Politisch korrekt

Politisch korrekt

Politische Korrektheit (häufig als Adjektiv politisch korrekt, engl.: Political Correctness [pəˈlɪtɪkəl kəˈrɛktnɪs] und politically correct, Abk. PC, P.C. und pc) ist ein aus dem angelsächsischen Raum stammendes politisches Schlagwort.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsentwicklung

Der Begriff politisch korrekt wurde bereits 1793 in einem Gerichtsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten (Fall Chisholm v. Georgia) erwähnt. Das Gericht stellte dabei eine Überlegung zu den Bürgerrechten an und bezeichnete es in diesem Zusammenhang als nicht politisch korrekt, einen Toast auf den Staat (die Vereinigten Staaten) statt auf das Volk (der Vereinigten Staaten) auszubringen, weil der Staat zwar das edelste Werk des Menschen, der Mensch selbst aber das edelste Werk Gottes sei.[1]

Mitte der 1980er-Jahre wandten sich Studenten vor allem der University of California gegen Pflichtkurse zur westlichen Zivilisation (Western Civilization), in denen nach ihrer Auffassung die Werke „toter, weißer europäischer Männer“ („dead white European males“, gemeint waren vor allem Philosophen der Aufklärung) zu sehr im Vordergrund standen. Sie verlangten eine Ausweitung des Lehrstoffs auf weibliche und außereuropäische Autoren und schufen Sprachkodizes (Speech codes), die auf die Einbeziehung von Minderheiten abzielten. Mit zunehmender Rigidität dieser Sprachregelungen gewann der ironisch verwendete Begriff politically correct an Bedeutung.

Seit Beginn der 1990er-Jahre wandelte sich der Begriff von einer Eigenbeschreibung zu einem pejorativ gebrauchten Kampfbegriff der politischen Rechten.[2] Konservative Studenten, Akademiker und Journalisten übernahmen den Ausdruck und wandelten ihn in eine Chiffre zur Ablehnung linker Antidiskriminierungsbemühungen. Im Laufe der Zeit wurde der Begriff zu Political Correctness substantiviert. US-Konservative verwandelten ihn in den 1990er-Jahren überdies in einen politischen Kampfbegriff zur Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. Allerdings wird er auch weiterhin von undogmatischen Linken verwendet.

Politikwissenschaftler beschreiben den abwertenden Gebrauch des Ausdruckes Political Correctness als eine der „Strategien“ der konservativen Verteidigung traditioneller Werte. „Political Correctness“ äußert sich hierbei als „vehement betriebene Diffamierungskampagne gegen die Liberals.“ Die Konservativen „setzten damit eine Strategie der politischen Diffamierung aus den 80er Jahren direkt fort. An die Stelle des L-words (ein in der Wahlkampfkampagne 1988 von Konservativen geprägter negativ konnotierter Begriff für den Liberalismus) trat nun Political Correctness, um gegen den liberalen ‚Feind’ ins Feld zu ziehen.“[3]

Die Etablierung des Begriffs Politically Correct in den US-Medien

Bis zum Oktober 1990 war der breiteren US-Öffentlichkeit der Begriff politically correct unbekannt. Eine Analyse ausgewählter US-amerikanischer Medien ergab für den Zeitraum von 1989 bis 1994 einen rasanten Anstieg der Verwendung des Begriffs:

  • 1989: 15 Fundstellen
  • 1990: 65
  • 1991: 1.570
  • 1992: 2.835
  • 1993: 4.914
  • 1994: 6.985

Als erster wichtiger Anlass für diese Verbreitung des Begriffs gilt allgemein ein Artikel von Richard Bernstein in der New York Times vom 27. Oktober 1990 unter dem Titel “The Rising Hegemony of the Politically Correct” („Die aufkommende Hegemonie des politisch Korrekten“).

