Ragösen (Belzig)

Ragösen (Belzig)

Das Straßendorf Ragösen ist ein Ortsteil von Belzig mit 662 Einwohnern (Stand: 31. Dezember 2002). Es liegt 11 Kilometer nördlich der Kreisstadt Belzig im Naturpark Hoher Fläming. In der Ortsmitte befindet sich eine 1910 umfassend rekonstruierte Kirche.

Kirche in der Dorfmitte

Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Daten, Namensgebung

Das Dorf Ragösen grenzt im Westen an die Endmoränenlandschaft des Hohen Flämings. Östlich schließen sich die Belziger Landschaftswiesen beziehungsweise das Baruther Urstromtal an. Benachbarte Dörfer sind im Süden Dippmannsdorf, im Westen Groß Briesen und im Norden Golzow. Verkehrsmäßig erschlossen ist der Ort durch die von Belzig nach Brandenburg an der Havel verlaufende Bundesstraße 102. Zwischen den Ortsteilen Ragösen und Dippmannsdorf befindet sich ein stillgelegter Bahnhof der eingleisigen Brandenburgischen Städtebahn.

Ragösen wird erstmals 1323 in einer Urkunde von Herzog Rudolf I. als „villa Rogosene“ erwähnt. Dort muss ein Hof mit 4 Hufen Land Abgaben an das neue Hospital zu Belzig und die dortige Katharinenkapelle leisten. Der Ortsname ist slawischen Ursprungs. Er ist eine Ableitung des wendischen Wortes „rogoschj“, was soviel wie Schilf oder Binse bedeutet.

Geschichte

Mittelalter

Um 1580 errichteter Grenzstein bei Ragösen.

Etwa um die Mitte des 12. Jahrhunderts hatten die aus dem Gebiet der unteren Saale stammenden Belziger Grafen eine ausgedehnte Adelsherrschaft errichtet, zu der auch Ragösen gehörte. Nach dem Tode des letzten Belziger Grafen übernahmen die Wittenberger Herzöge deren Besitzungen. Die veränderten politischen Verhältnisse führten zu neuen Grenzverläufen. Ragösen lag nun im äußersten Norden des vergrößerten Herzogtums Wittenberg, nur 2 Kilometer von der Grenze zu Brandenburg entfernt. Auch das Erzbistum Magdeburg grenzte im Norden an das Herzogtum. Diese Lage Ragösens wirkte sich oft verheerend auf die Einwohner aus, denn bei den häufigen kriegerischen Auseinandersetzungen um territoriale Zugewinne kam es zu ständig wechselnden Allianzen zwischen dem Herzog von Sachsen, dem Markgrafen von Brandenburg und dem Erzbischof von Magdeburg. Die Folge waren Truppendurchzüge durch Ragösen, verbunden mit Drangsalierungen und Plünderungen. Am Ende des Spätmittelalters wurden mehrere Dörfer in der Nähe Ragösens aufgegeben. Die Ursachen sind nicht bekannt. Die Bewohner der wüst gefallenen Orte siedelten sich teilweise in Ragösen an. Infolge des Bevölkerungswachstums entsteht etwa um 1500 die Pfarre Ragösen und um 1571 eine erste Kirche.

Zolleinnahmestelle

Die Grenze zwischen Sachsen und Brandenburg im Bereich Brück - Ragösen - Groß Briesen war besonders umstritten. Land- und forstwirtschaftliche Nutzung gingen von beiden Seiten über die Grenze und führten häufig zum Streit. 1452 vereinbarten der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg die Klärung des Problems. Etwa zur gleichen Zeit wird in Ragösen eine Geleitstelle (Nebenzolleinnahmestelle) eingerichtet. Die Zolleinnahmestelle erweist sich für den sächsischen Kurfürsten als sehr lukrativ und ermöglicht auch den schlossähnlichen Ausbau der Burg Eisenhardt in Belzig. Nach erneuten Grenzstreitigkeiten wird um 1580 deren Aussteinung begonnen. Dazu werden bearbeitete Sandsteine mit den Wappen Sachsens und Brandenburgs fast an der gesamten Nordgrenze Sachsens aufgestellt.

Kolonie Bullenberg

Mühlenteich

Im Jahre 1582 verkauft Kurfürst August von Sachsen die am Zusammenfluss von Briesener Bach und Polzbach gelegene Mahlmühle zusammen mit dem Schäfereivorwerk Bullenberg an Ernst von Thümen auf Klein Briesen. Damit wird erstmals das „Forwergk am Bolenberg“ in einer Urkunde erwähnt. Dieses Vorwerk entwickelt sich zu einem Siedlungskern in unmittelbarer Nachbarschaft Ragösens. 1823 wird die Kolonie Bullenberg nach Ragösen eingemeindet.

Dreißigjähriger Krieg

Die Dörfer Ragösen und Bullenberg haben auch unter den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges zu leiden. Von den ursprünglich 170 Einwohnern Ragösens überlebten nur 90 diesen Krieg. 1640 wurde mit dem Neubau des Dorfes begonnen und 1649 die baufällige Kirche repariert. Aber nur 20 Jahre später zerstörte ein Blitzschlag den Turm und beschädigte die Kirche. 1669/70 konnten die Schäden beseitigt werden. 1702 wird im Ort Bullenberg eine neue Mahlmühle gebaut.

18. Jahrhundert

Das 18. Jahrhundert beginnt erneut mit Not und Elend für die Bewohner Ragösens. Der sächsische Kurfürst Friedrich August I. wurde 1697 König von Polen. Wegen eines Streites um polnische Gebiete an der Ostsee kam es zum Krieg mit Schweden. Die Schweden fielen 1706 in Sachsen ein. Beim Herannahen der Schweden flüchteten Ragösener Bewohner über die Grenze nach Preußen.

Moderne

Nach den Befreiungskriegen 1813 und den Bestimmungen des Wiener Kongresses musste Sachsen fast die Hälfte seines Territoriums an Preußen abtreten. Zu den abgetretenen Landstrichen gehörte auch das Amt Belzig, Ragösen wurde preußisch.

In beiden Weltkriegen mussten viele Ragösener ihr Leben lassen. Ein Ehrenmal im Winkel und Gedenktafeln in der Kirche erinnern an die Gefallenen und mahnen die Lebenden. Nach Kriegsende 1945 stieg die Einwohnerzahl Ragösens durch den Zustrom heimatlos gewordener Menschen auf 1100.

Quellen

Literatur

  • Karl Backhaus, Geschichte des Dorfes Ragösen im Kreise Zauch-Belzig, 1902.
  • Friedrich Bamberg, Geschichte des Dorfes Ragösen im Kreise Zauch-Belzig ergänzt und fortgeführt, Kommissionsverlag Friedrich Bamberg 1939.
  • Autorenkollektiv, Ragösen - Beiträge zur Geschichte Teil 1, 1993.
  • Helmut Bessel u.A., Ragösen - Beiträge zur Geschichte Teil 2, 2002.
  • Reinhard E. Fischer, Brandenburgisches Namensbuch. Teil 2. Die Ortsnamen des Kreises Belzig, Böhlaus Verlag 1970.

52.2431512.579787Koordinaten: 52° 15′ N, 12° 35′ O


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