Prinzip von Le Chatelier

Prinzip von Le Chatelier

Das Prinzip von Le Chatelier, auch das Prinzip vom kleinsten Zwang genannt, wurde von Henry Le Chatelier und Ferdinand Braun zwischen 1884 und 1888 formuliert:

Übt man auf ein chemisches System im Gleichgewicht einen Zwang aus, so reagiert es so, dass die Wirkung des Zwanges minimal wird.

oder genauer gesagt:

Übt man auf ein System, das sich im chemischen Gleichgewicht befindet, einen Zwang durch Änderung der äußeren Bedingungen aus, so stellt sich infolge dieser Störung des Gleichgewichts ein neues Gleichgewicht, dem Zwang ausweichend, ein.

Beispiele:

  • Dem Zwang Temperaturerhöhung wird mit Wärmeverbrauch ausgewichen.
  • Dem Zwang Wärmeentzug wird durch Wärmeproduktion entgegengewirkt.

„Zwänge“ sind in diesem Sinne Änderungen von Temperatur, Druck oder Stoffkonzentration:

  • Erhöht man die Temperatur, wird die wärmeliefernde Reaktion zurückgedrängt und umgekehrt.
  • Erhöht man den Druck, weicht das System so aus, dass die volumenverkleinernde Reaktion gefördert wird und umgekehrt.
  • Ändert man die Konzentration, z. B. indem man ein Produkt aus dem Ansatz entfernt, so reagiert das Gleichgewichtssystem, indem dieses Produkt nachproduziert wird.

Die Richtigkeit dieses Konzept kann sowohl empirisch, also im Experiment, als auch durch Berechnungen von Temperatur-, Druck- und Konzentrationsabhängigkeit der freien Reaktionsenthalpie bestätigt werden.

Inhaltsverzeichnis

Temperaturänderung

Wärmeentzug begünstigt die exotherme Reaktion, Wärmezufuhr begünstigt die endotherme Reaktion. Als Beispiel kann das Gasgemisch aus dem Gleichgewicht zwischen dem braunen Stickstoffdioxid und dem farblosen Distickstofftetroxid dienen:

\rm 2NO_2 \ \rightleftharpoons\  N_2O_4

Die Enthalpie der Hinreaktion beträgt \Delta \overrightarrow H = -58 \rm\tfrac{kJ}{mol}, d. h. es handelt sich um eine exotherme Reaktion, da Energie frei wird. Die Rückreaktion ist endotherm: \Delta \overleftarrow H = +58 \rm\tfrac{kJ}{mol}.

Erhöht man nun die Temperatur bei konstantem Volumen, so wird die Reaktion in die entgegengesetzte, also in die endotherme Richtung ablaufen, womit sich das Gleichgewicht nach links verschiebt, das Gasgemisch wird dunkler. Temperatursenkung bewirkt die exotherme Reaktion, wodurch sich das Gleichgewicht nach rechts verschiebt und das Gasgemisch sich aufhellt.

Druckänderung

Ein Gleichgewichtssystem reagiert unter Druck so, dass die Teilchenanzahl der Druckänderung entgegenwirkt. Eine bekannte Reaktion ist die Herstellung von Ammoniak im Haber-Bosch-Verfahren aus Stickstoff und Wasserstoff:

\rm N_2 + 3H_2 \ \rightleftharpoons\  2NH_3

Es entstehen also aus 4 Gasmolekülen auf der Eduktseite links, 2 Gasmoleküle auf der Produktseite rechts. Wird nun der Druck erhöht, so weicht das System auf die volumenverkleinernde Seite - also diejenige mit weniger Molekülen - aus. Somit lässt sich durch Druckerhöhung die Bildung von Ammoniak begünstigen. Beim Haber-Bosch-Verfahren wird diese Reaktion daher bei ca. 300 bar Druck durchgeführt. Das gleiche Prinzip lässt sich auch auf das Stickstoffdioxid-Distickstofftetroxid-Gleichgewicht übertragen.

Stoffmengenänderung

Der Einfluss von Änderungen der Stoffmenge auf die Lage eines Gleichgewichts lässt sich an der Veresterung von Carbonsäuren bzw. der Hydrolyse von Carbonsäureestern verdeutlichen.