Lorna Weir analysiert das Begriffssystem Bernsteins. Bernstein stellt: "pc" als untergeordneten Begriff von "Tyrannei" dar, gleichwertig mit den Co-Begriffen "Orthodoxie", "Faschismus" und "Fundamentalismus". Auf der dritten Ebene folgen dann die Hyponyme von "pc", also quasi die untergeordneten Teilmengen von "pc". Das sind: "Auswärtige Politik", "Afrikanisch-amerikanische Studien", "Curriculumveränderung", "Affirmative Action", "Schwulen- und Lesbenforschung", aber auch "Feminismus", "palästinensische Selbstbestimmung" sowie "Attacken auf den Kanon und den Westen". Bernsteins greift hier die "Bildungsinhalte der amerikanischen Reformbewegungen seit den sechziger Jahren an, die er eindeutig negativ klassifiziert." Auf einer weiteren Ebene folgen die "Curriculumveränderung" auf die "Universitäten von Texas und Berkeley", nach Meinung von konservativen Hochburgen linker Lehrinhalte sowie Veröffentlichungen der "Modern Languages Association (MLA)" und andere.[4][5]

In seiner Rede an der Universität Michigan am 4. Mai 1991 (“Remarks at the University of Michigan Commencement Ceremony in Ann Arbor”) griff US-Präsident George H. W. Bush diesen neuen Medienbegriff auf und setzte sich damit im Zusammenhang mit der freien Rede auseinander[6]:

„Ironischerweise stellen wir am 200. Jahrestag der Bill of Rights fest, dass die freie Rede überall in den Vereinigten Staaten angefallen wird, auch auf dem Campus einiger Universitäten. Die Idee der politischen Korrektheit hat im ganzen Land eine Kontroverse entfacht. Und obwohl die Bewegung aus dem lobenswerten Bedürfnis entstanden ist, die Überreste von Rassismus und Sexismus und Hass wegzufegen, ersetzt sie nur alte Vorurteile durch neue. Sie erklärt bestimmte Themen zum Tabu, bestimmte Ausdrücke zum Tabu und sogar bestimmte Gesten zum Tabu. Was als Kreuzzug für Anstand begann, ist umgeschlagen in einen Konfliktherd und sogar in Zensur. Streitende betrachten puren Zwang als einen Ersatz für die Kraft der Gedanken – zum Beispiel indem sie ihren Kontrahenten bestrafen oder verweisen lassen.“

Bedeutungsveränderung durch Konservative

In den USA gingen Wissenschaftler wie John Karl Wilson 1995 in „Myth of Political Correctness“[7] oder Lorna Weir ("PC Then and Now")[8] und Stephen Richter der Entwicklung des Begriffs nach. Nach ihrer Meinung habe sich hier ein Mythos der Konservativen gebildet. Brigitta Huhnke, Sprachwissenschaftlerin an der Universität Klagenfurt, weist 1997 auf die Legendenbildung und die mythische Funktion des Begriffes hin, sowohl in seiner US-amerikanischen Diskursgeschichte als auch in der der Bundesrepublik Deutschland.[9] Marc Fabian Erdl analysiert 2004 die „Legende von der Politischen Korrektheit“ und die „Erfolgsgeschichte eines importierten Mythos“.[10]

Manske macht wie Weir und Wilson darauf aufmerksam, dass diese Kampagne der Neokonservativen die Konnotation des Begriffes verändert habe.[11] Darin liege die Erklärung, wie der „Myth of Political Correctness“ (Wilson) wirke. Er lasse nämlich einen Bezug zur „Wahrheit“ aufschimmern – der Begriff wurde ja in einer ähnlichen Form, aber in einem anderen Sinn von Teilen der Emanzipationsbewegungen verwandt –, entleere und deformiere jedoch den ursprünglichen Sinn. So werde aus einer begründeten und positiv konnotierten politischen Aussage (Wenn wir keinen Rassismus wollen, benötigen wir auch das Wort "Nigger" nicht mehr etc.) eine Unterstellung („Du willst mir meine Sprache und das Denken verbieten.“) und mit dem Begriff „Political Correctness“ markiert. Verbunden mit Vorstellungen von Zensur und Denkverboten etc. bekommt die Redewendung nicht nur eine negative Bedeutung, sondern eine völlig neue Aussage. Diese Aussage beschäftigt sich nicht mehr mit dem eigentlichen Problem. Sie wird zu einer Aussage über etwas (Metasprache). Verkürzt und symbolisiert in dem Begriff "pc", lässt sich je nach Bedarf und Situation mit diesem Begriff politisch über etwas sprechen, es nicht nur bezeichnen, sondern es auch einordnen.[12] Da die ursprüngliche Verwendung des Begriffes den Liberalen und Linken zugeordnet wird – z.B. in der Form ironischen Selbstkritik (Lorna Weir) unter Mitstreitern –, erweckt der Begriff laut Wilson eine Authentizität und lebe wie alle Mythen von einer scheinbaren Realität. Durch diese Umwandlung seien, wie Katrin Auer meint, rhetorische Figuren wie der Code[13] „PC“ nur von informierten Lesern tatsächlich dechiffrierbar in dem Sinne, dass erkannt wird, wie hier ein geschichtlich zu betrachtender Sinn in eine sinnverstellte Aussage verwandelt wird.[14]

