Reformierte Kirche

Reformierte Kirche

Die Reformierte Kirche ist eine der großen christlichen Konfessionen in reformatorischer Tradition, die von Mitteleuropa ihren Ausgang nahmen. Sie geht vor allem auf das Wirken von Ulrich Zwingli in Zürich und Johannes Calvin in Genf (Calvinismus) im Zuge der Reformation zurück.

Die meisten reformierten Kirchen sind heute im reformierten Weltbund zusammengeschlossen. Weltweit sind die ursprünglich aus Schottland stammenden presbyterianischen Kirchen die größte Gruppe in der Familie der reformierten Kirchen.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Heute sind reformierte Kirchen auf allen Kontinenten verbreitet, sie bilden jedoch nur in wenigen Ländern die Mehrheit.

In der Schweiz sind alle evangelischen Landeskirchen reformiert.

Weitere Länder mit mehrheitlich reformierten Kirchen sind die Niederlande und Schottland.

In Deutschland gibt es zwei der Evangelischen Kirche in Deutschland angehörenden reformierte Landeskirchen, die Evangelisch-Reformierte Kirche und die Lippische Landeskirche. Die reformierte Kirche ist in Deutschland auf dem Hunsrück, im Wittgensteiner Land, in Lippe, am Niederrhein, im Bergischen Land (Wuppertal), im Siegerland, in Nordwestdeutschland (vor allem Grafschaft Bentheim und Ostfriesland) und Bremen, im Ravensberger Land, an der Plesse, in Bayern und in Berlin und Brandenburg verbreitet.

Traditionelle reformierte Minderheiten aus der Reformationszeit gibt es in Frankreich (Hugenotten), Polen, Ungarn/ Rumänien und Litauen.

Geschichte

„Urdatum“ ist das Wurstessen beim Zürcher Bürger Christoph Froschauer, einem Druckereibesitzer, an Invokavit 1522 (9. März), also dem ersten Sonntag der vorösterlichen Fastenzeit. Zwingli soll an dem Wurstessen zwar nicht teilgenommen haben, aber anwesend gewesen sein. Als Priester verteidigte er den Fastenbruch: Das Fastengebot sei ein menschliches Gesetz und deshalb nicht unbedingt gültig. Nur göttlichen Gesetzen müsse der Mensch unbedingten Gehorsam leisten. Die göttlichen Gesetze aber findet Zwingli in der Bibel.[1]

Die Reformation Zwinglis verbreitete sich in den nächsten Jahren in weiteren Schweizer Städten (Bern, Basel, St. Gallen), im süddeutschen Raum und im Elsass. Reformierte Zentren waren Straßburg, Memmingen, Lindau und Konstanz). Im Gegensatz zum Luthertum war Zwinglis reformierte Kirche von ihren Anfängen an mit den republikanischen Städten verbunden – die vom Volk gewählten Regierungen entschieden sich, oft aufgrund von Disputationen, für die Reformation. Ein Zusammenschluss mit dem lutherischen Zweig der Reformation gelang auf den Marburger Religionsgesprächen 1529 zwischen Luther und Zwingli nicht, vor allem weil in der Abendmahlsfrage keine Einigung erzielt werden konnte. Luther hielt an der wirklichen Gegenwart (Realpräsenz) von Leib und Blut Christi in den Gestalten des Mahls fest.

Nach Zwinglis Tod war es Heinrich Bullinger, sein Nachfolger als Zürcher Antistes, der in der deutschsprachigen Schweiz die Reformation konsolidierte und der durch seine ausgedehnte Korrespondenz zu seinen Lebzeiten europaweit der einflussreichste reformierte Führer war.

Fünf Jahre nach Bullingers Amtsantritt begann in Genf die Wirksamkeit von Johannes Calvin, dem Begründer des zweiten Zweigs der reformierten Theologie. Die Reformation Genfer Richtung verbreitete sich besonders in Frankreich, wo die Hugenotten in manchen Landesteilen zur Bevölkerungsmehrheit wurden. Während der Hugenottenkriege flohen viele Hugenotten ins Ausland, wo sie französisch-reformierte Gemeinden gründeten, darunter z.B. in Berlin und Brandenburg und in den Niederlanden.

