Reformierte Kirche (Bunde)

Reformierte Kirche (Bunde)
Reformierte Kirche Bunde

Die Reformierte Kirche ist eine Kreuzkirche aus dem 13. Jahrhundert in Bunde in Ostfriesland. Die bedeutende Backsteinkirche ist im romano-gotischen Stil erbaut, hat im Laufe der Jahrhunderte aber etliche Umbauten und Veränderungen erfahren.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Baubeschreibung

Die Kirche wurde auf dem Bunder Geestrücken errichtet. Sie trug ursprünglich den Namen „St. Martin“, weil sie dem heiligen Martin geweiht war. Wahrscheinlich stand vor dem romanischen Bau eine Holzkirche, möglicherweise bereits vor 1000 n. Chr. Im Querschiff fand man Reste eines Sandsteinsarges mit christlichen Symbolen, der aus der Zeit vor der jetzigen Backsteinkirche datiert. Ältester Teil der heutigen Kirche ist das ungewölbte Langschiff, das um 1200 errichtet wurde.[1] Nord- und Südseite wurden durch Lisenen in zwei Felder mit je zwei Fenstern und einem Portal aufgeteilt und oben mit einem Rundbogenfries abgeschlossen, das nur noch an der Nordseite erhalten ist. Bereits um 1280 wurde das Langschiff um das Querschiff und den rechteckigen Chor zu einer mächtigen Kreuzkirche erweitert, die den Reichtum des Ortes widerspiegelt und architektonisch Parallelen in den Kirchen zu Engerhafe und Marienhafe findet. Dieser Ostteil weist Kennzeichen des Übergangsstils der Romano-Gotik auf,[2] ist aufwändiger gestaltet, ursprünglich ganz mit Gewölben versehen und deutlich höher als das Hauptschiff gebaut. Der ursprüngliche Westturm ist nicht erhalten und soll der Überlieferung zufolge bereits 1246 während oder kurz nach der Errichtung einem Orkan zum Opfer gefallen sein.[3] Der Unterbau blieb bis ins 19. Jahrhundert erhalten und diente als Glockenturm. Zusätzlich wurden höchstwahrscheinlich im 13. Jahrhundert Chorflankentürme errichtet,[4] deren Fundamente bei Grabungen im Jahr 1986 in 50 cm Tiefe entdeckt wurden.[5] Auch sind im Mauerwerk zwischen Chor und Seitenschiffen noch die Ansätze erkennbar, sodass die Breite dieser Türme ermittelt werden kann. Diese Türme wurden um 1500 abgebrochen oder fielen im Jahr 1501 Feinden aus dem Groninger Raum zum Opfer, die nach der Chronik des Eggerik Beninga den Ort mitsamt der Kirche plünderten und ausbrannten.[3] Die Außenmauern des Chores sind in einen unteren und oberen Bereich aufgeteilt: Der Chor ist im unteren Bereich durchgehend mit Rundbogen-Arkaden verziert, die architektonisch an die Portale des Langhauses anschließen. Sie sind als Blendbögen mit Kapitellen auf Rundstäben gebaut, die in der Mitte mit Okuli versehen sind (vier in der Ostwand, je zwei seitlich). Bei Renovierungsarbeiten 1958 wurde dieser untere Bereich wieder freigelegt und die Okuli bleiverglast.[5] Darüber findet sich in der Ostwand ein Drillings-Spitzbogenfenster, das von zwei Blendfenstern mit Kleeblattbogen und Schachbrett- und Fischgrätmustern flankiert wird. In den Seitenmauern sind Blendfenster mit Rundbögen angebracht, deren westliches an südlicher Seite später durch ein kleines Fenster durchbrochen wurde. Der südliche und der nördliche Giebel haben je zwei gotische Fenster, die auf der Nordseite von zwei Fischgrät-Blendfenstern gerahmt werden. Im unteren Bereich finden sich spitzbogige Felder mit einem Eingang auf jeder Seite. 1896 wurden kleine Vorbauten angefügt, die als Windfang dienen.