Von Autoren wie John K. Wilson war also gezeigt worden, wie konservative Kräfte durch Übertreibung und Verdrehung von „Anekdoten“ über einige wenige Fälle von Meinungsunterdrückung einen „Mythos der Politischen Korrektheit“ geschaffen hatten. Diesen Mythos bezeichnete Wilson als „CC - Conservative Correctness“. Dadurch werde versucht, progressive Ideen zu unterdrücken. Wilsons Buch fand Zustimmung, war aber auch Gegenstand von harscher Kritik.[15] Kritiker wiesen darauf hin, dass zwar tatsächlich Anekdoten von Konservativen gezielt aufgebauscht wurden, dass auf der anderen Seite aber auch Liberale und sogar einige Marxisten gegen Political Correctness opponierten.[16]

PC in deutschen Printmedien

Die erste programmatische Erwähnung des Begriffs "PC" erfolgte Anfang der 1990er Jahre. Die Süddeutsche Zeitung titelte mit einem Beitrag von Christine Brink am 3. November 1991: „Muli-kultureller Joghurt. In amerikanischen Universitäten greift ein neuer Sprach-Terror um sich.“ Ein weiterer Artikel erschien in derselben Zeitung von Richard Bernstein, dem New York Times-Journalisten, „der Ende 1990 das inter-media-agenda setting in den amerikanischen Medien in Gang gesetzt hatte“.

Der Spiegel reagiert auf das Thema erst 1993. Matthias Matussek sieht in einer New Yorker Ausstellung der Fotografin Nan Goldin einen „Schauprozess“: „Ein Kampfbegriff der Black-Power-Bewegung aus den sechziger Jahren macht erneut Karriere: „political correctness“. Die politisch Korrekten, eine Sprach- und Denkpolizei radikaler Minderheiten, kontrollieren nicht nur Vorlesungsverzeichnisse oder Feuilletons – sie beherrschen jetzt eine New Yorker Museeumsschau.“ (Spiegel)

Der erste Artikel, der den Begriff in der Zeit thematisiert, stammte von Dieter E. Zimmer: „PC oder: Da hört die Gemütlichkeit auf“. Die Redaktion schickt dem Artikel die Bemerkung voraus, dass die Zimmer-„Thesen“ in der Redaktion sehr umstritten seien.

PC in der nationalen Rhetorik

Achtung!
Die Neutralität dieses Artikels oder Abschnitts ist umstritten. Eine Begründung steht auf der Diskussionsseite.

Von rechten Autoren wird der Begriff „PC“ abwertend verwendet. Die Kritik der Rechten an dem, was sie als „Politische Korrektheit“ bezeichnen, richtet sich vor allem gegen die Vertreter der 68er-Generation. Dabei geht es darum, „die Bemühungen von Liberalen, Linken, Feministinnen, Vertretern von Minderheiten und Befürwortern von Multikulturalismus um eine Öffnung der Gesellschaft, das Hinterfragen von überkommenen Tabus, Vorstellungen und Stereotypen zu karikieren und zu verfälschen. Heute dient PC dazu, Verachtung auszudrücken für diese Anschauungen und Zielsetzungen. Dabei werden etwa die Relativierung des Leistungsstandards, die angebliche Einschränkung der freien Meinungsäußerung und die Gefahren selbstzerstörerischer Separation heraufbeschworen.“ [17] Derart versuchen rechte Politiker sich volksnah zu geben und damit als die eigentlichen Demokraten zu gelten, die ganz bewusst gegen die sprachlichen Regelungen des öffentlichen Diskurses verstoßen. Zentrales Anliegen rechter Politik besteht darin, die „linksliberale Diskurshegemonie“ zu brechen und den „gesunden Menschenverstand“ als neue Basis für die politische Entscheidungsfindung zu legitimieren. Beispielhaft dafür ist eine Rede Christoph Blochers auf dem Jahreskongress der Schweizer Presse, in der er sagte, es gebe in der Schweiz eine Reihe von „Tabuthemen“, die von den Medien systematisch ausgeklammert würden. Als Ergebnis herrsche eine „feige Einheitsmeinung vor, diktiert von einer totalitär verstandenen, political correctness.“[18]

