Nowaja Gazeta

Nowaja Gazeta
Nowaja Gaseta
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Beschreibung überregionale Zeitung
Verlag ANO RID „Nowaja Gaseta“
Erstausgabe 1. April 1993
Erscheinungsweise dreimal wöchentlich
Auflage
(zeit.de, 8. März 2007)
600.000 Exemplare
Chefredakteur Dmitri Muratow
Herausgeber Sergei Sokolow
Weblink www.novayagazeta.ru (russisch) (englische Ausgabe)

Nowaja Gaseta (russisch Новая Газета, deutsch „Neue Zeitung“) ist eine russische, dreimal wöchentlich erscheinende Zeitung. Sie ist über die Grenzen Russlands bekannt geworden durch investigativen Journalismus unter schwierigsten Rahmenbedingungen. [1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im April 1993 gründete Chefredakteur Dmitri Muratow zusammen mit Kollegen der ehemals sowjetischen Jugendzeitung und heutigen Boulevardzeitung Komsomolskaja Prawda eine der ersten unabhängigen russischen Tageszeitungen.[2] Aus dieser ging 1999 die vorerst zweimal wöchentlich erscheinende Nowaja Gaseta hervor.[3]

Profil

In der russischen Presselandschaft hebt sich die Nowaja Gaseta durch Artikel über Korruption, organisierte Kriminalität, deren Verbindung zu russischen Amtsträgern sowie ihr Engagement für die Einhaltung der Menschenrechte und eine friedliche Lösung des Tschetschenienkonflikts hervor. [2] 2006 ist die Zeitung gegen den von der russischen Regierung geschürten Hass auf Menschen georgischer Abstammung aufgetreten.[1] Der Stern berichtete darüber, wie die Redakteure „sämtliche Bestandteile kauften, die man zum Bau einer Atombombe braucht, vom Plutonium bis zum Zünder“.

Die Nowaja Gaseta berichtete darüber, dass Ministerpräsident Putin in seiner Zeit als stellvertretender Bürgermeister von Sankt Petersburg humanitäre Gelder veruntreut habe. Sie behauptete ferner, der Inlandsgeheimdienst FSB sei verantwortlich dafür, dass 1999 in Moskau zwei Wohnhäuser in die Luft gesprengt wurden, was 216 Menschen das Leben kostete. Der russische Geheimdienst habe die Tat tschetschenischen Terroristen in die Schuhe schieben wollen.[3] (Siehe auch: Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser in Russland.)

Redaktion

Chefredakteur Dmitri Muratow zählt zu jenen russischen Intellektuellen, die seit der Perestroika für Demokratie und Menschenrechte eintreten. Einige der rund 30 Mitarbeiter des Blattes sind sehr bekannte Journalisten:

  • Pawel Felgenhauer, international anerkannter Militärexperte[4]
  • Wjatscheslaw Ismailow, ehemaliger Armeeoffizier[4]
  • Julia Latynina, Schriftstellerin[4]
  • Roman Schlain, Reporter

Diese Redakteure waren früher die Aushängeschilder etablierter Tageszeitungen mit einer Auflage in Millionenhöhe. Seit dem Amtsantritt Präsident Wladimir Putins im Frühjahr 2000 wurden aber Medien unter Druck gesetzt, weil sie durch kritische Distanz zum Kreml und eine kritische Berichterstattung aus Tschetschenien aufgefallen waren. Einige der dort tätigen Journalisten gingen und arbeiteten danach bei der Nowaja Gaseta. Zudem stützt sich die Redaktion auch auf ein dichtes Netz von Korrespondenten in der Russischen Föderation und den ehemaligen Unionsrepubliken. Diese bleiben aus Sicherheitsgründen manchmal anonym. Es wird vermutet, dass hohe Beamte aus der Kreml-Administration und Politiker aus der Regierung mitunter die Nowaja Gaseta mit Informationen versorgen.[5]

Eigentümer

Im Juni 2006 erwarben der ehemalige Präsident der UdSSR Michail Gorbatschow, der die Zeitung schon bei ihrer Gründung unterstützte[6] und der Bankier und Dumaabgeordnete Alexander Lebedew (Partei Einiges Russland) gemeinsam 49% der Anteile an der Nowaja Gaseta. Die restlichen 51% befinden sich weiterhin in den Händen des Redaktionskollektivs[7][8]. Die durch den Verkauf des Anteils eingegangenen Mittel sollen zu einer Erweiterung der Zeitung genutzt werden.[1]

Auflage und Reichweite

Bis 1999 erschien die Nowaja Gaseta in der Russischen Föderation in einer Auflage von 400.000 Exemplaren. Seither ist die Auflage im eigenen Land gesunken, insgesamt aber auf 600.000 Exemplare (ohne Internet-Ausgabe) gestiegen.[9][3]

