Preisdiskriminierung

Preisdiskriminierung

Unter Preisdifferenzierung versteht man in der Betriebswirtschaftslehre eine Preispolitik von Anbietern, für die gleiche Leistung unterschiedliche Preise zu fordern. Die Differenzierung kann zeitlicher, räumlicher, personeller oder sachlicher Art sein. Mit diesem Instrument der Preisgestaltung versuchen Anbieter, die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager optimal auszuschöpfen. Falls bzw. soweit diese Strategie den idealen Marktmechanismus mit einem einheitlichen Preis außer Kraft setzt und zu Wohlfahrtsverlusten führt, wird sie in der Volkswirtschaftslehre als Preisdiskriminierung bezeichnet und in Verbindung mit Marktversagen gebracht.

Eine Preisdifferenzierung liegt vor, wenn ein Unternehmen für gleiche oder gleichartige Produkte unterschiedliche Preise verlangt, die sich nicht oder nicht gänzlich durch Kostenunterschiede begründen lassen. Aus diesem Grund hängen die Strategien der Preis- und Produktdifferenzierung eng zusammen. Man spricht dann noch so lange von echter Preisdifferenzierung, wie die Preisunterschiede der verschiedenen Qualitätsstufen größer sind als die entsprechenden Kostenunterschiede.

Die Ziele der Preisdifferenzierung bestehen in der Bildung von Teilmärkten mit spezifischem Nachfrageverhalten, der Reduktion der Markttransparenz bei Märkten mit hoher Standardisierung, sowie der Möglichkeit der besseren Auslastung freier Kapazitäten. Dies kann dazu führen, dass unter Umständen Märkte bedient werden, die sonst ohne Angebot blieben.

Der Gesetzgeber nimmt eine differenzierte Position gegenüber der Strategie der Preisdifferenzierung ein, je nach dem, wem gegenüber sie angewandt wird. Preissetzung, die auf Machtmissbrauch einer marktbeherrschender Stellung gegenüber Unternehmen zurückgeführt werden kann, ist aus Gründen des Wettbewerbschutzes verboten. Bei den Endverbrauchern ist die Lage weniger eindeutig. Die rechtlichen Grundlagen werden im zweiten Abschnitt dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

Arten der Preisdifferenzierung

Je nach Beschaffenheit des Marktes kann der Anbieter unterschiedliche Strategien der Preisdifferenzierung verfolgen, die sich nach Pigou in drei Arten unterscheiden lassen. Innerhalb der Volkswirtschaftslehre sowie im Kontext des Missbrauchs der Marktmacht spricht man von Preisdiskriminierung 1. bis 3. Grades. Im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre als Konzept der Preispolitik verwendet man den wertungsfreien Begriff Preisdifferenzierung 1. bis 3. Ordnung.

Preisdifferenzierung 1. Ordnung: perfekte Preisdifferenzierung

Produktdifferenzierung 1. Ordnung

Man spricht von perfekter Preisdifferenzierung, wenn es dem Anbieter gelingt, von jedem Kunden den Reservationspreis zu erhalten. So zählt die im 18. Jahrhundert gängige Praxis der Landärzte, die Höhe des Honorars nach Zahlungsfähigkeit ihrer Patienten zu richten, zu den Beispielen perfekter Preisdiskriminierung.

Die Strategie lässt sich jedoch nur unter schwer erfüllbaren Voraussetzungen umsetzen, die gegeben sind falls:

  • die individuelle Zahlungsbereitschaft der Abnehmer bekannt ist,
  • personifizierte Preise durchsetzbar sind und
  • der Weiterverkauf (Arbitrage) wirksam unterbunden werden kann.