Als Kampfbegriff fungiert der Begriff gleichsam als Allzweckwaffe der Rechten, um Kritik an rechten Konzepten abzutun. Der pejorativ verwendete Begriff dient derart der Immunisierung der eigenen Position[19], d.h. der Umgehung einer Debatte, wenn er in pauschal diskreditierender Form angewandt wird, ohne auf eine konkret gegnerische Position inhaltlich einzugehen.

Der deutliche Bezug zu Fragen der nationalen Identität hinsichtlich Einwanderung und Geschichtsbild zeigte auch eine Umfrage Elisabeth Noelle-Neumanns von 1996, die in der FAZ vorgestellt wurde. Danach schätzen die Deutschen folgende Themen an vorderster Stelle als „PC-haft“ ein: Asylanten, Juden, Hitler, das „Dritte Reich“, Aussiedler, Neonazis, Türken.[20]

Auch Vertreter der Neuen Frankfurter Schule begannen erst langsam die „Kämpfe um kollektive Identität“[21], die mit dem Begriff geführt wurden, kritisch zu beleuchten, nachdem sie anfangs „Political Correctness“ „leichtfertig“ und „begeistert“ aufgriffen:

Neben dem Historikerstreit und der Jenninger-Rede[22] wurde in der Walser-Bubis-Debatte mit der „Political Correctness“-Rhetorik gearbeitet. Synonym dazu war hier die Rede von der „Auschwitzkeule“. In seiner Laudatio vom 26. September 2004 zur Verleihung des Kasseler Bürgerpreises für Klaus von Dohnanyi verteidigt Wolfgang Schäuble deutschen „Patriotismus“ und „Elitenbildung“ als Zivilcourage gegen die „Political Correctness“.[23]

Antidiskriminierung als Grundlage des Begriffs

Die amerikanische Linke warf der amerikanischen Mehrheitsgesellschaft andro- und eurozentrisch geprägte Wahrnehmungsmuster vor. Die allgemeine Ausdrucksweise vernachlässige durch abwertenden oder gedankenlosen Sprachgebrauch Personen mit abweichenden Merkmalen (weibliches Geschlecht) oder diskriminiere soziale Minderheiten (nach Abstammung, Herkunft, körperlicher oder geistiger Fähigkeiten, sexueller Veranlagung, religiösen Bekenntnisses, sozialer Stellung usw.). Dieses Gesellschaftsbild sollte über den Weg der Sprachnormierung korrigiert werden. Deshalb wurde gefordert, dass an die Stelle beanstandeter Formulierungen vorzugsweise solche Ausdrücke treten, die von den zu schützenden Gruppen selbst verwendet werden.

Art und Intensität der Maßnahmen zur Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung von Belangen sozialer Minderheiten sind sehr unterschiedlich und reichen von der Ablehnung bestimmter Begriffe über Formulierungsvorschläge bis zu rechtlich verbindlichen, auch sanktionsbewehrten, Vorgaben. Dort, wo letzteres der Fall ist, kann die Durchsetzung von Diskriminierungsverboten zu schwerwiegenden Folgen wie der Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis oder hohen Schadensersatzforderungen führen, besonders in den USA, wo die als political correctness bezeichnete Antidiskriminierung am weitesten Verbreitung fand.

Vertreter einer nicht diskriminierenden Sprachverwendung betonen auch die Wichtigkeit der Diskussion. Das Ziel ist die Entwicklung sprachlicher Sensibilität, damit einhergehend eine erhöhte soziale Kompetenz und Aufmerksamkeit sowohl gegenüber sprachlichen Stereotypen wie auch gegenüber den benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen selbst.

