Ostjordanland

Ostjordanland
Transjordanien und Palästina nach 1923

Transjordanien, Ostjordanland, oder auch Kerak, bezeichnet das Gebiet östlich des Jordans und war bis 1950 offizielle Staatsbezeichnung Jordaniens. Transjordanien war am 22. März 1945 Gründungsmitglied der Arabischen Liga.

Am 24. April 1922 wurde in Sanremo das Gebiet des heutigen Jordaniens, als Teil des Völkerbundsmandates für Palästina an das Vereinigte Königreich übertragen. Dies geschah infolge der territorialen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg, den Friedensverträgen mit dem Osmanischen Reich von Sèvres 1920 und dessen Revision in Lausanne 1923. Die Wünsche der Bevölkerung wurden hierbei nicht in Betracht gezogen. Das Ziel eines unabhängigen Staates wurde erst mittelfristig formuliert.

Am 1. Juli 1922 wurde die bestehende britische Militärverwaltung zu einer Zivilverwaltung unter dem ersten britischen Hochkommissar Herbert Louis Samuel umgewandelt. 1923 erfolgte die Einsetzung des halbautonomen Emirats Transjordanien. 1933 wurde die Gesamtbevölkerung Transjordaniens auf 300.000 geschätzt, von denen 130.000 sesshaft waren. Seit der Trennung von Palästina war und ist die Hauptstadt Amman.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund der Mandatsvergabe

Britisches Mandat Palästina, 1920

Seit Jahrhunderten war das Gebiet Transjordaniens Teil des Osmanischen Reichs, das nach der Niederlage gegen die Ententemächte und dem Rücktritt des letzten Sultans Mehmed VI. aufgehört hatte zu existieren. Während des ersten Weltkrieges hatten die Briten den Arabern (Hussein-McMahon-Korrespondenz 1915/1916) Hoffnung auf staatliche Unabhängigkeit in einem Gebiet einschließlich Syriens und des Iraks gemacht, um diese zum Aufstand gegen die Türkei zu veranlassen. Vorbehalte machte London nur bezüglich Südmesopotamiens und der syrischen Küstenregion. Der König von Hedschas, zugleich Scherif von Mekka, (Hussein ibn Ali) und dessen Söhne, spielte eine herausragende Rolle in der Revolte gegen die osmanische Herrschaft. Sein Sohn Faisal erklärte am 5. Juni 1916 die Unabhängigkeit der Araber, womit der "Aufstand in der Wüste" begann.

Trotz des Sympathieverlusts durch Großbritannien und der Vertreibung der Familie aus dem Hedschas (das sie seit 1201 beherrschten) durch Abd al-Aziz ibn Saud im Jahr 1924 wurden zwei seiner Söhne die ersten Könige Transjordaniens und des Iraks.

Großbritannien und Frankreich, die zweite Mandatsmacht im Nahen Osten, hatten bereits im Mai 1916 das Land zwischen Levante und Persischem Golf durch das Sykes-Picot-Abkommen in Interessenssphären aufgeteilt. Darin war ein wesentlicher Punkt, dass jedes Land innerhalb seines Gebietes die Staatsgrenzen frei bestimmen konnte. Diese vorerst geheime Abmachung der beiden Diplomaten und Nahostexperten sollte die Bruchstelle in den Jüdisch-Westlich-Arabischen Beziehungen werden.

Dieses Abkommen war die Grundlage für die Erklärung des britischen Außenministers Balfour vom November 1917 gegenüber Lord Edmond James Rothschild, in welcher Großbritannien seinen Willen ausdrückte zur Gründung einer nationalen Heimstätte für das jüdischen Volk. Dieser Brief erhielt durch die internationale Zustimmung, durch dessen Aufnahme in die Verträge des Völkerbundes, völkerrechtliche Bindekraft.

Politisch wollte man damit einerseits die amerikanischen Juden zur Unterstützung eines Kriegseintritts der USA bewegen, andererseits das Image Großbritanniens als Vertreter der staatenlosen Völker propagieren. Den Juden und Zionisten unter Chaim Weizmann waren die britischen Versprechungen gegenüber den Arabern vorerst unbekannt.

