Koptische Sprache

Koptische Sprache
Koptisch
t-mnt-rm-n-kēme
Zeitraum 3. bis 17. Jahrhundert

Ehemals gesprochen in

Ägypten
Linguistische
Klassifikation
Sprachcodes
ISO 639-1:

-

ISO 639-2:

cop

ISO 639-3:

cop

Die koptische Sprache (aus arabisch ‏قبطي‎ qibtī, qubtī, DMG qibṭī, qubṭī < griechisch Αἰγύπτιος „Ägypter“) ist die jüngste Form des Ägyptischen, eines eigenständigen Zweiges der afroasiatischen Sprachfamilie. Sie war vom 3. bis 17. Jahrhundert als gesprochene Sprache in Gebrauch und wird bei religiösen Anlässen teilweise bis heute von koptischen Christen verwendet. Bis zur Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen, die ohne die Kenntnis des Koptischen nicht möglich gewesen wäre, war das Koptische die einzige bekannte ägyptische Sprache. Es besitzt eine synthetische und teilweise isolierende Morphologie; die Wortstellung ist Subjekt-Verb-Objekt, in Nominalphrasen steht der Kopf voran und es gibt Präpositionen. Substantive besitzen die Kategorien Numerus und Genus; Verben werden nach Tempus, Aspekt, Aktionsart, Modus und der Opposition AffirmativNegativ flektiert. Das Lexikon weist einen starken griechischen Einfluss auf.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und sprachgeschichtliche Stellung

koptische Inschrift, etwa 3. Jahrhundert n. Chr.

Das Koptische ist die letzte Entwicklungsstufe der ägyptischen Sprache, nach Früh-, Alt-, Mittel- und Neuägyptisch und Demotisch. Das Ägyptische bildet einen eigenen Zweig der afroasiatischen Sprachfamilie, neben den semitischen, berberischen, kuschitischen, omotischen und tschadischen Sprachen, die im Nahen Osten und im nördlichen Afrika gesprochen werden.

Das Koptische stellt die direkte Fortsetzung des Demotischen dar, wie die ägyptische Sprache ab etwa 700 v. Chr. bezeichnet wird. Es weist gegenüber dem Demotischen einige Innovationen auf, die eine Abgrenzung beider Entwicklungsstufen rechtfertigen. Die ältesten koptischen Texte stammen etwa aus der Zeit um 100 n. Chr. und wurden bereits in einer von dem griechischen Alphabet abgeleiteten Schrift geschrieben; sie werden zusammenfassend als altkoptisch bezeichnet. Die Menge der altkoptischen Texte ist sehr gering, das späte Demotisch diente weiterhin als geschriebene Sprache, obwohl es nicht mehr der gesprochenen Sprache entsprach. Als geschriebene Sprache setzte sich das Koptische erst im Zusammenhang mit der Christianisierung Ägyptens etwa im 4. Jahrhundert n. Chr. durch. Es blieb auch nach der arabischen Eroberung noch einige Jahrhunderte lang Alltagssprache Ägyptens, wurde aber zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert aufgrund der Arabisierung weitgehend verdrängt und starb als Verkehrssprache im 17. Jahrhundert aus; in Oberägypten blieb es vereinzelt und begrenzt bis in die Neuzeit erhalten.[1] Das Koptische war dabei nie Verwaltungssprache in Ägypten. In christlich-byzantinischer Zeit war dies wie schon seit der Eroberung durch Alexander (Alexander der Große) Griechisch (siehe Hellenismus) und seit der Einführung des Islam Arabisch. Koptisch wurde meist im privaten und christlich-liturgischen Bereich gebraucht.

