Operation Mindfuck

Operation Mindfuck
„Bildet Olsenbanden!“ – ein Mindfuck

Mindfuck (engl., wörtl. etwa Gedanken-Fick, im übertragenen Sinne etwa Gedankenmanipulation des Zuschauers oder Verstandes- und Sinnestäuschung) ist ein Ausdruck, der vorwiegend von Film- und Fernseh-Fans verwendet wird, um bestimmte Techniken zu bezeichnen, die beim Zuschauer Ungewissheit und Spannung hervorrufen. Die Desorientierung wird gewöhnlich durch Methoden und Tricks wie zum Beispiel nicht-lineares Erzählen, unzuverlässige Standpunkte und radikale Handlungswendungen erreicht. Der Begriff ist nicht nur wegen seines anstößigen Klanges umstritten, sondern auch, weil er sich noch nicht über eine gewisse Szene hinaus ausgebreitet zu haben scheint.

Gezielte Desorientierung eines Rezipienten etwa aus politischen oder missionarischen Gründen kann als Gehirnwäsche angesehen werden, auf dem Gebiet der Kunst stellt sie jedoch eher eine Herausforderung dar und macht deutlich, dass es verschiedene Wirklichkeiten bzw. verschiedene Blicke auf die Wirklichkeit geben kann.

Die Bedeutung des Begriffes ist weit gefächert. Ein Horrorfilm, der den Betrachter dazu veranlasst, sich anschließend vor jedem Schatten zu erschrecken, wird beispielsweise als Mindfuck bezeichnet. Auch die Illuminatus!-Romantrilogie von Robert Anton Wilson kann insgesamt als ein Mindfuck verstanden werden, da sie Fiktion und Wirklichkeit so lange vermischt, bis der Leser nicht mehr weiß, was wirklich und was fiktiv ist. Einer der Handlungsstränge in Illuminatus! trägt sogar den Titel Operation Mindfuck. Es handelt sich um eine Verschwörung zur Verbreitung von Verwirrung.[1]

Inhaltsverzeichnis

Wilson und die Diskordianer

Klassische Mindfucks von R. A. Wilson sind die 23 und Fnord. Der Begriff Fnord wird manchmal auch synonym mit Mindfuck verwendet. Die vor allem von Robert Anton Wilson und Kerry Thornley propagierte Anwendung dieses Konzeptes auf die Gesellschaft als Ganzes ist die Operation Mindfuck.[2] Ein Mindfuck zum Zweck des politischen Aktivismus ist zum Beispiel die Medienguerilla. Ein aktueller Mindfuck sind Flashmobs, ein frühes Beispiel sind die Streiche des Till Eulenspiegel. Vielleicht kann man sogar schon die Manipulationen der Sophisten als Mindfucks ansehen.

Mindfucks in verschiedenen Medien

Literatur

Zur Zeit der Romantiker war es gängige literarische Praxis, den Leser zu verwirren, indem die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit bzw. Außen- und Innenwelt verwischt wurde. Ein Beispiel hierfür ist E. T. A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann. Der Leser, der sich mit der Hauptperson identifiziert, kann nicht oder nur im Nachhinein feststellen, wann dieser Ich-Erzähler objektiv berichtet hat und wann die Einflüsse, die seine seelische Erkrankung auf seine Wahrnehmung hatte, sich auf seine Darstellung des Geschehens ausgewirkt haben.

Auch Friedrich Dürrenmatts Kriminalromane spielen mit der Eigenschaft des denkenden Menschen, eine logische Entwicklung zu erwarten und Enttäuschungen schwer zu verkraften. Wird in Der Richter und sein Henker über die vernichtende Macht des Zufalls, die weder das perfekte Verbrechen noch die perfekte Aufklärung des Verbrechens zulasse, philosophiert, so scheitert der Kommissar Matthäi in Das Versprechen an eben diesem Zufall.

Robert Anton Wilson erwähnt im Zusammenhang mit Operation Mindfuck den Roman Versteigerung von Nr. 49 von Thomas Pynchon. Der Protagonist des Buches und somit auch der Leser können nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden.

TV und Film

Ab dem Jahr 2000 sind einige amerikanische Kriminal-Fernseh-Serien auf den Markt gekommen, die dem nach intelligenten Storys verlangenden Publikum immer wieder Mindfucks vorsetzten. Dazu gehören die Law-&-Order-Serien, Desperate Housewives, Lost etc.

