Pflichtenheft

Pflichtenheft

Das Pflichtenheft beschreibt in konkreter Form, wie der Auftragnehmer die Anforderungen des Auftraggebers zu lösen gedenkt – das sogenannte wie und womit. Der Auftraggeber beschreibt vorher im Lastenheft möglichst präzise die Gesamtheit der Forderungen – was er entwickelt oder produziert haben möchte. Erst wenn der Auftraggeber das Pflichtenheft akzeptiert, sollte die eigentliche Arbeit beim Auftragnehmer beginnen.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Neben dem Begriff Pflichtenheft findet man in der Praxis auch unscharfe Bezeichnungen wie Fachspezifikation, fachliche Spezifikation, Fachfeinkonzept, Sollkonzept, Funktionelle Spezifikation, Gesamtsystemspezifikation, Implementierungsspezifikation oder Feature Specification. Da diese Bezeichnungen in der Regel nicht standardisiert sind, können damit durchaus Dokumente im Sinne des Pflichtenhefts gemeint sein, aber auch Fachkonzept, Lastenheft oder etwas anderes.

Definition

Laut DIN 69901-5 umfasst das Pflichtenheft die „vom Auftragnehmer erarbeiteten Realisierungsvorgaben aufgrund der Umsetzung des vom Auftraggeber vorgegebenen Lastenhefts“. Die Anforderungen des zuvor ausgearbeiteten Lastenhefts sind nun mit technischen Festlegungen der Betriebs- und Wartungsumgebung verknüpft.

Nach VDI-Richtlinie 2519 Blatt 1 ist das Pflichtenheft die Beschreibung der Realisierung aller Kundenanforderungen, die im Lastenheft gefordert werden.

Das Pflichtenheft wird vom Auftragnehmer formuliert und auf dessen Wunsch vom Auftraggeber bestätigt. Idealerweise sollten erst nach dieser Bestätigung die eigentlichen Entwicklungs-/Implementierungsarbeiten beginnen. Der Auftragnehmer hat einen durch den Vertrag bestimmten Anspruch auf solche Bestätigung (Mitwirkungspflicht nach §643 BGB).

Praxis

Es ist bewährte Praxis, bei der Erstellung eines Pflichtenheftes das Ein- und Ausschlussprinzip zu verwenden, das heißt, konkrete Fälle explizit ein- oder auszuschließen.

Bei Lieferung wird formell eine Abnahme vollzogen, die die Ausführung des Werkvertrages oder auch des Kaufvertrages beschließt. Diese Abnahme wird häufig über einen Akzeptanztest ausgeführt, der feststellt, ob die Forderungen des Lastenheftes in dem Verständnis des Bestellers erfüllt wurden.

In der Softwareentwicklung wird das Pflichtenheft unter anderem im V-Modell 97 definiert. Im aktuellen V-Modell XT wurde die Bezeichnung in Gesamtsystemspezifikation (Pflichtenheft) geändert. Für internationale Projekte wird heutzutage stattdessen meistens eine Software Requirements Specification, welche die Inhalte des Lasten- und Pflichtenhefts enthält, erstellt.

Aufbau

Pflichtenhefte sind für Projekte, Geräte oder Aggregate, aber auch für ganze Anlagen üblich. Im Folgenden eine beispielhafte Gliederung für ein Projekt aus der Informationstechnik.

Ein Pflichtenheft sollte wie folgt gegliedert sein[1]:

  1. Zielbestimmung
    1. Musskriterien: für das Produkt unabdingbare Leistungen, die in jedem Fall erfüllt werden müssen
    2. Sollkriterien: die Erfüllung dieser Kriterien wird angestrebt
    3. Kannkriterien: die Erfüllung ist nicht unbedingt notwendig, sollten nur angestrebt werden, falls noch ausreichend Kapazitäten vorhanden sind.
    4. Abgrenzungskriterien: diese Kriterien sollen bewusst nicht erreicht werden
  2. Produkteinsatz
    1. Anwendungsbereiche
    2. Zielgruppen
    3. Betriebsbedingungen: physikalische Umgebung des Systems, tägliche Betriebszeit, ständige Beobachtung des Systems durch Bediener oder unbeaufsichtigter Betrieb
  3. Produktübersicht: kurze Übersicht über das Produkt
  4. Produktfunktionen bzw. Projektumsetzung: genaue und detaillierte Beschreibung der einzelnen Produktfunktionen
  5. Produktdaten: langfristig zu speichernde Daten aus Benutzersicht
  6. Produktleistungen: Anforderungen bezüglich Zeit und Genauigkeit
  7. Qualitätsanforderungen
  8. Benutzungsoberfläche: grundlegende Anforderungen, Zugriffsrechte
  9. Nichtfunktionale Anforderungen: einzuhaltende Gesetze und Normen, Sicherheitsanforderungen, Plattformabhängigkeiten
  10. Technische Produktumgebung
    1. Software: für Server und Client, falls vorhanden
    2. Hardware: für Server und Client getrennt
    3. Orgware: organisatorische Rahmenbedingungen
    4. Produktschnittstellen
  11. Spezielle Anforderungen an die Entwicklungsumgebung
    1. Software
    2. Hardware
    3. Orgware
    4. Entwicklungsschnittstellen
  12. Gliederung in Teilprodukte
  13. Ergänzungen
  14. Glossar: In dem eventuelle Fachausdrücke für Laien erläutert werden.

Ganzheitliches Pflichtenheft

Ein ganzheitliches Pflichtenheft besteht nicht nur aus technischen, sondern auch aus marktwirtschaftlichen und ökologischen Anforderungen. Dabei sind Herstellung, Gebrauch und Beseitigung des Produktes einzubeziehen, mit den Auswirkungen auf Boden, Wasser und Luft. Diese Checkpoints sind übersichtlich im Bilanzierungswürfel dargestellt, der bei der Kontrolle auf Vollständigkeit des ganzheitlichen Pflichtenheftes hilft.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Pflichtenheft – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. nach Helmut Balzert

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