Papst Leo X.

Papst Leo X.
Porträt des Papstes Leo X. mit den Kardinälen Giulio de’ Medici, dem späteren Clemens VII. und Luigi de’ Rossi, Gemälde von Raffael, um 1518–1519, Florenz, Uffizien

Leo X. (geboren als Giovanni de’ Medici;11. Dezember 1475 in Florenz; † 1. Dezember 1521 in Rom) war vom 11. März 1513 bis zu seinem Tod Papst.

Inhaltsverzeichnis

Leben

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Elternhaus und Jugend

Giovanni de’ Medici wurde am 11. Dezember 1475 als sechstes von insgesamt neun Kindern, wovon zwei noch vor seiner Geburt starben, des Florentiners Lorenzo de’ Medici und seiner Frau Clarice Orsini, die aus dem römischen Adelsgeschlecht der Orsini stammte, in Florenz geboren. Als Zweitgeborener Sohn zur kirchlichen Laufbahn bestimmt, sollte er auf den Wunsch seiner Mutter entsprechend dem geistlichen Stande erzogen werden.

Lorenzo, der als Il Magnifico („der Prächtige“) in die Geschichte eingegangen ist, legte jedoch eher auf eine ausgewogene Bildung nach humanistischen Gesichtspunkten wert, die Giovanni im Alter von drei Jahren begann. So wurde Giovanni zunächst gemeinsam mit seinem älteren Bruder Piero de’ Medici von dem Dichter Angelo Poliziano, der als enger Freund Lorenzos bei der Familie lebte, erzogen und unterrichtet.

Doch der Mutter erschien der Dichter vor allem für Giovanni nicht als der geeignete Lehrer, sodass sie Poliziano, der sich zu dieser Zeit mit Clarice und ihren Kindern im Landhaus der Familie in Caffagiolo aufhielt, zunächst hinauswarf. Nach energischer Intervention Lorenzos kehrte Poliziano zwar wieder zurück, aber Clarice konnte ihren Willen schließlich durchsetzen. So übernahmen zunächst Martino della Commedia und später der Kleriker Bernardo Michelozzi, der Bruder von Lorenzos Sekretär Niccoló Michelozzi, seine Erziehung. Später studierte er Kirchenrecht und Theologie in Pisa.

Klerikale Karriere

Am 1. Juni 1483 – Giovanni war gerade sieben Jahre alt – erhielt er das Sakrament der Firmung und die Tonsur als Zeichen des geistlichen Standes. Dies war notwendig geworden, weil er bereits im Mai seine ersten Pfründen vom französischen König verliehen bekommen, Papst Sixtus IV. der Verleihung zugestimmt und ihn in den Rang eines päpstlichen Protonotars erhoben hatte. Die Erhebung zum Protonotar war notwendig, damit Giovanni überhaupt Pfründen übernehmen konnte. Eine Einsetzung als Bischof von Aix-en-Provence kurz darauf scheiterte daran, dass der Amtsträger – entgegen anderslautenden Nachrichten – noch lebte.

Am 8. November 1483 wurde Giovanni als Domherr von Florenz eingesetzt, dann erhielt er zunächst die Klöster S. Michele in Arezzo und 1485 S. Michele in Passignano übertragen. Allerdings fungierte er nur nominell als Abt; die Verwaltung der Konvente wurde von eigens beauftragten Klerikern übernommen, der Inhaber der Pfründe erhielt jedoch die erwirtschafteten und sonstigen Erträge. Allerdings gingen diese Übertragungen nicht immer reibungslos vor sich. Der Widerstand der Mönche in Passignano war so heftig, dass der Einsatz von Bewaffneten erforderlich war, um die Abtei für Giovanni in Besitz zu nehmen.

Bereits seit diesem Jahr betrieb sein Vater intensiv die Erhebung seines Sohnes zum Kardinal, doch Papst Innozenz VIII. lehnte zunächst ab. Da Florenz als Verbündeter des Königs von Neapel wenig später in den sogenannten Baronenkrieg verwickelt wurde, verschlechterten sich Lorenzos Beziehungen zur Kurie vorübergehend.

