Rational-emotive Therapie

Rational-emotive Therapie

Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) gehört zu den psychologischen Verfahren und ist sowohl gesprächs- als auch verhaltensorientiert. Sie gehört nach einem langen Entwicklungsprozess heutzutage zu der Gruppe der Verhaltenstherapien und speziell zu den kognitiven Verhaltenstherapien. Mittelpunkt ist der Mensch als zielorientiertes und soziales Wesen, das daran leidet, von blockierenden Einstellungen und Gefühlen an der Erreichung von Zielen gehindert zu werden. Dabei wird durch Veranschaulichung veränderter Attributionen aufgezeigt, dass man diesem Leiden nicht hilflos ausgeliefert ist, sondern dass mit Hilfe der eigenen geistigen Kräfte gelernt werden kann, Gefühle und Verhalten aktiv zu verändern. Die Therapie setzt an (gegenwärtigen und vergangenen) Konflikten auf der Einstellungs-, Gefühls- und Verhaltensebene an.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund / Theorie

Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT, vormals RET) ist die älteste und erste der heutigen Kognitiven Verhaltenstherapien, begründet 1955 von Albert Ellis. Die RET entwickelte sich zwar unabhängig von der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT), ihre Ideen wurden jedoch etwa zehn Jahre später nach der „kognitiven Wende“ von der Verhaltenstherapie aufgenommen. Die RE(V)T-Methoden stellen heute neben Becks Kognitiver Therapie eine wichtige Grundlage der KVT dar. Weitere Wurzeln der KVT liegen in Meichenbaums Kognitiver Verhaltensmodifikation, Mahoneys entwicklungsorientierter Kognitiver Therapie u. a. Darüber hinaus verfügt die REVT aber in besonders ausgeprägtem Maße über einen explizit formulierten philosophischen Hintergrund. Auch das originäre REVT-Konzept der Selbst- und Fremdakzeptanz unterscheidet sie von anderen Formen der Kognitiven Verhaltenstherapie (z. B. Multimodale Therapie nach Arnold A. Lazarus oder Self-Management Therapie nach Frederick Kanfer), wenngleich diese Grundhaltung der REVT auch von einigen Vertretern neuerer Entwicklungen der KVT rezipiert wurde, so z. B. in der Acceptance and Commitment Therapy (ACT) nach Hayes oder der sog. „Dialektisch- behavioralen Therapie“ nach Marsha Linehan. REVT ist ein ganzheitlicher handlungsorientierter humanistischer Psychotherapieansatz mit dem Ziel emotionalen Wachstums: die Klienten werden ermutigt, ihre Gefühle bewusst zu erleben und auszudrücken, wobei der Zusammenhang von Denken, Fühlen und Handeln betont wird.

Geschichte / Herkunft

Die RET bzw. REVT (Umbenennung durch Albert Ellis selbst) wurde 1955 von dem in Pittsburgh, Pennsylvania geborenen amerikanischen Psychologen Albert Ellis entwickelt. Er arbeitete zuvor psychoanalytisch, war jedoch dabei mit den Ergebnissen seiner Arbeit unzufrieden. In Deutschland wird die nach ihm benannte Ellis-Methode (vgl. Schwartz, 2004) seit etwa 1980 mit zunehmender Verwendung ausgeübt. Die ersten in Deutschland hierzu veröffentlichten Bücher („RE-Therapie“, „Rational-emotive Therapie in der Klinischen Praxis“) von D. Schwartz bzw. Keßler und Hoellen sind 1981 bzw. 1982 erschienen und haben zu einer weitgehenden Verbreitung des Verfahrens in Deutschland beigetragen. Die REVT ist ein humanistischer Psychotherapieansatz und wurde auf dem Hintergrund eines lernpsychologisch-erfahrungswissenschaftlichen Modells entwickelt.