Koptisch wird bis heute im Gottesdienst der koptischen Christen als Sakralsprache verwendet. In den letzten Jahrzehnten erfreut sich die Sprache unter jungen Kopten wieder zunehmender Beliebtheit als Zeichen ihrer besonderen Identität innerhalb der ägyptischen Gesellschaft, so dass heute wieder mehr Kopten zumindest rudimentäre Kenntnisse der Sprache haben. Im Alltag sprechen sie allerdings weiterhin Arabisch. Durch die Tradition des Koptischen als Form des Ägyptischen bis in die Neuzeit wurde die Erschließung älterer Entwicklungsstufen des Ägyptischen erst ermöglicht, da sich wesentliche Teile von Lexikon und Morphologie älterer Formen im Koptischen erhalten haben.

Dialekte und Verbreitung

Das Koptische war von Anfang an in verschiedene Dialekte gegliedert, von denen die meisten nur regionale Bedeutung besaßen. Die bedeutendsten Dialekte waren das Sahidische und das Bohairische. In der heutigen Koptologie gilt das Sahidische als Koptisch schlechthin, da es eine besonders regelmäßige Orthographie aufweist und so als vom Anfänger leichter zu erlernen gilt. Jahrhunderte lang (etwa 700–1300 n. Chr.) hatte jedoch das Bohairische den Status des „klassischen“ Koptisch inne.

Die wichtigsten Dialekte des Koptischen sind die folgenden:

Bezeichnung Gebräuchliche Abkürzung Ursprüngliches Verbreitungsgebiet
Sahidisch S Oberägypten
Bohairisch B Östliches Nildelta
Fayyumisch F Fayyum
Achmimisch A Oberägypten in der Gegend von Theben
Lykopolitanisch/Subachmimisch L/A2 Oberägypten bei Assiut

Sie alle besitzen eine größere Menge an überliefertem Material und dienten auch in der Antike zumindest zeitweise zur überregionalen Kommunikation. Daneben gibt es aber eine Menge regional und zeitlich begrenzte Dialekte, von denen nur kleine Bruchstücke – Papyri(-reste) u.a. – überliefert sind. Außerhalb Ägyptens diente das Koptische auch im christlichen Nubien als geschriebene Sprache.

Schrift

Hauptartikel: Koptische Schrift

Das Koptische wird in einer – je nach Dialekt – etwa dreißig Zeichen umfassenden Schrift geschrieben. Der größte Teil des koptischen Alphabets ist aus dem griechischen Alphabet abgeleitet, einige Zeichen gehen auf die demotische Schrift zurück. Im Gegensatz zu den zuvor für die Verschriftlichung des Ägyptischen angewandten Systemen, den Hieroglyphen und dem Demotischen, ist die koptische Schrift eine Lautschrift, die Vokale und Konsonanten gleichermaßen berücksichtigt. In der Regel stellt ein Buchstabe der koptischen Schrift ein Phonem dar, hierzu gibt es jedoch einige Ausnahmen. ⲑ th, ⲫ ph, ⲭ kh, ⲝ ks, ⲯ ps und ϯ ti sind in den meisten Dialekten Monogramme, die jeweils eine Folge zweier Phoneme repräsentieren. Umgekehrt können /y/ plene als ⲉⲓ und /w/ als ⲟⲩ geschrieben werden. Das Phonem /ʔ/ besitzt keinen korrespondierenden Buchstaben.

Struktur

Die folgenden Kapitel geben einen allgemeinen Überblick über Grundstrukturen der koptischen Grammatik. Das grammatische System folgt insbesondere der Darstellung von Layton 2000. Zu einer detaillierten Übersicht über die Grammatik des Sahidischen siehe den Artikel Sahidisch.

