- Oldenburger Palme
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Grünkohl (Brassica oleracea convar. acephala var. sabellica L.) gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae). Es ist ein typisches Wintergemüse und eine Zuchtform des Kohls (Brassica oleracea).
Inhaltsverzeichnis
Weitere Namen
Regional wird er auch Braunkohl (beispielsweise in Braunschweig, Hannover, Magdeburg und Bremen) Hochkohl oder Krauskohl genannt. In der Schweiz ist er unter dem Namen Federkohl bekannt. In Ostwestfalen trägt er den seinen Wuchs umschreibenden Namen Lippische Palme, weiter nördlich Oldenburger oder Friesische Palme.
Insbesondere die Bezeichnung Braunkohl sorgt für teils abenteuerliche Erklärungen der Namensherkunft. Nicht ganz ernstgemeinte Vorschläge stellen z. B. einen Bezug zur Braunkohle her. Braunschweiger hingegen verkünden voller Stolz, der Braunkohl komme aus Braunschweig und trage daher seinen Namen. Umstritten ist auch die Erklärung, dass die Namensgebung Braunkohl etwas mit der Verfärbung des Kohls nach mehrmaligen Aufwärmen zu tun haben könnte. Gleiches gilt für die Erklärung, der Kohl verfärbe sich nach Frost bräunlich.
Folgendes dürfte dagegen richtig sein: Es gibt verschiedene Sorten dieses Kohls, die sich u. a. in der Färbung ihrer Blätter unterscheiden. So wurde im Bremischen wie auch im Oldenburgischen noch im 19. Jahrhundert der sogenannte Langkohl gegessen. Dieser Langkohl hat eindeutig bräunlich-violette Blätter und wird daher auch ausdrücklich als Braunkohl bezeichnet. Die unteren Blätter des mannshoch wachsenden Strunks wurden früher als Viehfutter verwendet. Die oberen Röschen des Langkohls aber waren und sind für den menschlichen Verzehr geeignet. Und da es kaum noch Vieh in den Städten gibt, mit denen man sich den Kohl teilen könnte, verschwand der Langkohl nahezu vollständig aus dem Anbau. Die Erinnerung an den Langkohl lebt jedoch im Namen Braunkohl fort.[1] In Braunschweig gibt es zudem seit dem Frühjahr 2008 ein Projekt zur Nachzucht des "echten" Braunkohls.
Herkunft
Der Grünkohl ist von allen verbreiteten Kohlformen der Wildform der Kohlpflanze am ähnlichsten. Grünkohl hat seinen Ursprung wahrscheinlich in Griechenland. Dort wird 400 v. Chr. ein krausblättriger Blattkohl beschrieben, der später bei den Römern als Sabellinischer Kohl bezeichnet wurde. Dieser Kohl ist wohl der Vorläufer des heutigen Grünkohls. Grünkohl zählte in der römischen Küche zu den Delikatessen. Bauern, die Grünkohl anbauten, brachten es dadurch oft zu Wohlstand. Typische Anbaugebiete heute sind Mittel- und Westeuropa, Nordamerika und Ost- sowie Westafrika. Im Norden Deutschlands streiten sich alle Jahre wieder die Städte Bremen und Oldenburg darum, wessen „Spezialität“ der Grünkohl denn nun ist. Die längste Tradition können die Bremer nachweisen, die seit 1545 ein öffentliches Grünkohlessen zelebrieren. In Deutschland wird Grünkohl auf einer Fläche von etwa 10 km² angebaut.