Grundlagen

Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie baut auf dem sogenannten "ABC-Modell" auf. Ein auslösendes äußeres oder innerpsychisches Ereignis (A=activating event), wie z. B. der Tod eines Familienangehörigen, wird aufgrund bestimmter bewusster oder unbewusster Überzeugungen, Bewertungsmuster, Einstellungen oder Lebensregeln (B=beliefs oder belief systems), die in der auslösenden Situation aktiviert werden, bewertet. Diese Bewertung der Ereignisse ruft als Konsequenz (C=consequences) dann emotionale Reaktionen und Verhaltensweisen (z. B. Trauer, Sorge, Angst) hervor. D.h. dass die Bewertung eines Ereignisses die emotionalen Reaktionen und Verhaltensweisen bestimmt. Wenn ein Ereignis als irrelevant bewertet wird, führt dies zu keiner emotionalen Reaktion. Die Bewertung eines Ereignisses als günstig führt zu positiven Emotionen und die Bewertung als ungünstig zu negativen Emotionen. Nach Ellis werden psychische Störungen durch „irrationale“ Überzeugungen bzw. Bewertungsmuster bedingt. Als „irrational“ bezeichnet man Überzeugungen, wenn sie subjektiv belastend sind und die Verwirklichung der eigenen Lebensziele behindern. „Rationale“ Überzeugungen hingegen sind im Hinblick auf Emotionen und Verhaltensweisen hilfreich und zielführend. Die von Ellis beschriebenen irrationalen Überzeugungen werden in vier Grundkategorien zusammengefasst:

1. Absolute Forderungen: Wünsche werden zu absoluten Forderungen („ich muss …“, „die anderen müssen …“);

2. Globale negative Selbst- und Fremdbewertungen: statt einzelner Eigenschaften, wird die ganze Person als minderwertig bewertet („ich bin wertlos/ein Versager …“, „der andere taugt nichts …“);

3. Katastrophisieren: negative Ereignisse werden überbewertet („es wäre absolut schrecklich, wenn …“);

4. Niedrige Frustrationstoleranz: Glaube, negative Ereignisse nicht aushalten zu können („ich könnte es nicht ertragen, wenn …“).

Viele irrationale Überzeugungen stellen eine Verknüpfung von absoluten Forderungen (Kategorie 1) und Bewertungen der Kategorien 2 bis 4 dar. Die Forderung, alles schaffen zu müssen, führt bei Nichterfüllung z. B. zu der Schlussfolgerung, wertlos zu sein oder es nicht aushalten zu können.

Ziele

Dabei können eine Vielzahl von Störungen im psychischen und psychosomatischen Bereich, z. B. Depressionen und Ängste behandelt werden. Ziel des Verfahrens ist es, die irrationalen (selbstschädigende, nicht zielführende) Bewertungen zu erkennen und zu verändern. Dies soll dem Patienten idealerweise zu einer „rationaleren“ Lebensanschauung verhelfen und ihn in die Lage versetzen, mit zukünftigen Problemen angemessen umgehen zu können.

Dabei werden Selbst- und Fremdwahrnehmung in den Mittelpunkt gestellt und überprüft, inwieweit eigene Überzeugungen selbstwertdienlich oder -schädlich sind, so dass Patienten bzw. Klienten lernen können, sich selbst und ihre Lebensweise zu akzeptieren und die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Dabei wird der Fokus auf die Möglichkeit gesetzt, dass aus eigener Kraft bestimmte Veränderungen vorgenommen werden können und die Klienten den Problemen oder Konflikten nicht hilflos ausgeliefert sind.

Dabei entstanden ist der Begriff der Negativen Triade: der Patient hat negative Ansichten und kognitive Fehleinstellungen (wie z. B. willkürliche Schlüsse, selektive Abstraktion, Übergeneralisierungen, Über- und Untertreibungen sowie dysfunktionale Bewertungsmodi wie Katastrophisieren, Muss-Denken und pauschale Personenbeurteilung) über sich selbst, die Umwelt und die Zukunft. Betrachtete man diese Triade aus der Sicht der Attributionstheorie, so würde das auf eine interne, globale und stabile Einstellung den Dingen gegenüber hindeuten. Ziel ist es wie oben bereits beschrieben, diese Attributionen zu ändern.

Die Altersgruppe der Klienten ist nicht festgelegt. Kinder, Jugendliche und auch junge und ältere Erwachsene können behandelt werden, so dass keine Altersbeschränkungen vorliegen, solange der Klient noch versteht, worauf die Therapie abzielt.

