Nord Stream Pipeline

Nord Stream Pipeline
Lage der Pipeline in der Ostsee

Die Nordeuropäische Gasleitung (Nord Stream Pipeline, ehemals North European Gas Pipeline, NEGP, auch Ostseepipeline) ist eine geplante Gasleitung, die ab 2012 russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland transportieren soll. Eigentümer sind der russische Gasexportmonopolist Gazprom mit 51 %, die deutschen Energieversorger Wintershall und E.ON mit jeweils 20 % sowie die niederländische Gasunie mit 9 %.


Inhaltsverzeichnis

Planung und Bau

Karte von bestehenden und geplanten Gaspipelines zwischen Russland und Mitteleuropa.

Um den künftigen Erdgasbedarf in den EU-Mitgliedstaaten zu decken und erstmals einen direkten Zugang zum europäischen Absatzmarkt zu erhalten, hatte Russland vorgeschlagen, eine Erdgasleitung durch die Ostsee von Russland nach Deutschland zu errichten. Die Planungen zum Bau der Ostsee-Gaspipeline wurde anfangs von der EU unterstützt, und das Projekt erhielt bereits im Jahr 2000 den Status eines prioritären Projekts im Programm Transeuropäische Netze. Im September 2005 unterzeichneten der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und der damalige russische Präsident Wladimir Putin dazu eine Absichtserklärung.

Die Haltung gegenüber dem Projekt änderte sich jedoch teilweise, nachdem Russland Ende 2005 der Ukraine wegen Unstimmigkeiten Gaslieferungen sperrte. Hierdurch kam es kurzfristig auch zu Lieferausfällen in die EU. Analoge Vorgehen wiederholten sich bei Gaslieferungen nach Weißrussland und Georgien. In den von russischen Erdgaslieferungen besonders abhängigen mittel- und nordosteuropäischen EU-Mitgliedstaaten stieg nach diesen Ereignissen die Skepsis gegenüber der geplanten Ostseepipeline. Auf EU-Ebene beschleunigten diese Vorkommnisse Überlegungen, eine eigene Energieaußenpolitik zu entwickeln und künftig Energiequellen, Lieferanten und Transportwege stärker zu diversifizieren. In diesem Zusammenhang wurde beschlossen, den Bau einer anderen Gaspipeline vom Schwarzen Meer unter Umgehung Russlands, der Nabucco-Pipeline, nach Österreich zu unterstützen.

Die Ostsee-Pipeline beginnt im russischen Wyborg und erreicht Deutschland bei Greifswald. Sie hat eine Länge von 1220 km und verläuft – abgesehen von Anfangs- und Endpunkt – ausschließlich durch Seegebiete, welche keinem Hoheitsgebiet eines Anrainerstaates zugeordnet sind. Die durchquerten Seegebiete liegen jedoch in den Wirtschaftszonen Schwedens, Finnlands und Dänemarks. Aufgrund der deshalb notwendigen Genehmigungsverfahren können diese Länder Einfluss auf den Bau der Pipeline nehmen.

Das Projekt sieht auch die Möglichkeit vor, Abzweigungen nach Polen und Lettland zu bauen, dies wird von beiden Ländern bislang jedoch strikt abgelehnt.

Die Leitung soll im Endausbau jährlich etwa 55 Milliarden Kubikmeter Gas befördern können. Nach ursprünglich 4 Milliarden Euro werden die Kosten Ende März 2008 auf 7,6 Milliarden Euro geschätzt.

Am 8. September 2005 wurde der Vertrag über den Bau der Pipeline von der russischen Gazprom und den deutschen Konzernen E.ON und BASF im Beisein von Gerhard Schröder und Wladimir Putin unterzeichnet. Eigentümerin und Betreiberin wird die Nord Stream AG mit Sitz in Zug in der Schweiz, in der seit 2006 der deutsche Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder und auch der finnische Staatsministerpräsident a. D. Paavo Lipponen beschäftigt sind. Über die nunmehr Nord Stream/Opal genannte Pipeline wird auch das Gas der BASF-Tochter Wintershall transportiert.

Am 9. Dezember 2005 begannen in Babajewo die Bauarbeiten für den russischen Landabschnitt der Pipeline. Der Baubeginn für den Unterwasserabschnitt steht derzeit nicht fest. Rohre für die Pipeline lagern bis zu ihrer Verlegung auch im Fährhafen Mukran (Rügen). Vor der Verlegung mit einem Spezialschiff werden sie mit Beton ummantelt und auf dem Schiff vor Ort endlos verschweißt. Die Rohre haben in der Regel einen Durchmesser von 1,10 m, eine Wandstärke von 30 mm und bei einer Länge von 13 m ein Gewicht von 11 t.