\rm R-COOH + R'-OH \ \rightleftharpoons\  R-COO-R' + H_2O

Wenn eine Carbonsäure in einem Alkohol gelöst wird, befindet sich das System zunächst nicht im Gleichgewicht. Wenn sich das Gleichgewicht eingestellt hat (z. B. nach Zugabe eines Katalysators oder nach –sehr langem– Warten) und die erste Reaktion abgelaufen ist, hat sich die Menge des Alkohols kaum verändert, es hat sich der Ester und eine entsprechende Menge Wasser gebildet und es ist eine sehr kleine Menge Carbonsäure übrig. Wenn jetzt die Mengen von Wasser und Alkohol verändert werden, z.B. durch Abdestillieren des Alkohols und Zugabe von Wasser, und anschließend wieder das Gleichgewicht eingestellt wird, so läuft eine umgekehrte Reaktion ab. Die Menge des Wassers, da im großen Überschuss vorhanden, verändert sich fast nicht, der Ester wird nahezu vollständig verbraucht, die Carbonsäure und der Alkohol werden zurückgebildet.

Das bedeutet, dass man durch Zugabe einer Reaktionskomponente im Überschuss (Alkohol bzw. Wasser) steuern kann, welches Reaktionsprodukt (Ester oder Säure) im Gleichgewicht überwiegt.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Prinzip vom kleinsten Zwang — Das Prinzip von Le Chatelier, auch das Prinzip vom kleinsten Zwang genannt, wurde von Henry Le Chatelier und Ferdinand Braun zwischen 1884 und 1888 formuliert: Übt man auf ein chemisches System im Gleichgewicht einen Zwang aus, so reagiert es so …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetz von Henry — Das Henry Gesetz (nach dem englischen Chemiker William Henry) beschreibt das Löslichkeitsverhalten von (flüchtigen) Substanzen in einer Flüssigkeit. Inhaltsverzeichnis 1 Definition 1.1 Verschiedene Versionen 1.2 Grenzen der Gültigkeit 2 Anwendung …   Deutsch Wikipedia

  • Henry Louis Le Chatelier — (* 8. Oktober 1850 in Paris; † 17. Juni 1936 in Miribel les Èchelles (Departement Isère)) war ein französischer Chemiker, Metallurge und Physiker, der wichtige Beiträge zur Thermodynamik lieferte. Le Chatelier interessierte sich bereits während… …   Deutsch Wikipedia

  • Henry Le Chatelier — Henry Louis Le Chatelier Henry Louis Le Chatelier (* 8. Oktober 1850 in Paris; † 17. Juni 1936 in Miribel les Èchelles, Département Isère) war ein französischer Chemiker, Metallurge und Physiker, der wichtige Beiträge zur Thermodynamik lieferte …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Physikern — Die Liste von Physikern ist alphabetisch sortiert und enthält nur Forscher, die wesentliche Beiträge zum Fachgebiet geleistet haben. Die Liste soll neben den Lebensdaten das Fachgebiet des Forschers nennen und wenige Stichworte zu den Aspekten… …   Deutsch Wikipedia

  • Le Chatelier —   [ləʃatə lje], Henry Louis, französischer Chemiker, * Paris 8. 10. 1850, ✝ Miribel les Échelles (Département Isère) 17. 9. 1936; seit 1877 Professor in Paris, untersuchte die spezifische Wärme von Gasen und arbeitete über Silikate; entwickelte… …   Universal-Lexikon

  • Gleichgewichtskonzentration — Das Chemische Gleichgewicht gehört zur Gruppe der dynamischen Gleichgewichte. Grundsätzlich kann sich bei jeder reversiblen, d. h. umkehrbaren, chemischen Reaktion ein Gleichgewicht einstellen, da bei Reaktionen Hin und Rückreaktion ablaufen… …   Deutsch Wikipedia

  • Gleichgewichtslage — Das Chemische Gleichgewicht gehört zur Gruppe der dynamischen Gleichgewichte. Grundsätzlich kann sich bei jeder reversiblen, d. h. umkehrbaren, chemischen Reaktion ein Gleichgewicht einstellen, da bei Reaktionen Hin und Rückreaktion ablaufen… …   Deutsch Wikipedia

  • Gleichgewichtsreaktion — Das Chemische Gleichgewicht gehört zur Gruppe der dynamischen Gleichgewichte. Grundsätzlich kann sich bei jeder reversiblen, d. h. umkehrbaren, chemischen Reaktion ein Gleichgewicht einstellen, da bei Reaktionen Hin und Rückreaktion ablaufen… …   Deutsch Wikipedia

  • Ammoniaksynthese — Das Haber Bosch Verfahren dient zur synthetischen Herstellung von Ammoniak aus den Elementen Stickstoff und Wasserstoff. Es ist benannt nach dessen Entwicklern, den deutschen Chemikern Fritz Haber (1868–1934) und Carl Bosch (1874–1940). Aufgrund… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”