Neutralitätstheorie

Neutralitätstheorie

Die Neutrale Theorie der molekularen Evolution (englisch Neutral theory of molecular evolution) ist ein Teilaspekt der Evolutionstheorie. Sie besagt, dass viele, wenn nicht die meisten Mutationen keiner Natürlichen Selektion unterliegen, da sie nicht zu einem veränderten Phänotyp führen.

Neutrale Mutationen sind etwa Mutationen an der dritten Stelle eines Codons im degenerierten Genetischen Code: Es wird dennoch die gleiche Aminosäure in das davon abgelesene Protein eingebaut. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Basensequenz zwar für eine andere Aminosäure codiert, diese Änderung jedoch zu keiner Änderung in den physiologischen oder biochemischen Eigenschaften des Proteins führt.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

Vergleiche verschiedenster Protein-kodierender Gene bei Menschen und verschiedenen Nagetieren zeigten, dass die Rate synonymer Mutationen, also solcher, bei denen sich die Aminosäuren-Sequenz nicht ändert, wesentlich höher ist als die Rate nicht-synonymer Mutationen, also solcher, die nicht neutral sind.

Die Mutationsrate ist in Sequenzen, die nicht für Proteine codieren, höher: Im Intron des Gens für Insulin ist die Mutationsrate etwa 6mal höher als in den beiden Exons. Dies erklärt sich dadurch, dass solche Abschnitte wesentlich weniger der Selektion unterliegen als die proteincodierenden. Synonyme Mutationen sind auch in verschiedenen Linien der Säugetiere gleich häufig, während nicht-synonmye Mutationen etwa bei Primaten wesentlich seltener sind als bei Nagetieren. Am höchsten ist die Mutationsrate in Pseudogenen, die gar nicht transkribiert werden.

Geschichte

Die Neutrale Theorie wurde in den 1960er Jahren von Motoo Kimura formuliert. Er hatte durch Vergleiche der Aminosäuresequenzen von Proteinen bei verschiedenen Arten herausgefunden, dass die Evolutionsrate der Aminosäuresequenzen einiger Proteine eine konstante Rate aufweist. Diese Konstanz lässt sich nicht durch Selektion, sondern nur durch Genetische Drift erklären. Sie stellte ein Gegengewicht zur damals verbreiteten Ansicht dar, jede Mutation sei für die Selektion bedeutend. Sie war jedoch ausdrücklich kein Gegenentwurf zur Selektionstheorie.

Der Titel eines Aufsatzes von J.L. King und T.H. Jukes, Non-Darwinian Evolution in Science (Band 164, 1969, S. 788 ff.) führte allerdings zu einer Diskussion, ob die Neutrale Theorie und die Molekularbiologie die Evolutionstheorie Darwinscher Prägung nicht generell in Frage stellen. Es war jedoch bald klar, dass dies nicht der Fall ist. Sie zeigen jedoch, dass nicht alle Mutationen der Selektion unterliegen.[1]

In der sogenannten Neutralisten-Selektionisten-Debatte ging es zunächst darum, ob es neutrale Mutationen überhaupt gibt. Dies ist heute allgemein anerkannt. Diskutiert wird nach wie vor, wie groß der Anteil der neutralen Mutationen ist.

Bedeutung

Aus der Neutralen Theorie lässt sich ableiten, dass neutrale Mutationen mit einer konstanten Rate erfolgen. Darauf beruht die heute in der Evolutionsforschung häufig verwendete Molekulare Uhr.

Belege

  • Douglas J. Futuyma: Evolution. Sinauer, Sunderland 2005, S. 235-240. ISBN 0-87893-187-2

Einzelnachweise

  1. V. Storch, U. Welsch, M. Wink: Evolutionsbiologie. 2. Auflage, Springer, Berlin 2007, S. 285f. ISBN 978-3-540-36072-8

Weiterführende Literatur

  • Motoo Kimura: The Neutral Theory of Molecular Evolution. Cambridge University Press, 1983.

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