  • 171.000 Exemplare in der Russischen Föderation[10][11]
  • 429.000 Exemplare[3](Regionalausgaben) in mehreren russischen Städten sowie in Kasachstan und Israel[12]
  • Unbekannte Anzahl Exemplare seit Oktober 2005 als Beilage der russischsprachigen Zeitung Lugantschane in der Ukraine[9]
  • 54.000 Exemplare seit September 2005 der Monatsausgabe der Nowaja Gaseta in Farbe [3]
  • 10.000 Exemplare seit dem 7. August 2007 der wöchentlichen russischsprachige Europaausgabe[13]
  • 70.000 Leser täglich seit 1996 von der Nowaja Gaseta-Website[14]

Zum Vergleich: Regierungstreue Blätter wie die Iswestija verkaufen landesweit ca. 500.000 Exemplare, die Komsomolskaja Prawda etwa 1,9 Millionen. Die Nowaja Gaseta wird aber fast ausschließlich in Moskau und den umliegenden Regionen Zentralrusslands verkauft. Zum einen scheitert der landesweite Vertrieb an den Kosten, bedingt durch Entfernungen von bis zu 10.000 Kilometern, vor allem aber auch an mangelnder Nachfrage.[3]

Repressionen gegenüber Nowaja-Gaseta-Journalisten

Die Mitarbeiter der kleinen Redaktion leben gefährlich. Sieben Journalisten aus ihren Reihen wurden seit Mai 2000 schwer verletzt oder gar umgebracht.[15]

Ermordet wurden die Nowaja-Gaseta-Mitarbeiter:

  • Igor Domnikow: Der Spezialist für Korruptionsfälle in der Ölindustrie wurde am 12. Mai 2000 von bislang unbekannten Tätern vor dem Eingang seines Wohnhauses mit einem Hammer niedergeschlagen und bewusstlos in einer Blutlache liegengelassen. Domnikow starb am 16. Juli, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Sowohl die Polizei als auch Domnikows Kollegen sind sich sicher, dass der Anschlag mit seiner beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang steht.[15]
  • Juri Schtschekotschichin: Der stellvertretende Chefredakteur wurde während Recherchen über die Verbindung von Steuerbetrügern und dem Inlandsgeheimdienst FSB am 21. Juni 2003 in lebensbedrohlichem Zustand ins Moskauer Zentralkrankenhaus eingeliefert. In der Nacht des 3. Juli starb er. Die offizielle Todesursache war eine heftige allergische Reaktion – obwohl er nie an einer Allergie gelitten hatte. Die Ergebnisse der Autopsie wurden den Angehörigen nie mitgeteilt.[15]
  • Anna Politkowskaja: Die Journalistin hatte während des Tschetschenien-Krieges Verbrechen der russischen Armee und der mit ihr verbündeten paramilitärischen tschetschenischen Gruppen aufgedeckt. Am 7. Oktober 2006 wurde Politkowskaja vor ihrem Wohnhaus in Moskau mit mehreren Schüssen ermordet. Der unmaskierte Täter wurde von einer Überwachungskamera gefilmt und identifiziert, aber von der Polizei nie gefasst. Der Verlag setzte 25 Millionen Rubel (930.000 Dollar) aus für Hinweise auf die Mörder von Politkowskaja und versprach: „So lange es 'Nowaja Gaseta' gibt, werden ihre Killer nicht ruhig schlafen“.[15]
  • Anastassija Baburowa: Die freie Mitarbeiterin wurde am 19. Januar 2009 nach dem Besuch einer Pressekonferenz zusammen mit dem Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow in Moskau auf offener Straße erschossen.[16]

Verletzt wurden die Nowaja-Gaseta-Mitarbeiter:

  • Oleg Lurje: Der Sonderkorrespondent der „Abteilung Aufklärung und Recherche“ und Autor zahlreicher Artikel über Korruption von hochgestellten Staatsdienern wurde am 16. Dezember 2000 von zwei Unbekannten zusammengeschlagen. Die Täter nahmen ihm weder Geld noch Wertsachen ab.[15]
  • Sergej Solowkin: Der Südrussland-Korrespondent wurde am 12. März 2002 in Sotschi am Schwarzen Meer vor seinem Haus überfallen. Der Täter gab zwei Schüsse ab, verfehlte ihn aber. Solowkin erwiderte das Feuer mit seiner eigenen Pistole, die er als ehemaliger Kriminalkommissar legal besaß. Nach dem Mordanschlag verließ Solowkin Russland und zog nach Deutschland. [17]
  • Michail Komarow: Der stellvertretende Chefredakteur der Außenredaktion in Rjasan wurde am 3. November 2003 von zwei Männern vor dem Eingang seines Hauses überfallen und zusammengeschlagen. Die Täter nahmen kein Eigentum des Opfers an sich. Komarow wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht.[15]

Repressionen gegenüber dem Verlag

Die Kommentare und Analysen, vor allem die brisanten Enthüllungsgeschichten der „Nowaja Gaseta“, sorgen immer wieder für Unmut bei Administration und Regierung. Deshalb ist die Nowaja Gaseta ständigem Druck von Seiten der russischen Behörden ausgesetzt. Ihre Rechtsanwälte sind jährlich mit 20 bis 30 Klagen gegen die Zeitung in der Höhe von mehreren Millionen Dollar beschäftigt. Die Nowaja Gaseta hat aber bisher keinen Prozess verloren. Immer wieder kommt es zu "dringenden Kontrollen" durch die russischen Finanzbehörden oder auch die Brandschutzbehörden, bei denen die Redaktionsarbeit gestört wird.

