Medizin

Medizin

Die Medizin (von lateinisch ars medicinae, „ärztliche Kunst“ die „Heilkunde“) ist die Lehre von der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen bei Menschen und Tieren. Sie wird von Ärzten, von den Angehörigen weiterer anerkannter Heilberufe, und von anderen Therapeuten, wie etwa traditionellen „Heilern“ oder den in Deutschland zugelassenen Heilpraktikern ausgeübt mit dem Ziel, die Gesundheit der Patienten wiederherzustellen oder zu erhalten. Zum Bereich der Medizin gehören neben der Humanmedizin die Veterinärmedizin (Tierheilkunde/Tiermedizin), in einem weiteren Verständnis auch die Phytomedizin (Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen). In diesem umfassenden Sinn ist Medizin die Lehre vom gesunden und kranken Lebewesen.

Gustav Klimt: Medizin. (Ausschnitt)

Die Kulturgeschichte kennt eine große Zahl von unterschiedlichen medizinischen Lehrgebäuden, beginnend mit den Ärzteschulen im europäischen und asiatischen Altertum, bis hin zur modernen Vielfalt von wissenschaftlichen und alternativen Angeboten. Die Medizin umfasst auch die anwendungsbezogene Forschung ihrer Vertreter zur Beschaffenheit und Funktion des menschlichen (Humanmedizin) und tierischen Körpers (Veterinärmedizin) in gesundem und krankem Zustand, mit der sie ihre Diagnosen und Therapien verbessern will. Die Wissenschaftliche Medizin bedient sich dabei der Grundlagen, die Physik, Chemie, Biologie und Psychologie erarbeitet haben.

Die Lehre von der Heilkunst wird selten auch die Iatrik genannt (ausgesprochen Iátrik, vom griechischen substantivierten Adjektiv ἰατρική [τέχνη], altgriechische Aussprache iatrikḗ [téchnē], „ärztliche Kunst“ oder „ärztliches Handwerk“; häufiger in Zusammensetzungen wie „iatrogen“, „Pädiatrie“, „psychiatrisch[1]).

Inhaltsverzeichnis

Heilkunde

Väter der Medizin (Manuskript, 15. Jhdt.)

Die Medizin ist eine praxisorientierte Erfahrungswissenschaft. Ziele sind die Prävention (Vorbeugung) von Erkrankungen oder von deren Komplikationen; die Kuration (Heilung) von heilbaren Erkrankungen, oder die Palliation (Linderung) der Beschwerden in unheilbaren Situationen. Auch die Rehabilitation (Wiederherstellung) der körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Patienten ist Aufgabe der Medizin. Ärzte und nichtärztliche Therapeuten erstellen dafür Behandlungspläne und überwachen den Behandlungsverlauf in der Patientenakte. Diese patientenbezogenen Unterlagen sind gleichzeitig Dokumente von juristischer Bedeutung. Im medizinischen Alltag werden im Idealfall wissenschaftliche Erkenntnisse mit den Resultaten der Anamnese sowie der ärztlichen Intuition und Erfahrung kombiniert, um dem individuellen Patienten gerecht zu werden.

Dabei ist die persönliche Patient-Arzt-Beziehung wesentlich, die immer dann entsteht, wenn jemand mit einem Gesundheitsproblem Hilfe sucht. Nach Ansicht der Medizinhistoriker hat sich diese Beziehung mit dem Aufkommen der modernen Medizin fundamental gewandelt. Das Expertenwissen und die Autorität der einheitlich ausgebildeten Ärzte hat ihnen eine dominante Rolle beschert, die Barbiere, Steinschneider, aber auch akademische Mediziner des alten Schlages mit ihren meist erfolglosen Krankheitstheorien nicht hatten. Die Ärzteschaft hat heute die weitgehende Definitionsmacht, was Krankheit ausmacht und welche medizinischen und medizinisch-politischen Maßnahmen dagegen ergriffen werden sollten. Andererseits hat die bürgerliche Gesellschaft (in Deutschland seit der späten Kaiserzeit) auch wieder versucht, den paternalistischen Ermessenspielraum der Ärzte zu beschneiden, etwa durch die 1884 (Richard Keßler) erstmals veröffentlichte juristische Einstufung ärztlicher Eingriffe als Körperverletzung, für die die Zustimmung des Patienten unabdingbar ist. Es wird nunmehr eine deliberative Leistung vom Therapeuten erwartet, dessen Fachwissen die freie Entscheidungsgewalt des Patienten stützt, nicht ersetzt. Die damit verbundene Pflicht zur ärztlichen Aufklärung ist auch unter dem Eindruck des überwundenen NS-Regimes heute international unangefochten; sowohl in international gültigen Dokumenten wie der Deklaration von Helsinki als auch im nationalen Strafrecht und den Berufsordnungen der Medizinalberufe.