Nach dem Ende des Baronenkrieges bemühten sich ab dem Herbst 1486 der florentinische Gesandte Pierfilippo Pandolfini und der Erzbischof von Florenz, Rinaldo Orsini, der in Rom lebende Schwager Lorenzos, um eine Verbesserung der Beziehungen – auch im Hinblick auf die Karriere des kleinen Giovanni. Im November 1486 äußerte Papst Innozenz VIII. den Wunsch, seinen Sohn Francesco Cibo, der allgemein nur Franceschetto genannt wurde, mit der ältesten Tochter Lorenzos, Maddalena de’ Medici, zu verheiraten, um einerseits die Beziehungen zu Florenz zu verbessern und andererseits seinem Sohn die Zukunft zu sichern. Als Gegenleistung verlangte Lorenzo die Erhebung seines Sohnes Giovanni zum Kardinal. Die Erhebung zum Kardinal erfolgte im Konsistorium vom 9. März 1489, Giovanni war damals gerade im 14. Lebensjahr. Die Ernennung erfolgte in pectore und musste drei Jahre lang geheim gehalten werden. Vom Papst wurde sie am 26. März 1492 veröffentlicht.

Im selben Jahr starb der illegitime Sohn Cosimo de’ Medicis, Carlo de’ Medici, der ebenfalls zahlreiche Pfründen innehatte; sie wurden alle auf Giovanni übertragen.

Pontifikat 1513–1521

Statue Papst Leos X. in der römischen Kirche Santa Maria in Aracoeli

Wahl

Am 21. Februar 1513 verstarb Papst Julius II. Am 11. März 1513 erfolgte die Wahl von Giovanni de’ Medici zu dessen Nachfolger. Der erst 37jährige gab sich den Namen Leo X. Da er, obwohl Kardinal, kein Geistlicher war, wurde er nun nach seiner Papstwahl am 15. März zum Priester und am 17. März zum Bischof geweiht. Erst dann konnte die Krönung am 19. März folgen.

Kunst und Kultur

Als Motto seines Papsttums soll er angeblich den Spruch geprägt haben:

„Da Gott Uns das Pontifikat verliehen hat, so lasst es Uns denn genießen.“

So wurde Rom in seinem Pontifikat ein Zentrum für Kunst und Kultur. Doch Leo war auch gröberen Vergnügungen nicht abgeneigt. Er hatte seinen Hofnarren stets dabei und ließ ihn prügeln, sobald der nicht witzig genug auftrat. Angeln und Jagen gehörten zu seinen Leidenschaften sowie prunkvolle Feste und Karnevalsumzüge. So heißt es, in seiner Menagerie sei der indische Elefant Hanno als ein Geschenk des portugiesischen Königs Manuel I. sein Lieblingstier gewesen;[1] einem von Manuel dem Elefanten hinterhergereichtes Nashorn, das Rom aber leider nur ausgestopft erreichte, war immerhin vergönnt, von Raffael im Papstpalast verewigt zu werden.[2] Religiösen Dingen schenkte er dagegen wie viele der „Renaissancepäpste“ vor ihm wenig Aufmerksamkeit, er galt auch nicht als besonders gläubiger Christ, so wird ihm der Satz: „Alle Welt weiß doch, wie viel uns diese Fabel von Christus eingebracht hat.“ zugeschrieben.

Europäische Politik

Als Papst griff er stark in die europäische Politik ein. Nach dem Tod des deutschen Kaisers Maximilian I. unterstützte er den französischen König Franz I., mit dem er das Konkordat von Bologna schloss, bei der Kandidatur um die Kaiserwürde. Jedoch unterstützte er später auch den Wahlsieger Karl V. und schloss mit ihm 1521 ein Bündnis gegen Frankreich.

Bulle Leo X. Contra Errores

Protestantische Reformation

In die Zeit Leos X. fällt auch der Beginn der Reformation, deren Bedeutung Leo aber höchstwahrscheinlich verkannte. Für den Neubau des Petersdoms förderte er den Ablasshandel, was für Martin Luther einer der Anlässe zu seinem Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517 an der Schlosskirche zu Wittenberg war. Die Bulle Exsurge Domine vom 15. Juni 1520 verurteilte 41 Schriften Luthers. Am 3. Januar 1521 wurde Luther mit der Bulle Decet Romanum Pontificem exkommuniziert; an den innerkirchlichen Missständen und am Ablasshandel wurde nichts geändert.

