- Religion in Deutschland
-
Das Bild der Religionen in Deutschland ist nicht mehrheitlich von einer einzigen Konfession geprägt. Seit der Reformation teilt sich der größte Teil der Bevölkerung zwischen dem landeskirchlichen Protestantismus (heute durch die Evangelische Kirche in Deutschland bzw. ihre Mitgliedskirchen vertreten) und der römisch-katholischen Kirche auf. Jeweils rund 31 Prozent der deutschen Bevölkerung bekennt sich zu einer der beiden großen Kirchen. Die antikirchliche Haltung der Deutschen Demokratischen Republik und eine zunehmende Säkularisierung haben beide ihren Teil dazu beigetragen, dass heute 32,5 %[1] der Deutschen und somit ein etwa doppelt so hoher Anteil wie im internationalen Durchschnitt[2] keiner Religionsgemeinschaft angehören. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2007 zufolge gehören 68 % der Ostdeutschen und 15 % der Westdeutschen keiner Religionsgemeinschaft an. [3]
Sonstige christliche Konfessionen sowie andere Religionen und Weltanschauungen spielen in Deutschland, gemessen am Anteil an der Gesamtbevölkerung, nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn sie ein Großteil der religiösen Vielfalt des Landes ausmachen. Einige dieser Gruppen sind schon seit Jahrhunderten in Deutschland ansässig, wie zum Beispiel die orthodoxen Christen (inzwischen die drittgrößte christliche Konfession) und die Juden oder haben sich primär in Deutschland entwickelt, wie etwa die Herrnhuter oder die freireligiöse Bewegung. Andere sind aufgrund von Migrationsbewegungen (wie der Islam, der mit geschätzt über 4 % der Bevölkerung die drittgrößte religiöse Gruppe nach den Katholiken und den landeskirchlichen Protestanten ausmacht) oder missionarischen Tätigkeiten (wie die Zeugen Jehovas) von auswärts (vorwiegend aus den USA) erst in jüngerer Vergangenheit nach Deutschland gekommen.
Die religiöse Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung ist auch einem zeitlichen Wandel unterworfen. Während die beiden großen Kirchen einen langsamen aber stetigen Mitgliederschwund zu verzeichnen haben, gewinnt der Islam in seinen verschiedenen Strömungen durch die Zuwanderung von Türken und Kurden aus der Türkei (etwa 1,76 Millionen Menschen) und durch muslimische Einwanderer aus anderen Ländern zunehmend an Bedeutung. 9,2 % aller 2004 geborenen Kinder haben muslimische Eltern, 10 % aller 2005 Geborenen eine muslimische Mutter.[4][5][6] 2007 verlieren die Kirchen weiter Mitglieder, doch die Zahl der Eintritte und Rückkehrer steigt.[7]
Religionen in Deutschland in Zahlen
Quellen sind der Religionswissenschaftliche Medien- und Informationsdienst (REMID) und Schmid, Kirchen, Sekten, Religionen. Bei allen Religionsgemeinschaften, die nicht Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, beruhen die Zahlen auf Schätzungen und Hochrechnungen, da keine amtlichen Zahlen existieren. Im Bereich der kleinen und kleinsten Religionsgemeinschaften sind nicht sämtliche Gemeinschaften bzw. Kirchen aufgezählt, sondern nur die wichtigsten bzw. bekanntesten.
Christentum
Römisch-Katholische Kirche
Hauptartikel: Römisch-katholische Kirche in Deutschland
In Deutschland sind 31,0 % der Gesamtbevölkerung oder 25,461 Millionen Angehörige der Römisch-katholischen Kirche. Von ihnen sind 3,492 Millionen praktizierende Christen (13,7 %). Die katholische Kirche in Deutschland ist in sieben Kirchenprovinzen mit 27 Diözesen eingeteilt. Diese bilden den Verband der Diözesen Deutschlands. Traditionell sind die Katholiken eher im Süden und im Westen des Landes verbreitet. Ihr traditionelles Hauptverbreitungsgebiet zieht sich in einem Streifen (mit Unterbrechungen) im äußersten Westen und Süden des Landes fast von der Nordsee den Mittel-, Ober- und Hochrhein und Bodensee entlang bis in den Süden von Bayern. Zwei Bundesländer Bayern (56,3 %) und Saarland (65,1 %) sind mehrheitlich römisch-katholisch. (Alle Daten: Stand 31 Dez. 2007)
Das erste christliche Bistum ist schon für das 3. Jahrhundert in Trier und Köln belegt. Eine umfassende christliche Missionierung der germanischen Stämmen außerhalb des römischen Reichs begann erst im 6. Jahrhundert und dauerte bis ins 10. Jahrhundert. Bis zur Reformation war das katholische Christentum neben dem Judentum die einzige Konfession in Deutschland.