Sowohl Ärzte als auch andere Heilberufe verwenden einen analytischen Krankheitsbegriff - die Krankheit als Funktionsstörung des Organismus. Auf Basis einer Vertrags- und Vertrauensbeziehung können Daten zur Krankengeschichte (Anamnese) erhoben werden und eine gründliche klinische Untersuchung durchgeführt werden. Technische Verfahren zur medizinischen Untersuchung mithilfe eines Labors, bildgebender Verfahren wie Röntgen und vieler anderer Untersuchungsverfahren wie des Elektrokardiogramms ergänzen die gesammelten Informationen. Zur ärztlichen Kunst gehört es, die Vielzahl der Fakten und Beobachtungen zur Diagnose zu integrieren. Nur eine korrekte Diagnose ermöglicht die erfolgreiche Therapie. Dieser analytische Krankheitsbegriff der wissenschaftlichen Medizin hat weitgehend - übernommen auch von vielen alternativen Therapeuten - die ontologischen Vorstellungen früherer Jahrhunderte weitgehend abgelöst. Umstrittene Grenzfälle der Krankheitsdefinition sind Behinderungen und psychische Erkrankungen, deren Definition stets auch gesellschaftlich sein wird.

Gesundheitssystem

Ausgaben der deutschen Krankenkassen 1993-2006
Hauptartikel: Gesundheitssystem

Den nationalen juristischen und finanziellen Rahmen für die Ausübung der Heilkunde stellt das jeweilige Gesundheitssystem eines Staates dar. Während des Mittelalters leisteten Kirchen und Kommunen mit Hospitälern und angestellten Ärzten eine rudimentäre Form der Krankenfürsorge. Nach dem Aufkommen der mächtigen Nationalstaaten zogen diese zunächst die Kontrolle und Aufsicht über die Heilberufe an sich, verabschiedeten Approbationsordnungen und Gebührenordnungen. Preußen schaffte 1852 die überkommene Trennung des Ärztestandes zwischen Chirurgen und Ärzten ab und schloss die Chirurgenschulen. Auf Betreiben liberaler Kreise, zu denen auch Rudolph Virchow gehörte, erlaubte die erste Gewerbeordnung des deutschen Reiches (1871) die Therapiefreiheit auch für nichtapprobierte Behandler, die mit dem bis heute gültigen Heilpraktikergesetz (1939) erhalten blieb.

Unter der Kanzlerschaft Otto von Bismarcks gab sich Deutschland das weltweit erste allgemeine soziale Sicherungssystem, mit Einschluss einer gesetzlichen Krankenversicherung für alle Arbeitnehmer und deren Angehörigen, die heute 90 % der Bevölkerung umfasst. Die niedergelassenen Ärzte organisierten sich gegen die zunächst übermächtige Verwaltung (Hartmannbund, 1900) und setzten in Ärztestreiks die heutige Selbstverwaltung durch, nach der die Kassenärzte für die Sicherstellung der ambulanten Krankenversorgung allein verantwortlich sind und dafür eine Gesamtvergütung erhalten (Notverordnung, 1931). Nach der Wiedervereinigung wurden auch die in der DDR üblichen Ambulatorien aufgelöst oder in Arztpraxen umgewandelt. Die Gesundheitsämter spielen außerhalb von Katastrophen keine Rolle in der Krankenversorgung. Die stationäre Medizin in Krankenhäusern blieb dagegen in überwiegend staatlicher Hand. Deutsche Krankenhäuser schließen Versorgungsverträge mit den Krankenkassen ab und erhalten zudem Investitionskostenzuschüsse aus Steuermitteln, haben also eine duale Finanzierung, die völlig von der kassenärztlichen Schiene getrennt ist. Zahlreiche Reformen der Gesundheitsgesetzgebung haben versucht, die damit drohende Doppelversorgung mit teurer Infrastruktur (etwa medizinische Großgeräte) zu verhindern. Andere Industriestaaten haben andere Lösungen erarbeitet. So gibt es entwickelte Nationen mit nationalen, steuerfinanzierten Gesundheitssystemen (so das National Health Service in Großbritannien) oder mit weitgehend unregulierten Anbietermärkten (so das Gesundheitssystem der Vereinigten Staaten). In anderen europäischen Staaten gibt es regulierte Märkte mit starkem öffentlichen Sektor; beispielsweise trägt im Gesundheitssystem Deutschlands die öffentliche Hand über die Gesetzliche Krankenversicherung und die staatlichen Klinikzuschüsse ca. 80 Prozent der gesamten Ausgaben zur Krankenbehandlung.

