- Prager Karlsuniversität
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Karls-Universität Prag Gründung 1348 Trägerschaft Tschechische Republik Ort Prag Staat Tschechien Rektor Václav Hampl Studenten 45.915 (2005) Mitarbeiter 7.000 (2005) davon Professoren 745 (2005) Jahresetat 6.036.148.000 Kč (2005) Website http://www.cuni.cz/ Die Karls-Universität Prag (tschechisch Univerzita Karlova v Praze; lateinisch: Universitas Carolina) ist die älteste und größte Universität Tschechiens. Am 7. April 1348 wurde sie vom römisch-deutschen Kaiser und böhmischen König Karl IV. gegründet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Gründung und erste Blütezeit
Unter Kaiser Karl IV. und seinem Sohn Wenzel IV. erblühte die Stadt Prag als Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wirtschaftlich, kulturell und politisch. Im Laufe dieser Entwicklung wurde am 7. April 1348 die Karls-Universität als erste Universität in Mitteleuropa gegründet („Alma Mater Carolina“). Bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts blieb sie die wichtigste Bildungsstätte des Reiches. Sie zog Studenten nicht nur aus Böhmen, sondern auch aus Sachsen, Bayern, Schlesien und dem übrigen östlichen Reichsgebiet an, und wird daher u.a. vom Brockhaus als älteste deutsche Universität bezeichnet, wobei dies zu vereinfachend ist: einerseits existierte kein „Deutschland“ im heutigen Sinn, sondern das regnum teutonicum (im Gegensatz zu regnum italicae und arelatensis, westlich des Rheins), in dessen Gebiet Prag lag. Andererseits studierten schon in Paris, und innerhalb des Kaiserreiches auch in Bologna deutschsprachige Adlige (genannt transmontani, von jenseits der Alpen). Der Stiftsbrief Karl IV. von 1348 wurde in Karls Funktion als böhmischer König unterzeichnet. Das Eisenacher Diplom von 1349 bestätigt das Privileg aber aus römisch-deutscher Machtvollkommenheit, wodurch Prag zur Reichsuniversität wird. Der Titel "deutsche" bzw. "böhmische / tschechische" Universität ist daher für das Mittelalter zu vereinfachend; wohl kann sie die älteste deutsche genannt werden, dies wurde später sichtbar in der Teilung in eine deutsche und eine tschechische Universität, bei der die Böhmen 1409 Stimmengleichheit erreichten.
Die Universität Prag war nach dem Vorbild der Pariser Universität gegliedert und lehrte in den vier klassischen Fakultäten (Artistenfakultät, juristische Fakultät, theologische Fakultät, medizinische Fakultät). Die Magister und Scholaren waren ihrer Herkunft nach vier Nationes (Nationen) zugeordnet: Böhmen, Polen, Baiern und Sachsen. Dies hatte nichts mit einer ethnischen oder sprachlichen Gliederung im modernen Sinn zu tun, sondern mit der groben geographischen Herkunft der Studenten. Die böhmische Nation war die zahlenmäßig stärkste.
Die hussitische Bewegung
Die spätmittelalterliche Krise der Kirche führte in Böhmen Anfang des 15. Jahrhunderts zu einer von Jan Hus angeführten Reformbewegung, deren geistiges Zentrum die Prager Universität war. Hus selbst hatte an dieser Universität studiert und wirkte in Prag als Prediger. Innerhalb der Universität gab es zu dieser Zeit Auseinandersetzungen zwischen den Nationes, die durch die hussitische Bewegung noch verschärft wurden. Die starke böhmische Universitätsnation, die sich von den deutschsprachigen Studenten bestimmt fühlte, schloss sich den Hussiten an, die anderen Nationes lehnten die Bewegung ab. Bei König Wenzel IV. konnten die Böhmen erreichen, dass ihre Nation ebenso viele Stimmen erhielt wie die anderen drei zusammen. Nach dem dieses so genannte Kuttenberger Dekret am 18. Januar 1409 unterzeichnet wurde, kam es im Mai 1409 zum Auszug vieler deutschsprechender Studenten und Professoren aus der Prager Karls-Universität. Etwa 1.000 Studenten und Professoren gingen nach Leipzig und gründeten die dortige Universität. Drei deutschsprachige Lehrer, die den Hussiten anhingen, übernahmen die Dresdner Kreuzschule (Peter von Dresden, Nikolaus und Friedrich von Dresden).