Seit dem Jahr 2003 (129.598) sind die Austritte aus der katholischen Kirche rückläufig.
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
Hauptartikel: Evangelische Kirche in Deutschland
Die Reformation begann in Deutschland im 16. Jahrhundert mit Martin Luther. Die meisten Lutheraner in Deutschland gehören den Gliedkirchen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) an. Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte ein Drittel der Bevölkerung zu den evangelisch-lutherischen Kirchen landeskirchlicher Prägung. Der Evangelischen Kirche in Deutschland gehören neben lutherischen, auch evangelisch-reformierte und -unierte Landeskirchen an.
Heute liegt die Zahl der Mitglieder evangelisch-lutherischer, evangelisch-reformierter und evangelisch-unierter Landeskirchen, die sich in der Evangelischen Kirche in Deutschland zusammengeschlossen haben, fast 1 % unter der der römisch-katholischen Einwohner. Zusammen mit den verschiedenen evangelischen Freikirchen stellen die evangelischen Christen jedoch die Mehrheit. Evangelisch geprägt sind vor allem die nordöstlichen Teile Deutschlands, früher vor der DDR-Zeit auch die östlichen Teile mit Sachsen als Ursprungsland der Reformation. Zwei nördliche Bundesländer, Schleswig-Holstein (54,3 %) und Niedersachsen (50,8 %), sind mehrheitlich - knapp - evangelisch. Dagegen ist in Bremen (42,6 %)und Hamburg (30,7 %) eine absolute evangelische Mehrheit Geschichte. In Hamburg stellen Christen heutzutage insgesamt (also Evangelische und Katholiken) keine Mehrheit (41,0 %, davon 10,3 % katholisch).(Alle Daten: Stand 31. Dez. 2007).
Orthodoxes Christentum
Das orthodoxe Christentum kam vorwiegend durch Einwanderer nach Deutschland. Viele orthodoxe Gottesdienste werden auch heute noch in den ursprünglichen Heimatsprachen abgehalten. Die im Regelfall nach Ländern organisierten orthodoxen Kirchen haben Auslandsbistümer, die sich den Kirchenmitgliedern außerhalb ihres Heimatlandes widmen.
Die ersten orthodoxen Kirchen in Deutschland entstanden im 19. Jahrhundert, meist in Residenzstädten, deren Herrscherfamilien familiäre Beziehungen nach Osteuropa hatten, etwa in Wiesbaden, Darmstadt, Bad Homburg, Potsdam oder Weimar.
In Deutschland leben ca. 1,5-2 Millionen Menschen orthodoxen Glaubens (ca. 2 % der Gesamtbevölkerung). 408.000 Orthodoxe besitzen einen deutschen Pass, die wenigsten sind deutscher Herkunft. Die am stärksten vertretene Nationalität unter den Orthodoxen in Deutschland sind die Griechen. Andere größere Gruppe sind Russen, Rumänen, Serben und Bulgaren.
