Pfarrer Kneipp

Pfarrer Kneipp
Sebastian Kneipp

Sebastian Kneipp (* 17. Mai 1821 in Stephansried; † 17. Juni 1897 in Wörishofen) war ein bayerischer Priester und Hydrotherapeut. Er ist der Namensgeber der Kneipp-Medizin und der Wasserkur mit Wassertreten usw., die schon früher angewandt, aber durch ihn bekannt wurden.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Sebastian Anton Kneipp (so sein vollständiger Name) wurde am 17. Mai 1821 im bayerisch-schwäbischen Stephansried nahe Ottobeuren in Oberschwaben als Sohn des Webers Xaver Kneipp und dessen Frau Rosina geboren. Er hatte zwei Halbschwestern und zwei leibliche Schwestern. Die Familie war arm, sodass er schon als Elfjähriger beim Vater am Webstuhl oder als Viehhirte des Dorfes arbeiten musste. Von 1827 bis 1833 besuchte Kneipp die Dorfschule in Stephansried und von 1833 bis 1839 die Sonn- und Feiertagsschule in Ottobeuren. Nachdem sein Elternhaus abbrannte und somit seine Ersparnisse in der Höhe von 70 Gulden verloren gingen, verließ er den Heimatort und fand eine Anstellung als Knecht in Grönenbach. Ein weitläufiger Verwandter, Kaplan Dr. Matthias Merkle, nahm sich Kneipps an, unterrichtete ihn in Latein und bereitete ihn so auf das Gymnasium vor. In Grönenbach lernte er auch den evangelisch-reformierten Ortspfarrer und Botaniker Christoph Ludwig Koeberlin (1794−1862) kennen, der ihn in die Pflanzenheilkunde einführte.

1844 wurde Kneipp in das Gymnasium zu Dillingen aufgenommen. 1848 begann er ein Studium der Theologie in Dillingen.

Die Entdeckung der Wasserkur

Kneippkur, Illustration in einem 1894 erschienenen Buch

1849 erkrankte Kneipp an Tuberkulose. Kneipp entdeckte zufällig das Buch „Unterricht von der Heilkraft des frischen Wassers“ von Johann Siegmund Hahn. Daraufhin badete Kneipp mehrfach einige Augenblicke in der eiskalten Donau und wurde wieder gesund.

1850 erhielt Kneipp einen Freiplatz am Georgianum in München und setzte dort sein Studium fort. Tägliche Wasseranwendungen waren inzwischen zum festen Bestandteil seines Lebens geworden. Am Georgianum behandelte er zum ersten Mal heimlich Kommilitonen, die, wie er, an Tuberkulose erkrankt waren. Er las Bücher über Wasseranwendungen, besuchte den "Verein der Wasserfreunde" und hörte dort von Vincenz Prießnitz aus Gräfenberg, welcher bereits seit 30 Jahren in Österreichisch Schlesien mit Wasser kurierte.

Am 6. August 1852 empfing er im Augsburger Dom die Priesterweihe. Bis 1855 hatte er drei Stellen als Kaplan: in Biberach bei Augsburg, Boos und Augsburg St. Georg.

Erste Widerstände

Im Februar 1853 kam es zur ersten Anzeige wegen "Kurpfuscherei", da er eine cholerakranke Magd mit heißen Wickeln behandelt hatte. Zwar erhielt er eine Polizeistrafe von zwei Gulden wegen "Vergehens gegen das Kurierverbot", ironischerweise stellte er aber auch dem urteilenden Richter eine Kuranweisung gegen Gicht aus.

1854 klagte ein Apotheker aus Babenhausen in Schwaben Kneipp wegen "Gewerbebeeinträchtigung und Schädigung" an. Kneipp legte dem Gericht dar, er habe stets nur Menschen behandelt, die nach jahrelanger Behandlung bei Ärzten und Apothekern keine Hilfe gefunden hätten oder die einfach kein Geld hätten, sich einen Arzt zu leisten. Er musste daraufhin eine Erklärung unterschreiben, „fürder auch solchen Unglücklichen nicht mehr zu helfen, die angeblich keine ärztliche Hilfe mehr fanden“. Im selben Jahr brach eine Choleraepidemie in München aus und verbreitete sich in ganz Oberbayern und Schwaben. Kneipps Vater war eines der ersten Todesopfer der Cholera in Stephansried. Als die Krankheit auch in Boos ausbrach, handelte Kneipp gegen die Unterlassungserklärung und heilte zweiundvierzig erkrankte Personen. Der Generalvikar beim Bischöflichen Ordinariat wurde aufmerksam und zog Erkundigungen über ihn ein. In der Bevölkerung nannte man Kneipp den „Cholera-Kaplan“. So wurde er Ende 1854 nach Augsburg versetzt.