Beispiele für antidiskriminatorisch intendierten Sprachgebrauch

Geschlecht

Die feministische Sprachforschung hat unter anderem die Verwendung des Binnen-I („ArbeitnehmerInnen“) oder genus-neutraler Worte vorgeschlagen, um Frauen sprachlich stärker sichtbar zu machen.

Gegner einer solchen Sprachpolitik weisen auf die Bedeutung des generischen Maskulinums und die Unterscheidung zwischen Genus und Sexus hin.

Abstammung/Ethnie/Herkunft

Bezüglich der Benennung Angehöriger bestimmter Ethnien werden bevorzugt die populärsten Eigenbezeichnungen genannt. So werden etwa in Kanada die indigenen Völker in die Gruppen First Nations, Métis und Inuit (statt Eskimo) unterteilt.

Körperliche/geistige Fähigkeiten

Statt als abwertend empfundener Formulierungen wie „Krüppel“ werden neutralere Ausdrücke wie „Menschen mit Behinderung“ benutzt. Vor allem in den USA, wo die meisten dieser Prägungen entstanden sind, werden Begriffe ins Positive verschoben, um den Fokus nicht auf den Mangel zu lenken; etwa: „anders begabt“ bzw. „mental herausgefordert“ (mentally challenged) für „geistig behindert“ oder „visuell herausgefordert“ (visually challenged) für „blind“. Allgemein hat hier das challenged (herausgefordert) den Begriff handicapped (behindert) ersetzt. (Der Begriff „vertikal herausgefordert“ (vertically challenged) für „kleinwüchsig“ ist dagegen ein Scherzbegriff der sich im Sinne der vorangegangenen Wortkombinationen über „political correctness“ lustig macht.)

Inzwischen wird oft anstatt des Begriffs „Behinderte“ die Form „Menschen mit Behinderung“ verwendet, um die Reduzierung der Menschen auf ihre Behinderung zu verringern.

Kritik

Die Kritik an der mit „politischer Korrektheit“ bezeichneten Sprachpolitiken kann man im wesentlichen in einen primär linguistisch und einen dezidiert sprachpolitischen Zweig unterteilen.

Aus linguistischer Sicht weist etwa der Schriftsteller Max Goldt auf sprachliche Komplikationen bei der Verwendung einiger einschlägiger Stilfiguren hin; zum Beispiel sei die Formulierung „sterbende Studierende“ (im Falle eines Massakers an einer Universität) sprachlich widersinnig, da man nicht „gleichzeitig sterben und studieren“ könne.[24]

Des Weiteren wird durch eine besonders ungewöhnliche Formulierung für den Leser bzw. Hörer der Sinn entweder nicht mehr ohne weiteres (z.B. „sterbende Studierende“) oder überhaupt nicht mehr (z.B. „mental herausgefordert“) zugänglich, oder es werden, da „politisch korrekte“ Begriffe oft für Missstände verwendet werden, gezielt Fakten bis zur Sinnentstellung verharmlost.

Bei der Bezeichnung diskriminierter Personengruppen kollidieren aus Sicht der Kritiker die Ansprüche der „Politischen Korrektheit“ bisweilen mit sich selbst: Zum Beispiel werde die weibliche Form fast ausschließlich bei positiv besetzten Gruppen ausdrücklich genannt; trotz der Existenz von Terroristinnen werde zum Beispiel bei „Terroristen“ oft ohne Widerspruch auf das Binnen-I verzichtet. Bei gemischt-geschlechtlichen Opfergruppen würden bei Nachrichten dagegen Frauen oft extra hervorgehoben, in Tätergruppen jedoch nicht erwähnt.[25]

Der Philosoph Slavoj Žižek weist darauf hin, dass sich „politisch korrekte“ Begriffe abnutzten (die Ersatzbegriffe erben mit der Zeit die Bedeutung des Wortes, das sie ersetzen sollten), wenn sie nicht mit einer Veränderung der sozialen Wirklichkeit einhergingen. So sei allein durch eine fortwährende Neuschöpfung von Ersatzbegriffen (wie in dem US-amerikanischen Beispiel Negroblack peoplecoloured peopleAfrican-Americans) noch keine Veränderung erzielt, wenn nicht den Worten eine tatsächliche soziale Integration folge. Die rein sprachliche Prägung immer neuer Begriffe enthülle die Unfähigkeit, die tatsächlichen Ursachen von Rassismus und Sexismus allein durch Sprachpolitik zu überwinden. Zudem entstehe durch die laufende Neuschaffung von Begriffen eine exzessive Struktur, da jeder Begriff durch den folgenden seinerseits unter Diskriminierungsverdacht gestellt und entwertet werde. Laut Žižek versuche die Geisteshaltung der „politischen Korrektheit“ durch ihre zirkuläre Selbstbezogenheit alle Spuren der Begegnung mit „dem Realen“ (Lacan) zu beseitigen (vgl. Sexuelle Belästigung, Abschnitt Kritik).

