- Ratengleichungen
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Ratengleichungen beschreiben die zeitlichen Konzentrationsverläufe verschiedener Spezies, zum Beispiel bei gekoppelten chemischen Reaktionen, oder bei An- und Abregungsprozessen verschiedener Niveaus bei Atomen oder Molekülen:
(Gl.1) - die an den Reaktionen beteiligten Spezies.
- Konzentration der Spezies ,
- Reaktionsgeschwindigkeit der Spezies ,
- sind die stöchiometrischen Koeffizienten der Spezies i in der Reaktion j,
- Ratenkoeffizienten (i.A. Geschwindigkeitskonstanten),
- Anzahl der Reaktionen,
- die j Produkte werden über die Konzentrationen mit negativen (Edukte) gebildet.
Bei den Ratengleichungen handelt es sich i.a. um ein System von gekoppelten, steifen, nichtlinearen Differentialgleichungen erster Ordnung, für die die Bausteinerhaltung gelten muss.
Im stationären Fall liefert Gleichung 1 das Massenwirkungsgesetz.
Inhaltsverzeichnis
Ratenkoeffizenten
Die in den Ratengleichungen auftretenden Reaktionsratenkoeffizienten können allgemein als beliebige Funktionen der jeweiligen, gegebenenfalls zeitabhängigen Temperatur (siehe auch Plasmaphysik: Thermisches Gleichgewicht) betrachtet werden. Im allgemeinen müssen Ratenkoeffizienten für chemische Prozesse der schweren Teilchen aus der Literatur entnommen werden ('Geschwindigkeitskonstante' einer chemischen Reaktion), die Ratenkoeffizienten für die elektronenstoßinduzierten Prozesse können mit Hilfe der Elektronenkinetik erhalten werden.
Grundlage für die kinetische Behandlung der Elektronen, sowohl zur Berechnung derartiger Ratenkoeffizienten, als auch elektronischer Transportprozesse (elektrische Leitfähigkeit) bildet die Boltzmann-Gleichung für die Elektronenenergieverteilung.
Beispiel
Wasserstoffoxidation
Zur Verdeutlichung wird die Wasserstoffoxidation herangezogen:
(Ratenkoeffizient: ) ein Teil dissoziiert
(Ratenkoeffizient: ) Die Ratengleichungen (Gl.1) für die sechs Spezies lauten:
Die Konzentrationen der Spezies:
Numerische Lösungsmethoden
Da es sich bei den Ratengleichungen um ein System von steifen Differentialgleichungen handelt, ist man gezwungen ein Verfahren mit einem möglichst großen Stabilitätsgebiet zu wählen, damit die Integrationsschritte nicht allzu klein werden. Am günstigsten sind A-stabile Verfahren.
Für die Ratengleichungen bedeutet 'steif', dass sich die Zeitkonstanten der verschiedenen Spezies sehr stark unterscheiden: Im Verhältnis zu anderen ändern sich einige Konzentrationen nur sehr langsam. Zwei Beispiele absolut steif-stabiler Integrationsverfahren sind die Implizite Trapez-Methode und die Implizite Euler-Methode.
Zur Lösung von Ratengleichungen sind auch einige BDF-Verfahren (backward differentiation formula), z.B. nach Gear und Hindmarsh, geeignet.
Bausteinerhaltung
Das Prinzip der Bausteinerhaltung liefert eine Möglichkeit, die Güte der numerischen Lösungen zu überprüfen, denn es gilt zu jedem Zeitpunkt:
wobei
- Minimale Anzahl der Bausteine,
- Anzahl an den Reaktionen beteiligten Spezies.
Herleitung
Eine Spezies i, hier geschrieben als Ai setzt sich dabei aus den Bausteinen Bk folgendermaßen zusammen:
- .
in die Ratengleichung (Gl.1) eingesetzt und über alle Spezies summiert, liefert wegen die oben genannte Bausteinerhaltung.
Beispiel für die Matrix βik
Literatur
- W. Frie: Berechnung der Gaszusammensetzungen und der Materialfunktionen von SF6, Zeitschrift für Physik, 201, 269, 1967; Springer-Verlag - Berlin - Heidelberg - New York
- C. Schwab: Beiträge zur kinetischen Modellierung von teilweise ionisierten Nichtgleichgewichtsplasmen, Dissertation an der Fakultät für Physik der Eberhard Karls Universität zu Tübingen 1989
- H. R. Schwarz: Numerische Mathematik, B.G.Teubner Stuttgart; 1986; ISBN 3-519-02960-X
- G. Wedler: Lehrbuch der Physikalischen Chemie, Wiley-VCH, 2004, ISBN 3527310665
- D. A. McQuarrie, J. D. Simon, J. Choi, Physical Chemistry: A Molecular Approach, University Science Books, 1997, ISBN 0935702997
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