Leo X. war wie schon seine Vorgänger samt der Kurie zu sehr in die italienische und europäische Politik verstrickt, um sich mit den schon länger laut gewordenen Rufen nach einer Reform an Haupt und Gliedern der Kirche ernsthaft auseinanderzusetzen. Dies liegt zuletzt auch an der Selbsteinschätzung Roms als unanfechtbares Oberhaupt der Kirche; welche Autorität konnte ein wittenbergischer Augustinermönch da noch gegen den Pontifex Maximus ins Treffen führen?

Das Pontifikat dieses Papstes aber deswegen zu den verhängnisvollsten in der gesamten Papstgeschichte zählen zu wollen, greift zu kurz. Leo mag vielleicht der Auslöser des Thesenanschlags Luthers gewesen sein, keinesfalls aber die Ursache. Die simonistischen und nepotistischen Auswüchse, aber auch die Prunksucht und insgesamt oft wenig gottgefällige Lebensweise der Päpste waren schon seit mehreren Jahrzehnten einer unablässigen Kritik vor allem durch den nichtitalienischen Klerus ausgesetzt. Diese Kritik regte sich lautstark schon in 1460er Jahren, als Päpste wie Kalixt III. oder Sixtus IV. die bis dahin üblichen Regeln der Dezenz (Zurückhaltung, Schicklichkeit, Anständigkeit) missachteten. Die Missstände führten immer wieder auch zum Ruf nach Reformkonzilen – z.B. 1494 unter Papst Alexander VI. –, aber sie verhallten stets ungehört, respektive wurden sie von den Amtsträgern geschickt unterlaufen. Sogar eine kuriale Reformkommission war 1497 von Alexander eingesetzt worden, allerdings blieb ihre Arbeit folgenlos.

Gegen allzu umtriebige Päpste gab es auch innerhalb der Kurie Widerstände. Doch waren diese Kardinäle – in den 1490ern etwa Francesco Todeschini Piccolomini, Oliviero Carafa, Giovanni Battista Zena oder Jorge da Costa – erstens eine meist misstrauisch beäugte Minderheit, und zweitens hatte das Konsistorium gegenüber dem Papst lediglich beratende Funktion und keinerlei Entscheidungsgewalt.

Über das Kardinalat (De cardinalatu) heißt eine 1510 erschienene Schrift Adriano Cortesis, des ehemaligen Apostolischen Sekretärs der Kurie unter dem Pontifikat Alexanders. In ihr stellt er die von einem idealen Kardinal zu erwartenden Eigenschaften und Fähigkeiten eindrücklich dar; dass er es dem amtierenden Papst – und damit ausgerechnet Julius II. – widmete, kann kaum ein Zufall gewesen sein. Natürlich blieb auch dieses Werk ohne Folgen.

Die Kurie erwies sich zu jenem Zeitpunkt als reformresistent. Das Papsttum pflegte theologischen Vorgängen und besonders Disputen darüber, die außerhalb Italiens stattfanden, wenig Aufmerksamkeit zu widmen bis hin zur vollständigen Ignoranz. Zum Einen galt den Römern, die sich gemäß der antiken Tradition, die seit Beginn der Renaissance hoch in Mode stand, noch immer als caput mundi („Haupt der Welt“) sahen, das Heilige Römische Reich respektive Deutschland – wie auch Frankreich – als Land der Barbaren. Zum anderen band die seit dem Fall Konstantinopels am 29. Mai 1453 ständig wachsende Türkengefahr auch die Päpste. So war beispielsweise 1480 die italienische Stadt Otranto vorübergehend von den Türken erobert worden, 1529 standen die Türken vor Wien.