Ankunft in Wörishofen

Im Mai 1855 wurde er Beichtvater im Dominikanerinnenkloster in Wörishofen. Unter seinem Einfluss änderte sich dort das Leben. Die Nonnen mussten auf dem Feld arbeiten und er machte aus der klösterlichen Landwirtschaft einen Großbetrieb. Unterdessen kamen immer mehr Hilfesuchende nach Wörishofen, zunehmend auch aus wohlhabenderen Kreisen.

Wörishofen wird zum Kurort

Pfarrer Kneipp bei einem Vortrag in Wörishofen

Im folgenden Jahrzehnt gab es während der Sommer nun in Wörishofen zunehmend mehr Kurgäste. Die örtliche Gastronomie entwickelte sich allmählich und es wurden Gasthäuser errichtet. Kneipp wurde auch mehrere Male von schulmedizinischer Seite verklagt wegen seiner umstrittenen Methoden.

Als 1871 Wilhelm von Preußen deutscher Kaiser wurde, wurde Kneipps Freund und Förderer Prof. Dr. Merkle Abgeordneter im Reichstag. Mittlerweile hatte auch in Deutschland die Landflucht eingesetzt. Das veranlasste Kneipp, sein erstes Buch zu schreiben, in dem er eine Lanze für die Landwirtschaft brach.

1873 traf bei Kneipp ein Schreiben Merkles ein, in dem dieser mitteilte, dass rückwirkend zum 1. Januar 1873 auch in Bayern die Kurierfreiheit gelte. Jedoch Ärztevereinigungen und medizinische Kreise der Hochschulen wandten sich gegen das neue Gesetz, Kneipp rückte ins Zentrum dieser Diskussion. Trotz der Kritik an Kneipp kamen immer mehr Kurgäste nach Wörishofen.

Tafel am Wohnsitz von Sebastian Kneipp in Bad Wörishofen
Statue von Sebastian Kneipp in Bad Wörishofen

1883 kam Dr. Bernhuber, ein junger Arzt aus Türkheim, nach Wörishofen und sprach mit Kneipp, blieb aber skeptisch. 1884 kam er wieder, dieses Mal mit der Bitte hospitieren zu dürfen. Kneipp bot ihm spontan die Zusammenarbeit an und Bernhuber ging darauf ein. Sie führten nun die tägliche Sprechstunde gemeinsam. Kneipp verfasste zu dieser Zeit auch Meine Wasserkur. Das Buch erschien dann 1886 und sollte sein Standardwerk werden.

Im August 1889 gab es 4.000 Heilsuchende in Wörishofen. Es kamen so viele Gäste, dass diese teilweise in umliegenden Dörfern untergebracht werden mussten. Kneipp schrieb ein zweites Buch mit dem Titel So sollt ihr leben!. Im Herbst dieses Jahres ließ sich Prinz Rupprecht von Bayern, der als Chef des 10. Regiments nahe Augsburg im Manöver war, von Kneipp Güsse verabreichen. Ihm folgten weitere Adelige und hohe Geistliche.

Es wurden immer mehr Badehäuser in Wörishofen errichtet. Im Sommer 1890 waren 6.000 Gäste in Wörishofen. Kneipp hielt nun täglich öffentliche Gesundheitsvorträge, in denen er sich gegen die moderne, krankmachende Lebensweise aussprach.

Am 14. Dezember 1890 gründete der Verleger Ludwig Auer aus Donauwörth den ersten Kneipp-Verein. Kneipp selbst war Ehrenpräsident. Schon einen Monat später brachte Auer die erste Ausgabe der heute noch monatlich erscheinenden Kneippblätter (heute: Kneipp-Journal, Hrsg. Kneipp-Bund e.V., Bad Wörishofen) heraus.

Im Dezember 1890 trat Bürgermeister Birk, der gegen den Ausbau Wörishofens zum Kurort war, von seinem Amt zurück. Sein Nachfolger Augustin Huber war ein Befürworter Kneipps, so dass nun auch mit Unterstützung des Gemeinderates der Kurbetrieb organisiert wurde. Bürgersteige und eine Wasserleitung wurden angelegt. Kneipp bestand vehement auf der Einrichtung einer karitativen Abteilung und legte Wert darauf, dass mittellose Kranke und Waisenkinder weiterhin kostenlos behandelt wurden.

