Nikolaus Flamel

Nikolaus Flamel
Nicolas Flamel (kniend rechts) und seine Frau Pernelle (links), nach einem Gemälde unter den Gewölben des Cimetière des Innocents in Paris, Ende des 15. Jahrhunderts.

Nicolas Flamel, auch Nicholas Flamel (* wahrscheinlich 1330 in Pontoise; † um 1413 in Paris, traditionell aber 1418) war ein erfolgreicher französischer Schreiber, Schriftsteller, Handschriften- und möglicherweise Immobilienhändler, der posthum als Alchemist Berühmtheit erlangte. Der Legende zufolge soll er den Stein der Weisen gefunden und die Unsterblichkeit erlangt haben.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Auberge Nicolas Flamel, Rue de Montmorency 51. Das ehemalige Wohnhaus Flamels von 1407 gehört heute mit zu den ältesten erhaltenen Häusern in Paris.

Flamel stammte aus bescheidenen Verhältnissen, als Sohn von Juden, die zum Katholizismus hatten übertreten müssen. Bei seinem Vater erlernte er das Handwerk des Kopisten und erhielt eine gründliche Ausbildung bei Benediktinermönchen. Neben Hebräisch und Französisch beherrschte er auch Latein. Seit 1355 war er mit der Witwe Perronelle (Pernelle) verheiratet. In Paris arbeitete er zunächst als öffentlicher Schreiber und führte, zusammen mit seiner Frau, einen kleinen Laden bei der Kirche Saint-Jacques-de-la-Boucherie. In der Nähe richtete Flamel außerdem eine Werkstatt ein, die sich auf die Herstellung von kostbaren Manuskripten spezialisierte. Zu seinen Kunden gehörte möglicherweise auch der Herzog Jean de Berry. Mit der Zeit erlangte er einen beachtlichen Reichtum, mit dem er zahlreiche Stiftungen für Kirchen und Hospize, sowie Armenspeisungen finanzierte. Als Gegenleistung wurden an den Gebäuden allegorische Darstellungen nach Flamels Anweisungen angebracht.

1410 entwarf Flamel seinen eigenen Grabstein, der noch heute im Musée de Cluny in Paris erhalten ist. Entgegen der häufig aufgestellten Behauptung, finden sich auf dem Stein keine arkanen Symbole, lediglich Darstellungen der Apostel Petrus und Paulus, mit Jesus Christus als Weltenherrscher in der Mitte, sowie Flamel selbst als verwesender Leichnam am Fuß. Damit stellt der Stein ein frühes Beispiel für den im Spätmittelalter verbreiteten Totenkult dar, der später in den zahlreichen Darstellungen des Totentanz gipfeln sollte.[1]

Zugeschriebene Werke

1561 gab Jacques Gohorry, selbst Autor alchemistischer Schriften, einen Sammelband mit drei Texten über die Transmutation der Metalle heraus. Einer davon, die Sommaire Philosophique, erschien unter dem Namen Flamels. Dieses Werk wurde wiederholt aufgelegt und in verschiedene Anthologien aufgenommen.

Flamel werden außerdem Arbeiten zu dem erst 1612 in Paris erschienenen alchemistischen Buch Livre des figures hiéroglypiques zugeschrieben. 1624 erfolgte die Herausgabe in englischer Sprache in London.[2], 1681 in Hamburg auf deutsch („Des berühmten Philosophi Nicolai Flamelli Chymische Werke“). Es enthält eine Reihe von Darstellungen, die angeblich von Flamel als Giebelschmuck für den Friedhof Cimetière des Innocents in Auftrag gegeben worden sind. Im Vorwort des Herausgebers findet sich die Geschichte von Flamels Werdegang als Alchemist.

Nigel Wilkins bezweifelt in seiner Biographie Flamels jedoch die Herkunft von dessen Wohlstand aus alchemistischer Tätigkeit. Da seine Frau zuvor bereits zwei Mal verwitwet war, brachte sie wahrscheinlich ein beträchtliches Erbe mit in die Ehe. Laut Wilkins, konnte Flamel, im Zusammenhang mit den Wirren des Hundertjährigen Krieges, ebenfalls einige sehr einträgliche Immobiliengeschäfte tätigen. Bereits im 18. Jahrhundert war Flamels Autorschaft für das Livre des figures hiéroglyphiques von einem gewissen Abbé Villain bezweifelt worden.[3] Wilkins hält es statt dessen für ein Werk des Herausgebers, der die Übersetzung nur fingiert habe. Der Inhalt sei aus früheren alchemistischen Schriften, bekannten Einzelheiten aus Flamels Leben und mündlichen Traditionen zusammengestellt.