Orthodoxe Kirchen in Deutschland sind:[8]
- Griechisch-orthodoxe Metropolie von Deutschland, Sitz des Metropoliten: Bonn
- Rumänisch-Orthodoxe Kirche, Bischofssitz: Nürnberg, München
- Serbisch-Orthodoxe Kirche, Bischofssitz: Hildesheim-Himmelstür
- Russisch-Orthodoxe Kirche, Bischofssitz: Berlin und Düsseldorf (Diözese Berlin)
- Bulgarisch-Orthodoxe Kirche, Diözese von West- und Mitteleuropa, Sitz: Berlin
- Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, Bischofssitz: Glane-Losser, Niederlande
- Äthiopisch-orthodoxe Kirche, Bischofssitz: München
- Armenische Apostolische Kirche, Bischofssitz: Köln
- Russisch-Orthodoxe Kirche im Ausland, Bischofssitz: München
- Griechisch orthodoxe Kirche von Antiochien, Bischofssitz: Paris
- Koptisch-orthodoxe Kirche von Ägypten, Bischofssitz: Kloster Brenkhausen bei Höxter
Die meisten Orthodoxen Kirchen in Deutschland haben sich zur Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland- Verband der Diözesen - (KokiD) mit Sitz in Dortmund zusammengeschlossen.
Neuapostolische Kirche
Die Neuapostolische Kirche ist in Deutschland mit rund 371.000 Mitgliedern die drittstärkste Einzelkirche (stellt aber weniger als 0.5 Prozent der Gesamtbevölkerung dar) und (nach den orthodoxen Kirchen) die viertstärkste christliche Konfession. Die Neuapostolische Kirche ist in Deutschland in zehn – rechtlich unabhängige – Gebietskirchen untergliedert, die alle als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingetragen sind. Die offizielle Abkürzung lautet im deutschsprachigen Bereich NAK.
Die Kirche unterhält in Deutschland neben einem Verlag zur Herstellung der kircheneigenen Publikationen und Zeitschriften auch eigene karitative Einrichtungen. Neben den offiziellen kirchlichen Organisationen bestehen auch private Initiativen und Interessengruppen wie die „Regenbogen-NAK“, in der sich schwul-lesbische Mitglieder organisieren.
Um 1863 bildete sich aus Kreisen der katholisch-apostolischen Gemeinden in Hamburg zunächst die Allgemeine christliche apostolische Mission und später, ab 1878, die „Neuapostolische Gemeinde“ (seit 1907 offizielle Bezeichnung, seit 1930 „Neuapostolische Kirche“). Die Neuapostolische Kirche hat im Laufe ihrer nunmehr fast 130-jährigen Geschichte etliche Spaltungen und Abtrennungen erlebt. Die größten heute noch in Deutschland existierenden Gemeinschaften sind das Apostelamt Jesu Christi, das Apostelamt Juda, die Apostolische Gemeinschaft sowie die Apostolische Gemeinde Wiesbaden.
Zeugen Jehovas
Die Zeugen Jehovas sind eine im ausgehenden 19. Jahrhundert in den USA durch Charles Taze Russell gegründete, aus dem Christentum hervorgegangene chiliastische Religionsgemeinschaft. Offiziell gibt es Zeugen Jehovas in Deutschland seit 1903, das zentrale Mitteilungsorgan der Religionsgemeinschaft – die Zeitschrift Der Wachtturm – erscheint seit 1897 auf Deutsch.
Das deutsche Verwaltungszentrum der Religionsgemeinschaft befindet sich unter dem Namen „Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft, Deutscher Zweig e. V.“ in Selters im Taunus. Der Sitz der Religionsgemeinschaft, als Körperschaft des öffentlichen Rechts, befindet sich in Berlin. Ihre Gebäude zur Religionsausübung heißen Königreichssaal bei den örtlichen Gemeinden und im größeren Rahmen Kongresssaal.
Während des Nationalsozialismus und der kommunistischen Herrschaft in der Sowjetischen Besatzungszone, wurden ihre Anhänger verfolgt und inhaftiert (siehe auch Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus).
Baptisten
Organisiert sind die autonomen Baptistengemeinden in Deutschland im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. Daneben gibt es sogenannte Freie Baptistengemeinden, die keinem übergeordneten Bund angehören und lediglich lockeren Kontakt untereinander pflegen. Dazu gehören unter anderem die Reformierten Baptisten und die Bibel-Baptisten.
Die Baptisten gibt es seit 1834 in Deutschland. Der Baptismus verbreitete sich in Deutschland und Kontinentaleuropa vor allem durch den aus Varel stammenden Kaufmann und späteren Baptistenprediger Johann Gerhard Oncken, der in einer methodistischen Gemeinde in England seine Bekehrung erlebt hatte.
