Pharmawirkstoff

Pharmawirkstoff

Ein Arzneistoff ist ein pharmazeutischer Wirkstoff, der im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Heilung, Linderung, Verhütung oder Erkennung von Krankheiten dient. Ein Arzneistoff (Synonym: Pharmawirkstoff) ist in Kombination mit einem oder mehreren pharmazeutischen Hilfsstoffen ein Bestandteil eines Arzneimittels. Es gibt auch Arzneistoffe die z. B. lediglich durch das Pressen einer Tablette ohne Zusatz irgendwelcher Hilfsstoffe direkt als Fertigarzneimittel verwendet werden. Arzneistoffe sind diejenigen Bestandteile eines Arzneimittels, die ursächlich für dessen Wirksamkeit sind. Neben natürlich vorkommenden Arzneistoffen (Naturstoffe) werden auch ihre partialsynthetischen Abkömmlinge und totalsynthetisch hergestellte chemische Arzneistoffe verwendet. Zunehmend gewinnen auch gentechnisch hergestellte Arzneistoffe an Bedeutung, Stichwort: Weiße Biotechnologie.

Inhaltsverzeichnis

Arzneibücher und Arzneimittelverzeichnisse

Das traditionelle Verzeichnis der gebräuchlichen Arzneistoffe ist das Arzneibuch. Darin werden die Spezifikationen (qualitative und quantitative Grenzwerte) und die Prüfmethoden für die einzelnen Arzneistoffe in detaillierten Monographien beschrieben.[1] Fertigarzneimittel sind im Arzneibuch aus systematischen Erwägungen heraus grundsätzlich nicht erfasst. In Arzneimittelverzeichnissen wie der Roten Liste[2] ist die Zusammensetzung von Fertigarzneimitteln inclusive der Angabe der Menge des enthaltenen Arzneistoffes, das Anwendungsgebiet, die Dosierung, der Hersteller, der Preis und andere Details verzeichnet.

Naturstoffe

Naturstoffe sind Stoffe, die von lebenden Organismen wie Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen produziert werden. Die ersten Arzneimittel bestanden ausschließlich aus Naturstoffen und auch heute erfreuen sich Arzneimittel mit pflanzlichen Inhaltsstoffen (Phytopharmaka), insbesondere in der Selbstmedikation, großer Beliebtheit.

Einige Naturstoffe werden nicht aus biologischem Material extrahiert, sondern synthetisch bzw. teilsynthetisch oder biotechnologisch hergestellt, da dies schneller, sicherer und kostengünstiger sein kann. Die komplexe Struktur vieler Naturstoffe verhindert in den meisten Fällen eine effiziente Totalsynthese (Erythromycin,Taxol, Insuline, etc.). Naturstoffe sind in vielen Anwendungsgebieten (Antibiotika, Zytostatika, Immunsuppressiva) als Leitstrukturen der Pharmakologie unverzichtbar.

Synthetische Stoffe

Synthetisch hergestellte Wirkstoffe sind in der heutigen Therapie die am weitesten verbreiteten Wirkstoffe. Der Bedeutung der Enantiomerenreinheit der synthetisch hergestellten Wirkstoffe wird zunehmend die gebührende Beachtung eingeräumt[3], denn die beiden Enantiomeren eines chiralen Arzneistoffes zeigen fast immer eine unterschiedliche Pharmakologie und Pharmakokinetik. Das wurde früher aus Unkenntnis über stereochemische Zusammenhänge oft ignoriert[4]. Die Gesamtheit aller auf synthetischem Wege zugänglichen Arzneistoffe wird auch als Chemical Space bezeichnet.

Gentechnische Stoffe

Gentechnisch erzeugte Wirkstoffe werden mit Hilfe von Mikroorganismen (Bakterien, Hefen) oder Säugetierzellen in großen Fermentern biotechnologisch produziert. Es gibt auch neue Versuche, die Wirkstoffe direkt von Säugetieren (z. B. in der Milch) oder Pflanzen (z. B. in den Früchten) produzieren zu lassen. Die ersten bekannten gentechnischen Wirkstoffe waren naturidentisch aufgebaut. Allerdings ist man heute dazu übergegangen, die Wirkstoffe gentechnisch so abzuwandeln, dass sie noch gezielter wirken. So wirkt z. B. eine gentechnisch abgeänderte Version des Hormons EPO, das Darbepoetin α (Aranesp), gezielter gegen Blutarmut. Derzeit sind drei Prozent der zugelassenen Wirkstoffe gentechnischen Ursprungs, allerdings sind von den jährlich neu eingeführten Wirkstoffen mittlerweile 15 bis 25 Prozent gentechnischen Ursprungs.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Europäische Arzneibuch-Kommission (Hrsg.): Europäische Pharmakopöe 5. Ausgabe. 5.0–5.8, 2006. 
  2. Rote Liste® 2008, Verlag Rote Liste® Service GmbH, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-939192-20-6.
  3. Hermann J. Roth, Christa E. Müller und Gerd Folkers: Stereochemie & Arzneistoffe, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 1998, ISBN 3-8047-1485-4.
  4. E. J. Ariëns: Stereochemistry, a basis for sophisticated nonsense in pharmacokinetics and clinical pharmacology, European Journal of Clinical Pharmacology 26 (1984) 663-668.

Weiterführende Literatur

  • Pharmaceutical Substances, Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernd Kutscher und Dieter Reichert, 4. Auflage (2000) 2 Bände erschienen im Thieme-Verlag Stuttgart, ISBN 978-1-58890-031-9; seit 2003 online mit halbjährlichen Ergänzungen und Aktualisierungen.
  • Arzneistoffsynthese, Hermann Josef Roth und Axel Kleemann, erschienen im Thieme-Verlag Stuttgart (1982), ISBN 978-3-136-32901-6.
  • Arzneistoffgewinnung, Axel Kleemann und Hermann Josef Roth, erschienen im Thieme-Verlag Stuttgart (1983), ISBN 3-136-38501-2.
  • Organic-Chemical Drugs and Their Synonyms, Martin Negwer und Hans-Georg Scharnow, Wiley-VCH, Weinheim, (2007), ISBN 3-527-30247-6.

Weblinks


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