Oberordovizium

Oberordovizium
< Kambrium | O r d o v i z i u m | Silur >
vor 488,3–443,7 Millionen Jahren
Atmosphärischer O2-Anteil
(Durchschnitt über Periodendauer)
ca. 13,5 Vol %[1]
(68 % des heutigen Niveaus)
Atmosphärischer CO2-Anteil
(Durchschnitt über Periodendauer)
ca. 4200 ppm[2]
(11-faches heutiges Niveau)
Bodentemperatur (Durchschnitt über Periodendauer)
ca. 16°C [3]
(2°C über heutigem Niveau)
System Serie Stufe ≈ Alter (mya)
höher höher höher jünger
Ordovizium Oberordovizium Hirnantium 445,6–443,7
Katium 455,8–445,6
Sandbium 460,9–455,8
Mittelordovizium Darriwilium 468,1–460,9
Dapingium 471,8–468,1
Unterordovizium Floium 478,6–471,8
Tremadocium 488,3–478,6
tiefer tiefer tiefer älter

Das Ordovizium ist das zweite chronostratigraphische System (bzw. Periode in der Geochronologie) des Paläozoikums in der Erdgeschichte. Das Ordovizium begann vor etwa 488,3 Millionen Jahren und endete vor ca. 443,7 Millionen Jahren. Es wird vom Kambrium unterlagert, die Schichten des Kambriums sind also die ältesten des Paläozoikums. Auf das Ordovizium folgt das Silur.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Namensgebung

Der Begriff Ordovizium wurde 1879 von dem britischen Geologen Charles Lapworth eingeführt. Er leitete ihn von den Ordovicern ab, einem keltischen Volksstamm, der in Wales ansässig war. Im 19. Jahrhundert wurde das heutige Ordovizium meist als untere Einheit dem Silur zugerechnet. Um einen Streit zwischen den Anhängern Adam Sedgwicks, dem Entdecker des Kambriums, und Roderick Murchisons, dem Beschreiber des Silurs, zu schlichten, führte Charles Lapworth 1879 für die Schichten, die von beiden für ihre jeweiligen Systeme beansprucht wurden, den Begriff Ordovizium ein. Er hatte erkannt, dass sich diese Schichten, auch durch ihre Fossilien, ziemlich deutlich von den anderen beiden Systemen unterschieden. Aber die neue Systembezeichnung zwischen Kambrium und Silur setzte sich nur langsam durch und wurde erst 1960 durch den Internationalen Geologischen Kongress weltweit anerkannt.

Definition und GSSP

Die Basis des Ordoviziums ist von der International Union of Geological Sciences (IUGS) durch das Erstauftreten der Conodonten-Art Iapetognathus fluctivagus definiert. Diese Grenze liegt etwas oberhalb der Cordylodus lindstromi-Conodonten-Zone und etwas unterhalb des Erstauftretens der ersten planktonischen Graptolithen (Staurograptus dichotomus und Rhabdinopora praeparabola). Die Obergrenze (= Untergrenze des Siluriums) wurde mit dem Erstauftreten der Graptolithen-Art Akidograptus ascensus festgelegt; das Erstauftreten der Graptolithen-Art Parakidograptus acuminatus liegt nur geringfügig höher und damit schon in der untersten Stufe des Silur. Der GSSP (globaler Eichpunkt) für den Beginn des Ordoviziums (und der Tremadocium-Stufe) ist das "Green Point-Profil" im Gros-Morne-Nationalpark, ca. 70 km vom Flughafen von Deer Lake und ungefähr 10 km nördlich des Ortes Rocky Harbour, im westlichen Neufundland (Kanada).

Untergliederung des Ordovizium

Das Ordovizium wird in drei chronostratigraphische Serien, Unter-, Mittel- und Oberordovizium untergliedert. Diese Serien sind weiter in insgesamt 7 chronostratigraphische Stufen unterteilt (in der Übersicht):


Davon abweichend wurden in Europa folgende regionale Stufen für das Ordovizium benutzt, die in der älteren Literatur und häufig auch noch in der jetzigen populärwissenschaftlichen Literatur zu finden sind:

  • System: Ordovizium
    • Serie: Oberordovizium
      • Regionale Stufe: Ashgillium
      • Regionale Stufe: Caradocium
    • Serie: Mittelordovizium
      • Regionale Stufe: Llanvirnium
        • Regionale Unterstufe: Llandeilium
        • Regionale Unterstufe: Abereiddium
    • Serie: Unterordovizium
      • Regionale Stufe: Arenigium
      • Regionale (und internationale) Stufe: Tremadocium

Diese Einteilung war stark an der älteren britischen Gliederung des Systems orientiert. Dieses ist jedoch noch weiter differenziert. Vor allem in der älteren deutschsprachigen Fachliteratur wird das Ordovizium auch als Untersilur (siehe Geschichte) bezeichnet. Dadurch kann es zu Verwirrungen und falschen zeitlichen Einstufungen kommen.

