- Pflegefall
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Pflegebedürftigkeit bezeichnet einen Zustand, in dem eine Person durch eine Krankheit oder Behinderung dauerhaft nicht in der Lage ist, alltägliche Aktivitäten und Verrichtungen selbständig nachzugehen und deshalb Hilfe zur Bewältigung der daraus resultierenden Defizite benötigt. Das können Maßnahmen der Hilfestellung (Assistenz) oder Kompensation oder hauswirtschaftliche oder pflegerische Unterstützung sein. Diese werden häufig durch Angehörige übernommen, darüber hinaus erbringen Fachkräfte der professionellen ambulanten Pflegedienste oder Pflegeheime solche Leistungen.
Das Wort Pflegebedürftigkeit ist nicht nur für die Altenpflege wichtig, obwohl Alter einer der gravierendsten Faktoren ist, die dazu beitragen. Kranke Kinder, Behinderte oder mehrfach Erkrankte können damit konfrontiert sein. Aufgrund des demographischen Wandels in den Industrieländern, wonach die Zahl der alten und betagten Menschen zunimmt und die Zahl der erwerbstätigen Erwachsenen abnimmt, ergeben sich für die jeweilige Gesellschaft zunehmend Probleme: Finanzierung und Erbringung der Pflege; ihr Ausmaß und qualitative Veränderungen (z. B. durch Diabetiker, Demenz-Kranke). Die Sozial- und Gesundheitspoliktik, die Präventionsmedizin und die Pflegewissenschaft versuchen darauf Antworten zu finden.
Inhaltsverzeichnis
Gesetzliches Verständnis von Pflegebedürftigkeit in Deutschland
In Deutschland ist die gesetzliche Definition des Begriffs der Pflegebedürftigkeit in verschiedenen Gesetzen etwas unterschiedlich geregelt. Die sozialpolitisch größte Bedeutung hat die 1995 eingeführte Pflegeversicherung mit einem Leistungsvolumen von über 17 Mrd. € im Jahre 2005 → Hauptartikel Pflegeversicherung.
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sind daneben u. a. in folgenden Gesetzen geregelt:
- Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe nach §§ 61 ff. SGB XII,
- Hilfe zur Pflege nach § 26c des Bundesversorgungsgesetz,
- Entschädigungsleistungen („Pflegezulage“) nach § 35 Bundesversorgungsgesetz bzw. den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetz vorsehen,
- Leistungen bei Pflegebedürftigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung in § 44 (im fünften Abschnitt des SGB VII).
Die verschiedenen Gesetze unterscheiden sich zum Teil in ihrer Definition des Begriffs der Pflegebedürftigkeit, wobei die Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe und des Bundesversorgungsgesetz im Jahre 1995 an die Pflegeversicherung angenähert wurden.
Die von 1991 bis 1995 bestehenden Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 53 ff. SGB V (alte Fassung) führten u. a. wegen eines vom Gesetzgeber nicht klar definierten Pflegebegriffs zu einer Reihe von Problemen (näheres im Artikel Pflegeversicherung hier).
Die Begrifflichkeit der „Pflegestufen“ der Pflegeversicherung richtet sich dabei nach dem pflegerischen und dem hauswirtschaftlichen Hilfebedarf von mindestens 90 Minuten pro Tag (Stufe 1) bzw. mindestens 180 Minuten pro Tag (Stufe 2) usw. (Genaueres siehe Pflegeversicherung). Die Leistung der Sozialhilfe muss allerdings unabhängig von der Einstufung der Pflegeversicherung greifen, wenn die finanziellen Voraussetzungen bei der betroffenen Person vorliegen (und nicht diese Zeitlimiten).
