Rabbi Gerschom

Rabbi Gerschom

Gerschom bar Jehuda (* um 960 in Metz; † 1028/1040 in Mainz) war ein jüdischer Talmudgelehrter und liturgischer Dichter.

Rabbenu Gerschom bar (auch: ben) Jehuda, genannt Meor ha-Gola (Leuchte des Exils), steht nicht nur in Mainz, hebräisch Magenza, für eine Blüte jüdischer Kultur und Religion. Der einflussreiche Gelehrte eröffnete nach seinem Talmudstudium in Metz eine Talmudakademie in Mainz, die Schüler aus vielen Ländern anzog. Mainz wurde hierdurch zum religiös-kulturellen Mittelpunkt der drei SCHUM-Städte, jener drei Städte, die im Hebräischen von den drei Anfangsbuchstaben her zur Dreiheit zusammengefasst wurden – Speyer (Schpira für Spira), Worms (Vav für Warmaisa / V und W gelten dem U gleich) und Mainz (Mem für Magenza) - und die die Geburtsstätten der askenasischen religiösen Kultur darstellen. Zu seiner Zeit (um 1000) wurden auch die Friedhöfe Heiliger Sand in Worms sowie Judensand in Mainz angelegt. Die Talmudlehrer der drei Städte, die weit über das Rheinland hinaus wirkten, schrieben mit dem Sefer Chassidim, dem Buch der Frommen, eine wichtige religiöse Abhandlung, eine reiche Quelle zum Alltagsleben der Juden im Mittelalter. Die Lehrhäuser in Mainz und Worms wurden bei den Massakern an den Juden, derer heute in der jüdischen Liturgie als Gezerot Tatnu gedacht wird, während des Kreuzzuges 1096 und bei späteren Verfolgungen zerstört.

Anders als beim christlichen Priesteramt, ist ein Rabbiner nicht als Geistlicher zu verstehen, sondern als predigender Gesetzeslehrer mit Zuständigkeit in Fragen der Moral- und Rechtspflege. Um seinen Glaubensgenossen im Umgang die oft schwer verständlichen Regeln des Talmud, der nachbiblischen Überlieferung des Judentums, zu vermitteln, fertigte der Rabbi kritische Texte und Kommentare zur religiösen Schrift der Juden an. Daneben erließ er Anweisungen und Dekrete (hebr. Takkanot) zur Neuregelung des sozialen und religiösen jüdischen Lebens. Auf Grund seiner hohen Reputation wurden diese zum größten Teil befolgt. Selbst die Rabbinerkonferenzen der nächsten Jahrhunderte griffen die Vorstellungen Gerschom bar Jehudas auf. Die wissenschaftlichen Arbeiten seiner Jeschiwa besitzen noch heute Relevanz für die Interpretation des Talmuds und werden als „Mainzer“ und „Wormser Kommentare“ oder auch Takkanot-SCHum bezeichnet. Als Rektor der Mainzer Talmudakademie verfügte er im frühen 11. Jahrhundert, dass sich ein Ehemann nicht ohne Zustimmung seiner Ehefrau von ihr scheiden lassen darf. Desgleichen verbot er die Vielehe (Polygynie), die praktisch nicht mehr bestand. Jahrhundertelang haben sich die auf ihn folgenden Rabbiner mit dieser Weisung auseinandergesetzt. Zu ihrer Zeit soll sie aber nach einer neuen wissenschaftlichen Interpretation auf die zunehmende Fernhandelstätigkeit der deutschen Juden reagiert haben; es sei Zweck der Rechtsetzung gewesen, den Gefährdungen des gewohnten Ehelebens durch die lang andauernde Abwesenheit des Familienoberhauptes entgegenzutreten. Die askenasischen Gemeinden Europas haben diesen Erlass Gerschom ben Jehudas anerkannt.

Die Einführung der Einehe verbessert nachhaltig die Rechtsstellung und den familiären Status der jüdischen (Ehe-) Frau im Sinne der Gleichberechtigung und Eigenständigkeit.

Der bedeutendste Schüler der Jeschiwa von Rabbi Gerschom war Rabbi Schlomo Jizchaki, kurz genannt Raschi. Er gilt als einer der bedeutendsten jüdischen Gelehrten des Mittelalters. Seine klaren Kommentare zur Bibel und zum Talmud fanden allgemeine Verbreitung und wirkten noch weit in spätere Zeiten hinein, wie das Zinsverbot eines Mainzer Rabbis zeigt.

Rabbi Salomo erklärt im Namen des Rabbi Gerschom zu Mainz:

Nicht darf man sich so benehmen, wie man sich in Deutschland benimmt, nämlich daß man für die Messe in Köln jemandem eine Silbermünze, die 12 Unzen beträgt, gibt und sich dafür in seiner Herberge in Mainz oder Worms, wenn sie zurückkehren, 13 Unzen geben läßt. Man darf nicht 13 Unzen nehmen, es sei denn, daß der Gläubiger die Ware, welche der Schuldner für dieses Geld gekauft hat, auf sein Risiko nimmt, bis zu der Stelle, wo er das Geld empfängt, dann kann er 13 Unzen empfangen.[1]

Gerschom bar Jehuda starb 1028 oder 1040 in Mainz. Sein bis heute oft besuchter mittelalterlicher Gedenkstein findet sich auf dem „Mainzer Judensand“.

Quelle

  1. Handelsdarlehen zur Kölner Messe: Rechtsgutachten eines Mainzers Rabbiners (um 960-1028) K. Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 1 (bis 1250), Opladen 199010, S. 119.

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