Anbau
Grünkohl ist eine schnellwüchsige Blattkohlart. Wie bei allen Kohlarten, außer bei Blumenkohl und Broccoli, werden im zweiten Jahr Blüten gebildet. Dabei werden große Blütenstände mit vielen gelben Blüten ausgetrieben. Nach der Befruchtung entstehen Schoten mit vielen Samen. Jungpflanzen können ab Mai im Frühbeet gezogen werden. Der Boden sollte gut vorbereitet und sein pH-Wert neutral sein. Um dem Kohl während seines Wachstums genügend Nahrung zukommen zu lassen, den Boden im Frühjahr mit Kompost und Hornspänen vorbereiten. Sollte der Grünkohl im späteren Jahr Mangelerscheinungen zeigen (z. B. durch die Gelbfärbung der Blätter) ist eine entsprechende Nachdüngung erforderlich. Die Jungpflanzen werden in einem Abstand von 40x80 cm ins Beet gesetzt, dabei ist auf eine ausreichende Tiefe zu achten, um den Befall durch die Kohlfliege zu verhindern. Im Garten verträgt sich der Grünkohl ausgezeichnet mit benachbarten Tomaten, Stangenbohnen, Spinat, Sellerie, Rhabarber, Radieschen, Pflück- und Kopfsalat, Lauch, Gurken und Erbsen. Weniger gute Nachbarkulturen sollen Zwiebeln, andere Kohlsorten, Knoblauch oder Kartoffeln sein. Wie bei allen Kohlarten soll auf der gleichen Fläche, auf der Kohlarten angebaut wurden, mehrere Jahre auch kein Grünkohl angebaut werden, um Krankheiten vorzubeugen.
Ernte
Während der industriell verarbeitete Grünkohl schon ab September geerntet wird, wartet man bei der eigenen Anzucht bis zum ersten Frost. Grünkohl kann den ganzen Winter über geerntet werden, allerdings sollten Kahlfröste ab -10 °Celsius und mehr vermieden werden.
Ernte nach dem ersten Frost
Es heißt oft, durch den Frost würde ein Teil der im Grünkohl enthaltenen Stärke in Zucker umgewandelt, weshalb der nach den ersten Frösten geerntete Kohl besser schmecke. Tatsächlich spielen Frost und Stärke keine Rolle, sondern es kommt auf die späte Ernte und allgemein kühle Temperaturen an. Reifer Grünkohl enthält kaum noch Stärke, die umgewandelt werden könnte, bildet durch die Photosynthese aber weiterhin Traubenzucker. Durch die kühlen Temperaturen verlangsamen sich die Stoffwechselvorgänge allgemein, besonders die Tätigkeit des Enzyms Phosphofructokinase wird stark gehemmt – der Zuckergehalt der Kohlblätter steigt an. Da diese Traubenzucker-Anreicherung nur bei der lebenden Pflanze stattfindet und der Frost selbst keine Rolle spielt, kann der Effekt der späten Ernte nicht durch kurzes Einlagern des geernteten Kohls in der Kühltruhe imitiert werden.
In der industriellen Landwirtschaft werden auch Sorten verwendet, die von vorneherein einen hohen Zuckeranteil haben, und deshalb früher geerntet werden können.
Schädlinge
Erheblichen Schaden können dem Grünkohl sowohl die weiße Fliege, der Kohlweißling und die Kohlfliege zufügen. Gefürchtete Krankheit ist die Kohlhernie, die nicht nur die augenblickliche Ernte vernichtet, sondern Kohlanbau auf der betroffenen Fläche für Jahre unmöglich macht.
Eigenschaften
Zusammen mit dem Weißkohl zeichnet den Grünkohl eine besondere Eigenschaft aus: Der hohe Gehalt an Vitamin C (100mg/100g) bleibt bei der Lagerung und auch bei der Zubereitung teilweise erhalten, somit sind diese Kohlarten als Vitamin-C-Spender besonders im Winter geeignet. Vom Weißkohl kennt man diese Eigenschaften besonders beim gesunden Sauerkraut.
Zubereitung
Entgegen der weitverbreiteten Rezeptur des längeren Kochens kann Grünkohl auch mit kürzerer Garzeit zubereitet werden. Blanchiert schmeckt er durchaus auch im Salat, der mit kräftigen Aromen, wie Speck, Schinken und Zwiebeln verfeinert werden darf. In der Region Prignitz in Brandenburg findet der Grünkohl auch im Knieperkohl Verwendung.