Folgende Grafik soll diese Situation im Vergleich zum Monopolfall verdeutlichen. Die Preise p1 bis p6 spiegeln die maximale Zahlungsbereitschaft entsprechender Marktteilnehmer wider und bilden so die Nachfragefunktion der Konsumenten. Die Grenzkostenfunktion stellt andererseits die Angebotsfunktion dar, so dass sich im Idealfall der Preis p6 einstellt. Falls der Monopolanbieter einen Preis setzen kann, dann würde er sein Gewinnoptimum zwischen dem maximal erzielbaren Preis p1 und seinem Reservationspreis p6 finden und einen Gewinn in Höhe der dunkelblauen Fläche erzielen. Sind die Voraussetzungen für perfekte Preisdifferenzierung gegeben, so lässt sich sein Gewinn um die hellblaue Fläche erweitern.

Die gesamte Wohlfahrt als Summe aus der Konsumenten - und der Produzentenrente würde in diesem Fall auf das Niveau des Wettbewerbs steigen. Dies ist einer der wenigen Fälle, in denen eine Monopollösung nicht zu einem Allokationsproblem führt, bei dem es zu einer Unterversorgung mit dem Monopolgut kommt. Allerdings besteht ein scharfes Distributionsproblem, weil der Monopolist die gesamte Konsumentenrente erhält.

Preisdifferenzierung 2. Ordnung: Selbstselektion

Produktdifferenzierung 2. Ordnung

In diesem Fall wird die Annahme über die Kenntnis der individuellen Zahlungsbereitschaft fallen gelassen, so dass der Anbieter nicht zwischen einzelnen Konsumenten oder Konsumentengruppen hinsichtlich ihrer Präferenzen unterscheiden kann. Dennoch ist der Anbieter in der Lage mit Hilfe der Preis-, Mengen- und/oder Produktgestaltung die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten festzustellen und auszureizen, weil sie durch ihre Wahl eigene Präferenzen offenbaren.

Im Rahmen dieser Strategie stehen dem Anbieter mehrere Optionen zur Verfügung:

  • Quantitative Preisdifferenzierung durch Kopplung des Preises an die abgesetzte Menge, um beispielsweise Großabnehmer zu identifizieren.
  • Qualitative Preisdifferenzierung mit dem Ziel, qualitätssensitive Konsumenten herauszufiltern.
  • Zeitliche Preisdifferenzierung bzw. horizontale Preisdifferenzierung, um z.B. die hohe Zahlungsbereitschaft von Innovatoren auszunutzen.

Die Problematik der Arbitrage wird im Gegensatz zu perfekter Preisdifferenzierung deutlich entschärft, weil die Entscheidung über die Wahl einer der Alternativen dem Konsumenten überlassen wird bzw. von dessen Präferenzen abhängt und weder die einzelnen Nachfragergruppen noch die Produkte miteinander in Konkurrenz stehen. Die Grafik zeigt eine Spaltung der Nachfrage nach zwei Varianten eines Produktes, die sich hinsichtlich eines Merkmals wie z.B. Qualität unterscheiden, so dass zwei separate Teilmärkte mit eigenem Nachfragerverhalten entstehen. Genauso könnte es sich auch um ein Produkt mit zwei je nach Menge unterschiedlichen Preisen handeln, was beim Käufer ebenfalls einen Optimierungsprozess auslöst.

Beispiel: Vermarktung von Filmrechten

Die Filmindustrie und die Filmrechtehändler setzen bei der Verwertung von Filmrechten unter anderem auf horizontale Preisdifferenzierung, bei der die Kinofilme sukzessiv alle Nachfragestufen durchlaufen. Kurz nach dem Kinostart im Herstellerland (z.B. USA) oder zunehmend auch gleichzeitig kommen die lokalisierten Fassungen in die Kinos des Auslandes. Später erscheint eine oder mehrere Video-Versionen, denen Ausstrahlungen im Bezahlfernsehen folgen. Nach etwa 24 Monaten erreichen die Filme schließlich die großen Free-TV-Sender, um später bei kleinen Nischensendern zu landen.

Siehe auch: Filmverwertungskette

Beispiel: Abonnement-Preise

Je nach Zahlungsmodalität fallen die Preise für längerfristige Verträge unterschiedlich aus. So bieten Verlage oder auch Verkehrsverbände je nach dem, ob die Zahlung jährlich oder quartalsweise erfolgt, unterschiedliche Tarife an.