Kneipp wird europaweit bekannt

Kneipp-Denkmal in Bad Lauterberg
Grab von Pfarrer Kneipp

In den nächsten Jahren bereiste Kneipp in Begleitung von Pfarrer Aloys Stückle fast ganz Europa. Eine seiner Reisen führte ihn auch nach Ungarn, wo er Erzherzog Joseph von Österreich und Ungarn behandelte. Dieser war es dann auch, der sich ein Jahr später beim Papst in Rom für Kneipp einsetzte.

Im August 1892 traf Dr. Alfred Baumgarten in Bad Wörishofen ein. Dieser wurde mit Zustimmung des Kneippvereins als bleibender Badearzt mit fixem Gehalt und der Verpflichtung, arme Patienten kostenlos zu behandeln, eingestellt.

Zwei Monate später trafen Prior Bonifaz Reile und die ersten Pater der Barmherzigen Brüder aus Neuburg ein. Die Barmherzigen Brüder spielten nun eine immer größere Rolle bei der Unterstützung Kneipps. Das Kurhaus Sebastianeum unter der Leitung von Prior Reile entwickelte sich mehr und mehr zum Mittelpunkt des Kurbetriebes.

Kneipp hielt seine Sprechstunden nun dort im Sebastianeum ab. Immer mehr Brüder wanderten zu und so kam es endlich zur völligen Entlastung der Dominikanerinnen, womit dann auch der letzte Einwand des Bischöflichen Ordinariats beseitigt war. Im Jahr 1893 zählte Wörishofen insgesamt 33.130 Kurgäste sowie über 100.000 "sonstige Zuläufer und Passanten".

Audienz beim Papst

Ende 1893 wurde Kneipp von Papst Leo XIII. zum "Monsignore" ernannt, ein Ehrentitel der Kirche. Im darauffolgenden Jahr reiste Kneipp nach Rom und erhielt eine Audienz beim Papst. Der Papst ließ sich von Kneipp behandeln und schenkte ihm zum Abschied eine goldene Medaille.

Hetze gegen Kneipp

1894 wurde der Internationale Verband der Kneippärzte unter Vorsitz von Dr. Alfred Baumgarten gegründet. Ende des Jahres erschien in Zusammenarbeit mit Dr. Baumgarten Mein Testament. Trotz aller Erfolge hörten die Anfeindungen nie auf. In den vergangenen Jahren war es zu mehreren Brandstiftungen in Wörishofen gekommen, auf das Kurhaus, die Redaktion der Kneippblätter und weitere Einrichtungen. Die Presse, insbesondere die Augsburger Abendzeitung und die Leipziger Volkszeitung, hetzten gegen Kneipp, warfen ihm Profitgier und sogar die Verwahrlosung der zur Pflege anvertrauten Kinder vor.

Die letzten Jahre

Im Sommer 1894 zeigte Kneipp erste Anzeichen von Schwäche. Er erholte sich und ging bereits im Herbst 1896 wieder auf Vortragsreise. Anfang 1897 jedoch war er schon so angegriffen, dass er seine Wassergüsse nicht mehr selbst vornehmen konnte. Man stellte einen schnell wachsenden Tumor im Unterleib fest, der auf die Gefäße drückte. Während er krank im Bett lag, stritten sich bereits die Laienbewegung und die Ärztefraktion um sein Erbe. Kneipp selbst verbrachte nun die meiste Zeit in seinem Zimmer und ließ sich mit Wasseranwendungen behandeln. Zahlreiche Ärzte kamen zu ihm und untersuchten ihn, jedoch lehnte er die einzig hilfreiche Methode, eine Operation, ab. Er starb am 17. Juni 1897.

Wirkung nach dem Tod

Westdeutsche Briefmarke (1953) der Serie Helfer der Menschheit

Unter dem Dachverband des Kneippbundes existieren heute in Deutschland über 660 Kneippvereine mit ca. 160.000 Mitgliedern. Die Bücher von Kneipp erreichten Millionenauflagen und werden auch heute noch verlegt. Im Jahre 1920 erhielt Wörishofen das Prädikat Bad verliehen. Neben Bad Wörishofen gibt es in Deutschland noch zahlreiche weitere Kneippkurorte. Im Jahr 1958 verfilmte der Regisseur Wolfgang Liebeneiner das Leben Kneipps unter dem Titel Sebastian Kneipp - der Wasserdoktor, mit bekannten Schauspielern wie Carl Wery, Paul Hörbiger und Gerlinde Locker.