Die Hussiten waren inzwischen vom Papst und vom Konzil in Konstanz zu Ketzern erklärt worden. Die Prager Universität aber hat 1417 offiziell das hussitische Bekenntnis angenommen. Dies führte im Laufe des 15. Jahrhundert zu einer weitgehenden Isolierung der Universität von der übrigen europäischen Universitätslandschaft und ihre Bedeutung sank. In Prag studierten und lehrten fortan nur mehr böhmische Utraquisten. Selbst böhmische Katholiken gingen zum Studium ins Ausland.
Vom 15. Jahrhundert bis zum Weißen Berg (1621)
Im Laufe der Hussitenkriege verfiel die Universität. Von 1419 bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts bestand sie nur noch aus der Artistenfakultät. 1556 kamen die Jesuiten auf Einladung Kaiser Ferdinands I. nach Prag und gründeten am Clementinum eine philosophisch-theologische Hochschule, die auch das Recht zur Promotion hatte. Diese katholische Einrichtung wirkte als starke Konkurrenz zur utraquistischen Universität. 1616 wurde das Clementinum zur katholischen Universität erhoben.
1609 kam es durch den Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. auch zu einer Reform der Universität. 1618 beteiligte sich die Universität aktiv am böhmischen Ständeaufstand gegen die katholischen Habsburger. Nach der Niederlage der Stände verlor die Universität ihre Autonomie, wurde den Jesuiten übergeben und rekatholisiert.
Vom 17. Jahrhundert bis zur nationalen Spaltung 1882
1638 wurden die medizinische und die juristische Fakultät begründet. Kaiser Ferdinand III. vereinigte 1654 das Clementinum mit der Karls-Universität. Die Universität trug fortan bis zum Ende der Habsburgermonarchie (1918) den Namen: Universitas Carolo-Ferdinandea. 1718 wurde der barocke Neubau des Universitätsgebäudes unter Leitung des Architekten Franz Maximilian Kaňka vollendet.
Nach der Aufhebung des Jesuitenordens wurde die Universität 1773 eine staatliche Einrichtung. Unter Kaiser Josef II. begann 1781 eine tiefgreifende Universitätsreform. Erstmals seit 1622 wurden Nichtkatholiken wieder zum Studium zugelassen. 1784 wurde die eigene Gerichtsbarkeit der Universität aufgehoben und Deutsch zur alleinigen Unterrichtssprache erklärt (vorher wurde auf Deutsch und Latein unterrichtet).
An der Revolution von 1848 beteiligen sich Studenten und Professoren beider Nationalitäten und verlangen die Freiheit in Forschung und Lehre. Tschechisch sollte wahlweise als zweite Unterrichtssprache zugelassen werden.
In den folgenden Jahrzehnten nahmen die nationalen Auseinandersetzungen an der Universität zu. Tschechen und Deutsche stritten um die Sprache und die Besetzung der Stellen. Mehrfach kam es zwischen den Studenten zu Prügeleien. Durch die Unruhen war zeitweise ein geordneter Lehrbetrieb nicht mehr möglich.
Teilung in zwei Universitäten
- siehe hierzu auch: deutsche Karl-Ferdinands-Universität von Prag
1882 gibt Kaiser Franz Joseph den nationalistischen Forderungen nach und teilt die Universität in eine tschechische und eine deutsche Lehranstalt. Am längsten hatte der Prager Erzbischof Friedrich von Schwarzenberg Widerstand dagegen geleistet, weil er nicht wollte, dass die theologische Fakultät national geteilt wird. Er wollte, dass die Priesteramtskandidaten seiner Diözese im Geist der Versöhnung und übernationalen Einheit ausgebildet werden, konnte sich aber nicht durchsetzen.