Auch der Ablasshandel und die zahllosen zusätzlich geforderten Abgaben, die für Kreuzzüge oder Kirchenbauten Verwendung finden sollten, riefen bereits lange vor Leo Kritiker auf den Plan. Der Humanist Enea Silvio Piccolomini, der später als Pius II. selbst Papst wurde, sah sich in den 1450er Jahren genötigt, in seiner Schrift De ritu, situ, moribus et conditione Germaniae die „tumben Hinterwäldler“ zu rügen, in dem er ihnen vorhielt, ihre blühenden geistigen Landschaften und wirtschaftliches Wohlergehen verdankten sie dem befruchtenden Einfluss Italiens und vor allem Roms, sie hätten sich daher auch einer Kritik an angeblicher finanzieller Ausnutzung oder Verschwendungssucht der Päpste zu enthalten, und sollten diesen lieber Dank und Ehrfurcht erweisen.

Leos Reaktion auf Luther war aus Sicht der Zeit das absolut übliche Vorgehen: Bulle und Bann hatten schon öfter ihre Wirkung getan, der letzte tiefgreifende Reformversuch eines Mönchs war – kaum 20 Jahre vor Luther – schließlich auch erfolgreich auf diese Weise gemeistert worden.[3]

Sein Tod

Als der Krieg in Oberitalien zwischen den kaiserlichen und päpstlichen Truppen einerseits und der französischen Armee andererseits herrschte, verstarb Leo X. infolge einer einfachen Wintergrippe und schwerer Fieberschübe in der Nacht des 1. Dezembers 1521 so plötzlich, dass er nicht einmal die Sterbesakramente empfangen konnte. Als sein Leichnam zudem Veränderungen in Form von Schwellungen und schwarzen Verfärbungen aufwies, gingen zeitgenössische Anhänger des Medici-Papstes davon aus, dass der ohnehin schon kränkliche und übergewichtige Pontifex möglicherweise eines unnatürlichen Todes gestorben sei. Der Verdacht fiel auf den Mundschenk Malaspina, der ihn im Auftrag französischer Sympathisanten vergiftet haben könnte. Als jedoch sowohl das Verhör des Verdächtigen als auch die Obduktion keine eindeutigen Hinweise liefern konnten, setzte sich Kardinal Giulio de’ Medici, der Vetter Leos, dafür ein, Malaspina freizulassen, um sich Franz I. nicht zum unversöhnlichen Feinde zu machen, falls dieser selbst in die Sache verwickelt sein sollte.[4]

Aufgrund der hohen Schulden die Leo X. hinterließ, konnten angeblich nicht einmal die Kerzen für seine Bestattung bezahlt werden. Seine sterblichen Überreste ruhen in der Kirche Santa Maria sopra Minerva.

Einzelnachweise

  1. L. A. Rebello da Silva: Corpo diplomatico Portuguez; Lissabon, 1862; I, S. 236; zit. in Stephan Oettermann: Die Schaulust am Elefanten. Eine Elephantographia Curiosa; Frankfurt am Main: Syndikat, 1982; S. 107
  2. Silvio A. Bedini: Der Elefant des Papstes; Stuttgart, 2006; S. 139–169
  3. L. von Pastor; V. Reinhardt; J. Burckhard; M. Firpo; P. Burke; D.S. Chambers; J.F. D’Amico; L.v.Ranke
  4. L. von Pastor: Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters. Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance und der Glaubensspaltung von der Wahl Leos X. bis zum Tode Klemens’ VII. (1513 - 1534), Bd. 4,1, Herder, Freiburg 1923, S. 347

Literatur

  • Götz-Rüdiger Tewes (Herausgeber): Der Medici-Papst Leo X. und Frankreich. Politik. Kultur und Familiengeschäfte in der europäischen Renaissance, Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147769-3.
  • Ludwig von Pastor: Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters. Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance und der Glaubensspaltung von der Wahl Leos X. bis zum Tode Klemens’ VII. (1513 - 1534), Bd. 4,1, Herder, Freiburg 1923.
  • Franz Xaver Seppelt, Georg Schwaiger: Geschichte der Päpste. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Kösel, München 1964, ISBN 3466410339.
  • Wolfgang Klausnitzer: Das Papstamt im Disput zwischen Lutheranern und Katholiken. Schwerpunkte von der Reformation bis zur Gegenwart, Tyrolia-Verlag, Innsbruck 1987, ISBN 3-7022-1639-1.

Weblinks



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