Im Gegensatz zur architektonisch ähnlichen Stapelmoorer Kirche, die bis heute im Wesentlichen unverändert erhalten blieb, erfuhr die Bunder Kirche manche baulichen Veränderungen, wovon das uneinheitliche Mauerwerk Zeugnis ablegt. Nach der Erweiterung durch den Ostteil wurden die meisten Rundbogen-Portale im Langschiff zugemauert, während die kleineren romanischen Fenster durch größere gotische ersetzt wurden. 1696 wurde nach einem Brand der Chorgiebel erneuert, wie die Jahreszahl in der Giebelspitze bezeugt.[6] Ein abschließender Umbau der Giebel erfolgte 1705, nachdem die Gewölbe im Querhaus und Chor entfernt oder eingestürzt waren. Stattdessen versah man die ganze Kreuzkirche mit einem flachen Tonnengewölbe aus Holz.[4] Die Inschrift am Südgiebel nennt die Jahreszahl 1705 und die Namen der damaligen Kirchenvögte: Jacob Didden und Ocke Eggericks. An der Südwand des Chores sind noch Reste des ursprünglichen Rundbogenfrieses erhalten. Nur beim nördlichen Giebel ist noch das originale Rautenmuster erhalten, das vermutlich auch die anderen Giebel geziert hat. Möglicherweise sind die Giebel ursprünglich steiler gewesen und bei den Umbaumaßnahmen abgeflacht worden.[3] Der klassizistische Westturm wurde 1840 von Marten Bruns Schmidt (Ditzum) gebaut und mag sich architektonisch nicht zur übrigen Anlage fügen.[2] Die älteste der drei Glocken geht auf das Jahr 1753 zurück, die große Glocke wurde 1817 umgegossen und 1951 eine zu Kriegszwecken abgelieferte Glocke ersetzt.[5] Im Jahr 1896 wurden die Eingänge des Querschiffs mit Windportalen im Stil der Neugotik versehen. Bemerkenswert ist der große Friedhof, der mit einer Mauer eingefriedet war. Ein kleiner Waldbestand soll als Versammlungs- und Gerichtsstätte gedient haben. Die jetzige Mauereinfriedung stammt aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Ursprünglich wies sie sieben Pforten auf.

Innenausstattung

Der Taufstein stammt aus dem 13. Jahrhundert.[5] Bei Renovierungsarbeiten im 19. Jahrhundert wurde in Fensterhöhe ein Laufgang in der zweischaligen Mauer freigelegt, der durch den ganzen Chor führt.[7] Die Funktion ist noch ungeklärt; möglicherweise diente er als Fluchtweg. Als Treppenaufgänge dienten die ursprünglichen Chorflankentürme, die durch den Mauergang verbunden waren. Im Südflügel findet sich ein Baldachinaltar aus Stein. Die nördliche Empore wurde 1651 eingebaut. Die Kanzel mit dem mächtigen Schalldeckel wurde um 1720 möglicherweise von Meister Albert Frechis gefertigt. Das Gestühl aus Eichenholz mit Intarsien stammt ebenfalls aus dieser Zeit, steigt an den beiden Außenseiten langsam an und kann durch kleine Treppchen bestiegen werden. Der hölzerne Lettner mit einer Uhr datiert von 1751.[5]

Valentin Ulrich Grotian baute 1691/92 eine neue Orgel, die 100 Jahre später in der St.-Petri-Kirche (Aurich-Oldendorf) aufgestellt wurde und deren sichtbarer Prospekt noch erhalten ist. Von der historischen Orgel, die Hinrich Just Müller 1793 fertigstellte, ist ebenfalls nur noch der Prospekt erhalten.[8] Aus Müllers Werkstatt stammen auch die Kronleuchter im Kirchenschiff. Das komplette Pfeifenwerk der Orgel wurde 1965 von Karl Schuke (Berlin) verfertigt und weist folgende Disposition auf:

I Hauptwerk C–g3
Praestant 8′
Koppelflöte 8′
Oktave 4′
Pommer 4′
Oktave 2′
Mixtur V-VI
Dulcian 16′
Trompete 8′
II Oberwerk C–g3
Praestant 4′
Gedackt 8′
Rohrflöte 4′
Nachthorn 2′
Quinte 11/3
Sesquialtera II
Scharff IV
Krummhorn 8′
Pedal C–f1
Subbaß 16′
Oktave 8′
Oktave 4′
Mixtur V
Posaune 16′
Trompete 8′
Trompete 4′

Im Jahr 1980 legte man zwei zugemauerte Sakramentshäuschen im Abendmahlsraum frei. Die Wandbemalung ist heute nur zum Teil sichtbar, da sie später überputzt wurde. Zu den sakralen Geräten gehören ein Becher aus dem Jahr 1686 und verschiedene Brotteller aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.[9]

Trivia

  • Der Filmemacher Hans-Erich Viet drehte in der Bunder Kirche die Chorszenen in „Frankie, Johnny und die anderen - Schattenkämpfer“.
  • Einer Legende zufolge soll ein unterirdischer Gang das Steinhaus Bunderhee mit der reformierten Kirche verbunden haben. Ausgrabungen haben dies nicht bestätigt. Die älteste Grabplatte der Begräbnisstätte des Steinhauses in der Bunder Kirche ist immerhin auf das Jahr 1411 datiert.

Literatur

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Martinskirche (Bunde) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3, S. 157.
  2. a b ostfriesland.de: Kurze Baugeschichte, gesehen 19. Juni 2011.
  3. a b c Genealogie-Forum: Bunde (gesehen 19. Juni 2011).
  4. a b Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3, S. 159.
  5. a b c d e Homepage der Kirche mit Baugeschichte, gesehen 19. Juni 2011.
  6. Andere lesen 1626, z.B. auf der Zeichnung in Wiemann: Aus vergangenen Tagen, S. 30.
  7. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3, S. 160.
  8. Walter Kaufmann: Die Orgeln Ostfrieslands. Ostfriesische Landschaft, Aurich 1968, S. 67, 82.
  9. Siehe im Einzelnen Paul Weßels (Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft): Bunde (PDF-Datei; 61 kB), gesehen 19. Juni 2011.

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