Kritik und Interessen

Um die Ostseepipeline hat sich eine teils heftige Debatte entwickelt. Während des deutschen Wahlkampfes 2005 waren diese Argumente Teil der parteipolitischen Auseinandersetzung.

Interessen Deutschlands und Russlands

Deutschland sichert sich dank der Ostsee-Pipeline einen vertraglichen Zugang zu russischen Gasvorkommen und somit mehrere strategische Vorteile. Es entfallen Transitländer und somit mit ihnen verbundene potenzielle politische Spannungen, die sich negativ auf die Lieferungen nach Deutschland auswirken könnten. Angesichts der höheren Emissionen bei der traditionellen heimischen Kohleverstromung und des vereinbarten Atomausstiegs ist Erdgas ein brauchbarer Ersatzenergieträger. Kritiker bemängeln, dass die Erdgasversorgung Deutschlands mit der Pipeline noch stärker an den bisherigen Hauptlieferanten Russland gebunden wird. Diese Abhängigkeit berge nicht nur die Gefahr einer volkswirtschaftsschädigenden Preissteigerung auf Grund einer russischen Monopolstellung, sondern auch politische Risiken.

Russland werde in die Lage versetzt, die Gasexporte nach Westeuropa auf direktem Wege zu gewährleisten. Somit wären sowohl der Lieferant als auch der Konsument künftig von den Schwierigkeiten durch Transitländer unabhängig, beispielsweise wenn diese Preisangleichungen an das europäische Niveau nicht akzeptieren wollen oder wenn es technisch bedingte Pipeline-Ausfälle gibt. Bisher konnten Transitländer ihre unverzichtbare Transitrolle als Druckmittel nutzen, um exklusive Lieferbedingungen für sich selbst durchzusetzen und gefährdeten so die Versorgungssicherheit Westeuropas.

Interessen der Ostseeanrainerstaaten

Nach der Unterzeichnung gab es heftige Proteste von Seiten mehrerer osteuropäischer Staaten[1], wie Polen, Litauen, Lettland und Estland, die Russland Bemühungen zur Spaltung der Europäischen Union und Deutschland die Nichtbeachtung ihrer Interessen vorwarfen.

Der damalige polnische Verteidigungsminister Radosław Sikorski verglich 2006 den deutsch-russischen Vertrag sogar mit dem Hitler-Stalin-Pakt[2]. Die gemeinsamen Interessen im Streit um die Pipeline sorgten auch für die Annäherung zwischen Polen und Litauen. Ein weiterer Grund für den Widerstand Polens liegt darin, dass die Ostseepipeline mit bestehenden Landpipelines konkurrieren würde und für Polen Einnahmen aus Transitgebühren damit wegfielen.[3] Man plant u. a. zur Stärkung der Sicherheit der eigenen Energieversorgung den gemeinsamen Bau und Betrieb einiger Kernkraftwerke im Nordwesten Polens[4] und in Litauen.

Aber auch in Schweden ist seit Juli 2006 eine aufkeimende Kritik zu bemerken. Energiepolitisch wird die Pipeline als „falscher Schritt“ bezeichnet[5], zusätzlich wird aber auch auf ökologische und Spionage-Gefahren hingewiesen. Unter anderem rief Krister Wahlbäck (ehemaliger Botschafter und sicherheitspolitischer Experte) die Regierung auf, schwedische Interessen nicht länger zurückzuhalten und bei der deutschen und russischen Regierung ihre Bedenken wegen der ökologischen Risiken für die Ostsee vorzubringen. In Gotland und der umliegenden Region verbringen Hunderttausende Schweden ihren Urlaub. Deshalb ist schwedischen Politikern auch ein geplanter Gasturm von 70 Metern Höhe östlich von Fårö ein Dorn im Auge. Auf die Sicherheitsgefahren anderer Art hat der ehemalige schwedische Verteidigungsminister Mikael Odenberg hingewiesen, er vermutete, Moskau werde die Pipeline und deren angekündigten Schutz durch die Kriegsflotte, für Militär- und Industriespionage missbrauchen.[6][7]

