Orgelpositiv

Orgelpositiv
Tischpositiv, Deutschland, 1978

Ein Positiv (v. lat. ponere „setzen, stellen, legen“) ist eine einmanualige Orgel mit wenigen Registern und ohne oder nur mit angehängtem Pedal.

In der Kirchenmusik dient das Positiv als Generalbassinstrument oder auch zur Unterstützung des Chorgesangs. In kleinen Kirchenräumen (Kapellen) ersetzt es oft eine „große“ Orgel. In der weltlichen Musik wird es sowohl solistisch als auch mit anderen Instrumenten eingesetzt. Zu seiner Bedienung war vor der Einführung elektrischer Gebläse neben dem Organisten ein Kalkant erforderlich, sofern nicht der Organist – ähnlich wie beim Harmonium – selbst die Bälge mit den Füßen bedienen konnte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Positivs

Der Vorläufer des Positivs ist das mittelalterliche Portativ. Daraus entstand in der Renaissance die Baldachin-Tischorgel. Die zwei Keilbälge wurden an der Rückseite angebracht und von einem Kalkanten bedient. Das Pfeifenwerk war nicht frei sichtbar, sondern von einem Stoffdach (Baldachin) umschlossen. Später bekamen diese Tischorgeln einen eigenständigen Unterkasten. Dieser blieb zunächst leer, später jedoch nahm er die Windversorgung und meist auch die größten Basspfeifen auf. Das Positiv ist seit dieser Zeit meist zweiteilig und die Prinzipalpfeifen sind im Orgelprospekt sichtbar. Die Disposition änderte sich von der Baldachinorgel zum Positiv nur geringfügig.

Beispiel einer Baldachinorgeldisposition:

Manual CDEFGA–g2a2
Regal 8′
Copel 4′
Prinzipal 2′
Cymbel 1–2f.
  • Nebenregister wie Nachtigall oder Bordune (regalartige Zungenpfeifen oder gedackte Labialpfeifen)

Das 4′-Register war meist gedackt ausgeführt. Der Tonumfang betrug meist CDEFGA–g2a2. Geteilte Schleifen waren bereits weit verbreitet. Der Teilungspunkt lag oft zwischen h0/c1, auf der iberischen Halbinsel etablierte sich jedoch der einheitlich bei c1/cis1 liegende Teilungspunkt wie bei den dortigen Orgeln. Die Baldachinorgel diente neben der Wiedergabe von Sakralmusik im Rahmen von Andachten auch in großem Umfang der Wiedergabe von weltlicher Musik, wobei es sich meist um Tanzsätze und Bearbeitungen weltlicher Lieder handelte.

Beim barocken Positiv wich das Regal 8′ meist einem gedackten 8′-Labialregister. Wenn Platz für ein Zungenregister vorhanden war, wurde oft ein grundtönigeres als ein Regal, z. B. ein Krummhorn 8′, disponiert. Ein repräsentatives Dispositionsbeispiel:

Manual C–c3
Gedackt 8′
Flöte 4′
Prinzipal 2′
Quinte 11/3
Oktave 1′

Das 4′-Register war war oft gedackt oder als Rohrflöte ausgeführt. Der Tonumfang war normalerweise C–c3 mit kurzer oder gebrochener Oktave. Geteilte Schleifen waren in dieser Zeit selten. Anstatt der Zimbel wurden im Barock oft eine (repetierende) Quinte 11/3′ und ein Oktave 1′ disponiert. In der Barockzeit wurde das Positiv als Ersatz für die „große“ Orgel sowie als Generalbassinstrument eingesetzt. Die barocken Positive wurden oft mit verschließbaren, manchmal bemalten, Flügeltüren ausgestattet. In heutiger Zeit findet man häufig auch Freipfeifenprospekte und moderne Formen mit Schwellkästen aus Glas oder ähnlichem.