Seit Fall des Eisernen Vorhangs wanderten viele Deutsche aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland ein (Russlanddeutsche, Kasachstandeutsche, Kirgisistandeutsche). Zu einem größeren Teil waren sie Evangeliumschristen-Baptisten. Da es immer mehr wurden und sie bald die eindeutige Mehrheit der Baptisten bildeten, gründeten sie eigene Gemeinden, allerdings gibt es auch in einheimischen Baptistengemeinden vereinzelt Russlanddeutsche.
Seit der Nachkriegszeit gibt es in Deutschland auch amerikanische Baptistengemeinden, die von Helfern oder Soldaten der US Army gegründet wurden. Sie sind zum Teil assoziierte Mitglieder des deutschen Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und Vollmitglieder der Europäisch-Baptistischen Föderation.
Mennoniten
Die Mennoniten sind kongregationalistisch aufgebaut, was bedeutet dass die einzelnen Gemeinden autonom sind und keine übergeordnete Kirchenleitung besteht. Sie sind jedoch teilweise durch die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden verbunden. Alle Gemeinden sind voneinander unabhängig, halten jedoch Kontakt untereinander. Daher kommt es, dass es von Gemeinde zu Gemeinde zum Teil unterschiedliche Auffassungen gibt. Die Freikirche ist Mitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen.
Die Mennoniten entstanden in der Reformationszeit im 16. Jahrhundert als Teil der Täuferbewegung. Regionale Schwerpunkte der Täufer waren damals die Schweiz, Südwestdeutschland, Ostfriesland und die Niederlande. Aus den ersten Täufergemeinden entwickelten sich neben den Mennoniten auch die Hutterer, die von Deutschland und Tirol in die Slowakei, von dort nach Transsylvanien, anschließend nach Russland und dann nach Amerika auswanderten. Ein Teil der Mennoniten in Deutschland, der Schweiz und der Niederlande wanderte nach Polen, Russland und später nach Amerika, ein anderer Teil direkt nach Nordamerika aus (Mennonitische Auswanderung). Von dort aus verstreuten sie sich in der ganzen Welt. Vom den Schweizer und Elsässer Mennoniten haben sich im 17. Jahrhundert die Amischen abgespalten, die heute ausschließlich in den USA siedeln.
Seit einigen Jahren kommen viele der in der ehemaligen Sowjetunion lebenden Russlandmennoniten zurück nach Deutschland. Heute ist mehr als die Hälfte der in Deutschland sesshaften Mennoniten aus Russland oder anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die meisten Mennonitengemeinden befinden sich in Westdeutschland. Ostdeutsche Mennonitengemeinden gibt es u.a. in Dresden und Halle.
Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche
Hauptartikel: Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche
Ein Vorgänger der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ist die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche in Preußen, die 1830 aus Protest gegen die Einführung der evangelischen Union zwischen Lutheranern und Reformierten in Preußen durch eine gemeinsame Agende entstanden ist. 1972 schlossen sich unterschiedliche konfessionell-lutherische Freikirchen zur SELK zusammen. Gemeinden finden sich in unterschiedlicher Größe in ganz Deutschland.
Pfingstler
Die Pfingstler sind teilweise im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden organisiert. Dieser zählt 600 Gemeinden mit 39.000 Getauften und 60.000 Zugehörigen. Die Struktur ist synodal-kongregational aufgebaut. Dieser Bund ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und in der Evangelischen Allianz. Erste Pfingstler gründeten 1906 Gemeinden in Deutschland. Der BFP ging 1982 aus der Arbeitsgemeinschaft der Christengemeinden in Deutschland (gegründet 1947) hervor. Seit 1988 sind auch die Volksmission entschiedener Christen und teilweise die Ecclesia-Gemeinden im BFP organisiert. Neben den deutschsprachigen Gemeinden besteht auch eine Vielzahl ausländischer Gemeinden in Deutschland.
