhard Epplers Deutschland- und Ostpolitik. Diss., Bonn 2004. Online verfügbar: Elektronische Ressource DNB
  • Gyuzel Muratova: „Warum haben wir aufeinander geschossen?“ Studien zum Rußlandbild in der deutschen Prosaliteratur von Stalingrad bis zur neuen Ostpolitik der BRD (1943–1975). Diss. Univ. Duisburg-Essen, 2005. DNB

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Herder Lexikon Politik. Mit rund 2000 Stichwörtern sowie über 140 Graphiken und Tabellen, Sonderauflage für die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen, Freiburg / Basel / Wien 1993, S. 157.
  2. a b Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“ Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. Vögel, München 2006, S. 2 (Anm. 3), ISBN 3-8965-0213-1.
  3. a b Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. München 2006, S. 48.
  4. Wolfgang Michalka: Die nationalsozialistische Außenpolitik im Zeichen eines „Konzeptionen-Pluralismus“. In: Manfred Funke (Hg.): Hitler, Deutschland und die Mächte. S. 46–62.
  5. Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. München 2006, S. 62.
  6. Hans-Adolf Jacobson: Krieg in Weltanschauung und Praxis. In: Karl-Dietrich Bracher u.a.: Nationalsozialistische Diktatur 1933–1945. Bonn 1986, S. 427–439; Hermann Graml: Der nationalsozialistische Krieg. In: Norbert Frei u.a.: Der nationalsozialistische Krieg. Frankfurt a.M. 1990, S. 11–31; Jörg Stange: Zur Legitimation der Gewalt innerhalb der nationalsozialistischen Ideologie. Frankfurt a.M. 1987.
  7. Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. München 2006, S. 52.
  8. Wolfgang Michalka: Die nationalsozialistische Außenpolitik im Zeichen eines „Konzeptionen-Pluralismus“. In: Manfred Funke (Hg.): Hitler, Deutschland und die Mächte. S. 46–62.
  9. a b Czeslaw Madajczyk (Hrsg.): Vom Generalplan Ost zum Generalsiedlungsplan. Saur, München 1994, S. V f., ISBN 3-598-23224-1.
  10. Czeslaw Madajczyk (Hrsg.): Vom Generalplan Ost zum Generalsiedlungsplan. Saur, München 1994, S. VI f.
  11. Czeslaw Madajczyk (Hrsg.): Vom Generalplan Ost zum Generalsiedlungsplan. Saur, München 1994, S. IX.
  12. Czeslaw Madajczyk (Hrsg.): Vom Generalplan Ost zum Generalsiedlungsplan. Saur, München 1994, S. XI.
  13. a b c d e f g h i Wichard Woyke: Handwörterbuch Internationale Politik. Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung. 5., aktualisierte und überarb. Aufl., Opladen 1993, ISBN 3-8252-0702-1.
  14. Zitiert in: Ernst Deuerlein (Hrsg.), DDR 1945–1970 – Geschichte und Bestandsaufnahme, München 1975, S. 184 f., ISBN 3-423-00347-2.
  15. Zitiert in: Kurt P. Tudyka (Hrsg.): Das geteilte Deutschland, Stuttgart 1965, S. 124. DNB

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