Siehe auch

Literatur

  • Diedrich Diederichsen: Politische Korrekturen. Kiepenheuer & Witsch, 1996. ISBN 3-462-02551-1
  • Marc Fabian Erdl: Die Legende von der Politischen Korrektheit. Zur Erfolgsgeschichte eines importierten Mythos. Transcript Verlag, Bielefeld 2004
  • S. Dunant (Hrsg.): The War of the Words: The Political Correctness Debate. Virago Press, London 1994
  • Robert Hughes: Political Correctness oder die Kunst, sich selbst das Denken zu verbieten (OT: Culture of Complaint). Droemer-Knaur, München 1995, ISBN 3-426-77203-5
  • Wolfgang Fritz Haug: Politisch richtig oder Richtig politisch. Argument Verlag, Hamburg 1999, ISBN 3-88619-317-9
  • Ariane Manske: Political Correctness und Normalität. Die amerikanische PC-Kontroverse im kulturgeschichtlichen Kontext. Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2002. ISBN 3-935025-33-5
  • Uwe Pörksen: Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur. Stuttgart 1988.
  • Sabine Wierlemann: Political Correctness in den USA und in Deutschland. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2002
  • Umberto Eco: Politisch korrekt oder intolerant? aus „Sämtliche Glossen und Parodien“, Verlag Hanser, 2002, ISBN 3-446-20111-4

Aufsätze

  • Katrin Auer: „Political Correctness“ – Ideologischer Code, Feindbild und Stigmawort der Rechten. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 30 (3) 2002, S. 294.
  • Sebastian Barsch, Tim Bendokat: Political Correctness in der Heilpädagogik. In: Zeitschrift für Heilpädagogik. Jg. 52 (Nr. 11/2002) Seite 451–455
  • Norman Fairclough et al.: Re-visiting 'PC' , Spezialausgabe von Discourse and Society [9], Heft 14/1 (2003).
  • Frigga Haug: pc-Diskurs und neuer Antifeminismus in der Bundesrepublik. In: Das Argument 213, (1996)
  • Brigitta Huhnke: „pc“ − Das neue Mantra der Neokonservativen. In: Andreas Disselnkötter, Siegfried Jäger, Helmut Kellershohn, Susanne Slobodzian (Hg.) : Evidenzen im Fluss. Demokratieverluste in Deutschland. ISBN 3-927388-60-2
  • Jörg Kilian: Sprachpolitik im Alltag: Political Correctness. In: Der Deutschunterricht 55, 2003, H. 2, 52-63. ISSN 0340-2258
  • Ingo Pommerening: Historische Entwicklung der Political Correctness in Amerika. In: Freiheit der Wissenschaft Nr. 1, März 2006, 4-11.
  • Martin Wengeler: „1968“. öffentliche Sprachsensibilität und political correctness. Sprachgeschichtliche und sprachkritische Anmerkungen. In: Muttersprache 2002. Heft 1. Gesellschaft für deutsche Sprache e.V., Wiesbaden.
  • Rainer Wimmer: „Political Correctness“ - ein Fall für die Sprachkritik. In: Andreas Disselnkötter, Siegfried Jäger, Helmut Kellershohn, Susanne Slobodzian (Hg.): Evidenzen im Fluss. Demokratieverluste in Deutschland. ISBN 3-927388-60-2
  • Jutta Voss: ‚Politisch unkorrekt‘ Ein Nullwort als Argumentationsersatz Frankfurter Allgemeine Zeitung 19. März 2007 S. 37
  • Dieter E. Zimmer: Die Berichtigung. Über die Sprachreform im Zeichen der Politischen Korrektheit. In: D.E. Zimmer, Deutsch und anders. Die Sprache im Modernisierungsfieber. Reinbek 1997, S.105, 180