Paläogeografie

Paläogeografische Rekonstruktion des Iapetus während des Mittleren und Oberen Ordoviziums vor etwa 460 Mio. Jahren

Die paläogeographische Situation der Kontinente war wie im Kambrium geprägt vom Großkontinent Gondwana und drei weiteren kleineren Kontinenten Laurentia, Baltica und Sibiria sowie einer ganzen Reihe von Klein- und Mikrokontinenten, die ursprünglich Bestandteile Gondwanas waren. Baltica und Gondwana entfernten sich während des Ordoviziums etwas voneinander, dazwischen entstand der Tornquist-Ozean. Laurentia driftete nach Norden zum Äquator. Es war von Gondwana und Baltica durch den Iapetus-Ozean getrennt. Sibiria lag bereits im Mittelordovizium am Äquator.

Bezogen auf die heutigen Kontinente wanderte der Südpol von einer Position im heutigen südlichen Algerien (Unterordovizium) zunächst etwas nach Norden bis etwa an die heutige Mittelmeerküste Algeriens (Mittelordovizium), um dann bis zum Oberordovizium nach Westafrika weiter zu wandern; richtiger ausgedrückt Gondwana wanderte entsprechend über den Südpol hinweg. Der Nordpol lag im damals weltumfassenden Panthalassischen Ozean.

Im Unterordovizium brach der Mikrokontinent Avalonia vom Nordrand Gondwanas ab und driftete nach Norden. Zwischen Avalonia und Gondwana öffnete sich der Rheische Ozean. Avalonia bildete im Mittelordovizium eine eigene Faunenprovinz, die sich von der von Gondwana, Baltica und Laurentia unterschied. Im Oberordovizium wurde Avalonia unter Schließung des Tornquist-Ozeans an Baltica angeschweißt und die Fauenunterschiede zwischen Baltica und Avalonia verschwanden. Der Iapetus-Ozean begann sich zwischen Laurentia und Baltica zu schließen. Vermutlich ebenfalls noch im Unterordovizium war der Mikrokontinent Perunica von Gondwana abgebrochen und driftete ebenfalls nach Norden auf Baltica zu.

Im Oberordovizium (Hirnantium) vereiste ein großer Teil Gondwanas (Nordafrika, Südamerika, Saudiarabien). Auf den betroffenen Kontinenten wurden Tillite abgelagert. Durch Gletscherschrammen im anstehenden Gestein lässt sich die Transportrichtung des Eises rekonstruieren. In den angrenzen Meeresgebieten kam es zur Ablagerungen von Sedimenten mit Dropstones. Dropstones entstehen, wenn in Eisbergen eingefrorene grobe Gerölle durch das Abschmelzen der Eisberge in meist feinkörnige Sedimente fallen. Die Gerölle wurden durch Inlandgletscher vom Untergrund aufgenommen und zur Küste transportiert. Dort brachen immer wieder große Teile ab und trieben als Eisberge auf den angrenzenden Meeren. Die Mikrokontinente der Armorica-Gruppe (als Teil des Hun-Superterrans), die später für Europa bedeutsam werden, lagen noch am Nordrand von Gondwana.

Klima

Zu Beginn des Ordoviziums war es in Nähe des Äquators wahrscheinlich sehr warm. Auch aus den Gebieten des damaligen Südpols sind keine Vereisungen bekannt. Am Ende des Ordoviziums (Hirnantium-Stufe) kam es jedoch zu einer der größten Vereisungen innerhalb des gesamten Äonothems des Phanerozoikums. Diese Vereisung betraf einen großen Teil der Südhalbkugel und könnte mit ein Auslöser für das Massenaussterben im Oberordovizium gewesen sein.

Entwicklung der Fauna

Am Ende des Kambriums war es zu einer weitverbreiteten Regression gekommen und viele Arten waren ausgestorben. Darunter waren auch einige der frühen Experimente der Gliederfüßer (Arthropoda) wie die Anomalocarida (Anomalocaris).