Phonologie

Die koptischen Dialekte besitzen etwas mehr als zwanzig Phoneme. Fünf von ihnen, nämlich /a/, /e/, /ē/, /o/, /ō/, können nur silbisch auftreten, die restlichen stehen sowohl silbisch als auch nicht-silbisch. So tritt /n/ in der Silbe /mn/ [mn̥] silbisch, in /men/ [men] dagegen nichtsilbisch auf. Von diesen Phonemen sind nur sieben stimmhaft (/b/ [β], /y/, /l/, /m/, /n/, /r/, /w/), weitere stimmhafte Phoneme (/g/, /d/, /z/) kommen nur in griechischen Lehnwörtern vor; in ursprünglich koptischen Wörtern markieren die entsprechenden Schriftzeichen keine eigenen Phoneme, sondern Allophone der stimmlosen Entsprechungen. In allen Dialekten finden sich fünf plosive Phoneme /k/, /p/, /t/, /kʲ/, /ʔ/, eine Affrikate /č/ (d.h. [tš]) und einige Frikative, unter denen sich mindestens /s/, /š/, /f/, /h/ befinden; /ḫ/ (graphisch ϧ, ⳉ, Ϧ) kommt in bestimmten Dialekten vor. Im Bohairischen besitzen /p/, /k/, /t/ aspirierte Allophone. Sehr auffällig ist auch die fast vollständige Aufgabe des Phonems /r/ im Fayyumischen, das dort stattdessen als /l/ erscheint.

Die in diesem Artikel verwendete Umschrift des Koptischen unterscheidet die Grapheme der koptischen Schrift ohne Rücksicht auf Allographen. Entsprechend werden beispielsweise sowohl ⲧⲓ als auch ϯ als ti wiedergegeben. Dagegen werden Allophone, soweit sie von der koptischen Schrift unterschieden werden, getrennt; folglich wird hier /nō/ [nu] als nu umschrieben. Darüber hinaus werden die silbischen und nicht-silbischen Allophone von /y/ und /w/ unterschieden.

Nominalphrasen

Morphologische Kategorien des koptischen Nomens

Das koptische Nominalsystem besitzt die Genera Maskulinum und Femininum sowie die Numeri Singular und Plural. Im Gegensatz zu früheren Formen des Ägyptischen werden diese Kategorien im Koptischen nicht mehr am Nomen selbst markiert. Dafür verfügt das Koptische über eine eigene Kategorie der Determination bzw. Indetermination, die hauptsächlich durch verschiedene Artikel und Demonstrativpronomina markiert wird, die nach Genus und Numerus flektiert werden.

Determination und Indetermination

Indetermination wird durch den unbestimmten Artikel (Singular w-, Plural hen-) oder eine Reihe von teils adjektivischen, teils substantivischen Indefinitpronomina angezeigt. Zur Markierung determinierter Nominalphrasen dient eine Gruppe formal nah verwandter Morpheme, denen die Elemente p (Maskulinum Singular), t (Femininum Singular) und n (Plural) gemeinsam sind. Es handelt sich im Einzelnen um folgende Formen, die meist vor dem Kern der Nominalphrase stehen (die aspirierten Allophone des Bohairischen werden nicht berücksichtigt; die Beispiele sind – soweit nicht anders angegeben – sahidisch):

Bezeichnung Form Beispiel
bestimmter Artikel p(e), t(e), n(e)/nen te-rompe „das Jahr“
bestimmter Artikel
(Langform;
nur dialektal)
pi, ti, ni pi-rōmi „der Mensch“ (Bohairisch)
Demonstrativartikel (Nähe) pei, tei, nei pei-rōme „dieser Mensch“
Demonstrativartikel (Ferne) p, t, n + Sahidisch etmmaw, Bohairisch etemmaw,
Achmimisch etmmo, Subachmimisch, Fayyumisch etmmew
t-polis etmmaw „jene Stadt“
Demonstrativartikel (Ferne + emotionale Distanz) pi, ti, ni ni-rōme „diese Menschen da“
Possessivartikel p(e)=, t(e)=, n(e)= + pronominaler Possessor te-f-sōne „seine Schwester“

Determinierte Nominalphrasen, die nicht nominal, sondern pronominal sind, werden mit den folgenden Morphemen gebildet:

Bezeichnung Form Beispiel
Possessivpräfix pa, ta, na + nominaler Possessor pa-p-yōt „derjenige des Vaters“
Demonstrativpronomen (Nähe) pai, tai, nai tai „diese“
Demonstrativpronomen (Ferne) p, t, n + Sahidisch etmmaw, Bohairisch etemmaw,
Achmimisch etmmo, Subachmimisch, Fayyumisch etmmew
netmmaw „jene“
Demonstrativpronomen (Ferne + emotionale Distanz) pē, tē, nē pē „der da“
Possessivpronomen pō=, tō=, nu= pō=s „der Ihrige“

Pronomina

Personalpronomina

Je nach Stellung und syntaktischer Funktion treten Personalpronomina in verschiedenen Formen auf. Dabei lassen sich selbstständige (absolute), abhängige (proklitische) und suffigierte Formen unterscheiden. Letztere treten in zahlreichen Allomorphen auf. Wie für afroasiatische Sprachen typisch, wird das Genus von den Personalpronomina nur in der 2. und 3. Person Singular unterschieden. Die folgende Tabelle listet die entsprechenden Morphe des sahidischen Dialekts auf:

  Selbstständig Proklitisch Suffigiert
volltonig enttont
Singular 1. anok ang- ti =i
2. m. ntok ntk- k =k
2. f. nto nte- te, tr =∅, =e, =r(e), =te
3. m. ntof   f =f
3. f. ntos   s =s
Plural 1. anon an- tn =n
2. ntōtn nten- tetn =tn, =tetn
3. ntow   se =w

Absolute Personalpronomina stehen von wenigen Ausnahmen abgesehen am Satzanfang und haben in vielen Verwendungen betonende Wirkung. Sie können im Nominalsatz und in dreiteiligen Konjugationsmustern stehen; als Subjekt von zweiteiligen Konjugationsmustern setzt das Koptische die proklitischen Pronomina ein. Suffixpronomina werden immer an ein Bezugswort suffigiert. Sie werden insbesondere in der Verbalkonjugation als Subjekt und Objekt und als Objekt von Präpositionen benutzt. In possessiver Verwendung stehen sie hinter Possessivartikel und Possessivpronomen sowie hinter einer kleinen Gruppe von Substantiven. Substantive, auch Infinitive, und Präpositionen nehmen vor Suffixpronomina eine besondere morphologische Form ein, den Status pronominalis.

Verbalmorphologie

Während das ältere Ägyptisch eine komplexe synthetische Verbalmorphologie besaß, benötigt die Konjugation der meisten koptischen Verben nur noch zwei Formen: den Infinitiv und den Qualitativ. Der Infinitiv drückt vorwiegend einen Vorgang aus und kann sowohl als Prädikat als auch als Kopf einer Nominalphrase auftreten. Im Gegensatz dazu drückt der Qualitativ einen Zustand aus und ist auf die Funktion eines Prädikates beschränkt. Infinitiv und Qualitativ eines Verbs haben im Wesentlichen den gleichen Konsonantenbestand, aber unterschiedliche Vokale: kōt „bauen“ (Infinitiv), kēt „gebaut sein“ (Qualitativ).

Eine vorwiegend lautgeschichtlich bedingte, nicht mehr produktive Kategorie des Infinitivs ist der Status. Steht ein Infinitiv frei, hat es den Status absolutus; Infinitive vor einem Suffixpronomen stehen im Status pronominalis und vor einem direkt angebundenen nominalem Objekt schließlich im Status nominalis:

  • Status absolutus
    • kōt „bauen“
  • Status nominalis
    • ket w-ēi „ein Haus bauen, der Bau eines Hauses“
  • Status pronominalis
    • kot=f „ihn bauen“

Nur ein Teil der Infinitive kann alle drei Status bilden; sie werden im Folgenden als „veränderliche Infinitive“ bezeichnet.

