Nikotinsäure

Nikotinsäure
Strukturformel
Allgemeines
Trivialname
  • Vitamin B3
  • Vitamin B5 (seltene Bezeichnung)
Andere Namen
  • Nikotinsäure
  • Niacin
  • Pyridin-3-carbonsäure
  • PP-Faktor (seltene Bezeichnung)
Summenformel C6H5NO2
CAS-Nummer 59-67-6
PubChem 938
ATC-Code
DrugBank DB00627
Kurzbeschreibung farblose Kristalle [1]
Vorkommen Geflügel, Leber, Kaffee, Bierhefe
Physiologie
Funktion Bestandteil der Coenzyme NADH und NADPH
Täglicher Bedarf 15–20 mg
Folgen bei Mangel leicht: Reizbarkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen
schwer: Pellagra
Überdosis über 1,5–3 g pro Tag
Eigenschaften
Molare Masse 123,11 g·mol−1
Aggregatzustand fest
Dichte 1,473 g·cm−3 [1]
Schmelzpunkt 236–237 °C [1]
Siedepunkt sublimiert vor Siedepunkt [1]
Löslichkeit löslich in Wasser: 18 g·l−1 (20 °C)[2])
Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung [2]
Reizend
Reizend
(Xi)
R- und S-Sätze R: 36
S: 26
LD50 3720 mg·kg−1 (Maus, peroral) [3]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Nicotinsäure (auch: Niacin) ist ein Vitamin aus dem B-Komplex. Die Bezeichnungen Vitamin B3, seltener B5 oder PP-Faktor (Pellagra-Preventing-Faktor) für Nicotinsäure gelten heute als veraltet und überholt. Die Nicotinsäure wurde 1867 bei der Oxidation von Nicotin entdeckt[4]; ihre physiologische Wirksamkeit wurde 1934 erkannt[5].

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung/Eigenschaften

Nicotinsäure ist eine Carbonsäure des Pyridins.

Nicotinsäure findet sich in allen lebenden Zellen und wird in der Leber gespeichert. Es bildet einen wichtigen Baustein verschiedener Coenzyme (NAD, NADP) und ist in dieser Form von zentraler Bedeutung für den Stoffwechsel von Eiweißen, Fetten und Kohlenhydraten. Gegenüber Hitze, Licht und dem Luftsauerstoff ist Nicotinsäure weniger empfindlich als andere Vitamine der B-Gruppe.

Nicotinsäure ist ein kristalliner Feststoff. Der pKs-Wert der Säure liegt bei 4,85.[6] Es tritt in zwei polymorphen Formen auf. Bei Raumtemperatur liegt die Kristallform II vor. Beim Aufheizen auf 178,8 °C wird eine schwach endotherme Festphasenumwandlung mit ΔfusH = 0,81 kJ/mol zur Kristallform I beobachtet. Diese schmilzt dann bei 236,6 °C mit einer Schmelzenthalpie von ΔfusH = 27,57 kJ/mol.[7]

Synthese/Herstellung

Nicotinsäure bildet sich durch Oxidation von Nicotin mittels Salpetersäure.[8] Alternativ kann es aus Chinolin durch Oxidation mittels Kaliumpermanganat (KMnO4) dargestellt werden, wobei als Zwischenprodukt Chinolinsäure entsteht:[8]

Schließlich erhält man auch Nicotinsäure durch Oxidation von 3-Picolin (mittels KMnO4):[9]

Von Bedeutung ist heute lediglich die Oxidation von 5-Ethyl-2-methyl-pyridin (MEP) mittels Salpetersäure.[10]

Aufgabe/Funktion

Nicotinsäure ist am Eiweiß-, Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel beteiligt. In Form der Coenzyme NAD/NADP und ihrer reduzierten Formen NADH/NADPH, der sogenannten Reduktionsäquivalente, ist die Nicotinsäure z. B. am Citratzyklus und der Atmungskette beteiligt. Sie hat eine antioxidative Wirkung und nimmt an vielen enzymatischen Vorgängen teil. Nicotinsäure ist wichtig für die Regeneration der Haut, Muskeln, Nerven und DNA.

