- Randomisierte kontrollierte Studie
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Die randomisierte kontrollierte Studie (RCT englisch: randomized controlled trial) ist in der medizinischen Forschung das nachgewiesen beste Studiendesign, um bei einer eindeutigen Fragestellung eine eindeutige Aussage zu erhalten und die Kausalität zu belegen. Deshalb wird auch vom „Goldstandard“ der Studienplanung bzw. des Forschungsdesigns gesprochen. Daneben werden RCTs unter anderem auch in der psychologischen und ökonomischen Forschung eingesetzt.
Auf den Ergebnissen von RTCs basiert die Evidenzbasierte Medizin. Diese erhebt ausdrücklich die Forderung, dass bei einer medizinischen Behandlung patientenorientierte Entscheidungen nach Möglichkeit auf der Grundlage von empirisch nachgewiesener Wirksamkeit getroffen werden sollen.
RTCs sind eine Art von Experiment ("eine methodisch angelegte Untersuchung zur empirischen Gewinnung von Information (Daten)").
Inhaltsverzeichnis
Begriffsklärungen
Randomisierung
Randomisierung bedeutet, dass die Zuordnung zu einer Behandlungsgruppe (etwa Medikament A oder B) nach dem Zufallsprinzip erfolgt. Zweck der Randomisierung ist
- die Einflussnahme des Untersuchers (Befangenheit) auf die Zuordnung einer Behandlung und dadurch auf die Studienergebnisse auszuschließen und
- die gleichmäßige Verteilung von bekannten und nicht bekannten Einflussfaktoren auf alle Gruppen sicherzustellen. Dazu muss die Anzahl der zu untersuchenden Personen ausreichend groß sein.
Form und Durchführung der Randomisierung müssen in der Studie angeführt werden.
Kontrollierte Studie
Kontrolliert heißt die Studie, weil die Ergebnisse in der Studiengruppe mit denen der Kontrollgruppe (der Gruppe mit einem Referenzwert) ohne Intervention oder einer Kontrollintervention verglichen werden. Die Kontrollintervention ist entweder die bisher wirksamste Maßnahme oder eine Scheinintervention (bei Medikamenten Placebo).
Die Studiengruppe wird auch als Prüf-, Interventions- oder Verumgruppe (lateinisch Verum, "das Wahre"; im Gegensatz zum Placebo die echte Behandlungsform, z. B. das wirkstoffhaltige Medikament).
Die Kontrollgruppe wird auch als Vergleichs- oder Placebogruppe (sofern Placebos eingesetzt werden) bezeichnet.Eine Erweiterung stellt das so genannte Crossover-Design dar. Hier werden Verum- und Placebogruppe zur Studienmitte gewechselt.
Beispiel
In einer armen indischen Region, in der bis dahin kaum geimpft worden war, baute der indische Staat ein Impfsystem auf. In jedem Dorf gab es eine Impfschwester. Gleichwohl brachten nur wenige Prozent der Eltern ihr Kind fünf Mal zum impfen (erst nach der fünften Impfung war der Impfschutz komplett). Mit einer RTC untersuchten Forscher die Wirksamkeit von Maßnahmen gegen diese Impfmüdigkeit. Zugleich testeten sie damit die Hypothesen, warum die Armen ihre Babys nicht impfen ließen:
- Vielleicht verstanden sie den Nutzen nicht. Kinder, die gegen Masern geimpft sind, können weiterhin an Malaria erkranken oder Durchfall bekommen.
- vielleicht hielten Eltern die Impfung für wirkungslos.
- Vielleicht war auch ein Aberglaube schuld: Kinder könnten sich den bösen Blick einfangen (deshalb werden Babys bis zum ersten Geburtstag kaum mit nach draußen genommen).
- Gegen solche Überzeugungen sei jedes Impfprogramm machtlos, glaubten viele Helfer.
Per Zufallsgenerator teilten die Forscher 134 Dörfer in drei Gruppen ein:
- In 74 Dörfern blieb alles beim Alten.
- In 30 Dörfern wurde einmal im Monat eine Krankenstation aufgebaut, in der eine Krankenschwester kostenlos die Kinder impfte.
- In den 30 übrigen Dörfern gab es nicht nur das monatliche Impfcamp, sondern die Eltern erhielten auch zwei Pfund Linsen, wenn sie ihr Kind zur Impfung brachten. Zum Abschluss der fünften Impfung schenkte man den Eltern außerdem zwei Teller.
Nach eineinhalb Jahren zogen die Forscher Bilanz: In den Dörfern mit Linsen und Tellern als Lockmittel hatten 38 Prozent aller Kinder fünf Impfungen bekommen. In den Dörfern mit regelmäßigen Impfterminen waren 17 Prozent aller Kinder durchgeimpft, in den 74 übrigen Dörfern waren es nur 6 Prozent.
Damit war bewiesen: Der Aberglaube (so er denn bei Eltern bestand) war offensichtlich nicht stark genug, der Verlockung von ein paar Pfund Linsen zu widerstehen.
RTCs können also
- untersuchen, wie effizient Maßnahmen sind bzw.
- die Effizienz mehrerer alternativer Maßnahmen vergleichen.
Beispiel: eine Institution steht vor der Wahl, mit Geld entweder Grundnahrungsmittel zu subventionieren (eine Maßnahme, von der alle Käufer profitieren) oder Schwangeren, jungen Müttern und Kindern kostenlos Lebensmittel und Vitamine zu geben. RTCs zeigen, dass letzteres die deutlich effizientere Maßnahme ist: der Nutzen pro ausgegebenem Euro ist deutlich höher.[1]
Belege
Literatur
- Moher, David; Schulz, Kenneth F.; Altman, Douglas G.; für die CONSORT Gruppe: http://www.thieme-connect.de/ejournals/pdf/dmw/doi/10.1055/s-2004-836117.pdf Überarbeitete Empfehlungen zur Qualitätsverbesserung von Reports randomisierter Studien im Parallel-Design]. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift Jg. 129, 2004, T16-T20
- Willich, Stefan N.: Randomisierte kontrollierte Studien: Pragmatische Ansätze erforderlich. In: Deutsches Ärzteblatt Jg. 103, Nr. 39, 29. September 2006. Deutscher Ärzte-Verlag Köln, S. A 2524–9
- Windeler, Jürgen; Antes, Gerd; Behrens, Johann; Donner-Banzhoff, Norbert; Lelgemann, Monika: Randomisierte kontrollierte Studien: Kritische Evaluation ist ein Wesensmerkmal ärztlichen Handelns. In: Deutsches Ärzteblatt Jg. 105, Nr. 11, 14. März 2008. Deutscher Ärzte-Verlag Köln, S. A-565
Einzelnachweise
- ↑ zeit.de: Was wirklich hilft. - Zwei Wirtschaftswissenschaftler mischen die Entwicklungspolitik auf. Sie vergleichen verschiedene Strategien in einem Experiment – und finden Verblüffendes heraus.
Siehe auch
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