Pflegewissenschaftliches Verständnis von Pflegebedürftigkeit
Pflegebedürftigkeit stellt ein multifaktorielles Geschehen dar. Die Ursachen sind vielfältig und können nicht immer von der einzelnen Person beeinflusst werden. Pflegebedürftigkeit weist verschiedene Dimensionen auf:
- Soziale Dimension: Pflegebedürftigkeit kann nicht nur bei den betroffenen Personen zur Isolierung führen. Die Versorgung pflegebedürftiger Personen wird in der Regel von Angehörigen geleistet, vor allem von Frauen (Töchter, Ehefrauen etc.). Dies kann geschehen aus dem Bedürfnis, von der pflegebedürftigen Person in der Vergangenheit erhaltene Zuwendung (Ehe, Erziehung) „zurückzugeben“. Auch kann eine Motivation das Erhalten von Lob, Zuwendung und Belohnung sein (durch die betroffene Person oder das nähere Umfeld). Die pflegebedürftige Person selbst kann sich selbständig kaum vor sozialer Isolierung bewahren, wenn die Mobilität oder andere körperliche Beeinträchtigungen ein Verlassen der Wohnung nicht zulassen. Die Wohnung aufsuchende Menschen sind oft das einzige Bindeglied zur Welt „dort draußen“ (Angehörige, Pflegedienst).
- Ökonomische Dimension: Pflegebedürftigkeit ist teuer. Eigenmittel sind in oft nicht geringer Menge aufzuwenden. Da das Risiko, pflegebedürftig zu werden, ab dem Rentenalter stetig stärker zunimmt und entsprechendes Einkommen außerhalb von Rentenbezügen zumeist nicht vorliegt, kann Pflegebedürftigkeit zur Verarmung führen. Die Kosten für Pflegeleistungen sind auch in Deutschland nicht vollständig durch die Pflegeversicherung abgedeckt.
- Psychische Dimension: Die Erfahrung, pflegebedürftig zu werden, ist eine existenzielle Erfahrung für Menschen. Ist es bereits für den „normal alternden“ Menschen eine Belastung, Veränderungen des Körpers und damit der Attraktivität und Leistungsfähigkeit zu beobachten, so können die immensen und dauerhaften Einschränkungen durch Pflegebedürftigkeit eine lebensentmutigende Auswirkung haben.
- Gesellschaftliche Dimension: Das Risiko, pflegebedürftig zu werden, ist für jeden Menschen vorhanden. Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre ist deutlich geworden, dass unterstützende und kompensatorische Pflege Geld kostet, egal ob sie in der eigenen Wohnung oder in einer pflegenden Institution (Altenheim) erbracht wird. Entsprechende Geldreserven sind dafür anzulegen (Versicherung). Wissenschaftliche Studien führen zu Erkenntnissen, was jeder Einzelne dazu beitragen kann, das Risiko von Pflegebedürftigkeit zu minimieren. Dies betrifft nicht nur alte Menschen, sondern jeden. Es ist deutlich, dass eine aktive und gesunde Lebensführung das Risiko vermindern kann. Hierzu sind neben staatlichen Förderprogrammen Initiativen in den Städten und Gemeinden erforderlich, um ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen.
Verschiedene pflegewissenschaftliche Projekte versuchen Möglichkeiten zu finden, wie das Risiko, pflegebedürftig zu werden, minimiert und wie das Eintreten von Pflegebedürftigkeit hinausgezögert werden kann. Es wird untersucht, wie die Leistungen der Pflege in einem realistischen Maß entgolten werden können, da auch die Leistungen der deutschen Pflegeversicherung noch nicht die realen Notwendigkeiten abbildet.
Siehe auch
- Behinderung
- Häusliche Pflege
- Pflegebedarf
- Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und dessen Bericht[1] dazu an das Bundesgesundheitsministerium (Januar 2009)
Weblinks
- Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung, Studie zur Pflegeprävention (Bereich „Projekte“)
- U. Ziegler, G. Doblhammer: Steigende Lebenserwartung geht mit besserer Gesundheit einher. DFAEH 1/2005.
- Bericht (PDF-Datei, bei patientenbeauftragte.de)
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