Eine besondere Verwendung des Infinitivs ist der kausative Infinitiv, der aus dem Infinitiv in Kombination mit einem zusätzlichen Morphem (Sahidisch tre, Bohairisch tʰre/tʰro, Achmimisch te) gebildet wird. Der kausative Infinitiv erlaubt im Gegensatz zum normalen Infinitiv eine Angabe seines Subjekts, das dann zwischen tre, tʰre/tʰro, te und dem Infinitiv steht, vergleiche

Sahidisch
e tre= w sōwh
zu, dass kausatives Morphem sie sich versammeln
„dass sie sich versammeln“, „ihr sich Versammeln“

Vor allem als Prädikat hat der kausative Infinitiv, der historisch auf eine periphrastische kausative Konstruktion zurückgeht, tatsächlich auch kausative Bedeutung:

Bohairisch
f thro m pe=f-rē šai
er kausatives Morphem Präposition vor direktem Objekt seine Sonne aufgehen
„er lässt seine Sonne aufgehen“

Konjugations- und Satzmuster

Nominalsatz

Als Nominalsatz werden eine Reihe von Satzmustern bezeichnet, deren Prädikat nicht verbal ist, sondern von einer Nominalphrase gebildet wird. In den meisten Satzmustern dieses Typs wird außerdem ein nach Genus und Numerus flektiertes Morphem benutzt, das einer Kopula ähnelt (Maskulinum Singular pe, Femininum te, Plural ne) und formal und etymologisch mit verschiedenen Determinationsmarkern in Verbindung steht. Die Negation erfolgt mit (n)…an/en. Als pronominales Subjekt der 1. und 2. Person werden in bestimmten Dialekten die sonst nirgends angewandten enttonten Formen der absoluten Pronomina eingesetzt. Wahl und Stellung der Morpheme hat dabei Einfluss auf pragmatische Aspekte des Satzes:

Satz Übersetzung Dialekt
nte nim Wer bist du?“ Sahidisch
du – wer
u-dikaion te „Es ist gerecht.“ Achmimisch
ein Gerechtes – sie, es
thō=k te ti-čōm Dein ist die Macht“ Bohairisch
dein – sie – die Macht
p-čajs de u-dikaios[2] pe „Der Herr aber ist ein Gerechter.“ Achmimisch
der Herr – aber – ein Gerechter – er
pe=f-ran pe pawlos „Sein Name ist Paulus.“ Sahidisch
sein Name – er – Paulus

Zweiteilige Konjugation

Zweiteilige Konjugationsmuster bestehen nur aus einem Subjekt sowie einem Prädikat. Bei dem Subjekt kann es sich um ein determiniertes Substantiv, um ein proklitisches Pronomen oder um einen Ausdruck wn + indeterminiertes Substantiv handeln. Das Prädikat wird durch einen Infinitiv, einen Qualitativ oder eine Adverbialphrase gebildet; zum Ausdruck des Futurs steht vor einem Infinitiv in Prädikatsstellung das Morphem na (Fayyumisch ne); die Verneinung erfolgt durch nachgestelltes an/en, das in den meisten Dialekten durch vorgestelltes n ergänzt wird.

Bemerkungen Beispiel mit Analyse Übersetzung Dialekt
mit Infinitiv ten sawn „wir wissen“ Fayyumisch
wir – wissen
mit Qualitativ pe=f-ran waab „sein Name ist heilig“ Sahidisch
sein Name – heilig sein
mit Adverbialphrase: f mmo „er ist dort“ Achmimisch
er – dort
mit Futur und Infinitiv te na ō „du (f.) wirst schwanger werden“ Sahidisch
du – Futur – schwanger werden
mit Infinitiv und Negation n-ti-če-methnuč an „ich sage keine Unwahrheit“ Bohairisch
nicht – ich – sagen – was falsch ist – Negation