Seit 1882 existierten somit zwei unabhängige Universitäten mit allen Fakultäten in Prag, eine für die Tschechen und eine für die Deutschen.
Die Gründung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 verschärfte die Trennung. 1920 wurde durch das „Lex Maresch“ die tschechische Universität zur alleinigen Rechtsnachfolgerin der Karls-Universität erklärt und in Karlova universita zurückbenannt, unter Verzicht auf den Namen des Habsburgischen Kaisers. Die deutsche hielt am Namen Karl-Ferdinands-Universität fest. 1921 gab es Überlegungen, die Deutsche Universität ins Sudetenland nach Reichenberg (Liberec) zu verlegen. 1934 kam es zum Insignienstreit. Das tschechoslowakische Ministerium für Schulwesen und Volkskultur verpflichtete die Deutschen zur Aushändigung der mittelalterlichen Universitätsinsignien, ein Vorfall, der an deutschen Universitäten für starke Proteste sorgte.
Am 2. August 1939, knapp fünf Monate nach der Schaffung des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren wurde die Deutsche Universität in die Reichsverwaltung übernommen. Nach studentischen Unruhen wurde im November die tschechische Karls-Universität geschlossen, neun 'Rädelsführer' standrechtlich erschossen und etwa 1.200 Studenten und jüdische Professoren in Konzentrationslager deportiert („Sonderaktion Prag“). Die Deutsche Universität wurde in Konkurrenz zu Posen und Straßburg zur Frontuniversität und arbeitete bis zum März 1945. Das Dekret Nr. 112 des tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš vom 18. Oktober 1945 verfügte die Auflösung der Deutschen Universität in Prag, rückwirkend zu November 1939.
Weitere Bildungseinrichtungen in Prag
Neben der Karls-Universität wurde 1863 in der Stadt die erste Technische Hochschule des Landes, die Tschechische Technische Universität Prag gegründet, aus der die Tschechische Agraruniversität Prag hervorging. Heute existieren in Prag noch sechs weitere Hochschulen. Auch die Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, deren Ursprünge bis in das Jahr 1784 zurückreichen, hat ihren Sitz in Prag.
Gegenwart
Die Samtene Revolution am 17. November 1989 war nicht nur ein bedeutendes Ereignis für die tschechische Gesellschaft als Ganzes. Das Ende des „realen Sozialismus“ hat auch der Universität neuen Schub gegeben. Tiefgreifende Reformen wurden begonnen. Aufbauend auf den historischen Wurzeln wurde eine moderne Universität auf den Weg gebracht, die mittlerweile weit mehr als 40.000 Studenten zählt. Die Universität hat sich außerdem der Coimbra-Gruppe angeschlossen.
In der Folge der Bologna-Erklärung hat die Karls-Universität Prag im Jahre 2001 neue Abschlüsse eingeführt sowie ein Leistungspunkte-System (ECTS) umgesetzt. In den 17 Fakultäten können derzeit 270 verschiedene Studienabschlüsse als Bachelor-, Master- oder Ph.D.-Abschlüsse erreicht werden. Es wird in der Regel in tschechischer Sprache und zunehmend auch Programme auf Englisch und gelegentlich auf Deutsch angeboten.
Fakultäten
- Fakultät für katholische Theologie
- Fakultät für protestantische Theologie
- Fakultät für hussitische Theologie
- Juristische Fakultät
- 1. medizinische Fakultät
- 2. medizinische Fakultät
- 3. medizinische Fakultät
- Medizinische Fakultät in Pilsen
- Medizinische Fakultät in Hradec Králové
- Pharmazeutische Fakultät in Hradec Králové
- Philosophische Fakultät
- Naturwissenschaftliche Fakultät
- Fakultät für Mathematik und Physik
- Pädagogische Fakultät
- Fakultät für Sozialwissenschaften
- Fakultät für Sportpädagogik und Sportwissenschaft
- Fakultät für Geisteswissenschaften
Universitätsmedizin
Die Karls-Universität ist mit fünf medizinischen Fakultäten die größte medizinische Bildungseinrichtung in Tschechien. An die Fakultäten sind sieben Universitätskliniken angegliedert. Fünf davon nutzen die drei Prager Fakultäten und jeweils eins die Fakultäten in Pilsen und Hradec Králové.