Obwohl das Buch auf das Jahr 1399 datiert ist, glaubt Claude Gagnon anhand des benutzten Vokabulars und der behandelten Vorstellungen nachweisen zu können, dass es nicht vor 1590 entstanden sein kann. Bei dem als Herausgeber genannten Arnaud de la Chevalerie handele es sich in Wirklichkeit um den bekannten Kabbalisten François Béroalde de Verville.[4]

Legenden

Populäres Phantasieportrait Flamels von Balthasar Moncornet

Dem Vorwort des Livre des figures hiéroglyphiques zufolge erschien ihm 1357 ein Engel im Traum, der ein Buch zeigte, dessen Inhalt nur Flamel zugänglich wäre. Das Buch, das Flamel dann tatsächlich für lediglich zwei Florint erwarb, soll in drei Kapiteln von jeweils sieben Seiten die Stufen der Herstellung des Steins der Weisen in allegorischen Darstellungen enthüllt haben. Allerdings gelang ihm die Entschlüsselung erst nach 21 Jahren. Hierzu reiste er nach Spanien, wo er sich Hilfe bei den dortigen Alchemisten erhoffte, zunächst jedoch vergeblich. Erst auf der Rückreise von Santiago de Compostela, identifizierte ein mitreisender Gelehrter, ebenfalls ein jüdischer Konvertit, namens Maître Canches, das Buch als ein Werk mit dem Titel Habraham, Juif, Prince, Prêtre, Lévite, Astrologue & Philosophe; à la Nation des Juifs que l'ire de Dieu a dispersé dans les Gaules, etc, und lieferte einige Hinweise für die Entschlüsselung. Allerdings verstarb Maître Canche bevor er das Buch, das Flamel in Paris aufbewahrte, persönlich studieren konnte.

Am 17. Januar 1382, einem Rosenmontag – dieses Datum fiel allerdings auf einen Freitag – soll dann Flamel, zusammen mit seiner Frau Pernelle, erstmals die Herstellung von Silber aus Quecksilber gelungen sein, am 25. April desselben Jahres, die Herstellung von Gold.

Zweifler vermuteten später hingegen, das „Buch Abrahams des Juden“, sei in Wirklichkeit eine Beschreibung der Verstecke gewesen, in denen die aus Frankreich vertriebenen Juden ihre Schätze vergraben hätten. Noch in Zedlers Lexikon von 1735 findet sich das Gerücht, die Entdeckung des Steins der Weisen sei nur eine Schutzbehauptung Flamels gewesen, um die Unterschlagung von öffentlichen Geldern zu vertuschen.[5]

Weitere Legenden kreisen um Flamels angebliche Entdeckung des Elixiers des ewigen Lebens. So sollen er und seine Frau ihren Tod nur vorgetäuscht haben, und Diebe, die in Flamels Grab versteckte Schätze vermuteten, hätten dieses leer vorgefunden. Zu diesen Gerüchten trugen anscheinend die alchemistischen Schriften bei, die noch lange nach seinem Tod unter seinem Namen erschienen. Der französische Kaufmann Paul Lucas (1664–1737) brachte von seinen Reisen zu Beginn des 18. Jahrhunderts Geschichten nach Europa zurück, über Begegnungen der Einheimischen in der Türkei mit dem unsterblichen, ewig jugendlichen Flamel, der selbst wiederum bis nach Indien gelangt sein soll. Diese Erzählungen weisen deutliche Ähnlichkeiten mit der Legende vom ewigen Juden auf. Später gingen ähnliche Gerüchte über Langlebigkeit und weite Reisen auch auf Gestalten wie den Grafen von Saint Germain über.

Nach dem Bekanntwerden der sogenannten „Geheimdossiers des Henri Lobineau“ Ende der 1960er Jahre, wurde Nicolas Flamel ebenfalls ein Teil der Verschwörungstheorien rund um die Prieuré de Sion, als angeblicher Großmeister dieser Geheimorganisation von 1398–1418. Obwohl bekannt wurde, dass es sich bei diesen „Dossiers“ um Fälschungen des Pierre Plantard handelt, wird Flamel in der Populärkultur weiterhin mit dem „Geheimnis von Rennes-le-Chateau“, dem „Schatz der Katharer“, etc, in Verbindung gebracht.