Während sich in den deutschen, niederländischen und schottischen Gebieten die Genfer Richtung durchsetzte, war es in England Bullinger, dessen Theologie die anglikanische Reformation wesentlich beeinflusste.

In der Schweiz folgten die deutschsprachigen Gebiete der zwinglianischen Richtung, Genf und Neuenburg der calvinistischen. Das Waadtland nahm eine Zwischenstellung ein. Die Reformation in diesem Berner Untertanengebiet wurde von Bern und Zürich her angestoßen; später geriet es aber – als vor allem französischsprachiges Territorium – unter starken Genfer Einfluss. So behielt es zwar im Wesentlichen die zwinglische Theologie bei, führte aber unter Genfer Druck das staatsunabhängige calvinische Kirchenmodell ein. 1549 kam es im Consensus Tigurinus von Bullinger und Calvin zu einer Einigung der beiden Richtungen, die bis heute für die Schweizer Reformierten Kirchen gilt.

Reformierter Gottesdienst

Äußeres Charakteristikum reformierter Kirchen ist in vielen Fällen die Sparsamkeit der Kirchenausstattung, oft besteht der einzige Schmuck in Bibelversen. Liturgisch fällt die Vorrangstellung des Wortes auf; so kannte der Gottesdienst in Zürich zur Zeit Zwinglis keine Gesänge, Calvin führte den Psalmengesang ein, was zum weit verbreiteten „Genfer Psalter“, einer Sammlung von Nachdichtungen der biblischen Psalmen, führte.

Das Abendmahl ist eine Erinnerungsfeier und wird in der Regel nur einige Male im Jahr an hohen Festtagen gefeiert.

Ein wesentlicher Unterschied zu den Lutheranern ist das Verhältnis zur kirchlichen Tradition, wo für Zwingli und Calvin nur das erlaubt war, was tatsächlich in der Bibel aufgeführt wurde, während Luther das ablehnte, was der biblischen Theologie widersprach.

Reformierte Bekenntnisse

Die wichtigsten deutschsprachigen reformierten Dokumente des 16. Jahrhunderts sind das Zweite Helvetische Bekenntnis und der Heidelberger Katechismus. Dieser Katechismus dokumentiert die innerreformierte Spaltung: Während sich im Gefolge von Zwinglis Theologie in Zürich, Bern, Basel und anderen Orten eine sehr enge Verzahnung von politischer und geistlicher Führung herausbildete, arbeitete Calvin in seiner Institutio eine biblisch begründete Kirchenordnung heraus, die die Ämter von Presbyter und Pfarrer als Gemeindeleitung sowie daneben die Ämter des Diakons und des Lehrers kennt; zudem wird die Kirchenzucht betont, die den Presbytern obliegt.[2]

Weitere bedeutende reformierte Bekenntnisse sind die Lehrregeln von Dordrecht und das Bekenntnis von Westminster.

Die meisten reformierten Kirchen Europas beteiligen sich an der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa und haben sich die Leuenberger Konkordie zu eigen gemacht.

Väter der Reformierten Kirche

Besonders bedeutende reformierte Theologen des 16. Jahrhunderts waren:

Zürcher Richtung:

Genfer Richtung:

Schottland:

Heutige Reformierte Kirchen

Landeskirchen

Minderheitskirchen

Siehe auch: Kategorie:Reformierte Kirche

Einzelnachweise

  1. Zum Ganzen vgl. Matthias Reuter: Wurstessen – das Fastenbrechen 1522
  2. Die Fragen 82–85 des Heidelberger Katechismus haben bedeutende Folgen bei Paul Schneider.

Literatur

  • Eberhard Busch: Reformiert. Profil einer Konfession. TVZ, Zürich 2007, ISBN 3-290-17441-7
  • Carter Lindberg: The Eureopean Reformations

Weblinks


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