Vorkommen und Bedarf

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Natürliche Lieferanten von Nicotinsäure sind Nahrungsmittel wie Geflügel, Wild, Fisch, Pilze, Milchprodukte und Eier. Auch Leber, Kaffee, Vollkornprodukte, verschiedene Gemüse und Obst enthalten Nicotinsäure, wobei es aus tierischen Produkten grundsätzlich besser vom Organismus verwertet wird. Veganer können ihren Bedarf beispielsweise aus Erdnüssen, Weizenkleie, Datteln, Champignons, Bierhefe, getrockneten Aprikosen und Hülsenfrüchten decken.

Der tägliche Nicotinsäure-Bedarf des Körpers hängt vom Energiebedarf ab. Im Durchschnitt benötigt der erwachsene Körper etwa 6,6 Milligramm Niacin um eine Energiemenge von 1000 Kilokalorien für seine Zellen, Gewebe und Organe zu erzeugen. Damit beträgt der Bedarf für Frauen 13 bis 15 mg Nicotinsäure pro Tag, für Männer 15 bis 20 mg pro Tag. Da Nicotinsäure aus Tryptophan gebildet werden kann, wird der Bedarf in Niacin-Äquivalenten angegeben. Aus 60 mg Tryptophan kann in der Leber mit einer ausreichenden Menge Vitamin_B6 1 mg Nicotinsäure hergestellt werden.

Biosynthese

Über die Biosynthese der Nicotinsäure in Pilzen und Pflanzen ist wenig bekannt, insbesondere die beteiligten Enzyme. Am wahrscheinlich häufigsten ist der oxidative Abbau von Tryptophan über Kynurenin zur Nicotinsäure anzutreffen.[11]

Dieser Weg spielt jedoch im Menschen keine Rolle, da der eigentliche Zweck des Niacin, die Biosynthese von NAD, auch mit dem Tryptophan-Abbauprodukt Chinolinsäure funktioniert. Für frühere Vermutungen, der Körper könne in Notzeiten aus 60 mg Tryptophan ein Milligramm Niacin produzieren, fanden inzwischen mehrere Widerlegungen.[12][13]

Mangelerscheinungen (Hypovitaminose)

Mangelsymptome treten selten auf, da der Körper NAD nicht nur aus Niacin, sondern auch aus der Aminosäure Tryptophan bilden kann. Durch eine eiweißarme Ernährung oder durch Absorptionsstörungen kann es zunächst zu unspezifischen Störungen wie Appetitlosigkeit, Konzentrations-und Schlafstörungen sowie einer gewissen Reizbarkeit kommen. Symptome bei Nicotinsäuremangel sind weiterhin:

  • Hautveränderungen Dermatitis
  • Durchfall
  • Depressionen
  • Entzündung der Mund- und Magen-Darmschleimhäute
  • Krankheit: Pellagra

Das Auftreten der Pellagra-Krankheit steht im Zusammenhang mit der Einführung des Mais außerhalb Mittelamerikas, der wenig Tryptophan enthält. In seinem Ursprungsland Mexiko wird der Mais bis heute nach der Ernte üblicherweise in alkalisches Kalkwasser gelegt und nass vermahlen, wodurch die Nicotinsäure im Mais erst freigesetzt wird. Von den spanischen Eroberern wurde der Mais nach Südeuropa, Nordamerika und Afrika gebracht, ohne diese Zubereitungstechnik zu übernehmen. Wegen der höheren Erträge stellten sich viele Bauern schon bald von Weizen und Gerste auf Mais um. Die Folge war, dass bei ganzen Bevölkerungsschichten, bei denen Mais die Hauptnahrungsquelle war, Nicotinsäure- plus Tryptophan-Mangelerscheinungen auftraten. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Zusammenhang von Pellagra und Maisernährung aufgeklärt.

Folgen einer Überdosierung (Hypervitaminose)

Von einer Überdosierung spricht man bei der Nicotinsäure bei 1,5–3 g Dosierung pro Tag. Bei einer Zufuhr von über 500 mg pro Tag, in Einzelfällen auch weniger, kommt es zum hautgefäßerweiternden Effekt Flush und bei einer Menge von über 2500 mg pro Tag können Blutdrucksinken, Schwindelgefühle und ein erhöhter Harnsäuregehalt im Blut auftreten.