Zu jenem Zeitpunkt war ein Einvernehmen und Verständnis zwischen Arabern und Juden noch möglich, wie es sich ausdrücklich in der Faisal-Weizmann-Erklärung bei der Pariser Friedenskonferenz am 3. Januar 1919 manifestierte. Weizmann unterzeichnete sie in seiner Position als Leiter der Zionistischen Delegation gemeinsam mit Emir Faisal, dem Befreier von Damaskus. Faisal und Weizmann vereinbarten die Stärkung der jüdischen Einwanderung nach Palästina und die muslimische Kontrolle über die heiligen Stätten des Islam im Sinne der Balfour-Erklärung.

Faisal war Delegierter Dschiddas im osmanischen Parlament gewesen, welches auf Reforminitiative der nationalistischen Jungtürken etabliert wurde. Sein Vater war Hussein ibn Ali, der unter dem Eindruck des militärischen Erfolgs seiner Söhne, mit Hilfe des britischen Militärstrategen Thomas Edward Lawrence, am 2. November 1916 den Titel König der arabischen Länder, Asir und Jemen annahm und sich 1924 zum Kalifen erheben ließ. Insofern haben Faisals Zusagen im historischen Kontext eine politisch-rechtliche Grundlage.

Der Völkerbund erteilte, nach Vorschlag des südafrikanischen Premiers Jan Christiaan Smuts, Großbritannien das Protektorat über Palästina verbunden mit der Aufforderung, die Balfour-Erklärung zu verwirklichen. Hierin sollte sowohl der Zuzug, als auch die geschlossene Ansiedlung (insbesondere auf ehemals osmanischen Staatsland) von Juden unterstützt werden. Es sollte dabei ausdrücklich dafür Sorge getragen werden, "dass nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und die religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina beeinträchtigen könnte" (Präambel Art. 2 und 6). Die arabischen Führer lehnten das Mandat als rechtlich nichtige Machenschaft der Großmächte ab, da es ihr Selbstbestimmungsrecht verletzte.

Errichtung des autonomen Emirats von Transjordanien

Im September 1922, bereits vor Inkrafttreten des Völkerbundsmandats für Palästina, setzte die britische Regierung die Teilung des Landes in Palästina westlich des Jordans und Transjordanien östlich des Jordan durch (im Flächenverhältnis 22:78). Dies geschah infolge einer Empfehlung des britischen Kolonialministers Winston Churchill. Im selben Jahr wurde, ebenfalls in Erfüllung der Mandatsanforderungen, die Jewish Agency for Palestine gegründet. Sie sollte die jüdische Einwanderung steuern, jüdische Interessen gegenüber dem Mandatar vertreten und den Aufbau paralleler Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen unterstützen. Die formelle Trennung vollzog sich am 25. März 1923, laut Artikel 25 des Mandats. Jüdische Einwanderer in das Mandatsgebiet durften sich nun nur noch westlich des Jordans niederlassen oder Grundbesitz erwerben.

In Transjordanien wurde 1921 Abdallah ibn al-Hussain zum Emir ernannt, der die Dynastie der Haschemiten begründete. Der Sohn Hussein ibn Alis hatte zugunsten seines Bruders Faisal I. auf den Thron des Iraks verzichtet.

Transjordanien erhielt 1925 Zugang zum Meer, indem es ein Abkommen mit dem jungen Königreich Saudi-Arabien schloss, und daraufhin den großen südlichen Bezirk Ma'an mit der Hafenstadt Akaba (Al Aqabah) erhielt. Im selben Jahr fügten die Briten 60.000 km² Wüste im Osten Palästinas zu Transjordanien hinzu, die einen "Arm" zum ebenfalls britischen Irak bildeten und Syrien von der Arabischen Halbinsel und der Roten Wüste, der Nefud, abschnitten.