Mit der Zunahme der Ärzte und Kliniken, der verbesserten technischen Möglichkeiten, und des demographischen Wandels ging eine kontinuierliche Verteuerung des Gesundheitswesens einher, gegen die zahlreiche Gesundheitsreformen eingesetzt wurden. Diese legten nicht nur Leistungsumfang und Bezahlung fest, sondern regulierten in zunehmendem Maße auch die konkrete Leistungserbringung und Qualitätskontrolle. Über die so eingeführte Rationalisierung (Effizienzsteigerung), implizite und explizite Rationierung (Leistungsbegrenzung), und die erreichte Verteilungsgerechtigkeit debattiert die Gesellschaft intensiv.

Eine verbreitete Klassifikation der medizinischen Versorgung unterscheidet drei Sektoren:

  • Die medizinische Grundversorgung (englisch primary care, „Hausarztmedizin“) wird von Arztpraxen, allgemeinen Krankenhausambulanzen und anderen öffentlichen ambulanten Einrichtungen getragen. Etwa 90 Prozent der akuten und chronischen Gesundheitsprobleme sollen auf dieser kostengünstigen und flächendeckenden Ebene behandelt werden.
  • Die sekundäre Versorgung (englisch secondary care, Schwerpunktversorgung, „Facharztmedizin“) bilden niedergelassene und angestellte Fachärzte aller Richtungen sowie anderer Spezialisten, die auf Überweisung der Primärärzte tätig werden. Die Facharztbehandlung findet ambulant oder stationär (nach Aufnahme in einem Krankenhaus) statt. Innerhalb dieses Sektors werden Notaufnahmen, Intensivstationen, Operationssäle, Labor- und Röntgendiagnostik, Physikalische Therapie vorgehalten.
  • Die tertiäre Versorgung (tertiary care, Maximalversorgung) beruht auf spezialisierten Kliniken und Zentren, die größere Regionen oder mehrere Städte mit besonders teuren und aufwendigen Leistungen versorgen, etwa Unfall- und Verbrennungskliniken, Krebszentren, Transplantationskliniken und neonatologische Zentren.

Spektrum der Medizin

Die Vielfalt der Lehren und die Zunahme des Wissens haben zu einer Aufgliederung der Medizin in eine große Anzahl von Fachgebieten und Subspezialisierungen geführt.

Die Grundlage der wissenschaftlichen Medizin bilden die Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Physik), speziell Humanbiologie, Anatomie, Biochemie, Physiologie, ergänzt durch Psychologie und Sozialwissenschaften (vgl. Medizinsoziologie, Epidemiologie, Gesundheitsberichterstattung und Gesundheitsökonomie). Im deutschen Medizinstudium werden diese Fächer als Vorklinik im ersten Abschnitt zusammengefasst. Klinische Fächer befassen sich mit der Krankenbehandlung selbst. Zu ihnen gehören die traditionellen Fächer der Inneren Medizin und der Chirurgie, der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, und seit ca. 1800 der Kinderheilkunde. Jüngere Spezialisierungen sind zum Beispiel die Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Pulmonologie, Sozialmedizin und Psychiatrie. Im 20. Jahrhundert bildeten sich technikorientierte Fächer wie Radiologie und Strahlentherapie, und Fachgebiete mit integrativem Anspruch wie Geriatrie und Palliativmedizin. Zu diesen ärztlichen Fachgebieten gehören auch Subspezialisierungen wie Kinderkardiologie, Neuroradiologie, Suchtmedizin und viele andere, deren Inhalte zum Beispiel in Deutschland in der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer kodifiziert sind.

Hinzu treten die Aufgabengebiete der übrigen Heilberufe, etwa die Krankengymnastik, Logopädie, medizinisch-technische Assistenz, medizinische Assistenz, die ebenso wie der Arztberuf eine hohe Spezialisierung und Professionalisierung erlangt haben. Insbesondere die Krankenpflege hat sich von der rein karitativen Hilfestellung mittlerweile zu einer akademischen Wissenschaft und selbstständigen Stütze der Krankenversorgung entwickelt.