- Fakultní Thomayerova nemocnice
- Fakultní nemocnice Na Bulovce
- Všeobecná fakultní nemocnice
- Fakultní nemocnice v Motole
- Fakultní nemocnice Královské Vinohrady
- Fakultní nemocnice Plzeň
- Fakultní nemocnice v Hradci Králové
Fünf weitere Kliniken befinden sich am Militärzentralkrankenhaus (Ústřední vojenská nemocnice Praha). Auch weitere medizinische Einrichtungen in Prag sind in an der Universitätsmedizin beteiligt.
Literatur
Bibliographie
Monographien
- Renate Dix: Frühgeschichte der Prager Universität. Bonn 1988
- Hans Lemberg (Hrsg.): Universitäten in nationaler Konkurrenz. Zur Geschichte der Prager Universitäten im 19. und 20. Jahrhundert. (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum, Bd. 86). München 2003. ISBN 3-486-56392-0 (Inhaltsverzeichnis)
- Harald Lönnecker: „... freiwillig nimmer von hier zu weichen ...“ Die Prager deutsche Studentenschaft 1867-1945 (Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen, Bd. 16), Köln 2008. ISBN 978-3-89498-187-7.
- Frank Rexroth: Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln. Die Intention des Stifters und die Wege und Chancen ihrer Verwirklichung im spätmittelalterlichen Territorialstaat. Köln / Weimar / Wien 1992; S. 59–107
- Wenzel Wladiwoj Tomek: Geschichte der Prager Universität. Zur Feier der fünfhundertjährigen Gründung derselben verfaßt. Hofbuchdruckerei Gottlieb Haase Söhne, Prag 1849, 378 Seiten, online.
- Teresa Wróblewska: Die Reichsuniversitäten Posen, Prag und Strassburg als Modelle nationalsozialistischer Hochschulen in den von Deutschland besetzten Gebieten, Wydawnictwo Adam Marszalek, Toruń 2000. (Rezension) ISBN 83-7174-674-1
Aufsätze
- Anton Blaschka: Vom Sinn der Prager Hohen Schule nach Wort und Bild ihrer Gründungsurkunden. In: Rudolf Schreiber: Studien zur Geschichte der Karls-Universität zu Prag (= Forschungen zur Geschichte und Landeskunde der Sudentenländer; Bd. II); Freilassing-Salzburg 1954; S. 39–80
- Josef Hemmerle: Die Universität Prag im Mittelalter bis 1409. In: Eberhard Günter Schulz: Leistung und Schicksal. Abhandlungen und Berichte über die Deutschen im Osten; Köln 1967; S. 137–146
- Peter Moraw: Die Universität Prag im Mittelalter. Grundzüge ihrer Geschichte im europäischen Zusammenhang. In: Die Universität zu Prag (= Schriften der Sudentendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste; Bd. 7); S. 9–134
- Peter Moraw: Prag. Die älteste Universität in Mitteleuropa. In: Alexander Demandt (Hrsg.): Stätten des Wissens; Köln / Weimar / Wien 1999; S. 127–145
- Roderich Schmidt: Begründung und Bestätigung der Universität Prag durch Karl IV. und die kaiserliche Privilegierung von Generalstudien. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte (BDLG), Jg. 114/1978; S. 695–719
Siehe auch
Weblinks
- Gründungsurkunde Karls IV. auf den Seiten der Univerzita Karlova (lateinisch)
- sapuk.cuni.cz Webpage Alumni Association Carolinum
- Gerd Simon „Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus und die Universität Prag“ (Universität Tübingen) (PDF)
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