Anwendung / Vorgehensweise

Es gibt eine Unterteilung in Einzel- und Gruppentherapie. In der Therapie werden irrationale Überzeugungen bewusst gemacht, in Frage gestellt (Disputation) und im Sinne einer kognitiven Umstrukturierung verändert. Diese aus den Überzeugungen und Einstellungen resultierenden Gefühle sollen gleichzeitig intensiv(er) erlebt und verändert werden.

Die Veränderung der Einstellungen erfolgt u. a. durch den sokratischen Dialog. Dadurch werden die aktuellen Überzeugungen und Lebensphilosophien kritisch durch eine Auseinandersetzung mit ihrer Zweckmäßigkeit, ihrer Logik oder ihrer empirischen Belegbarkeit hinterfragt (Disputation). Dazu stellt der Therapeut offene Fragen und versucht damit, den Klienten anzuleiten, eigene Widersprüche zu erkennen. Dies geschieht mittels Vorstellungsübungen (emotive Disputation),in denen negative Gefühle evoziert und verändert werden, Verhaltensübungen (behaviorale Disputation), bei denen sich Klienten einer peinlichen Situation aussetzen um zu erfahren, dass ihre Befürchtungen nicht eintreten, mittels Identifikation automatischer Gedanken, Einschätzung kognitiver Verzerrungen und Veränderung der dysfunktionalen Kognitionen. Es wird erarbeitet, welche Gedanken unmittelbar mit dem Auftreten der gegenwärtigen belastenden Gefühle verknüpft sind, welche kognitiven Verzerrungen speziell dem Teufelskreis der Sorgen, Zweifel, Spannungen, Befürchtungen, körperlichen Angst und Vermeidungsverhalten zugrunde liegen und wie diese selbstschädigenden dsyfunktionalen kognitiven Schemata verändert bzw. durch hilfreichere ersetzt werden können. Hausaufgaben zwischen den verschiedenen Sitzungen dienen dazu, neue Einsichten in die Praxis umzusetzen (behaviorale Disputation). Dies ist ein wichtiger Abschnitt des sogenannten Working-through-Prozesses (deutsch: Prozess des Durcharbeitens) (um intellektuelle Einsicht in emotionale Einsicht zu verwandeln). Eine Kombination mit weiteren Techniken aus dem emotiven, kognitiven und verhaltensbezogenem Bereich, auch aus anderen Therapieschulen, ist möglich und sinnvoll.

Literatur

  • Baumann, U., Perrez, M. (Hrsg.) (1998). Lehrbuch Klinische Psychologie – Psychotherapie. Göttingen: Huber.
  • Dorsch, F., Häcker, H., Stapf, K.H. (1998). Dorsch Psychologisches Wörterbuch (13. Auflage). Bern: Huber Verlag.
  • Ellis, Albert. (1993). Grundlagen der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie. München: Pfeiffer
  • Ellis, A., Schwartz, D. & Jacobi, P. (2004). „Coach dich“. Würzburg: hemmer/wüst
  • Forster, T., Hoffmann, W., Eschenröder, C. T., Zimmermann, H. (1984, 2. Aufl.). Verhaltenstherapeutische Verfahren: München (Heyne)
  • Gebhardt, H.-J., Wutka, B. (1987). Verhaltenstherapie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
  • Keßler, B.H. & Hoellen, B. (1982). Rational-emotive Therapie in der Klinischen Praxis. Weinheim: Beltz.
  • Schwartz, D. (2006). „Gefühle verstehen und positiv verändern. Ein Lebenshilfebuch zur Rational-Emotiven Verhaltenstherapie“. München: cip medien
  • Schwartz, D. (2007). „Vernunft und Emotion. Die Ellis-Methode“. Dortmund: borgmann
  • Waters, V., Schwartz, D. u. a. (2004) „Fritzchen Flunder und Nora Nachtigall. Rational-Emotive Geschichten für Kinder“ Göttingen: Hans Huber Verlag
  • Schwartz, D. (2008). „Gefühle im Gespräch. Wie Emotionen unsere Kommunikation beeinflussen." München: mvgVerlag
  • Wilken, Beate (1998). Methoden der kognitiven Umstrukturierung. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Zeitschrift für Rational-Emotive & Kognitive Verhaltenstherapie (erscheint jährlich, seit 1990). Bezug: DIREKT e.V.

Weblinks


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