Traditionelle Heilmittel in China

Neben dieser, staatlich sanktionierten und kontrollierten Medizin steht eine Vielzahl von alternativ- oder komplementärmedizinischen Angeboten, die definitionsgemäß an den medizinischen Hochschulen nicht gelehrt werden. Je nach ihrem gesellschaftlichen Stellenwert können einige dieser Lehren und Methoden dennoch einer gewissen Standardisierung und Akademisierung (durch privatrechtliche Verbände und Schulen) unterliegen und in die staatliche Gesundheitsfinanzierung aufgenommen werden; in Deutschland zum Beispiel die besonderen Heilverfahren Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Anthroposophische Medizin und Akupunktur. In den USA ist die Osteopathie ähnlich breit verankert. Viele komplementäre Methoden (Diätetik, Ordnungstherapie, Naturheilkunde) sind von weiten Teilen der praktizierenden Ärzteschaft anerkannt; andere (traditionelle Medizinsysteme, Volksheilkunde) zumindest von vielen Ärzten. Zahllose ungesicherte Methoden und Verfahren stehen am Rand des Spektrums und werden nur von einzelnen Behandlern angewendet; manche gelten als gefährlich für die Patienten (z. B. Clark-Therapie, Germanische Neue Medizin). In den USA und in Deutschland werden Versuche, Hochschulmedizin und Komplementärmedizin miteinander zu verbinden, auch mit dem Schlagwort Integrative Medizin bezeichnet.[2]

Aufgrund der mangelnden Theoriebildung kann die Medizin nur eingeschränkt als Wissenschaft bezeichnet werden. Der Ansatz der Evidenzbasierten Medizin versucht hier Abhilfe zu schaffen, indem die klinische Entscheidungsfindung an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet wird, das heißt, Therapieformen werden nur dann akzeptiert, wenn ihre Wirksamkeit mittels klinischer Studien nachgewiesen wurde. Am grundsätzlichen Versuch-und-Irrtum-Vorgehen der medizinischen Grundlagenforschung änderte dieser Fortschritt bisher nichts. Dennoch bildet die Medizin zusammen mit den Naturwissenschaften in der heutigen Wissenschaftslandschaft, insbesondere an Universitäten, einen Eckpfeiler der Forschung und Finanzierung, womit auch ihr hohes Ansehen in der Allgemeinheit teilweise begründet werden kann. Dies wurde zuletzt im Rahmen der Exzellenzinitiative deutlich.

Geschichte

Harnschau im 17. Jahrhundert
Hauptartikel: Medizingeschichte

Im Altertum bildeten sich in den Hochkulturen von China, Indien, und im Mittelmeerraum unterschiedliche Medizinsysteme heraus, die vielfach verändert und vermischt auch in der westlichen Alternativmedizin eine große Rolle spielen. Die traditionelle chinesische Medizin entstand etwa im zweiten Jahrtausend vor Christus aus einfachen Dämonen- und Ahnenheilkulten; in der nachkonfuzianischen Zeit differenzierte sie sich zu dem noch heute bestehenden naturphilosophischen System aus dualen und elementaren Entsprechungen. Die praktische Medizin stammt aus der Zeit um 300 v. Chr., die Pharmakologie mit dem Werk von Tao Hongjing, die Akupunktur mit dem anonymen Werk Huángdì Nèijīng (Die Medizin des gelben Kaisers). In der Neuzeit unter Einfluss der kommunistischen Regierung und der zunehmenden westlichen Rezeption wurden die Techniken perfektioniert und standardisiert, die ursprüngliche magische Dämonenlehre dagegen aufgegeben.

Die Ayurveda-Medizin Indiens wurde ebenfalls um 500 v. Chr. aus den älteren, magisch-theistischen Glaubensinhalten definiert. Sie beruht theoretisch auf einer Temperamentenlehre verbunden mit einer Gleichgewichtsphysiologie der Elemente Luft, Galle und Schleim, praktisch auf Ernährung und Meditationsübungen. Erste schriftliche Hinweise dazu finden sich schon im Arthashastra; ausführliche Lehrbücher stammen von Sushruta, Chakara und Vagbhata. Auch Yoga wird zur Heilbehandlung angewendet.