1926 wurde die Transjordan Frontier Force (TJFF) gegründet. 1928 erklärte ein Vertrag Transjordanien für unabhängig von Großbritannien, außer in der Verwaltung der Finanzen, Verteidigung und der äußeren Sicherheit. Hierfür errichtete die britische Mandatsmacht ein Hochkommissariat. 1929 wurden die ersten Wahlen abgehalten. Mit der Gründung der (Kamel-)berittenen Desert Mobile Force im Jahr 1930 wurde der Grundstein für die selbständige Armee Transjordanien gelegt. Wesentlich für den Aufbau einer eigenständigen Armee war John Bagot Glubb (Glubb Pascha). 1934 wurden diplomatische Vertretungen in anderen arabischen Staaten eingerichtet.

Während des Zweiten Weltkriegs unterstützte Transjordanien Großbritannien und rückte mit seiner Desert Mobile Force und der Arabischen Legion unter Glubb Pascha, 1941 in den deutschfreundlichen Irak ein, sowie in das von Vichy-treuen Truppen besetzte Syrien und den Libanon. 1945 war Transjordanien Gründungsmitglied der Arabischen Liga.

Unabhängigkeit

Am 22. Mai 1946 erhielt Transjordanien im Vertrag von London die Unabhängigkeit. Abdallah ibn Hussain nahm daraufhin als Abdallah I. am 25. Mai 1946 den Königstitel an. Eine neue Verfassung wurde verabschiedet. Ein neuer Vertrag mit Großbritannien über die Regelung von Truppenstationierungen stellte am 15. März 1948 die volle Souveränität her. Großbritannien zahlte jedoch weiterhin Subsidien.

Abdallah war 1947 der einzige arabische Herrscher, der dem Teilungsplan Palästinas der UNO zustimmte. Trotzdem beteiligte sich Transjordanien am Palästinakrieg/Israelischen Unabhängigkeitskrieg von Mai bis November 1948. Unter den fünf kämpfenden arabischen Armeen gelangen nur der transjordanischen Arabischen Legion Erfolge. Transjordanien behielt nach dem Waffenstillstand das besetzte Ostpalästina (seit April 1950 Westjordanien (Westufer, Westjordanland, Zisjordanien). Am 1. Dezember 1949 ließ sich Abdallah in Jericho zum König ganz Palästinas ausrufen. Per Abstimmung ließ man die Annexion des Westjordanlandes durch die Bevölkerung bestätigen. Außer durch das Vereinigte Königreich und Pakistan wurde diese von keinem weiteren Land völkerrechtlich anerkannt. Damit einher ging die Ausrufung des Haschemitischen Königreichs Jordanien am 24. Mai 1950. Abdallah I. wurde 1951 von arabischen Extremisten in Jerusalem ermordet.

Der spätere Verlust des Westjordanlandes im Sechstagekrieg führte zu einer Flüchtlingsproblematik, die erhebliche Strukturprobleme zur Folge hatte. Die gesellschaftliche Eingliederung der Palästinenser gelang nicht, wurde aus politischen Motiven gegenüber Israel auch nicht gefördert. Die mehrheitlich dem sozialrevolutionären Panarabismus besonders empfänglichen Ostpalästina-Flüchtlinge standen in kritischer Opposition zur herrschenden konservativen Oberschicht Jordaniens. Sie forderten einen Anschluss an Syrien und Ägypten. Erst am 31. Juli 1988 gab Jordaniens König Hussein II., Abdallahs Enkel, die 1950 annektierten Gebiete formell auf. Er eröffnete dadurch auch die Möglichkeit der 1994 vollzogenen gegenseitigen Anerkennung und der Friedensvereinbarung mit dem Staat Israel, dem zweiten Staat, der auf dem Territorium des ehemaligen Mandats Palästina entstanden war.

Literatur

  • T.E. Lawrence: The Seven Pillars of Wisdom
  • Mary C. Wilson: King Abdullah, Britain and the Making of Jordan, Cambridge Middle East Library, 1987
  • Eugene L. Rogan: Frontiers of the State in the Late Ottoman Empire, Transjordan, 1850-1921, Cambridge Middle East Studies, 1999

Weblinks


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