Literarische Nachwirkung

Die später legendenhaft überformte Figur des Flamel tauchte immer wieder in der Literatur auf. Er findet bereits Erwähnung in spätromantischen Romanen, wie Der Glöckner von Notre Dame (1831) von Victor Hugo und in Der Graf von Monte Christo (1845) von Alexandre Dumas.

Zuletzt fand sich Flamels Name in Joanne K. Rowlings 1997 erschienenen Roman Harry Potter und der Stein der Weisen wieder. Auch in dem durch die „Geheimdossiers“ inspirierten Thriller The Da Vinci Code (dt.: Sakrileg) des amerikanischen Autors Dan Brown fand Flamel Eingang. Gleiches gilt für Der Club Dumas des Spaniers Arturo Pérez-Reverte, wo Flamel als Beispiel für Legendenbildung über Bücher genannt wird. Ein weiteres Buch, in dem es hauptsächlich um Nicolas Flamel geht, ist ein Jugendbuch von Michael Scott: Die Geheimnisse des Nicholas Flamel – Der unsterbliche Alchemyst. Weitere Erwähnungen findet Flamel in Umberto Ecos Das Foucaultsche Pendel, in Mária Szepes' Der Rote Löwe und in Barbara Goldsteins Die Kardinälin.

Einzelnachweise

  1. Flamels Grabstein
  2. Laurinda Dixon, ed.: Nicolas Flamel, His Exposition of the Hieroglyphicall Figures (1624), New York, Garland, 1994.
  3. Abbé Villain: Histoire critique de Nicolas Flamel et de sa femme Pernelle. Recueillie d'anciens actes anciens qui justifient l'origine et la médiocrité de leur fortune, contre les imputations des alchimistes, Paris 1761. [1]
  4. Claude Gagnon, Description du Livre des figures hiéroglyphiques attribué à Nicolas Flamel, Montréal (Canada), L'aurore, 1977; Nicolas Flamel sous investigation, S. 135–137, Éditions du Loup de Gouttière, 1994.
  5. Hans Biedermann: Lexikon der magischen Künste, Lizenzausgabe der 3., verbesserten und erweiterten Auflage, VMA-Verlag, Wiesbaden, 1998. ISBN 3-928127-59-4.

Literatur

  • Holder Diedrich: Welt der Wunder, Heft 6 (2007), S. 14–21.
  • Nigel Wilkins: Nicolas Flamel. Des livres et de l'or, édition Imago, 1993, ISBN 2-902702-77-9.
  • Laurinda Dixon (Hrsg.): Nicolas Flamel, his exposition of the hieroglyphicall figures. Garland, New York 1994, ISBN 0-8240-5838-0.
  • Helmut Gebelein: Alchemie. Hugendubel, München 1991, ISBN 3-89631-442-4, S. 155–159.
  • Léo Larguier: Le faiseur d'or Nicolas Flamel (L'histoire inconnue; 4). Édition Nationales, Paris 1936.
  • Eric Muraise: Le Livre du l'Ange. Histoire et legende alchimique de Nicolas Flamel. Julliard, Paris 1969.
  • Raphael Patai: The Jewish Alchemists. A history and source book. University Press, Princetown, N.J. 1994, ISBN 0-691-00642-3.
  • John Read: Prelude to Chemistry. An outline of chemistry; its literature and relationship. MIT-Press, Cambridge, Mass. 1966 (Nachdruck der Ausgabe New York 1937).
  • Gerhard Scholem: Zu Abraham Eleazars Buch und dem Esch Mezareph. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, Jg. 70 (1926), S. 202–209.
  • Jean-Michel Varenne: Nicolas Flamel. Son histoire, sa personnalité, ses influences. De Vecchi, Paris 2001, ISBN 2-7328-3315-0.
  • Gilette Ziegler: Nicolas Flamel ou le secret du Grant Oeuvre. Histoire des Idees des Heros, des societes de la france secrete et de L'Occident. Culture-Art-Loisirs, Paris 1971.

Weblinks


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