Dreiteilige Konjugation

Dreiteilige Konjugationsformen bestehen aus einer Konjugationsbasis, einem folgenden Subjekt und dem Prädikat. Die Konjugationsbasis ist kennzeichnend für Tempus, Modus, Aspekt, Aktionsart sowie die syntaktische Funktion des Satzes (Hauptsatz, Temporalsatz, etc.). Pronominale Subjekte werden durch bestimmte Allomorphe der suffigierten Pronomina ausgedrückt; bei dem Prädikat muss es sich um einen Infinitiv handeln. In allen Dialekten finden sich nahezu die gleichen Konjugationsbasen, die sich meist nur in phonologischer Hinsicht unterscheiden. Die folgenden Formen sind im Sahidischen in Hauptsätzen möglich:

Name Konjugationsbasis Beispiel
vor Substantiv vor Pronomen
Perfekt positiv a- a= a=f sōtm „er hörte“
negativ mpe- mp(e)= mp=f sōtm „er hörte nicht“
Kompletiv negativ mpate- mpat(e)= mpat=f sōtm „er hatte noch nicht gehört“
Aorist positiv šare- ša= ša=f sōtm „er pflegt zu hören“
negativ mere- me= me=f sōtm „er pflegt, nicht zu hören“
Optativ positiv ere- e=…-e e=f-e sōtm „er möge hören“
negativ nne- nne= nne=f sōtm „er möge nicht hören“
Jussiv positiv mare- mar(e)= mare=f sōtm „lass ihn hören“
negativ mprtre- mprtr(e)= mprtre=f sōtm „lass ihn nicht hören“

Eine weitere Gruppe von Formen wird nur in eingebetteten Sätzen verwendet. Ihre Negation erfolgt mit nur einem Morphem (Sahidisch, Achmimisch, Subachmimisch tm; Bohairisch, Fayyumisch štem), vergleiche n=f sōtm „und er hört“ (Sahidisch) mit negiertem n=f-tm-sōtm „und er hört nicht“. Die Nebensatzkonjugationsbasen des Sahidischen sind:

Name Konjugationsbasis Beispiel
vor Substantiv vor Pronomen
Präkursiv ntere- nter(e)= ntere=f sōtm „nachdem er hörte“
Konditionalis eršan- e=…-šan e=f šan sōtm „wenn er hört“
Limitativ šante- šant(e)= šant=f sōtm „bis er hörte“
Konjunktiv nte- n(te)= n=f sōtm „und er hört“
Konjunktiv Futur tare- tar(e)= tare=f sōtm „damit er hört“
Protatisches efsōtm   e= e=f sōtm „wenn er hört“

Objekte und Adverbiale

Objekte folgen dem Verb. Bei Verben, die über einen veränderlichen Infinitiv verfügen, kann ein direktes Objekt entweder an den Infinitiv suffigiert werden, oder mit einer Präposition angeschlossen werden. Undeterminierte Objekte werden immer suffigiert, Objekte mit markierter Determination oder Indetermination werden in zweiteiligen Konjugationsmustern immer mit Präposition angeschlossen, in dreiteiligen Konjugationsmustern sind beide Konstruktionen möglich. Verben, die nur den Status absolutus haben, schließen das direkte Objekt immer mit einer Präposition an. Beispiele aus dem Sahidischen:

  • zweiteiliges Konjugationsmuster: pčois me n-n-dikaios „der Herr liebt die Gerechten
  • dreiteiliges Konjugationsmuster: a=f čoo=s „er sagte es

Wird kein Objekt suffigiert, dann folgt ein indirektes immer einem direkten Objekt; pronominale Objekte stehen jedoch immer vor nominalen. Adverbien und Präpositionalphrasen stehen meist hinter den Objekten. Beispiele:

