Ungeschriebenes Gesetz

Ungeschriebenes Gesetz
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Definition

Gewohnheitsrecht ist ungeschriebenes Recht, das aufgrund langer tatsächlicher Übung (lat. consuetudo) und durch allgemeine Anerkennung seiner Verbindlichkeit im Sinne einer Überzeugung von der rechtlichen Notwendigkeit der Übung (lat. opinio necessitatis oder opinio iuris) entstanden ist. Gewohnheitsrecht, das örtlich begrenzt ist, beispielsweise das Gewohnheitsrecht einer Gemeinde, wird als Observanz bezeichnet.

Beispiel: Person X ist jahrelang, um auf sein eigenes Grundstück zu kommen, über das eines Nachbarn (Person Y) gefahren. Dieser verkauft sein Grundstück und der neue Eigentümer (Person Z) möchte nicht, dass Person X über sein Grundstück fährt. Person X hat weiterhin das Recht, gegeben des Mangels einer anderen Einfahrt, über das Grundstück von Person Z zu fahren. Dieses Recht ergibt sich aus der jahrelangen Gewohnheit.

Inhalt

Es ist Teil des positiven Rechts. Dieses Recht ist vom Menschen für den Menschen gesetzt. Das positive Recht unterteilt sich in Gewohnheitsrecht und geschriebenes Recht. Geschriebenes Recht wird als gesetztes Recht bezeichnet, d. h. dass es von staatlichen Organen (in der Regel von der Legislative, zum Teil von der Exekutive) in einer bestimmten Form erlassen worden ist.

Allerdings wird in einigen Gesetzesnormen auf Gewohnheiten und Bräuche verwiesen, so zum Beispiel in § 346 HGB oder § 242 BGB.

In mancherlei Hinsicht wird das Gewohnheitsrecht − das sonst dem gesetzten Recht völlig gleichsteht − vom Gesetzgeber besonders behandelt. So kann z. B. die Strafbarkeit von Handlungen in Deutschland nicht durch Gewohnheitsrecht begründet werden, weil Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes fordert, dass die Strafbarkeit einer Handlung vor ihrer Begehung gesetzlich bestimmt sein muss. Im Völkerstrafrecht oder im Common Law gilt dieses Verbot strafbegründenden Gewohnheitsrechts nicht so strikt.

Unterscheidung zum Richterrecht

Das Gewohnheitsrecht ist nach herrschender Auffassung von dem so genannten Richterrecht zu unterscheiden, bei dem es sich um ein Weiterdenken und eine Fortbildung des geltenden Rechts durch die Judikative handelt, ohne dass dadurch neues Recht im eigentlichen Sinne geschaffen werden würde. Neuerdings wird aber vereinzelt - ausgehend vom Handwerkszeug der Fuzzy-Logik und der Überlegung, daß Präjudizien eine sich mit der Zeit verstärkende Bindungswirkung zukommt, ein fließender Übergang von rechtsfortbildenden Einzelfallentscheidungen über eine ständige Rechtsprechung hin zum Gewohnheitsrecht angenommen. Die Rechtsprechung bleibt nämlich befugt, Richterrecht aufgrund besserer Einsicht jederzeit zu ändern, während über das Gewohnheitsrecht – wie über das gesatzte Recht – nur der Gesetzgeber selbst verfügen kann. Auch bei dem Gerichtsgebrauch, also der ständigen Rechtsprechung der obersten Gerichte, handelt es sich nicht um Gewohnheitsrecht. Allerdings kann sich Gewohnheitsrecht unter Umständen aus Richterrecht oder Gerichtsgebrauch entwickeln.

Besondere Bedeutung hatte die Lehre vom Gewohnheitsrecht in Deutschland, solange das römische Recht aufgrund der Rezeption als Gewohnheitsrecht galt – grundsätzlich bis zum 1. Januar 1900. Besonders Georg Friedrich Puchta hat die Lehre vom Gewohnheitsrecht im 19. Jahrhundert wissenschaftlich weiterentwickelt.

Gewohnheitsrecht in Österreich

Auch in Österreich ist Voraussetzung für die Entstehung von Gewohnheitsrecht eine langdauernde, allgemeine und gleichmäßige "Übung" - d.h. Anwendung - bestimmter Regeln. Die Übung muss außerdem von der Überzeugung getragen sein, dass die angewandten Regeln Recht sind (opinio iuris).

In diesem Sinne sind im österreichischen Recht eine Reihe von Normen nachweisbar, etwa im Anerbenrecht die Anwendung des Grundsatzes, dass der Übernehmer eines Bauernhofes nach der Übernahme "wohl bestehen" können muss; das Recht über fremde Wiesen und Felder zu spazieren (ist nur für Wälder im Forstgesetz gesetzlich normiert), Pilze zu sammeln und Blumen zu pflücken.

§ 10 ABGB legt fest, dass auf "Gewohnheiten" nur in den Fällen Rücksicht genommen werden darf, in welchen sich ein Gesetz darauf beruft. Die Bestimmung ist z.B. auf Verkehrsgewohnheiten (§ 914 verweist auf die "Übung des redlichen Verkehrs" für die ergänzende Vertragsauslegung) oder die Handelsbräuche (§ 346 UGB: "Unter Unternehmern ist ... auf die im Geschäftsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen.")

Von einer Mindermeinung in der österreichischen Jurisprudenz (v.a. den Vertretern der „Reinen Rechtslehre“ Kelsens wird bestritten, dass es in Österreich überhaupt Gewohnheitsrecht gibt. Diese Vertreter begründen dies damit, dass die österreichische Bundesverfassung nur die Entstehung von Recht durch Gesetz regle und diese Regelung erschöpfend sein, so dass - wie auch die Ableitung aus der "Grundnorm" scheitere - für Gewohnheitsrecht kein Raum bleibe. Die überwiegende Meinung in Österreich vertritt, dass die Bundesverfassung zwar nur die Entstehung von Recht durch bewusste Rechtsetzung ausdrücklich behandelt, ihr Schweigen zur Frage des Gewohnheitsrechts aber nicht als dessen völlige Ablehnung zu deuten ist. Ebenso spricht § 10 ABGB (siehe oben) nicht gegen die Geltung von Gewohnheitsrecht, sondern engt nur dessen Anwendungsbereich ein.

Gewohnheitsrecht in der Schweiz

Art. 1 des Schweizerischen ZGB bezieht das Gewohnheitsrecht ausdrücklich in die anzuwendenden Rechtsquellen mit ein.

Siehe auch: Rechtssoziologie, Historische Rechtsschule, Pandektenwissenschaft

Gewohnheitsrecht in der Religion

Das Auftauchen von Gewohnheitsrecht bei Religionen hat immer wieder zu Schwierigkeiten oder besonderen Problemen geführt. Insbesondere wurde immer wieder kritisiert, dass "Gewohnheit" bei einer Stifterreligion automatisch eine willkürliche Verfälschung der ursprünglichen Offenbarung darstellt. Es wird dem aber oft entgegengehalten, dass altertümliche Vorstellungen an moderne Gegebenheiten angepasst werden müssten.

So haben etwa Reformatoren der Katholischen Kirche etwa die Einführung neuer Sakramente vorgeworfen, um dann selbst ihrer Meinung nach nicht authentische Traditionen zu verwerfen.

Die islamische Sunna („gewohnte Handlungsweise“) und der jüdische Talmud („Belehrung, Studium“) sind interpretative Weiterentwicklungen der heiligen Schriften (Koran bzw. Tora). In der Frage, ob die Offenbarung abgeschlossen sei oder nicht, unterscheidet sich das orthodoxe vom Reformjudentum.

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