Des Weiteren ist noch die Gemeinde Gottes K.d.ö.R. zu nennen, als deutscher Zweig einer der größten Pfingstgemeinden weltweit, der Church of God (Cleveland). Die Church of God (Cleveland) zählt in 159 Ländern über 10 Millionen Mitglieder, in Deutschland sind es ca. 140 Gemeinden, mit ca. 5.000 Getauften und 10.000 Zugehörigen. Die Gemeinde Gottes K.d.ö.R. unterhält mehrere Missions- und Hilfwerke, unter anderem den Samariterdienst sowie das Europäische Theologische Seminar (ETS) in Freudenstadt-Kniebis.
Siebenten-Tags-Adventisten
Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland ist Gastmitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen und Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. Gegenwärtig zählt sie rund 36.000 Mitglieder [9] in etwa 600 Adventgemeinden, einige auch mit fremdsprachigen Gottesdiensten (meistens südslawische oder ghanaische Gemeinden). In Möckern-Friedensau in Sachsen-Anhalt befindet sich die Theologische Hochschule Friedensau, die seit über hundert Jahren in adventistischem Besitz ist. Die Gemeinschaft besitzt viele soziale Einrichtungen.
Die Siebenten-Tags-Adventisten gibt es in Deutschland seit 1875. Entstanden sind sie hauptsächlich durch den amerikanischen Missionar John Nevins Andrews und durch Jakob Erzberger. Erste Anhänger fanden sie unter den pietistischen Erweckten im Bergischen Land. Dort existierten mehrere sabbathaltende Gemeinschaften, wie etwa Die Getaufte Christen-Gemeinde von Heinrich Lindermann. Seit 1886 wurden von Deutschland aus Missionare in die Mennonitenkolonien und zu pietistisch-schwäbischen Gemeinschaften im Kaukasus gesandt. Deshalb gibt es in Deutschland heute 8.000 russlanddeutsche Adventisten.
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) ist nur in Hessen und Berlin als KdÖR anerkannt. Diese Gemeinschaft hat in Deutschland rund 180 Gemeinden und zwei Tempel (Friedrichsdorf in Hessen und Freiberg in Sachsen).
1842 kam der erste mormonische Missionar in die deutschen Staaten. Die Deutschen, die damals zu dieser Religionsgemeinschaft konvertierten, wurden verfolgt und teilweise inhaftiert, weshalb der überwiegende Teil der Mormonen aus Deutschland nach Utah, wo viele Mormonen siedelten, auswanderten. Eine erste Gruppe gab es 1843 in Hessen-Darmstadt, die erste Gemeinde wurde 1852 in Hamburg gegründet, 1855 folgte eine in Dresden. Im Jahre 1929 wurde in Selbongen (heute Zelwagi, Polen) das erste Gemeindehaus auf deutschem Boden erbaut.
Heute hat diese Gemeinschaft rund 38 000 Anhänger in Deutschland.
Alt-Katholische Kirche
Die Alt-Katholische Kirche hat in Deutschland 25.000 Mitglieder. Ihr Bischofssitz und das einzige altkatholische Theologieseminar ist in Bonn. Am stärksten ist die Kirche in Nordrhein-Westfalen und in Südbaden verbreitet. Sie entstand in Deutschland im Nachgang des 1. Vatikanischen Konzils im Widerstand gegen das Jurisdiktionsprimat und das Unfehlbarkeitsdogma der Römisch-Katholischen Kirche. Die Alt-Katholische Kirche gehört zur sogenannten Utrechter Union, einem Zusammenschluss europäischer altkatholischer Kirchen.
Christliche Wissenschaft
Erste Anfänge der Christliche Wissenschaft in Deutschland gehen auf das Jahr 1897 zurück. Die ersten Gottesdienste fanden in Dresden nach der Ankunft von Frances Thurber Seal, CSB, statt. (Seal: Wundertaten der Wahrheit. egl. 1930. dt. 1960.) Die Christian Science hatte zahlreiche Anhänger am Hofe, der Zorn des Kaisers löste eine erste Verfolgungswelle aus. 1900 wurden dennoch die ersten beiden Kirchen in Dresden und Berlin gegründet. Die erste Übersetzung von Science and Health with Key to the Scriptures erscheint 1912 in deutscher Sprache. An der Übersetzung wirkt u. a. Helmuth James Graf von Moltke mit. Zu der Zeit gab es in Deutschland anerkannte Kirchen Christi, Wissenschaftler, in Berlin, Dresden, Frankfurt am Main, Hannover und Stuttgart. Im Dritten Reich wurde sie zunächst massiv eingeschränkt, ab 1941 wurde sie verboten und verfolgt. Nach dem Krieg gab es eine Kirchengründungswelle, 1951 wurde sie in der DDR erneut verboten und einen Monat vor dem Fall der Mauer wieder zugelassen.
