Pseudopartizip

Pseudopartizip

Das Pseudopartizip (PsP) ist eine finite Verbform der ägyptischen Sprache, die in allen Sprachstufen vom Alten Reich bis ins Koptische (dort „Qualitativ“ genannt) belegt ist.

Inhaltsverzeichnis

Terminologie

Andere Bezeichnungen sind (ägyptischer) „Stativ“, „Altes Perfekt“ (nur im Koptischen wird das PsP konsequent „Qualitativ“ genannt). Wegen seiner komplexen Anwendung kann keine dieser Bezeichnungen dem PsP ganz gerecht werden. Die Bezeichnung Pseudopartizip ist forschungsgeschichtlich am ältesten und eine autarke Wortschöpfung der Ägyptologie. Die Bezeichnung „Stativ“ ist aus der außerägyptologischen Sprachwissenschaft (indogermanischer Stativ, akkadischer Stativ usw.) importiert und am jüngsten. Im Akkadischen wird der Stativ an prädikativ verwendete Substantive angehängt und entspricht dem Verb sein im Deutschen.

Bezeichnungen und Bedeutung

Die Bezeichnung „Altes Perfekt“ und „Stativ“ rühren von der inzwischen überholten Annahme, dass das PsP die älteste der ägyptischen Verbalkonjugationen sei, weil es einen Stativ mit sehr ähnlichem Endungsinventar auch im Akkadischen gibt. Diese Ähnlichkeit galt noch in der ersten Hälfte des 20. Jh. als Hinweis auf eine Urverwandtschaft dieser beiden Sprachen (das Ägyptische galt damals oft noch als semitische Sprache). Daneben galten zahlreiche Lautgleichungen und gemeinsame Etymologien als Nachweis. Erst Otto Rössler führte das strenge junggrammatische Verfahren der indogermanischen Sprachforschung in die Ägyptologie ein, bei dem ausschließlich Lautgleichungen Sprachverwandschaft nachweisen können, nicht aber die Stativ-Ähnlichkeit. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die sdm=f-Konjugation älter als das PsP ist. Es ist heute besser, die Ähnlichkeit der Stativendungen im Ägyptischen und Akkadischen mit Sprachkontakt zu erklären. Die Bezeichnung „Stativ“ wird zudem gerne verwendet, weil das PsP in einigen Anwendung die Funktion eines Stativs hat.

Formen

Das klassische Endungsset lautet:

1. Sg. -kw (älter: -kj; inkorrekt-anachronistisch wird manchmal -kwj geschrieben) | 2. Sg. -tj | 3. Sg. mask. -w (meist in der Hieroglyphenschrift nicht geschrieben) | 3. Sg. fem. -tj | 1. Pl. -wjn | 2. Pl. -tjwjn | 3. Pl. -wj

Normalerweise verlangt die Hieroglyphenschreibung, dass Determinative direkt an der Wurzel des Verbs bleiben und die Endungen erst danach folgen und so die Wortform beenden. Das PsP ist die einzige Wortform, wo die Endung auch zwischen Wurzelschreibung und Determinativ treten kann. Das Endungsset des PsP wird nie mit anderen grammatischen Formen verwendet, es steht außerhalb des sonst üblichen dreigliedrigen Pronomen-/Endungssets des Ägyptischen (vielleicht Hinweis auf Sprachkontakt).

Im Neuägyptischen wird dieses Set drastisch reduziert, zum Beispiel wird -w für alle Personen verwendet, aber auch andere aus obigem Set. Die Endung -tj ist wegen ihrer leichten Erkennbarkeit beliebt. Die Endung verrät im Neuägyptischen also nur, dass es sich um ein PsP handeln muss. Die Person lässt nur noch über ein Pronomen oder Substantiv erkennen, das das Subjekt des Satzes bilden muss, in dem das PsP das Prädikat bildet. Dies hat Ähnlichkeit mit dem prädikativ verwendeten endungslosen Adjektiv im Deutschen: Sie ist reich. statt †Sie ist reiche.

Das Koptische bildet den Qualitativ (koptisches PsP) anders: Die Verbalwurzel selbst verändert sich so, dass die Qualitativform und teilweise auch deren Bedeutung auswendig gelernt werden muss: eire (Infinitiv; 'machen' < mittelägyptisch jrj) → o (Qualitativ; 'ist/sein'). In Wörterbüchern kann man die Qualitativform durch ein Kreuz als Exponent (eire: machen, †o) neben der Form identifiziert werden. Eine Endung gibt es im Koptischen nicht mehr. Aber dem Qualitativ geht immer ein Personen- und Tempuszeichen vorangestellt. Beispiel: af-pōt 'er floh' (a=Perfekt + f=3.Sg. + pōt=Verbstamm) vs. f-pēt 'er flieht, besser: er ist auf der Flucht, flieht fortdauernd' (f=3.Sg. + pēt=Qualitativ-Verbstamm). Der Wurzelablaut -ē- ist im Qualitativ häuft anzutreffen und ein typisches Erkennungszeichen in der Praxis.

Anwendung

Die Anwendung ist komplex. Grundsätzlich hat das PsP bei transitiven Verben passive Bedeutung, bei intransitiven (vor allem bei Verben der Bewegung) „aktive“. Deshalb kann das PsP kein Objekt bei sich haben. Das PsP gab den Anstoß zu der Frage, ob das Ägyptische ergativische Strukturen hat oder in der Vorzeit hatte. Im Koptischen ist die Bedeutung einer Qualitativform immer resultativ oder essivisch, bezeichnet also einen Zustand oder eine Eigenschaft: er ist böse, er ist weg, er ist auf der Flucht. Das gilt auch bei transitiven Verben (selten): Hier ist wie in früheren Sprachstufen die Bedeutung immer passiv, bezeichnet aber zudem nur das Resultat und nicht den Vorgang: Es ist gegeben (= im Zustand, vom einem anderen besessen zu werden).


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