Verbreitung
Im Ammerland, in Bremerhaven und Bremen, im Osnabrücker Land, im Land Hadeln, Oldenburger Land, in Ostfriesland, Grafschaft Bentheim und in weiteren Teilen Niedersachsens wie Schleswig-Holstein wird ein Kult um dieses Gemüse betrieben. Dort betreiben in den Herbst- und Wintermonaten Vereine, Firmen und sonstige Gruppen Kohlfahrten und küren ihren Kohlkönig. Oftmals auch kombiniert mit den regionaltypischen Sportarten Boßeln, Klootschießen und Kloatscheeten. Ein typisches Gericht in Bremen und im Norden Niedersachsens ist „Kohl und Pinkel“ (Grünkohl mit einer geräucherten Grützwurst). Im Osnabrücker Land, in Hamburg und Schleswig-Holstein isst man Grünkohl traditionell mit Kasseler, Kohlwurst oder grober Bratwurst, Bratkartoffeln und oft auch mit Zucker bestreut, was die in der norddeutschen Küche verbreitete Geschmackskombination des Broken sööt ausmacht. Im Braunschweiger Land, in der Region Hannover sowie im Hildesheimer Land wird „Braunkohl“ mit Bregenwurst gegessen. Ähnlich verhält es sich in der Region Magdeburg. Auch im restlichen Niedersachsen und in Westfalen ist Grünkohl sehr beliebt. In Mecklenburg und Vorpommern wird Grünkohl traditionell als Wintergericht mit Kasseler, Lungwurst und / oder Schweinebacke und Salzkartoffeln gegessen.
Während er in Österreich eher unbekannt ist, kennt man ihn in der Schweiz unter der Bezeichnung Federkohl. In Baden-Württemberg galt er lange Zeit als Hasenfutter, wird aber auch zunehmend als schmackhaftes Wintergericht geschätzt. Im Osten Deutschlands wurde er als Hühnerfutter angebaut. In Bayern wird er zwar angebaut und auf lokalen Märkten angeboten, spielt aber in der traditionellen regionalen Küche keine Rolle.
In den Niederlanden ist stamppot boerenkool, Grünkohleintopf aus Grünkohl und Kartoffeln, serviert mit Gelderse rookworst ('Gelderländische' Räucherwurst) etwa das nationale Wintergericht.
In Dänemark und in Südschweden (Halland und Blekinge) ist Grünkohl ein beliebtes Gericht zu Weihnachten und wird zusammen mit dem traditionellen Weihnachtsschinken gegessen.
Gesellschaft/Politik
In vielen Gemeinden, in denen das Grünkohlessen zelebriert wird, werden auch Kohlkönige gekürt. Besonders die Stadt Oldenburg benutzt das „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“, um einmal jährlich im politischen Berlin für sich zu werben und einen Politiker als „Oldenburger Kohlkönig“ zu wählen. 1984 wurde zum Beispiel Helmut Kohl Grünkohlkönig in Bonn, Otto Schily wurde im Januar 1999 in Berlin zum Grünkohlkönig gekürt, Angela Merkel 2001. Guido Westerwelle war 46. Oldenburger Grünkohlkönig und Christian Wulff wurde am 24. Januar 2005 zum 48. Grünkohlkönig gewählt. Die Stadt hofft, dass sich der König oder die Königin in ihrer „Amtszeit“ für die Interessen der Stadt einsetzt. Jeder König/Königin hat die Pflicht, die Stadt mindestens einmal in seiner Amtszeit zu besuchen, dies erfolgt meist im Rahmen des Stadtfestes oder des Kramermarktes.
Aktuelle Grünkohlkönigin ist Annette Schavan.
Biomonitoring
Grünkohl wird im Rahmen von Biomonitoring (Luftschadstoff-Analyse, z. B. auf Flughäfen) zur quantitativen Bestimmung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) verwendet.
Siehe auch
- Grünkohlessen
- Pinkel
- Bremer Küche
- Hamburger Küche
- Niedersächsische Küche
- Schleswig-Holsteiner Küche
- Mecklenburgisch-Vorpommersche Küche
Weblinks
Quellen
- ↑ Gutmann, Hermann: Kohl- und Pinkelgeschichten, Bremen 2004
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