Unterstützung bekamen die schwedischen Kritiker im September 2008 von den USA. Der US-Botschafter in Schweden, Michael M. Wood, forderte die Regierung in Stockholm in einem ganzseitigen Artikel in der Tageszeitung "Svenska Dagbladet" auf, den Bau der Pipeline zu verhindern. Die Krise im Kaukasus zeige, dass sich Europa und die USA nicht von dem unzuverlässigen Energielieferanten Russland abhängig machen dürften, heißt es in dem Artikel unter der Überschrift "Sagt Nein zu Russlands unsicherer Energie".[8] Die deutsche Regierung mochte die vorgetragene Absicht des US-Botschafters, Europa vor unsicherem russischen Erdgas bewahren zu wollen, nicht nachvollziehen und protestierte bei der US-Botschaft in Berlin gegen die Einmischung. [9] Botschafter Wood kehrte anlässlich des Regierungswechsels in die USA zurück.

EU-Interessen

Russland wird oft, wegen seiner vermeintlich unsicheren politischen Lage, nicht als verlässlicher Partner angesehen. Dagegen spricht, dass seit ca. 30 Jahren bis zum heutigen Tag, selbst während zahlreicher politischer Krisen, von Russland jeder Liefervertrag eingehalten wurde. Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine 2005 sowie zwischen Russland und Weißrussland 2006 (bei denen es um den lang geforderten Übergang zu marktwirtschaftlichen Handelsbeziehungen ging), aber auch die Gazprom-Kooperation mit China[10] zeigten, dass Russland gewillt sei, die Gasversorgung als politisches Druckmittel einzusetzen. Angesichts dessen ist die EU primär an der Energieversorgungssicherheit und der Vermeidung der Energiemarktmonopolisierung interessiert. Um dies zu gewährleisten bemüht sich die EU die Erdgasversorgung auf andere Herkunftsregionen, insbesondere den Nahen Osten, Nordafrika und Zentralasien, auszuweiten. Man plant z. B. den Bau einer Pipeline zum Kaspischen Meer (Nabucco-Pipeline) unter Umgehung Russlands[11].

Ökologische Aspekte

Es wird angeführt, dass eine Gas-Pipeline durch das Meer stets ökologische Risiken mit sich bringt. Auf Empfehlung der HELCOM wird diese Pipeline auf Umweltverträglichkeit überprüft[12]. Besondere Brisanz erhält der geplante Bau dadurch, dass am Meeresgrund chemische Waffen sowie weitere gefährliche Rückstände aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg vermutet werden. Deren Entsorgung könnte neben erhöhten Kosten auch gravierende Umweltbelastungen zur Folge haben. Diese und weitere mögliche Meeresumweltbeeinträchtigungen beschäftigten das EU-Parlament[13]. Eine weitere Bedrohung der Meeresumwelt droht durch hochgiftige Chemikalien, die beim Bau der Pipeline verwendet werden sollen.[14]

Ökonomische Aspekte

Kritiker wiesen auf die vermeintliche wirtschaftliche Irrationalität dieses Projektes hin, da die Baukosten auf dem Meeresgrund 1,5-mal höher sind als durch die Länder. Dagegen steht, dass Russland und Deutschland durch die Ostsee-Pipeline Transitgebühren sparen werden, die sonst den Transitländern zufließen würden.

Kontroverse um Gerhard Schröder als Aufsichtsratsvorsitzender und der Bürgschaft der Bundesregierung für Milliardenkredite

Im Juni 2005 trafen sich Deutsche-Bank-Vorstand Tessen von Heydebreck und der Vorstandschef von Gazprom Alexej Miller in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Hier berieten sie über einen Kredit der Deutschen Bank und der Staatlichen KfW Bankengruppe in Höhe von einer Milliarde Euro – getragen zu gleichen Teilen von 500 Millionen Euro je Bank – für den Bau des Zubringer zwischen dem Gasfeld Yushno Russkoje (Mehrheitsaktionär BASF-Tochter Wintershall) und der Hafenstadt Wyborg. Abgesichert werden sollte der Kredit durch eine Bürgschaft[15]. Anschließend beauftragten die beiden Banken die PricewaterhouseCoopers AG, die im Auftrag des Bundes sich um Bürgschaften für ausländische Unternehmen kümmert. Vier Tage nach der Bundestagswahl stellten am 22. September desselben Jahres die Banken ihr Vorhaben dem interministeriellen Ausschuss zur Vergabe von Garantien vor. Das Gremium setzt sich unter der Leitung des Wirtschaftsministerium aus den Finanz-, Außen- und Entwicklungshilfeministerien zusammen. Das Kanzleramt ist dort nicht vertreten. Am 24. Oktober, zwei Wochen nach der Ankündigung Schröders, sich aus der Politik zurückzuziehen, tagte das Gremium erneut und bewilligte die Bürgschaft unter den Konditionen, dass der Bund 900 Millionen Euro plus Zinsen im Falle eines Scheiterns übernehmen würde. Anders als sonst üblich gilt die Bürgschaft aber auch für „die Deckungszusage sowohl für das politische als auch das wirtschaftliche Risiko“.