Preisdifferenzierung 3. Ordnung: Segmentierung

Produktdifferenzierung 3. Ordnung

Eine Segmentierung der Konsumenten in Gruppen unterschiedlicher Zahlungsbereitschaft aufgrund der Einkommensunterschiede liefert eine weitere Möglichkeit der Preisdifferenzierung. Hierbei wird ein Merkmal einer unterscheidbaren Nachfragergruppe zur Preissetzung herangezogen und ein damit verbundener Preis festgelegt, wie z.B.:

  • Zugehörigkeit einer sozialen Gruppe, die auf Einkommen schließen lässt: Schüler und Rentner reagieren wesentlich sensibler auf die Preisänderung, als andere gesellschaftliche Gruppen.
  • Räumliche Preisdifferenzierung bzw. vertikale Preisdifferenzierung, bei der die Möglichkeit besteht, mehrere Märkte mit unterschiedlichen Wohlstandniveaus parallel zu bearbeiten.

Beispiel: Theaterkarten

Dem Verkauf von vergünstigten Theaterkarten an Schüler liegt primär nicht unbedingt etwa der Wunsch zugrunde, den Jugendlichen einen Zugang zu Kulturgütern zu ermöglichen, sondern eine Strategie der Preisdifferenzierung, weil

  • Schüler eine im Vergleich zu Berufstätigen niedrige Zahlungsfähigkeit aufweisen und
  • die Kosten eines zusätzlichen Besuchers bei null liegen, falls noch freie Plätze vorhanden sind.

Damit trägt auch diese Besuchergruppe ihren Anteil zur Kostendeckung der Veranstaltung bei. Darüber hinaus kann man mit solchen Maßnahmen auch die nächste Generation von Vollpreis-Besuchern an das Theater binden. Eine ähnliche Situation findet man bei der Preisgestaltung der Semestertickets vor.

Möglichkeiten und Kosten der Preisdifferenzierung

In diesem Abschnitt werden rechtliche und ökonomische Grundlagen der Strategie der Preisdifferenzierung erläutert.

Preisdiskriminierung gegenüber Unternehmen

Nach Artikel 82 EGV sowie nach §19 GWB Abs 4 ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschende Stellung verboten (jedoch nicht schon das Innehaben oder die Ausübung einer solchen Position). Dieser Machtmissbrauch kann nach Art. 82 EGV Satz 2c insbesondere in der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern bestehen, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden. Das rechtswissenschaftliche Schrifttum unterscheidet insbesondere zwischen:

  • Ausbeutungsmissbrauch: Preis- oder Konditionensetzung, die über dem Wettbewerbsniveau liegt und
  • Behinderungsmissbrauch: gezielt gegen die Konkurrenz gerichtete Maßnahmen, insbesondere Kampfpreisunterbietungen, Ausschließlichkeitsbindungen oder Lieferungsverweigerungen

Die Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung über den Marktanteil und die Feststellung der Wettbewerbspreise gestalten sich jedoch als schwierig. Von der Praxis des Wettbewerbsrechts werden Strategien als missbräuchlich angesehen, die sich negativ auf die Struktur eines Marktes auswirken, auf dem bereits ein dominierendes Unternehmen tätig ist, insbesondere wenn sie die Aufrechterhaltung oder Entwicklung des Wettbewerbs einschränken.

Preisdifferenzierung gegenüber Endverbrauchern

Nach Artikel 82 EGV Satz 2a: Unangemessene Preise als Machtmissbrauch kann auch auf Preisdiskriminierung gegenüber Endverbrauchern angewandt werden. Den Vorteilen der Preisdifferenzierung wie Gewinnsteigerung, Kapazitätsauslastung, Kundenbindung und Ausbau der Wettbewerbsposition stehen Kosten für Marktforschung, Analyse und Controlling gegenüber. Hinzu kommen gesetzliche Schranken und Richtlinien, die besonders in Märkten mit wenigen Anbietern greifen.

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