Moderne Positive werden oft zusätzlich mit Zungenstimmen (meist Regal 8′) oder Diskantregistern (halbe Register nur für die Diskanthälfte des Manuals) ausgestattet. In Holland erfreut sich ein Diskantprinzipal 8′ einer gewissen Beliebtheit, Streicher in Äquallage oder eine Traversflöte 4′ waren in der Romantik sehr beliebt und werden heute wieder manchmal disponiert. Auch Aliquote sind anzutreffen, zum Beispiel Quinte 22/3′ oder Terz 13/5′, entweder auf eigenen Zügen oder zusammengefasst zu einer Sesquialter 2-fach. Baut man ein Aliquot durchgehend, dann eher etwa in der 11/3′-Lage. Gerade in Verbindung mit halben Registern werden mitunter auch alle durchgehenden Register in Bass- und Diskanthälfte aufgeteilt. Der Tonumfang heutiger Positive und Truhenorgeln ist am häufigsten C–f3.

Moderne Truhenorgeln

Ton Koopmans Positiv während La Folle Journée, 2009

Heute wird das Positiv in Form von Truhenorgeln zur Interpretation alter Musik (vor allem zur Ausführung des Generalbasses in der Continuo-Gruppe) verstärkt eingesetzt und auch gebaut. Diese gut transportablen Kleinorgeln mit wenigen Registern, häufig mit einem gedeckten Register aus Holz in 8′-Lage, einer Flöte in 4′-Lage und einem Prinzipal-Register in 2′-Lage besetzt, haben die Form einer großen Truhe. Die Windversorgung wird zumeist durch ein elektrisches Gebläse besorgt. Bei extrem kompakter Bauweise liegt die technische Obergrenze etwa bei sieben Registern für die Basshälfte und neun Registern für die Diskanthälfte des Manuals, wobei dann meist auch ein bis zwei kurzbecherige Zungenregister vorhanden sind.

Heutige Truhenorgeln sind oft mit einer Transponiervorrichtung ausgestattet, die es ermöglicht von 440 Hz auf 415 Hz herab bzw. auf 465 Hz hinauf zu transponieren. Derartige Transponiervorrichtungen sind bereits seit der Renaissance bekannt (Tischorgel auf der Churburg, um 1580). Ebenso findet man häufig geteilte Schleifen (ebenfalls schon lange bekannt, s. o.). Der Teilungspunkt liegt oft zwischen h0/c1. Damit Truhenorgeln möglichst transportabel sind, sind sie auf Rollen montiert oder zum besseren Transport in zwei Teile zerlegbar.

Zwei Beispieldisposition jeweils einer kleinen und einer großen Truhenorgel:

Manual C–f3
Gedackt 8′
Rohrflöte 4′
Rohrflöte 2′
Manual C–f3, Teilung bei h0/c1
Gedackt 8′ B/D
Prinzipal 4′ B/D (ab G, C-Fis Transmission aus Rohrflöte 4′)
Rohrflöte 4′ B/D
Nasat 22/3 D
Oktave 2′ B/D
Terz 13/5 D
Zimbel 1′ B/D
Holzregal 16′ B/D
Krummhorn 8′ B/D (C-H mit halber Becherlänge)

Um den Truhenorgeln eine größere dynamische Bandbreite zu ermöglichen statten manche Orgelbauer Truhenorgeln heute auch mit Schwellern, teils aus Plexiglas, aus.

Moderne Kleinorgeln

In den letzten Jahren gibt es vermehrt Bestrebungen kompakte und vergleichsweise kostengünstige Kleinorgeln zu bauen um möglichst viele, auch kleine Kirchen und Kapellen mit adäquaten Orgeln ausstatten zu können, sowie der schlechteren finanziellen Situation vieler Kirchengemeinden Rechnung zu tragen. Des Weiteren muss sich der Orgelbau mit der zunehmenden Konkurrenz günstiger digitaler Orgeln auseinandersetzen.

Beispiele für moderne Kleinorgeln sind:

  • ÖK-Orgel, Jäger & Brommer, Waldkirch
  • Barock-Plus-Romantik-Orgel, Orgelbau Vier, Friesenheim
  • Kleinorgel Resonance I-III, Hehl Orgelbau, Murr
  • Kabinettorgel, Oberlinger Orgelbau, Windesheim

Literatur

  • Martin Kares: Kleinorgeln – Geschichte, Typen, Technik. Verlag Evangelischer Presse-Verband für Baden, Karlsruhe 1998, ISBN 3-87210-366-0
  • Rudolf Quoika: Das Positiv in Geschichte und Gegenwart. (Bärenreiter 1958)

Siehe auch


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