Bei den Feierlichkeiten zum Baustart der Pipeline am 9. Dezember 2005 teilte Gazprom-Chef Alexei Miller mit, dass Gerhard Schröder Aufsichtsratsvorsitzender der Betreibergesellschaft werden soll. Dies führte zu Kritik von verschiedenen Seiten, insbesondere von Politikern der Oppositionsparteien, da Schröder das Projekt als Bundeskanzler selber aktiv mit gestaltet und zusammen mit Russlands Präsident Wladimir Putin forciert hatte.

Bekannt wurde diese Bürgschaft erst am 31. März 2006 in einer Gerichtsverhandlung zwischen Gerhard Schröder und Guido Westerwelle. Westerwelle behauptete, dass Schröder den „Auftrag“ zum Bau der Pipeline gegeben hätte, doch dieser wollte wegen Rufschädigung gegen Westerwelle vorgehen. In der Verhandlung legte Westerwelles Verteidiger einen Vermerk des Finanzministeriums vor, der an den Haushaltsausschuss des Bundestags adressiert war. Aus dem Papier geht hervor, dass Putin und Schröder den Bau der Pipeline „vereinbart“ hätten, woraus die Verteidigung den „Auftrag“ ableitete. In diesem Papier war aber auch von der Bürgschaft und den Konditionen die Rede.

Schröder entgegnete den Vorwürfen der Verbindung zwischen der Bürgschaft des Bundes und seinem Sitz im Aufsichtsrat, dass das Bundeskanzleramt nicht im Gremium zum Beschluss der Bürgschaft beteiligt gewesen war. Auch unterstrichen er und Gazprom, dass es nie zu der Bürgschaft gekommen sei, weil Gazprom den Kredit zum Bau des Abschnittes letztendlich nicht nutzte.

Im Juni 2007 kritisierte der Leiter des Auswärtigen Ausschuss des US-Kongresses, Tom Lantos, Schröder wegen dieser Tätigkeit scharf[16]; die Bundesregierung wies die Äußerungen Lantos’ mit „Deutlichkeit und Entschiedenheit“ zurück.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Zündstoff im Baltikum. Streit um die geplante deutsch-russische Gasleitung. In: Das Parlament, 49-50/2005.
  2. Indirekter Hitler-Vergleich. Polnischer Minister poltert gegen Schröder und Merkel. In: Spiegel online, 30. April 2006.
  3. Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste: Die Ostsee-Pipeline. Nr. 23/2008, 12. August 2008. (PDF)
  4. Polnisches AKW an deutscher Grenze? In: Tagesschau.de, 3. Mai 2006.
  5. schweden-portal.de: Politikum Ostseepipeline
  6. Sicherheitspolitisches Stirnrunzeln über Ostseepipeline
  7. Schweden fürchtet Ostseepipeline. In: Financial Times Deutschland, 14. November 2006
  8. [1] In: ´´Handelsblatt´´, 11. September 2008
  9. [2]. In: ´´Der Tagesspiegel``, 13. September 2008
  10. Gazprom droht EU mit Gas-Entzug. In: Tagesschau.de, 20. April 2006.
  11. Karin Kneissl: Die Politik der Pipelines. In: Österreichische Militärische Zeitschrift, 3/2006. (Bundesministerium für Landesverteidigung)
  12. http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2008-0336+0+DOC+XML+V0//DE
  13. EU-Parlament: Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der Meeresumwelt
  14. Gasprom will Gift in die Ostsee pumpen In: Spiegel online, 23. Februar 2008.
  15. Gazprom-Affäre – „Ein völlig normaler Vorgang“. In: Süddeutsche Zeitung, 3. April 2006.
  16. Attacke gegen Ex-Kanzler – US-Abgeordneter wirft Schröder „politische Prostitution“ vor. In: Süddeutsche Zeitung, 12. Juni 2007.

Siehe auch

Weblinks


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