- Höhlengleichnis
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Das Höhlengleichnis ist eines der bekanntesten Gleichnisse der antiken Philosophie. Es stammt vom griechischen Philosophen Platon (427–347 v. Chr.) aus dem siebten Buch seines Hauptwerkes Politeia[1], dessen Abfassung auf das Jahr 370 v. Chr. geschätzt wird. Das Höhlengleichnis dient, wie auch die anderen Lehrbeispiele Platons, bis heute als Standardlehrbeispiel zur Einführung in die Philosophie, genauer hierbei in die Erkenntnistheorie als eine der Hauptsäulen der Philosophie. Platons Lehrer Sokrates verdeutlicht im Gleichnis seinem Gesprächspartner Glaukon den Bildungsweg des Philosophen. Eingebettet ist dieses Gleichnis in die Frage Glaukons nach dem Wesen des Guten und in den Kontext der beiden vorhergehenden Gleichnisse, des Sonnengleichnisses und des Liniengleichnisses, die beide das Verständnis des Höhlengleichnisses vorbereiten.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Platon beschreibt einige Menschen, die in einer unterirdischen Höhle von Kindheit an so festgebunden sind, dass sie weder ihre Köpfe noch ihre Körper bewegen und deshalb immer nur auf die ihnen gegenüber liegende Höhlenwand blicken können. Licht haben sie von einem Feuer, das hinter ihnen brennt. Zwischen dem Feuer und ihren Rücken befindet sich eine Mauer. Hinter dieser Mauer werden Bilder und Gegenstände vorbeigetragen, die die Mauer überragen und Schatten an die Wand werfen. Die „Gefangenen“ können nur diese Schatten der Gegenstände wahrnehmen. Wenn die Träger der Gegenstände sprechen, hallt es von der Wand so zurück, als ob die Schatten selber sprächen. Da sich die Welt der Gefangenen ausschließlich um diese Schatten dreht, deuten und benennen sie diese, als handelte es sich bei ihnen um die wahre Welt.
Platon (bzw. Sokrates) fragt nun, was passieren würde, wenn man einen Gefangenen befreien und ihn dann zwingen würde, sich umzudrehen. Zunächst würden seine Augen wohl schmerzlich vom Feuer geblendet werden, und die Figuren würden zunächst weniger real erscheinen als zuvor die Schatten an der Wand. Der Gefangene würde wieder zurück an seinen angestammten Platz wollen, an dem er deutlicher sehen kann.
Weiter fragt Platon, was geschehen würde, wenn man den Befreiten nun mit Gewalt, die man jetzt wohl anwenden müsste, an das Sonnenlicht brächte. Er würde auch hier zuerst von der Sonne geblendet werden und könnte im ersten Moment nichts erkennen. Während sich seine Augen aber langsam an das Sonnenlicht gewöhnten, würden zuerst dunkle Formen wie Schatten und nach und nach auch hellere Objekte bis hin zur Sonne selbst erkennbar. Der Mensch würde letztlich auch erkennen, dass Schatten durch die Sonne geworfen werden.
Erleuchtet würde er um keinen Preis sein altes Leben in der Höhle wiederaufnehmen wollen, und wenn er es doch täte, über seine Erkenntnisse berichten. Da sich seine Augen nun jedoch umgekehrt erst wieder an die Dunkelheit gewöhnen müssten, könnte er (zumindest anfangs) die Schattenbilder nicht erkennen und gemeinsam mit den anderen deuten. Aber nachdem er die Wahrheit erkannt habe, würde er das auch nicht mehr wollen. Seine Mitgefangenen nähmen ihn als Geblendeten wahr und schenkten ihm keinen Glauben: Man würde ihn auslachen und „von ihm sagen, er sei mit verdorbenen Augen von oben zurückgekommen“. Damit ihnen nicht dasselbe Schicksal zukäme, brächten sie von nun an jeden um, der sie „lösen und hinaufbringen“ wollte.
Deutung
Platon verweist selbst darauf, dass das Höhlengleichnis unter Berücksichtigung des Sonnen- und des Liniengleichnisses interpretiert werden muss. Zudem findet sich folgender Deutungsansatz im Text selbst:
„das Sichtfeld kann dem Wohnen in Fesselung ähnlich sein und das Feuer genauso der Sonne; und wenn du das Hinaufsteigen und die Betrachtung von dem von oben mit dem Aufstieg der Seele in den Bereich des Wahrnehmbaren gleichsetzt, so wird dir nicht entgehen, was meine Meinung ist, weil du dieses ja hören willst.“
– Politeia VII, 517b1-7
Platon veranschaulicht in diesem Gleichnis, dass der gewöhnliche Mensch im Alltag wie in einer Höhle lebt. Denn die Dinge, die er als real wahrnimmt, sind Platons Ideenlehre zufolge in Wahrheit nur Schatten und Abbildungen des wahren Seienden. Die Höhle im Gleichnis steht für unsere sinnlich wahrnehmbare Welt, der harte Aufstieg des Höhlenbewohners für den Weg der Seele hinauf bis zur Erkenntnis des tatsächlichen Zentrums des Seins: der Idee des Guten, die im Gleichnis durch die Sonne repräsentiert ist. Es geht im Höhlengleichnis also darum, die Denkkraft nicht auf das sinnlich Wahrnehmbare der uns unmittelbar umgebenden Welt zu lenken, sondern auf das, was hinter dieser Welt steht, beziehungsweise auf den ideellen Ursprung dieser Welt.
Das Ende des Höhlengleichnisses nimmt Bezug auf das Ende des Sokrates, der von den Athenern wegen „Gottlosigkeit“ (Asebie) und als „Verderber der Jugend“ zum Tode verurteilt wurde.
Rezeption
Trotz der großen Bedeutung des Höhlengleichnisses gibt es nur sehr wenige klassische Darstellungen. Ein wichtiges Beispiel aus der Zeit des späten Manierismus ist ein 1604 von Jan Saenredam (1565−1607) angefertigter Stich nach einem Ölgemälde von Cornelis van Haarlem (1562−1638).
Der Film Matrix aus dem Jahr 1999 bedient sich des Gleichnisses als Teil einer virtuellen Realität.
Literatur
- Andreas Schubert: Platon: Der Staat. Paderborn 1995, ISBN 3-8252-1866-X
- Wilhelm Blum: Höhlengleichnisse, Bielefeld 2005, Aisthesis Verlag, ISBN 3-89528-448-3
- Rudolf Rehn (Hg.): Platons Höhlengleichnis. Das Siebte Buch der Politeia. Griechisch - Deutsch, Mainz 2005, Dietrichsche Verlagsbuchhandlung, ISBN 3-87162-062-9
Weblinks
Commons: Höhlengleichnis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Höhlengleichnis. Online-Text, Projekt Gutenberg-DE.
Anmerkungen
- ↑ Platon, Politeia 514a–517a.
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