Psychose und Sucht

Psychose und Sucht

Unter den Konsumenten von legalen und illegalen Drogen bilden schizophren Erkrankte eine bedeutende Gruppe: so findet sich in der Lebenszeitprävalenz bei ca. der Hälfte aller Patienten mit schizophrener Psychose ein komorbider Substanzmissbrauch bzw. –abhängigkeit[1].

Insbesondere bei Patienten mit einer Erstmanifestation einer schizophrenen Psychose lassen sich bereits Komorbiditätsraten für Substanzmissbrauch oder –abhängigkeit von 22 - 37% beschreiben[2][3].

Insgesamt lässt sich in dieser Patientengruppe, im Vergleich mit einer Durchschnittspopulation, ein 5fach bis 10fach höheres Risiko zur Entwicklung eines Alkoholmissbrauchs und ein 8fach höheres Risiko zur Entwicklung eines Missbrauchs von einer anderen psychotropen Substanz feststellen[4].

Bei Patienten mit der Doppeldiagnose schizophrene Psychose und Substanzmissbrauch tritt die schizophrene Symptomatik im Durchschnitt 5 bis 10 Jahre früher auf, als bei Patienten ohne Drogenkonsum. Dabei ist der Drogenkonsum, bei entsprechender Disposition, als maßgebliche Bedingung ("Trigger") für den frühen Ausbruch der Psychose anzusehen, wobei enge zeitliche Beziehungen insbesondere zum Konsum von Amphetaminen und Cannabis bestehen[5].

Soziodemographisch lassen sich Patienten mit dieser Doppeldiagnose als überwiegend männlich, jünger als der Altersdurchschnitt der schizophren Erkrankten, mit geringerer Schulbildung und niedrigem Ausbildungsstand charakterisieren[6]. Bezüglich der konsumierten Substanzen sind schizophren Erkrankte mit entsprechender Doppeldiagnose überwiegend als „normale“ Drogenkonsumenten einzustufen. Das bedeutet, dass Art, Anzahl und Menge der konsumierten Substanzen zu einem großen Anteil über Verfügbarkeit der Droge, vorhandene Geldmittel, Vorlieben der Peer-Group und persönlichen Möglichkeiten in der Beschaffung der betreffenden Substanz gesteuert wird[7]. So wird von dieser Patientengruppe im europäischen Raum hauptsächlich Alkohol konsumiert, gefolgt von Cannabis[8]. Betrachtet man allerdings die Altersgruppe der jüngeren Doppeldiagnose-Patienten (< 35 Lebensjahren), so steht der Cannabismissbrauch an erster Stelle[9].

Behandlung

Die Behandlung dieser Patientengruppe gestaltet sich überwiegend schwierig, da die Therapie-Compliance in dieser Patientengruppe besonders instabil ist. Hieraus resultiert im Vergleich zu Patienten ohne Drogenproblematik ein ungünstigerer Verlauf der schizophrenen Erkrankung, geprägt von fortgesetztem Drogenkonsum, häufigeres Wiederauftreten der schizophrenen Psychose und mehr stationäre Wiederaufnahmen[10].

Als erfolgversprechend haben sich Behandlungsansätze erwiesen, in denen sich ein Team um beide Erkrankungen kümmert. Dies wird als "integrierte Behandlung" bezeichnet und hat die sequentielle (zuerst Psychiatrie und dann Suchtklinik) bzw. die parallele Behandlung in psychiatrischen und Sucht-Abteilungen abgelöst. Bislang sind zwei deutschsprachige Manuale erschienen[11][12], in denen spezifische Behandlungsansätze bzw. Therapieprogramme für diese Patientengruppe dargestellt sind.

Nachweise und Literatur

  1. Regier, D.A., Farmer, M.E., Rae, D.S., Locke, B.Z., Keith, S.J., Judd, L.L. & Goodwin, F.K. (1990). Comorbidity of mental disorders with alcohol and other drug abuse: Results from the Epidemiologic Catchment Area (ECA) study. Journal of the American Medical Association, 264, 2511-2518
  2. Addington J & Addington D (2001) Impact of an early psychosis program on substance use. Psychiatric rehabilitation Journal, 25, 60-67
  3. Sevy S, Robinson DG, Holloway S, Alvir JM, Woerner MG, Bilder R, Goldman R, Lieberman J, Kane J (2001) Correlates of substance misuse in patients with first-episode schizophrenia and schizoaffective disorder. Acta psychiatrica scandinavia, 104, 367-374
  4. Chambers RA, Krystal JH, Self DW (2001) A neurobiological basis for substance abuse comorbidity in schizophrenia. Biological Psychiatry, 50, 71-83
  5. Bachmann KM, Moggi F, Wittig R, Donati R, Brodbeck J, Hirsbrunner HP (2002) Doppeldiagnose-Patienten. In: Böker W, Brenner HD (Hrsg) Behandlung schizophrener Psychose. Stuttgart: Enke
  6. Mueser KT, Yarnold PR, Rosenberg SD, Swett C, Miles KM, Hill D (2000) Substance use disorder in hospitalized severely mentally ill psychiatric patients: prevalence, correlates and subgroups. Schizophrenia Bulletin, 26, 179-192
  7. Lammertink M, Löhrer F, Kaiser R, Hambrecht M, Pukrop R (2001) Differences in substance abuse patterns: multiple drug abuse alone versus schizophrenia with multiple drug abuse. Acta Psychiatrica Scandinavia, 104, 361-36
  8. Schütz CG & Sokya M (1997) Modellpsychosen, Rauschdrogen, Komorbidität von sucht und Schizophrenie – Kann die Schizophrenieforschung von der Suchtforschung profitieren? In: Sokya M & Möller HJ (Hrsg.) Alkoholismus und psychische Störungen. Berlin: Springer, 97-114
  9. Löhrer F, Tuchtenhagen FR, Kunert HJ, Hoff P (2002) Zur Rehabilitsationsbehandlung von psychotischen Substanzgebrauchern – Epidemiologie, Klinik und Prognose. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 57, 71-78
  10. Drake RE & Brunette MF. (1998) Complications of severe mental illness related to alcohol and drug use disorders. In: M Galanter (Ed.) Recent Developments in Alcoholism: The Consequences of Alcohol, Vol. 14, 285-299, New York: Plenum Press
  11. D'Amelio R, Behrendt B, Wobrock T (2006) Psychoedukation Schizophrenie und Sucht. Manual zur Leitung von Patienten- und Angehörigengruppen. München: Elsevier
  12. Gouzoulis-Mayfrank E (2007) Komorbidität Psychose und Sucht. Von den Grundlagen zur Praxis. Darmstadt: Steinkopf Verlag
  • Brodbeck J (2002) Diagnostik der Komorbidität. In: Moggi F (Hrsg.) Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer Störungen und Sucht. Bern: Verlag Hans Huber, 125-140
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Sadowski,H. , Niestrat, F., Psychose und Sucht, Behandlung und Rehabilitation, Sammelband für Theorie und Praxis Psychiatrie-Verlag, Bonn 2010


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