Rattus domesticus

Rattus domesticus
Farbratte
Farbratte, Farbe agouti, Zeichnung hooded

Farbratte, Farbe agouti, Zeichnung hooded

Systematik
Überfamilie: Mäuseartige (Muroidea)
Familie: Langschwanzmäuse (Muridae)
Unterfamilie: Altweltmäuse (Murinae)
Gattung: Ratten (Rattus)
Art: Wanderratte (Rattus norvegicus)
Form: Farbratte
Wissenschaftlicher Name
Rattus norvegicus forma domestica

Die Farbratte, auch Großmaus genannt (wissenschaftlich: Rattus norvegicus domesticus oder korrekt Rattus norvegicus forma domestica), stammt von der wilden Wanderratte ab und ist durch Züchtung den Ansprüchen und Bedürfnissen des Menschen angepasst worden.

Inhaltsverzeichnis

Domestikation

Etwa gegen Anfang des 20. Jahrhunderts begann die Domestikation (Haustierwerdung) der Wanderratte. Fahrende Zirkusleute und Schausteller entdeckten Albinos von Wanderratten für sich und stellten sie aus. Dabei entdeckten sie schnell, dass diese Tiere und ihre Nachkommen immer zahmer und friedlicher als ihre wilden Vorfahren waren. Später wurden die Tiere auch für Labore und Versuchstierinstitute gezüchtet, was den Tieren auch den zusätzlichen Namen Laborratte einbrachte.

Besondere Bedeutung erlangte hierbei das Wistar Institute for Anatomy and Biology der University of Pennsylvania, Philadelphia (USA), das etwa 1906 damit begann, Ratten als „standardisierte“ Labortiere zu züchten. Sie sind heute als sogenannte Wistar-Ratten oder WISTARAT bekannt und in vielen Forschungslaboren auf der ganzen Welt vertreten[1]. Seit 1957 züchtet in Deutschland das Zentralinstitut für Versuchstierzucht Ratten für die Verwendung in Laboren.

In der Folgezeit bildeten sich immer mehr Farbvarianten heraus, was sie meist optisch deutlich von ihren wilden Verwandten unterscheidet. Deswegen bürgerte sich der Begriff Farbratte für die domestizierten Tiere ein. Bei der weiteren Züchtung wurde später besonders auf genetische Vielfalt geachtet. Inzwischen gibt es deutliche Unterschiede in Physiologie (Körperfunktionen), Anatomie (Körperbau) und Verhalten zwischen wilden Wanderratten und Farbratten. Deshalb ist es auch gerechtfertigt, von einer tatsächlichen Domestikation zu sprechen.

Merkmale

Im Vergleich zur Wanderratte haben Farbratten einen im Durchschnitt etwas kleineren Körper. Auch einige Organe wie etwa Herz, Nieren, Nebennieren und Schilddrüse sind etwas verkleinert[2]. Ebenso sind einige Gehirnteile wie Corpus striatum und Cerebellum verkleinert, was auch den verringerten Bewegungsdrang von Labor- bzw. Farbratten erklärt. Hingegen sind zum Beispiel das Riechzentrum, die Hypophyse und der Thymus nahezu unverändert oder sogar schwerer. Der durch die unterschiedlichen Organgrößen resultierende veränderte Hormonhaushalt bewirkt eine Verhaltensveränderung im Sinne einer deutlichen Verringerung einer möglichen Neophobie (beständigen Angst vor etwas Neuem), der Fluchtbereitschaft und der Fluchtdistanz (des Minimalabstandes zum Tier, der den Fluchtreflex auslöst). Umgekehrt zeigen Labortiere, die unter „Wildbedingungen“ gehalten werden, bald Annäherungen ihrer Organgewichte an die Wildformen.

Die Geschlechtsreife setzt bei ihnen früher ein, die Infertilität (hier: Altersunfruchtbarkeit) erreichen sie hingegen erst später. Das ergibt insgesamt einen vergrößerten Zeitraum der Fruchtbarkeit (Fertilität). Die durchschnittliche Zahl der Jungen ist bei der Farbratte ebenfalls größer als bei der ursprünglichen Wildform.

Eine Schädigung der Rattenaugen kann bereits bei einer Lichtstärke von 20.000 Lux auftreten (bei Albinos ab 10.000 Lux), ein heller Sonnentag kann jedoch bis zu 100.000 Lux erreichen.

Haltung

Eine junge Farbratte (3 Wochen alt)

Die Farbratte wurde ab den 1980er Jahren oft als „Punkerschmuck“ gehalten und ist mittlerweile als Haustier fest etabliert.

Die Tiere werden nur max. 2,5 bis 3 Jahre alt. Zudem erkranken ältere Ratten sehr oft an Mykoplasmose, Tumoren und Abszessen, wobei sie tierärztlicher Behandlung bedürfen.

Farbratten sind ebenso wie ihre wilden Vorfahren Allesfresser, die sich überwiegend pflanzlich ernähren.

Sozialverhalten

Farbratte beim Fressen einer Melonenscheibe

Da Ratten sehr soziale Tiere sind, sollte man sie niemals einzeln halten. Für Ratten sind die gegenseitige Fellpflege, das Spiel und die Kommunikation mit Artgenossen äußerst wichtig. Ratten putzen sich oft und ausgiebig gegenseitig und verständigen sich unter anderem über für den Menschen nicht hörbare Töne (Ultraschall). Es gibt Zuchtlinien, bei denen auch hörbare Geräusche zum häufiger vorkommenden Verhaltensrepertoire auch ohne gravierendere Bedrohung gehören können, was bei Weitergabe junger Tiere zu Irritationen führen kann. Davon zu unterscheiden sind Geräusche bei Atemwegsproblemen.