Im Unterordovizium kam es dann aber zur einer erneuten Radiation. Die Korallen treten erstmals mit den beiden Gruppen der Rugosa und Tabulata in Erscheinung. Die Graptolithen haben zu Beginn des Ordoviziums ihr erstes Auftreten. Als letzter der großen Stämme des Tierreich erscheinen auch die Moostierchen (Bryozoa) und das schon in einer beachtlichen Diversität. Die bereits im Kambrium vorhandenen Armfüßer machen eine große Radiation durch; sehr viele Gruppen erscheinen zu ersten Mal. Im Ordovizium begann auch die eigentliche Radiation der Kopffüßer (Cephalopoda), die bereits im obersten Kambrium mit einfachen Formen entstanden waren. Sie werden zu den größten Räubern des Ordoviziums, mit Gehäuselängen von bis zu 10 m und mehr (z.B. Ord. Endocerida). In der Gruppe der Stachelhäuter (Echinodermata) treten die Seeigel (Echinoidea), die Seewalzen (Holothuroidea), die Seesterne (Asteroidea) und die Schlangensterne (Ophiuroidea) erstmals auf. Außerdem ist noch die schnelle Radiation der Seelilien (Crinoida) hervor zu heben. Die merkwürdige Gruppe der Carpoidea tritt zum ersten Mal in Erscheinung. Die Trilobiten diversifizieren sich; darunter sind jetzt nektonische Formen mit großen, hochentwickelten Facettenaugen, aber auch (sekundär) blinde Formen, die wohl tieferes Wasser bewohnten. Unter den kieferlosen Wirbeltierverwandten (Agnatha) entwickelten sich die Pteraspidomorphi. Die Conodonten entwickelten sich ebenfalls sehr rasch. Nach dem Aussterben der Archaeocyathiden bildeten nun erstmals Korallen, Bryozoen und Stromatoporen Riffe.

Am Ende des Ordovizium kam es dann zu einem Massenaussterben. Über 100 Familien von marinen Organismen starben aus. Die Ursache war vermutlich eine Kombination von mehreren Faktoren: globale Abkühlung durch die hirnantische Vereisung, Meeresspiegelabsenkung, Schließung des Iapetus u.a. Die biostratigraphische Zoneneinteilung basiert hauptsächlich auf Graptolithen, Trilobiten, Conodonten und Brachiopoden.

Entwicklung der Flora

Vermutlich entstanden bereits im Ordovizium die ersten einfachen Landpflanzen. Sie entwickeln sich im Silur und später im Devon rasch weiter.

Das Ordovizium in Mitteleuropa

Aufgeschlossene Hangendgrenze des Ordoviziums an der Südspitze der Insel Hovedøya in Norwegen. Während der Auffaltung der Kaledoniden wurde hier jedoch die normale Schichtenfolge invertiert und der helle ordovizische Kalkstein liegt über dem dunklen silurischen Tonstein.

Durch die Meeresspiegelhöchststände waren weite Teile der Landmassen überflutet und es kam zur Ablagerung von flachmarinen Sedimenten. Charakteristisch für das Ordovizium sind Kalkablagerungen, unter anderem in weiten Teilen des heutigen Skandinaviens (z.B. Schweden) und des Baltikums (z.B. Estland). In vielen Gebieten wurden Muttergesteine von Erdöl und Erdgas abgelagert, wie z.B. der estnische Kukersit. In Deutschland finden sich hauptsächlich Tonablagerungen (Tonschiefer) aus dem Ordovizium. Vor allem in Thüringen enthalten diese Sedimentgesteine auch Fossilien. Eine Besonderheit unter ihnen stellt der Lederschiefer dar. Er enthält als Dropstones gedeutete Klasten (oft Quarzite), die Fossilien enthalten während der umgebende Schiefer mindestens als fossilarm gilt. Sie sind ein wichtiger Beleg für die damals noch in Südpolnähe sich befindliche Armorica-Gruppe von Kleinkontinenten, die später mit Baltica verschmolzen wurden und heute den Untergrund von Mitteleuropa bilden.

Einzelnachweise

  1. http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Sauerstoffgehalt-1000mj.svg
  2. http://en.wikipedia.org/wiki/Image:Phanerozoic_Carbon_Dioxide.png
  3. http://en.wikipedia.org/wiki/Image:All_palaeotemps.png

Literatur

  • B. D. Webby, F. Paris, M. L. Droser und I. G. Percival (Herausgeber): The Great Ordovician Biodiversification Event, S.41-47, Columbia University Press, New York 2004 ISBN 0-231-12678-6.
  • Roger A. Cooper, Godfrey S. Nowlan und S. Henry Williams: Global Stratotype Section and Point for base of the Ordovician System. Episodes, 24(1): 19-28, Beijing 2001 ISSN 0705-3797
  • Roland Walter: Erdgeschichte Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. 5. Aufl., 325 S., de Gruyter, Berlin & New York 2003. ISBN 3-11-017697-1
  • L. R. M. Cocks und T. H. Torsvik: European geography in a global context from the Vendian to the end of the Palaeozoic. In: D. G. Gee und R. A. Stephenson (Hrsg.): European Lithosphere Dynamics. Geological Society London Memoirs, 32: 83-95, London 2006 ISSN 0435-4052
  • Gérard M. Stampfli, Jürgen F. von Raumer und Gilles D. Borel: Paleozoic evolution of pre-Variscan terranes: From Gondwana to the Variscan collision.Geological Society of America Special Paper, 364: 263-280, Boulder 2002 PDF

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