Rauchopfer

Rauchopfer

Ein Rauchopfer ist eine Form des Opfers mit einer langsamen Verbrennung wohlriechender Stoffe zu Kultuszwecken, ein Gebrauch, der bis zu den Anfangsstufen der Kultur zurückreicht.

Anfangs geschah es vielleicht nur, um den üblen Geruch der animalischen Brandopfer zu verdecken, dass man dieselben mit wohlriechenden Hölzern und Harzen verbesserte. Mit steigender Geistesbildung aber erkannte man wohl überhaupt die unästhetische Seite des blutigen Speiseopfers und brachte es nur noch symbolisch mit Hilfe des Weihrauchs dar.

Im Altertum scheinen es namentlich die semitischen Völker gewesen zu sein, welche das Rauchopfer mit großem Gepränge verrichteten. Bei dem jährlichen Feste des Bel zu Babylon verbrannten die Chaldäer nach Herodot alljährlich für 1000 Talente Weihrauch, und Plutarch erzählt von dem dreimaligen Weihrauchopfer, welches die Ägypter morgens, mittags und abends der Sonne darbrachten.

Bei den Juden gelangte das Rauchopfer zum höchsten Ansehen; wir finden in der Bibel die genauesten Vorschriften über Zusammensetzung und Zeremoniell desselben. Jeder Priester führte seine eigne Rauchpfanne, und vor dem Vorhang des Zeltes stand der große, mit Gold überzogene Rauchaltar, auf dem morgens und abends Spezereien verbrannt wurden.

Die Griechen erlernten den Gebrauch des Weihrauchs, wie Plinius der Ältere berichtet, erst nach dem Trojanischen Krieg; aber bald wurde der Verbrauch desselben zu einem verschwenderischen Luxus, und Alexander der Große sandte, als er Arabien erobert hatte, einst eine Schiffsladung Weihrauch nach Hause, damit tüchtig geopfert werden könne.

Bei den Römern artete die Weihrauchverschwendung noch weiter aus, wie denn beispielsweise Nero bei dem Begräbnis seiner Gemahlin Poppäa, nach Plinius, mehr Weihrauch geopfert haben soll, als Arabien in einem ganzen Jahr liefern konnte. Bei dem großen Verbrauch wurden die Hauptbestandteile des Rauchwerkes, die Gummiharze Weihrauch, Myrrhen und Balsam, zu drei kostbaren Handelsobjekten, die zum Teil mit Gold aufgewogen wurden. So musste man zu Plinius' Zeiten das Pfund Weihrauch mit sechs Golddenaren (etwa 6 Dukaten) bezahlen, wodurch auch die biblische Erzählung, dass die Könige aus dem Morgenland dem neugeborenen Messias als größte Kostbarkeiten Gold, Myrrhen und Weihrauch brachten, verständlicher wird.

Die Christen betrachteten anfangs nicht ohne Grund das Rauchopfer als heidnischen Gräuel; aber schon im Lauf des 4. Jahrhunderts drang mit andern heidnischen Gebräuchen auch das Rauchopfer in den christlichen Ritus ein, und man verbot nur noch, diese Gott und den Heiligen allein zukommende Zeremonie auch nach römischer Sitte den kaiserlichen Bildsäulen zu spenden. Indessen lebte der Rauchaltar in alter Form nicht mehr auf, und an die Stelle der Rauchpfanne der Juden trat das Rauchfass, welches die Chorknaben bei heiligen Handlungen schwingen. Die offene Flamme des Altars wurde ihrerseits durch das ewige Licht und geweihte Kerzen ersetzt. Die protestantische Kirche hat auch diese Zeremonie, welche zu den verbreitetsten auf der Erde gehört, beseitigt.


Meyers Konversationslexikons logo.svg Dieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888–1890. Bitte entferne diesen Hinweis nur, wenn du den Artikel so weit überarbeitet oder neu geschrieben hast, dass der Text den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema widerspiegelt und dies mit Quellen belegt ist, wenn der Artikel heutigen sprachlichen Anforderungen genügt und wenn er keine Wertungen enthält, die den Wikipedia-Grundsatz des neutralen Standpunkts verletzen.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Rauchopfer — Rauchopfer, die Verbrennung wohlriechender Stoffe, besonders des Weihrauchs, als Beigabe zu blutigen oder unblutigen Opfern, aber auch als selbständiges Opfer, namentlich in Verbindung mit Gebet und Gesang, war im Orient uralt. Bei dem Feste des… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Rauchopfer — Rauchopfern (demHerrgott)einRauchopferdarbringen(bringen)=tabakrauchen.Rauchopfer,inderAntikeeinkultischerBrauch,bestandenausWeihrauch.1920ff,stud …   Wörterbuch der deutschen Umgangssprache

  • Rauchopfer — Es ist kein Rauchopfer so stark als der Dampf eines geängstigten Herzens. – Wirth, II, 314 …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Rauchopfer — Rauch|op|fer, das: ↑Brandopfer (1) …   Universal-Lexikon

  • Rauchopfer — Rauch|op|fer …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Basilika Notre-Dame-du-Port — Notre Dame du Port, Grundriss, Handskizze Notre Dame du Port, Schnitt Querhaus, Handskizze Die ehemalige Wallfahrts und …   Deutsch Wikipedia

  • Basilika Notre-Dame du Port — Notre Dame du Port, Grundriss, Handskizze Notre Dame du Port, Schnitt Querhaus, Handskizze Die ehemalige Wallfahrts und …   Deutsch Wikipedia

  • Boswellia — Dieser Artikel behandelt die für kultische, liturgische und medizinische Zwecke eingesetzte Weihrauchpflanze (Boswellia) und das aus ihr gewonnene Produkt; zu der als Weihrauchpflanze bezeichneten Balkonpflanze, auch unter dem Namen Mottenkönig… …   Deutsch Wikipedia

  • Dankopfer — Opfergaben in La Paz (Bolivien): Lamaembryonen, Süßigkeiten und Tonfiguren Ein Opfer (auch Opfergabe) bezeichnet in der Religion und der Mythologie die Darbringung von verschiedenen Gegenständen jeglicher Art an eine dem Menschen übergeordnete… …   Deutsch Wikipedia

  • Feueropfer — Opfergaben in La Paz (Bolivien): Lamaembryonen, Süßigkeiten und Tonfiguren Ein Opfer (auch Opfergabe) bezeichnet in der Religion und der Mythologie die Darbringung von verschiedenen Gegenständen jeglicher Art an eine dem Menschen übergeordnete… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”