Ratten haben ein sehr ausgeprägtes Revierverhalten. Fremde Tiere, die das Revier eines Rudels betreten, werden vertrieben oder getötet. Dies sollte bei der Haltung von Ratten als Haustiere bedacht werden. Wenn neue Tiere geholt werden, muss eine Integration durchgeführt werden, um Verletzungen oder Todesfälle zu vermeiden. Dieses Revierverhalten ist bis zur zehnten Lebenswoche noch nicht vorhanden.

Einzelhaltung ist nur vertretbar, wenn durch einen Todesfall ein einzelnes Tier übrig bleibt und die Integration neuer Ratten fehlschlägt. In diesem Fall ist der Rattenhalter aufgerufen, möglichst viel Zeit mit dem Tier zu verbringen, zur Fellpflege beizutragen und durch liebevolle Zuwendung einem Rückzug der Ratte entgegenzuwirken. Andernfalls muss man mit Depression, Aggression und Autoaggression beim Tier rechnen.

Züchtungsformen

Albinoratte

Bei den Farbratten hat sich mittlerweile eine aktive Züchtergemeinschaft entwickelt, die gezielt auf bestimmte Merkmale züchtet. So gibt es in den USA die National Fancy Rat Society[3], die sogar genaue Richtlinien über das Aussehen der einzelnen Züchtungsformen herausgibt[4][5]. Das geht wie bei den Züchtungen von anderen Tierarten von „harmlosen“ Formen (z.B. bestimmte Fellfarbe oder bestimmte Muster) bis hin zu so genannten „Qualzuchten“. Es ist umstritten was als Qualzucht einzustufen ist und wird immer wieder rege diskutiert.

Gängige Züchtungen zielen hauptsächlich auf zwei Bereiche, oft kombiniert:

  • Verschiedene gezielte Färbungen, die entsprechende Fachbezeichnungen haben. Die Farben reichen von Weiß über Champagner und Creme über Grau hin zu Braun und Schwarz.
  • Verschiedene Musterungen wie zum Beispiel ein Streifen auf dem Rücken und/oder eine andere Färbung des Kopfes (die Ratte sieht dann aus als hätte sie eine Kappe auf).

Eine beliebte und weit verbreitete Züchtung ist zum Beispiel ein weißer Körper mit einem dunkleren Kopf und einem Streifen auf dem Rücken.

Umstrittene Züchtungen (oft Qualzuchten genannt) zielen meist darauf ab die Physiologie der Ratte zu beeinflussen[6][7][8]. Beispiele dafür sind:

  • „Dumbo“: Hauptmerkmal ist, dass die Ohren seitlich am Kopf statt oben sitzen. Der Name ist von Disneys Zeichentrick-Elefanten Dumbo entliehen, da die seitlichen Ohren an einen Elefanten erinnern. Die Ratte soll dadurch „niedlicher“ aussehen. Es wird vermutet, dass bei diesen Tieren durch die Züchtung häufiger bestimmte Erkrankungen und Behinderungen (Taubheit, Haltungsschäden) auftreten.
  • „Rex“: Bei dieser Züchtung ist das Fell nicht anliegend, sondern leicht gekräuselt. Die Tiere sehen vom Fell her Hamstern ähnlich. Das Problem ist, dass sich auch die Vibrissen (Schnurrhaare) und Wimpern kräuseln. Da die Vibrissen wichtig für das Gleichgewicht sind und vermutet wird, dass die gekräuselten Wimpern häufiger zu Augenentzündungen führen, wird diese Variante oft als Qualzucht angesehen.
  • „Nacktratten“: Es wird versucht, das Fell so weit wie möglich, am besten komplett weg zu züchten. Das betrifft auch die Vibrissen und Wimpern. Das fehlende Fell macht diese Tiere anfälliger für Kälte und Zugluft, auch direkte Sonnenstrahlung kann problematisch sein (Sonnenbrand).
  • Eine extreme Züchtung, die den Körperbau betrifft, ist die als „tailless“ (schwanzlos) bezeichnete Form. Der von vielen als ekelig betrachtete Schwanz wurde weggezüchtet. Dieser ist für die Ratte jedoch ein wichtiges Organ, das zur Temperaturregelung benötigt wird, beim Gleichgewicht halten hilft und beim Klettern als eine Art fünfte Hand genutzt wird.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. The Wistar Institute: History
  2. Ein Beitrag zur tiergerechten Haltung der Ratte anhand der Literatur, Inaugurations-Dissertation von Oliver Schleif, Seite 47
  3. Nation Fancy Rat Society
  4. NFRS: Varieties of Fancy Rat
  5. NFRS Standards of Excellence (Richtlinien über das Aussehen der einzelnen Zuchtformen)
  6. Colin Patterson: Pet rats, Verlag Lulu.com, ISBN 978-1-84728-570-6, S. 20-24
  7. Carol Himsel Daly: Rats - A Complete Pet Owner's Manuals, Barron's, ISBN 978-0-76412-012-1, S. 14
  8. Gerd Ludwig: Meine Ratte, Gräfe und Unzer Verlag, ISBN 978-3-83381-174-6, S. 23

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