Nicotinsäure als Medikament

Nicotinsäure wird zur Absenkung erhöhter Blutfettwerte eingesetzt (z. B. NiaSpan®), um der Arteriosklerose vorzubeugen. Dabei senkt Nicotinsäure in einer Dosis von 500–1000 mg pro Tag den LDL-Wert des Cholesterins, es erhöht den HDL-Wert und erniedrigt die Triglyzeride. Die Gabe von Nicotinsäure wurde bisher durch seine Nebenwirkungen (Flush-Syndrom) begrenzt. Häufig sind auch Magen-Darm-Beschwerden. Die längere Einnahme von hochdosierten Nicotinsäurepräparaten kann die Glucosetoleranz verschlechtern und die Harnsäurewerte im Blut erhöhen. Durch eine retardierte Form und eine abendliche Einnahme ist das Medikament besser verträglich geworden. Eine große Studie, die einen lebensverlängernden Effekt von Nicotinsäure beweist, steht noch aus.

Seit September 2008 steht das in der EU zugelassene Kombinationspräparat Tredaptive® 100 mg / 20 mg, eine Kombination aus Nicotinsäure und Laropiprant, für die Indikationen kombinierte Dyslipidämie und primäre Hypercholesterinämie zur Verfügung. [14]

Einzelnachweise

  1. a b c d Hermann Römpp, Jürgen Falbe und Manfred Regitz: Römpp Lexikon Chemie. 9. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1992.
  2. a b Sicherheitsdatenblatt der Firma Carl Roth
  3. Nicotinsäure bei ChemIDplus
  4. Fieser, L.F. und Fieser, M.: Organische Chemie. Verlag Chemie, Weinheim, 1965, S. 1675–76.
  5. Wooley, J.G and Sebrell, W.H.: Niacin (Nicotinic Acid), an Essential Growth Factor for Rabbits [...], Division of Physiology, National Institute of Health, U.S. Public Health Service, Bethesda, Maryland, 1944
  6. Eberhard Ehlers: Chemie II - Kurzlehrbuch: Organische Chemie. Deutscher Apotheker Verlag; 7. völlig neu bearb. Auflage 2005. ISBN 3-7692-3515-0; S. 595
  7. Wang, S.X.; Tan, Z.C.; Di, Y.Y. Xu, F.; Wang, M.H.; Sun, L.X.; Zhang, T.: "Calorimetric study and thermal analysis of crystalline nicotic acid", J. Therm. Anal. Cal. 76 (2004) 335-342
  8. a b Andrew Streitwieser, Clayton H. Heathcock und Edward M. Kosower: Organische Chemie. Wiley-VCH; 2. Auflage 1994. ISBN 3-527-29005-2; S. 1227.
  9. Harold Hart (Autor), Leslie E. Craine (Autor), David J. Hart (Autor), Christopher, M. Hadad (Autor); Nicole Kindler (Übersetzer): Organische Chemie. Wiley-Vch; Auflage; 3. vollst. überarb. und aktualisierte Auflage 2007; ISBN 978-3-527-31801-8; S. 494.
  10. Ökonomie und Ökologie im Einklang – nachhaltige chemische Produktion am Beispiel des Lonza-Produktionsverbundes in Visp. 7. Freiburger Symposium 2005, Nachhaltige chemische Produktion.
  11. Tarr JB, Arditti J: Niacin Biosynthesis in Seedlings of Zea mays. In: Plant Physiol.. 69, Nr. 3, March 1982, S. 553–556. PMID 16662247
  12. Jacob R, Swenseid M. Niacin. In: Ziegler EE, Filer LJ, eds. Present Knowledge in Nutrition. 7th ed. Washington D.C: ILSI Press; 1996:185-190.
  13. Fu CS, Swendseid ME, Jacob RA, McKee RW: Biochemical markers for assessment of niacin status in young men: levels of erythrocyte niacin coenzymes and plasma tryptophan. In: J. Nutr.. 119, Nr. 12, December 1989, S. 1949–55. PMID 2621487
  14. Apotheke+Marketing, Heft 09, September 2008, S.43

Weblinks

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