Philosophenherrschaft

Philosophenherrschaft
Platon (hier gemalt von Raffael) beschrieb in seinem Werk Politeia seine Vorstellung eines Idealstaates.

Die Philosophenherrschaft ist eine zentrale Theorie oder ein Ideal in Platons Werken zur Staatsphilosophie, die bis heute zu den wichtigsten Werken der westlichen Philosophie zählt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde das Konzept durch David Estlund und Jason Brennan als epistocracy (aus griech. episteme: Wissen und kratía: Herrschaft - Herrschaft der Wissenden) aufgegriffen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Philosophenherrschaft bei Platon

Platon baute in seinem Werk Politeia (370 v. Chr.) den idealen Staat in einer Analogie nach seiner Auffassung der Seele oder dem Wesen des Menschen auf. Er idealisiert dabei die „Philosophen“ als Regierende, Wissende und Lehrer, die „Wächter“ zur Verteidigung des Staates und die "Bauern und Handwerker" als ökonomische Grundlage des Staates. Männer und Frauen haben in dieser Utopie in gleichem Maße je nach Begabung und Einsatz für die Gemeinschaft Zugang zu allen drei Ständen.

Die Kernthese führt bei Platon von der Erkenntnis der Philosophie als die "Königin aller Wissenschaften" folgernd über die Idealvorstellung, dass Staatsführer immer "die Fähigsten des Volkes" sein müssen, dazu, dass eben Philosophen die idealen Staatsführer sein müssten.

„Wenn nicht die Philosophen Könige werden in den Städten oder die, welche jetzt Könige oder Herrscher genannt werden in den Städten, echt und ausreichend zu philosophieren beginnen, und wenn nicht dies in eines zusammenfällt, politische Macht und Philosophie, und die Naturen der Vielen, die jetzt ausschließlich eines der beiden Ziele im Auge haben, mit Gewalt ausgeschlossen werden, dann gibt es kein Ende der Übel, mein lieber Glaukon, weder für die Städte, noch (wie ich glaube) für das Menschengeschlecht.“ (Politeia 473d)

Für das Verständnis des Zitats ist wichtig, dass die Herrschaft der Philosophen, wie insbesondere das Höhlengleichnis zeigt, nicht als Herrschaft der Intellektuellen aufgefasst werden kann. Platons Philosoph ist vielmehr auf einem mühsamen Weg zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt, die nicht nur intellektuell ist, sondern den gesamten Menschen ergreift und verändert.

Philosophenherrschaft bei Kant

Immanuel Kant lehnt in seinem moralphilosophischem Werk Zum ewigen Frieden die Herrschaft der Philosophen mit folgender Begründung ab:

„Daß Könige philosophieren, oder Philosophen Könige würden, ist nicht zu erwarten, aber auch nicht zu wünschen; weil der Besitz der Gewalt das freie Urteil der Vernunft unvermeidlich verdirbt.“ [2]

Er spricht demzufolge dem Herrschenden ein allgemeines Vermögen, sich seiner Vernunft im Reinen zu bedienen, ab. Jedoch ist eine Koexistenz des Herrschers und des Philosophen zur gegenseitigen Belehrung notwendig.


Literatur

  • David Estlund: Why Not Epistocracy?, in: Desire, Identity and Existence: Essays in honor of T. M. Penner, Academic Printing and Publishing 2003
  • David Estlund: On Following Orders in an Unjust War, in: Journal of Political Philosophy 15/2 (2007), 213-234
  • Cristina Lafont: Is the ideal of a Deliberative Democracy coherent?, in: S. Besson / J.L. Martí (Hgg.): Deliberative Democracy and its Discontents, Aldershot: Ashgate 2006, 3-26.
  • Alice Obrecht: Long Live the Philosopher-King?, in: Rerum Causae 1/1 (2006).
  • Platon: Politeia, in: Platon: Werke in acht Bänden, hrsg. Gunther Eigler, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1970–1983, ISBN 3-534-02574-1 (griechische Texte und leicht bearbeitete Übersetzungen von Schleiermacher).
  • Brennan, J. (2011), The right to a competent electorate. The Philosophical Quarterly, 61: no. doi: 10.1111/j.1467-9213.2011.699.x