Oder es werden tatsächliche oder potenzielle Anzeigenkunden unter Druck gesetzt.[1] Die Deutsche Welle berichtete, dass einem internationalen Konzern sogar gedroht wurde, besser auf Anzeigen in der kritischen Zeitung zu verzichten. Der Konzern zahlte dann die für den Anzeigenauftrag vereinbarte Summe – bestand aber darauf, dass die Annonce nicht in der Zeitung veröffentlicht wurde.[1]

Am 11. November 2007 erklärte die Lokalredaktion in Samara die Einstellung der örtlichen Ausgabe der Nowaja Gaseta. Hintergrund ist die Beschlagnahmung der gesamten Bürotechnik durch staatliche Organe. Der Redaktion wurde vorgeworfen, auf ihren Computern Software ohne Lizenz verwendet zu haben. Vertreter der Nowaja Gaseta sehen in den polizeilichen Maßnahmen jedoch den Versuch der Staatsmacht, im Vorfeld der Wahlen die Arbeit der als oppositionell geltenden Zeitung in Samara zu unterbinden.[18]

Auszeichnungen

  • Am 12. Dezember 2006 verlieh die Medienorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) der Nowaja Gaseta für ihren besonderen Einsatz für die Presse- und Meinungsfreiheit den „ROG-Menschenrechtspreis“.[19]
  • Am 11. Mai 2007 wird die Nowaja Gaseta für ihre Verdienste um die Pressefreiheit mit dem renommierten Henri-Nannen-Preis 2007 ausgezeichnet.[11]

Einzelnachweise

  1. a b c d e Gesine Dornblüth: Eine Insel der Wahrheit und Unabhängigkeit im Meer von Konformismus und Lügen In: Deutsche Welle 10. Oktober 2006 (russisch)
  2. a b Ulrich Heyden: Michail Gorbatschow steigt bei „Nowaja Gaseta“ein In: Eurasisches Magazin vom 30. Juni 2006
  3. a b c d e f Angaben laut privatem Krusenstern-Weblog, 11. Mai 2007
  4. a b c Redaktion der russischen Tageszeitung "Nowaja Gaseta". auf [1] (eingesehen am 14. Januar 2009)
  5. Elke Windisch: Sperrige Wahrheiten, Der Tagesspiegel, 14. Oktober 2006
  6. Gorbatschow ist Teilhaber bei der Nowaja Gasetaaus der Internetzeitung Russland-Aktuell, Freitag, 9. Juni 2006 (kostenlose Registrierung erforderlich)
  7. Mitteilung des Radiosenders Echo Moskwy vom 7. Juni 2006 über Verkauf von Unternehmensanteilen an M. Gorabatschow und A. Lebedew (russisch)
  8. Claire Stephan: Nowaja Gaseta: Bewährungsfrist hält an, ARTE Info - Wahlen in Russland - 2007
  9. a b Nowaja Gaseta vom 24. Oktober 2005, Nr. 79: Mitteilung über Auflagenhöhe und Kooperation mit der ukrainischen Zeitung Lugatschane (russisch)
  10. Dossier zur "Zeitung der Zukunft": Global News, [taz], 15. September 2007
  11. a b Redaktion der russischen Tageszeitung "Nowaja Gaseta" auf der Homepage des Henri-Nannen-Preis
  12. Nowaja Gaseta vom 24. Oktober 2005, Nr. 79: Mitteilung über Auflagenhöhe und Kooperation mit der ukrainischen Zeitung Lugatschane (russisch)
  13. „Nowaja Gaseta“ mit Europa-Ausgabe, Homepage desBundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, 8. August 2007
  14. Redaktion der russischen Tageszeitung "Nowaja Gaseta" auf der Homepage des Henri-Nannen-Preis
  15. a b c d e f Chronik der Überfälle und Morde an Journalisten der Nowaja Gaseta In Nowyje Iswestija online (russisch)
  16. „Menschenrechtler in Moskau ermordet“, SF Tagesschau, 19. Januar 2009.
  17. Juri Ginsburg: Wie der Journalist Sergej Solowkin im Kurort Sotschi seiner Hinrichtung entkam In: Berliner Zeitung vom 27. Juli 2002
  18. http://www.newsru.com/russia/11nov2007/sam.html
  19. Reporter ohne Grenzen verleiht Menschenrechtspreis, Bericht auf der Homepage von Reporter ohne Grenzen, 12. Dezember 2006

Siehe auch

Weblinks


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