Weblinks

Einzelnachweise

  1. The states, rather than the People, for whose sakes the States exist, are frequently the objects which attract and arrest our principal attention. This, I believe, has produced much of the confusion and perplexity, which have appeared in several proceedings and several publications on state-politics, and on the politics, too, of the United States. Sentiments and expressions of this inaccurate kind prevail in our common, even in our convivial, language. Is a toast asked? 'The United States,' instead of the 'People of the United States,' is the toast given. This is not politically correct. The toast is meant to present to view the first great object in the Union: It presents only the second: It presents only the artificial person, instead of the natural persons, who spoke it into existence. A State I cheerfully fully admit, is the noblest work of Man: But, Man himself, free and honest, is, I speak as to this world, the noblest work of God. [1]
  2. Stuart Hall: Some 'Politically Incorrect' Pathways Through PC. In: S. Dunant (ed.): The War of the Words: The Political Correctness Debate. Virago Press, London 1994´, S. 164–84
  3. Ariane Manske (2002): „Political Correctness“ und Normalität. Die amerikanische PC-Kontroverse im kulturgeschichtlichen Kontext. Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2002. ISBN 3-935025-33-5
  4. Lorna Weir (1995): PC Then and Now: Ressignifying Political Correctness, in: Stephen Richer, Lorna Weir (Hg.): Political Correctness. Toward the Inclusive University, University of Toronto Press, S. 64-62. Zitiert nach Weir, in: Brigitta Huhnke: "political correctness" - ein Mantra nationaler Erweckung. In: ZAG 30 [2]
  5. Ausführlicher zur Analyse von Lorna Weir siehe Manske
  6. Originaltext (en): [3]
  7. Rezension von John Karl Wilson's „Myth of Political Correctness“. (Duke University Press, 1995) [4]
  8. Lorna Weir (1995). PC Then and Now. Resignifying Political Correctness, in: Richer, Stephen/Lorna Weir (Hg.): Beyond political correctness. Toward the inclusive university, Toronto, 51 ff.
  9. Brigitta Huhnke: „pc“ – Das neue Mantra der Neokonservativen. In: Andreas Disselnkötter, Siegfried Jäger, Helmut Kellershohn, Susanne Slobodzian (Hg.): Evidenzen im Fluss. Demokratieverluste in Deutschland. Siehe Literatur.
  10. Marc Fabian Erdl 2004: Die Legende von der Politischen Korrektheit. Zur Erfolgsgeschichte eines importierten Mythos. Bielefeld. [5]
  11. Ariane Manske (2002): „Political Correctness“ und Normalität. Die amerikanische PC-Kontroverse im kulturgeschichtlichen Kontext. Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2002.
  12. Clemens Knobloch: Moralisierung und Sachzwang. Politische Kommunikation in der Massendemokratie, DISS, Duisburg 1998
  13. Katrin Auer: „Political Correctness“ – Ideologischer Code, Feindbild und Stigmawort der Rechten. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 30 (3) 2002
  14. Vgl. auch Gesa von Leesen: „Das sagt man nicht!“. Political Correctness zwischen Moral und Kampfbegriff. In: Das Parlament [6], 29. Januar 2007 (Vorabdruck), Brigitta Huhnke: „pc“ - Das neue Mantra der Neokonservativen. In: Andreas Disselnkötter, Siegfried Jäger, Helmut Kellershohn, Susanne Slobodzian (Hg.): Evidenzen im Fluss. Demokratieverluste in Deutschland. Zur Verwendung des PC-Begriffs als Kampfbegriff in Deutschland und Österreich s. auch Katrin Auer: Seit Mitte der 90er Jahre wurden der Begriff political correctness und ein Metadiskurs über political correctness in österreichischen und deutschen Medien- und Politikdiskursen etabliert. Vor allem der Metadiskurs, der sich mit den ideologischen Inhalten und realpolitischen Auswirkungen auseinandersetzt, erfüllt in deutschsprachigen Diskursen spezifische Funktionen, von denen in erster Linie Konservative und Rechtsextreme profitieren. Begriff und Metadiskurs