Einzelnachweise

  1. Vgl. Olbrecht 2006
  2. Zum ewigen Frieden, zweiter Zusatz - Geheimer Artikel zum ewigen Frieden

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Elitokratie — Platon (hier gemalt von Raffael) beschrieb in seinem Werk Politeia seine Vorstellung eines Idealstaates. Die Philosophenherrschaft ist eine zentrale Theorie oder ein Ideal in Platons Werken zur Staatsphilosophie, die bis heute zu den wichtigsten… …   Deutsch Wikipedia

  • Epistokratie — Platon (hier gemalt von Raffael) beschrieb in seinem Werk Politeia seine Vorstellung eines Idealstaates. Die Philosophenherrschaft ist eine zentrale Theorie oder ein Ideal in Platons Werken zur Staatsphilosophie, die bis heute zu den wichtigsten… …   Deutsch Wikipedia

  • Idealer Staat — Römische Kopie eines griechischen Platonporträts des Silanion, das vermutlich nach dem Tod Platons in der Akademie aufgestellt wurde, Glyptothek München[1] Platon (griechisch  …   Deutsch Wikipedia

  • Platon — Römische Kopie eines griechischen Platonporträts des Silanion, das vermutlich nach dem Tod Platons in der Akademie aufgestellt wurde, Glyptothek München[1] Platon (altgriechisch Πλάτων Plátōn, latinisiert Plato; * 428/ …   Deutsch Wikipedia

  • Politeia I — Die Politeia (griechisch πολιτεία „Staat, Staatswesen“), verfasst um ca. 370 v. Chr., ist das bedeutendste Werk Platons und gehört zu den wichtigsten Schriften in der Geschichte der politischen Philosophie sowie der Philosophie überhaupt.… …   Deutsch Wikipedia

  • Politeia — Die Politeia (griechisch πολιτεία „Staat, Staatswesen, Verfassung“), verfasst um 370 v. Chr., ist das bedeutendste Werk Platons und gehört zu den wichtigsten Schriften in der Geschichte der politischen Philosophie sowie der Philosophie überhaupt …   Deutsch Wikipedia

  • Dion von Syrakus — (* 409 v. Chr.; † 354 v. Chr. in Syrakus) war ein griechischer Politiker auf Sizilien und Freund Platons. In seiner Heimatstadt Syrakus erlangte er am Ende seines Lebens für kurze Zeit eine tyrannenähnliche Machtstellung. Ob er sich bei seinem… …   Deutsch Wikipedia

  • Dionysios II. von Syrakus — (* um 396 v. Chr.; † nach 337 v. Chr.) war als Nachfolger seines Vaters Dionysios I. Tyrann von Syrakus von 367 v. Chr. bis 357 v. Chr. Nach schweren Kämpfen wurde er vertrieben, kam aber 346 erneut an die Macht. Im Jahr 344 musste er endgültig… …   Deutsch Wikipedia

  • Herakleides von Syrakus — Herakleides († 354 v. Chr. in Syrakus) war ein antiker griechischer Offizier und demokratischer Politiker seiner Heimatstadt Syrakus auf Sizilien. Unter dem Tyrannen Dionysios II. musste er ins Exil gehen. Nach dem Sturz des Tyrannen wurde er zum …   Deutsch Wikipedia

  • Paideia — Die Schule von Athen, Wandfresco von Raffael, 1509 1510 Paideia (griechisch παιδεία paidèia, „Erziehung“, „Bildung“) ist ein Schlüsselbegriff für das Verständnis der antiken Kultur und ein zentraler Wertebegriff. Er steht einerseits für die… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”