In der Medizin der ägyptischen, griechischen und römischen Antike wurzelt die heute weltweit verbreitete, westliche Medizin. Historiker teilen die antike Medizin in vier Phasen ein. Die erste, theurgisch-magische Medizin behandelte Kranke in Tempeln und versuchte, göttliche Heilwunder auszulösen. Ihr Ende wird mit der Lebenszeit des Hippokrates von Kos assoziiert. Hippokrates war Namensgeber, sicher aber nicht der einzige Ursprung einer neuen Naturphilosophie aus Elementenlehre und Qualitätenpathologie, die ärztliches Handeln vom direkten Einfluss der Gottheiten unabhängig machte. Die hippokratische Praxis aus Diagnose, Therapie und Prognose ist bis heute üblich; die hippokratischen Fallbeschreibungen gelten als Ursprung der heutigen wissenschaftlichen Medizin. In der folgenden hellenistischen Phase bildeten sich neben der hippokratischen weitere Ärzteschulen aus, etwa die der Empiriker, der Methodiker oder der Pneumatiker. Schließlich folgte die griechisch-römische Phase, gekennzeichnet durch herausragende Autoren wie Celsus, Dioskur und Galen. Deren anatomische, pharmakologische und chirurgische Werke bestimmten neben dem des Hippokrates bis zur Aufklärung das medizinische Denken im Abendland.

In der byzantinischen Epoche wurden die antiken Vorbilder tradiert und durch Pulslehre und Harnschau ergänzt. Nach dem Fall Konstantinopels übernahmen islamische Gelehrte die medizinischen Traditionen und entwickelten Schulen für Botanik, Diätetik und Chirurgie, darunter herausragend das Werk des Avicenna. Die klassischen Autoren, meist in islamischer Übersetzung und Kompilation, blieben der Kernbestandteil der westlichen Medizin bis zum 16. Jahrhundert. Die einflussreichste Medizinschule gab es in Salerno. Neue Beiträge der Klostermedizin des Mittelalters waren astrologische und theologische Komponenten sowie die Signaturenlehre, nach der Heilpflanzen durch ihre äußeren Eigenschaften erkennbar sind - eine Vorstellung, die in ähnlicher Form erst viel später von der Homöopathie wieder aufgegriffen wurde.

Nach jahrhundertelangem Stillstand lösten sich die Mediziner in der Renaissance von den antiken Vorbildern. Der Anatom Andreas Vesalius war Sinn- und Vorbild eines neuen Gelehrtentyps, der aufgrund eigener Anschauung schrieb und Widersprüche zu Hippokrates und Galen aushielt. Gleichzeitig revolutionierte Ambroise Paré die Chirurgie, und Paracelsus verwarf in seiner Iatrochemie die hippokratische Säftelehre. Im 17. Jahrhundert begann mit den Experimenten des Francis Bacon das Zeitalter der wissenschaftlichen Medizin, das bis heute andauert. Die Krankheitstheorien waren noch nicht wie heute gefestigt; erst im 19. Jahrhundert setzte sich die Pathologie gegen konkurrierende Lehren wie die Humoralpathologie oder die Hufelandsche Lebenskraft endgültig durch.

Das 20. Jahrhundert war schließlich geprägt von enormem Wissenszuwachs und demzufolge Ausdifferenzierung von zahlreichen medizinischen Fachrichtungen, etwa der Bakteriologie, der Hygiene, der Anästhesiologie, der Sozialmedizin oder der Psychiatrie. Gleichzeitig gewannen die Industriestaaten zunehmend Aufsichtfunktionen über das Gesundheitswesen und es etablierte sich teilweise ein nationales Gesundheitssystem, wie etwa das NHS in England. Zerr- und Schandbild der staatlichen Überwachung bildete die Medizin im Nationalsozialismus. Den gegenwärtigen Endpunkt der Entwicklung bildet die evidenzbasierte Medizin und die flächendeckende Einführung von Qualitätsmanagementsystemen in allen Bereichen der Patientenversorgung.

Siehe auch

 Portal:Medizin – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Medizin

Literatur

  • William DePrez Inlow: Medicine: its nature and definition. Bulletin of the History of Medicine, 1946.
  • Wolfgang Eckart: Geschichte der Medizin. Springer, 6. Auflage 2009. ISBN 978-3-540-79215-4
  • Roy Porter: Cambridge illustrated history: Medicine. Cambridge University Press, 4th. Ed. 2009. ISBN 978-0-521-00252-3
  • Stefan Schulz, Klaus Steigleder, et al. (Hrsg.): Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Suhrkamp 2006. ISBN 978-3-518-29391-1

Weblinks

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Zeitschriften

Einzelnachweise

  1. Duden Deutsches Universalwörterbuch. Verlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 5. Auflage, Mannheim 2003 online-Fassung
  2. "Integrative Medizin" in Medical Tribune 2010

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