werden hier nur diskursanalytisch und ideologiekritisch untersucht. Während der Begriff political correctness Als ideologischer Code und Stigmawort eingesetzt wird, produziert der Metadiskurs ein rechtes bzw. rechtsextremes Feindbild. Unter dem Phänomen political correctness wird generell das Spektrum emanzipatorischer und linker Theorie bzw. Praxis subsumiert und diffamiert. Gleichzeitig modifiziert der Metadiskurs die Bedeutung rechtsextremer und revisionistischer Inhalte, indem diesen unter Berufung auf die Meinungsfreiheit als vermeintlich notwendigen Tabubrüchen in öffentlichen Diskursen Raum gegeben werden müsse. Katrin Auer: "Political Correctness" Ideologischer Code, Feindbild und Stigmawort der Rechten. [7]
  15. S. etwa Paul Trout, The Myth of Political Correctness: The Conservative Attack on Higher Education, The Montana Professor - Academic Journal, Winter 1996 (Internet): „Wilson's arguments suffer from logical inconsistencies, elastic definitions, and the tendentious interpretation of evidence. […] The flaws to be found in The Myth of Political Correctness illustrate the consequences of writing polemics before one has mastered the argumentative and intellectual skills and values of traditional academic research: 'accuracy and thoroughness in the collection and use of evidence, reasonable assertion, impartiality in the determination of the weight of the evidence, careful analytical reasoning, and fairness in argument or controversy.“
  16. S. Paul Trout, The Myth of Political Correctness: The Conservative Attack on Higher Education, The Montana Professor - Academic Journal, Winter 1996 (Internet): "Among the centrist-to-Marxist opponents of PC are such distinguished and influential scholars as: C. Vann Woodward, Nat Hentoff, Mortimer J. Adler, Todd Gitlin, Eugene D. Genovese, Elizabeth Fox-Genovese, Louis Menand, Cynthia Griffin Wolff, David Bromwich, Derek Bok, Nuretta Koertge, Stephen Carter, John Patrick Diggins, John Searle, Irving Howe, Edward W. Said, Shelby Steele, David Riesman, James David Barber, Nadine Strossen, Russell Jacoby, Susan Haack, Steven Marcus, Daphne Patai, Helen Vendler, Nathan Glazer, Seymour Martin Lipset, Irving Louis Horowitz, Alan Kors, Jacques Barzun, Edward O. Wilson, Donald Kagan, Julius Lester, Allan Dershowitz, Colin Diver, Benno Schmidt, etc."
  17. Martin Dietzsch / Anton Maegerle: Kampfbegriff aller Rechten: „Political Correctness“. Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung [8]
  18. Die neue rechte Herausforderung. Rechtsextremismus in Deutschland und Europa. Hrsg. von der Grünen Akademie in der Heinrich-Böll-Stiftung, 1. Aufl. Berlin 2005, S.10
  19. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1995
  20. Wimmer s. Literatur., Knobloch s. Literatur, FAZ 16. Oktober 1996
  21. Lutz Niethammer, Axel Doßmann: Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000;
    vgl. zu NFS und Niethammer: Marc Fabian Erdl 2004: Die Legende von der Politischen Korrektheit. Zur Erfolgsgeschichte eines importierten Mythos. Bielefeld. (PDF)
  22. Marc Fabian Erdl 2004: Die Legende von der Politischen Korrektheit. Zur Erfolgsgeschichte eines importierten Mythos. Bielefeld. (PDF)
  23. Zivilcourage vs. Political Correctness, Laudatio von Wolfgang Schäuble für Dr. Klaus von Dohnanyi anlässlich der Verleihung des Kasseler Bürgerpreises „Glas der Vernunft 2004“, gehalten am 26. September 2004 (PDF)
  24. Max Goldt: Wenn man einen weißen Anzug anhat. Rowohlt Verlag 2002, ISBN 3-498-02493-0, S. 56
  25. 'Das große I verführt zu inkonsequenter ideologischer Anwendung. „Mörder“, „Täter“, „Verbrecher“ und „Aggressoren“ gibt es fast nie mit großem I. Oder hat schon mal jemand den Spruch „SoldatInnen sind MörderInnen“ gelesen?' „Sprachmächtig - 20 Jahre nach dem Binnen-I“; Ute Scheub, taz-Gründungsmitglied

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