Ein Beispiel für Mindfucks im Film ist Fight Club, in dem eine unerwartete Wendung die gesamte Handlung plötzlich auf den Kopf stellt. In der Tat ist Fight Club nur ein Vertreter eines neueren Film-Genres, das von Kritikern oft mit Mindfuck bezeichnet wird. Typischerweise ist der Protagonist solcher Filme verwirrt oder getäuscht in Bezug darauf, was die Realität ist, wobei die Zuschauer gleichermaßen im Dunkeln gehalten werden. Am Ende wird dann entweder (oft in überraschender Weise) Klarheit geschaffen, oder aber das Ende bleibt absichtlich mehrdeutig.[3] Meist ist es so, dass sich einige Sequenzen des Films im Nachhinein als unwirklich herausstellen, zum Beispiel als Traum, virtuelle Realität, psychotische Halluzination oder multiple Persönlichkeitsstörung, gezielte Manipulation durch eine überlegene Macht, ein subjektiver Irrtum des Protagonisten basierend auf einem fehlerhaften Verständnis der eigenen Identität, oder eine andere Erfahrung, die nicht der Realität entspricht.[4] Filme, die diese Frage offen lassen, eröffnen mehrere Möglichkeiten, anstatt die Frage zu beantworten. Einer der ersten Filme, die auf einem Mindfuck basieren, ist Tanz der toten Seelen von 1962. Auch Michelangelo Antonionis Kultfilm Blow Up (1966) enthält als zentrale Aussage einen bis zuletzt unaufgelösten Mindfuck, der die mediale Reproduzier- und insgesamt die Objektivierbarkeit von Realität in Frage stellt. Der wohl bekannteste Regisseur des Mindfuck-Genres ist David Lynch. Charakteristisch für seine Filme, wie Lost Highway und Mulholland Drive, sind Paradoxa und scheinbar zusammenhanglose und unaufgeklärte Handlungsstränge, die Spielraum für verschiedene Interpretationen lassen.[5] Als Vertreter der japanischen Animes wären Titel wie Neon Genesis Evangelion oder Ghost in the Shell zu nennen.

Bildende Kunst

Das Penrose-Dreieck

Verwandte Phänomene zeigen sich auch auf dem Gebiet der Bildenden Kunst. Polyperspektivistische Darstellungen zeigen etwas, was eigentlich gar nicht möglich ist - den Blick auf ein Gebilde aus mehreren Perspektiven gleichzeitig bzw. Gebilde, die von mehreren Bezugsebenen abhängen. Bekannt ist etwa das Penrose-Dreieck, das in gezeichneter Form eigentlich „unmöglich“ ist wie viele Konstruktionen etwa von M. C. Escher, und in plastischer Form nur hergestellt werden kann, indem man zu dem Trick greift, die einzelnen Seitenbalken in sich zu drehen. Auch hier wird der Betrachter gezwungen, mehrere „Realitäten“ nebeneinander in Kauf zu nehmen.

Spiel

Es existieren auch Videospiele, die auf Mindfucks basieren. Im Spiel Blade Runner, das auf dem gleichnamigen Film basiert, wird dem Spieler nicht eindeutig mitgeteilt, ob seine Spielfigur ein Mensch oder ein Replikant (Roboter) ist. Besonders interessant ist bei diesem Beispiel, dass die Interaktivität des Videospiels im Verlauf des Spiels dem Spieler die Möglichkeit gibt, eher als Mensch oder eher als Replikant zu agieren; was er tatsächlich ist, wird vom Zufall und seinen Entscheidungen beeinflusst.

Weiterführende Verweise

Literatur

  • Manna Francis: Mind Fuck. Casperian Books LLC, 2007, ISBN 1934081086. 
  • Robert Anton Wilson und Robert Shea: Illuminatus! - Leviathan. Rowohlt Verlag, 1998, ISBN 3-499-22273-6. 
  • Robert Anton Wilson: Das Lexikon der Verschwörungstheorien. (S.288). ISBN 3-492-23389-9. 

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schulze, Tim, Vorsicht Verschwörungstheorie!, in: Stern vom 20. Februar 2004
  2. Kulla, Daniel, Selbst denken oder durchdrehen, in: Jungle World vom 25. August 2004
  3. Geimer, Alexander, Der mindfuck als postmodernes Spielfilm-Genre, in: Jump Cut Magazin. Kritiken und Analysen zum Film. Teil 2
  4. Hardinghaus, Christian: Die Mulholland Drive Entschlüsselung. GRIN Verlag, München 2004, ISBN 978-3-638-74080-7.  s. hierzu: „Mindfuck Movies: Ein neues Genre?“ (S. 5 bis 7)
  5. Eig, Jonathan, A beautiful mind(fuck): Hollywood structures of identity, in: Jump Cut. A review of contemporary media. 2003 / 46

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