Bohairisch
ti na ti n= e m- p=e-bekʰe
ich (proklitisch) Futurmarker geben Präposition du (f., suffigiert) Präposition dein (f.) Lohn
Subjekt des zweiteiligen Konjugationsmusters Prädikat indirektes Objekt direktes Objekt
„ich werde dir (f.) deinen Lohn geben“
Sahidisch
sōtm nsa- ne=tn-iote kata-smot nim
hören, gehorchen Präposition eure Eltern bei Allem
Prädikat (Imperativ) Objekt Präpositionalphrase
„Gehorcht euren Eltern in Allem!“

Transpositionen

Selbstständige Sätze können durch bestimmte, am Satzanfang stehende Satzkonverter in syntaktischer oder semantischer Hinsicht transponiert werden. Die Formen der Satzkonverter hängen von der Art der Transposition und von Semantik und Syntax des transponierten Satzes ab. So kann der sahidische Satz se-sōtm „sie hören“ in folgende vier Sätze beziehungsweise Phrasen transponiert werden:

  • substantivisch: e-w-sōtm „dass sie hören“
  • relativ: et-u-sōtm mmo=f „der, den sie hören“
  • adverbial: e-w-sōtm „indem sie hören“
  • präterital: ne-w-sōtm „sie hörten“

Wortschatz

Im koptischen Wortschatz lassen sich in historischer Hinsicht zwei große Gruppen unterscheiden. Mehrere tausend Wörter sind aus früheren Phasen des Ägyptischen ererbt; ein wesentlicher Anteil stammt dagegen aus dem Griechischen. Hierunter fallen sowohl religiöse oder technische Termini (anastasis < griechisch ἀνάστασις „Auferstehung“) als auch so gewöhnliche Wörter wie de, nde < griechisch δέ „aber“. Im Unterschied zu anderen Sprachen wurde die Morphologie von Fremdwörtern nicht entlehnt, sondern an das Koptische angepasst. Einige Wörter sind aus anderen Sprachen entlehnt oder haben keine bekannte Etymologie, unter diesen befinden sich auch einige Elemente des Grundwortschatzes.

Literatur

Grammatik

  • Aziz Suryal Atiya (Hrsg.): The Coptic Encyclopedia. Macmillian Publishing Company und Collier Macmillian Canada, New York/Toronto 1991, ISBN 0-02-897037-3. (zur Sprache siehe Band 8)
  • Thomas O. Lambdin: Introduction to Sahidic Coptic. 1982, ISBN 0-86554-048-9.
  • Bentley Layton: A Coptic Grammar with Chrestomathy and Glossary. Sahidic Dialect. Porta Linguarum. Neue Serie, Band 20. Harrassowitz, Wiesbaden 2000, ISBN 3-447-04240-0
  • Uwe-Karsten Plisch, Einführung in die koptische Sprache. 1999, ISBN 3-89500-094-9. (deutschsprachiges Standardwerk)
  • J. Martin Plumley: An introductory Coptic Grammar. London 1948.
  • Hans Jacob Polotsky: Grundlagen des koptischen Satzbaus. American Studies in Papyrology, Nr. 27–28. Scholars Press, Decatur 1987–1990, ISBN 1-55540-076-0
  • Ariel Shisha-Halevy: Coptic grammatical chrestomathy. A course for academic and private study. Peeters, Leuven 1988, ISBN 90-6831-139-5
  • Walter C. Till: Koptische Grammatik (Saïdischer Dialekt). Lehrbücher für das Studium der orientalischen Sprachen, Band 1. Harrassowitz, Wiesbaden 1955
  • Jozef Vergote: Grammaire Copte. Bd Ia, Ib, IIa, IIb. Leuven 1992, ISBN 90-6831-425-4.

Wörterbücher

Weblinks

 Commons: Koptische Sprache – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Werner Vycichl: Pi-Solsel, ein Dorf mit koptischer Überlieferung. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 6, 1936, S. 169–175
  2. dikaios ist aus dem Griechischen entlehnt, siehe Wortschatz
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