Kognitive Verzerrung

Kognitive Verzerrung

Kognitive Verzerrung (im englischen Original cognitive bias) ist ein kognitionspsychologischer Sammelbegriff für systematische (nicht zufällige) Tendenzen oder Neigungen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken und Urteilen, die meist richtig, gelegentlich aber falsch sind. Sie bleiben meist unbewusst. Oft resultieren daraus kognitive Heuristiken, wie zum Beispiel Urteilsheuristiken.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

  • Attributionsfehler, auch correspondence bias: Die Tendenz, die Ursache für ein beobachtetes Verhalten zu oft in der handelnden Person und zu selten in den äußeren Bedingungen zu suchen.
  • Bestätigungsfehler, auch confirmation bias: Die Tendenz, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass sie die eigenen Erwartungen erfüllen.
  • Kontrollillusion, auch illusion of control: Die falsche Annahme, zufällige Ereignisse durch eigenes Verhalten kontrollieren zu können.
  • Rückschaufehler, auch hindsight bias: Die Verfälschung von Erinnerungen nach einem Ereignis.
  • Impact Bias: Die psychischen Auswirkungen eines vorgestellten negativen Ereignisses wie Verlust des Arbeitsplatzes oder Trennung vom Partner werden in Dauer und Tiefe systematisch zu stark erwartet.[1]
  • Illusion einer gerechten Welt: Die Illusion, dass die Welt gerecht und jeder Mensch daher für seine Lebensumstände mehr oder weniger verantwortlich sei. Dadurch wird dem Opfer eines Verbrechens oft eine Mitschuld zugeschrieben.[2]
  • Der Aufrechterhaltung eines positiven, konsistenten Selbstbildes dienen die Selbstwertdienliche Verzerrung und der Lake-Wobegon-Effekt.
  • Die Tendenz, situative Hinweisreize zur Kausalattribution von Emotionen heranzuziehen, siehe Zwei-Faktoren-Theorie der Emotion.
  • Die Tendenz, generische als spezifische Maskulina zu lesen bzw. Rollenklischees entsprechende Vermutungen anzustellen (Baggerführer = Mann), siehe Gender Bias.
  • Die Tendenz, in Datenströmen Muster zu sehen, selbst wenn gar keine da sind, siehe Apophänie, Clustering-Illusion, Pareidolie.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. D. T. Gilbert, E. C. Pinel, T. D. Wilson, S. J. Blumberg, T. P. Wheatley: Immune neglect: A source of durability bias in affective forecasting. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 75, 1998, S. 617–638. Online-Text (PDF-Datei; 2,5 MB)
  2. M. Lerner: The Belief in a Just World. Plenum Press, New York 1980.

Aufsätze

  • J. St. B. T. Evans: Interpretation and matching bias in a reasoning task. In: Quarterly Journal of Experimental Psychology. Band 24, 1972, S. 193–199.
  • J. St. B. T. Evans, J. L. Barston, P. Pollard: On the conflict between logic and belief in syllogistic reasoning. In: Memory and Cognition. Band 11, 1983, S. 295–306.
  • K. C. Klauer, J. Musch, B. Naumer: On belief bias in syllogistic reasoning. In: Psychological Review. Band 107, 2000, S. 852–884.

Literatur

  • Daniel Kahneman, Paul Slovic, Amos Tversky: Judgment under uncertainty: Heuristics and biases. Cambridge University Press, Cambridge (UK) 1982.
  • Ken Manktelow: Reasoning and Thinking. Psychology Press, Hove (UK) 2000, ISBN 0-86377-709-0.
  • Margit E. Oswald, Stefan Grosjean: Confirmation Bias. In: R. F. Pohl: Cognitive Illusions: A Handbook on Fallacies and Biases in Thinking, Judgement and Memory. Psychology Press, Hove (UK) 2004, ISBN 1-84169-351-0.

Weblinks


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