Präjudizien

Präjudizien
Deutschlandlastige Artikel Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern.

Als Präjudiz (lat. Vorentscheid) bezeichnet man einen richtungsweisenden Gerichtsentscheid, der die Rechtsprechung der untergeordneten Gerichte besonders beeinflusst. Die Bedeutung dieser Leitentscheidung liegt in der weitgehenden Bindungswirkung für die untergeordneten Gerichte, die zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung führt.

Im deutschen Recht sind Gerichte an Urteile, die nicht im gleichen Rechtsstreit ergangen sind, nicht gebunden. In Deutschland können Gerichte von Entscheidungen des eigenen Gerichts oder anderer Gerichte, sogar der obersten Bundesgerichte (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof und Bundessozialgericht), abweichen. Eine Bindung gilt nur für bestimmte Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die Gesetzeskraft erlangen. Gemäß Art. 97 Abs. 1 GG sind Richter nur dem Gesetz unterworfen. Eine Bindung an Präjudizien ist dem deutschen Recht fremd. Allerdings haben die Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte, insbesondere der obersten Bundesgerichte, faktisch eine erhebliche Bindungswirkung, weil sich die Rechtsanwendung der Gerichte im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens an der Rechtsprechung der Rechtsmittelgerichte orientiert (so genannte „ständige Rechtsprechung“). Erst wenn eine ständige Rechtsprechung sich so verfestigt, dass Gewohnheitsrecht entsteht (dies war zum Beispiel bei der so genannten Positiven Forderungsverletzung bis zu ihrer gesetzlichen Normierung im Jahr 2001 der Fall), sind die Gerichte hieran gebunden.

In Deutschland sind einzelne Rechtsbereiche kaum durch Gesetze geregelt (beispielsweise das Arbeitskampfrecht), so dass in diesen Gebieten die Leitentscheidungen eine wichtige Rolle spielen.

Völlig anders ist die Bedeutung der Präjudizien im anglo-amerikanischen Rechtskreis. Das dortige Recht (so genanntes case law) geht grundsätzlich von einer Bindung der Gerichte an Präjudizien (so genannte leading cases) aus. Weite Rechtsgebiete sind dort kaum durch Gesetze, sondern durch teilweise hunderte von Jahren zurückreichende Präzedenzfälle geregelt.

„Ohne Präjudiz“ bedeutet, dass ein strittiger Anspruch zwar teilweise erfüllt wird, damit aber nicht die Anerkennung dieses Anspruches im Sinne eines Schuldeingeständnisses zu verstehen ist. Diese Formulierung wird häufig in Vergleichen verwendet. „Ohne Präjudiz“ erfolgt z.B. eine Versicherungsleistung in Kulanz, um zu betonen, dass zukünftige ähnliche Ereignisse unabhängig von diesem Fall betrachtet werden müssen.

Weitere Informationen

Literatur

  • Ellen Schlüchter: Mittlerfunktion der Präjudizien - eine rechtsvergleichende Studie. de Gruyter, Berlin - New York, 1986. ISBN 3-11-010585-3
  • Daniel Oliver Effer-Uhe: Die Bindungswirkung von Präjudizien - Eine Untersuchung aus dem Blickwinkel von Prinzipientheorie und Fuzzy-Logik. Cuvillier, Göttingen, 2008. ISBN 978-3867275569
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