Werke

Diverses

Blüte der Rose Sebastian Kneipp

Eine Rose, mindestens eine Brücke und auch Medikamente tragen seinen Namen oder aus lizenzrechtlichen Gründen nur sein Konterfei.

Filme

  • Sebastian Kneipp und seine Zeit, BR 1997, Eine Filmdokumentation von Bernhard Graf
  • Freispruch für den "Wasserdoktor", Die Kneipp-Prozesse und ihre Folgen, BR 1998, Eine Filmdokumentation von Bernhard Graf

Quellen und Literatur

  • Eugen Ortner: Sebastian Kneipp – Seine Lebensgeschichte, Ehrenwirth Verlag, 12. Auflage 1994, ISBN 3-431-02659-1
  • Otto Gerhard Prokop: Sebastian Kneipp, der große „Naturarzt“ und die zugehörigen Realitäten in: Grenzen der Toleranz in der Medizin. Verlag Gesundheit, Berlin 1989, ISBN 3-333-00487-9

Siehe auch

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kneipp — Kneipp, Sebastian, kath. Priester, geb. 17. Mai 1821 in Stefansried bei Ottobeuren, gest. 17. Juni 1897 in Wörishofen, erlernte die Weberei, studierte dann in Dillingen und München Theologie, empfing 1852 die Priesterweihe und wurde 1855 Kaplan,… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Kneipp — Kneipp, Sebastian, Pfarrer und Heilkünstler, geb. 17. Mai 1821 in Stefansried bei Ottobeuren, Kaplan, dann Pfarrer in Wörishofen, gest. 17. Juni 1897, bildete ein eigenes System der Wasserkur (Kneippsche Kur) aus, schrieb: »Meine Wasserkur« (1887 …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Kneipp-Bund — Der Kneipp Bund e.V. ist der Dachverband von rund 600 Kneipp Vereinen mit etwa 160.000 Mitgliedern mit Sitz in Bad Wörishofen im Unterallgäu. Inhaltsverzeichnis 1 Verband 2 Geschichte 3 Organisation und Standort …   Deutsch Wikipedia

  • Kneipp-Kur — Kneippen im Wasserbecken Die Kneipp Medizin oder Kneipp Therapie ist ein nach dem Pfarrer Sebastian Kneipp benanntes Behandlungsverfahren, das Wasseranwendungen, Pflanzenwirkstoffe, Bewegungs und Ernährungsempfehlungen beinhaltet und besonderes… …   Deutsch Wikipedia

  • Kneipp-Therapie — Kneippen im Wasserbecken Die Kneipp Medizin oder Kneipp Therapie ist ein nach dem Pfarrer Sebastian Kneipp benanntes Behandlungsverfahren, das Wasseranwendungen, Pflanzenwirkstoffe, Bewegungs und Ernährungsempfehlungen beinhaltet und besonderes… …   Deutsch Wikipedia

  • Kneipp-Medizin — Kneippen im Wasserbecken Die Kneipp Medizin oder Kneipp Therapie ist ein nach dem Pfarrer Sebastian Kneipp benanntes Behandlungsverfahren, das Wasseranwendungen, Pflanzenwirkstoffe, Bewegungs und Ernährungsempfehlungen beinhaltet. Diese können… …   Deutsch Wikipedia

  • Kneipp — Berufsübernamen zu mhd. knp »Messer (bes. Schustermesser)« für den Hersteller oder Benutzer. Bekannter Namensträger: Pfarrer Sebastian Kneipp, deutscher Naturheilkundiger (19.Jh.), der die nach ihm benannte Behandlungsmethode begründete. Von… …   Wörterbuch der deutschen familiennamen

  • Sebastian Kneipp —     Sebastian Kneipp     † Catholic Encyclopedia ► Sebastian Kneipp     Bavarian priest and hydrotherapist, b. at Stephansreid, Bavaria, 17 May, 1821; d. at Wörishofen, 17 June, 1897. The child of poor parents, he became a weaver like his father …   Catholic encyclopedia

  • Bad Wörishofen — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Wery de Lemans — Carl Sebastian Martin Wery, eigentlich Wery de Lemans (* 7. August 1894 in Trostberg, Obb.; † 14. März 1975 in München) war ein deutscher Schauspieler. Der aus einer hugenottischen Familie stammende Beamtensohn absolvierte nach dem Abitur eine… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”