Anglikaner
Es existieren derzeit 15 Kirchengemeinden bzw. Missionen der Anglikaner in Deutschland, die in der Conference of Anglican and Episcopal Churches in Germany organisiert sind. Sieben Gemeinden (Berlin, Köln/Bonn, Düsseldorf, Heidelberg, Freiburg, Stuttgart und Hamburg) gehören der Church of England an und drei (München, Wiesbaden und Frankfurt) der Episcopal Church in the USA. Daneben gibt es fünf Episcopal-Missionen (in Karlsruhe, Darmstadt, Augsburg, Ingolstadt und Nürnberg). Größtenteils wurden diese Gemeinden von ihrer jeweiligen Mutterkirche im 19. Jahrhundert gegründet, um Expatriaten (ab 1945 auch in Deutschland stationierte Soldaten) zu bedienen. Die Hamburger Gemeinde entstand bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts und war anfänglich eng mit der Kaufmannsvereinigung Merchant Adventurer verknüpft. Neben der in der CAECG organisierten Gemeinden gibt es auch eine Church of England-Gemeinde in Leipzig, die aus der CAECG aufgrund des Konflikts zwischen ihrer evangelikalen Haltung und den jüngsten Entwicklungen bzgl. Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und der Bischofsweihe von Gene Robinson ausgetreten ist.
Islam
Hauptartikel: Islamische Organisationen in Deutschland
Bei allen Religionsgemeinschaften, die nicht Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, so auch beim Islam, beruhen die Zahlen auf Schätzungen und Hochrechnungen, da keine amtlichen Zahlen existieren.Nach Einschätzung privater, teilweise islamischer Organisationen leben ca. 3,3 Millionen Menschen islamischen Glaubens (4 % der Gesamtbevölkerung) in Deutschland. 62959 von 685795 Kindern (9,2 %), die im Jahr 2005 in Deutschland geboren wurden, haben Eltern, die sich beide zum islamischen Glauben bekennen.[10] 10 % aller 2005 Geborenen haben eine muslimische Mutter.[4][5][6] 370.000 Muslime besitzen einen deutschen Pass, die wenigsten sind deutscher Herkunft. Die am stärksten vertretene Nationalität unter den Muslimen in Deutschland sind die Türken. Ein Großteil sind aus der Türkei stammende Sunniten. Eine andere größere Gruppe sind die Einwanderer aus Bosnien.
Die verfügbaren Zahlen in Deutschland weisen auf ein Wachstum des Islam hin. Eine verlässliche Prognose über die Bevölkerungsentwicklung ist schwer zu treffen. Nach Ansicht ausländischer Beobachter könnte es Mitte des Jahrhunderts oder Ende des Jahrhunderts muslimische Mehrheiten in der Bevölkerung geben, wenn die aktuellen demographischen Trends bleiben. Nach gegenteiliger Ansicht des deutschen Politologen Stefan Luft gleichen sich die überdurchschnittlich hohen Geburtenraten der Zuwanderer an. Die Prognose Deutschland oder Europa werde in absehbarer Zeit muslimisch ließe sich nicht belegen.[10]
Die älteste deutsche Moschee, die heute noch besteht, wurde 1924 in Berlin errichtet (Wilmersdorfer Moschee). Heute werden entweder alte unbenutzte Gebäude als Moscheen genutzt oder es werden neue Gotteshäuser erbaut, jedoch oftmals unter dem Protest von Anwohnern.
Die Diyanet İşleri Türk İslam Birliği (DİTİB), der deutsche Ableger des türkischen Religionsministeriums, ist Betreiber der meisten Moscheen in Deutschland. Nach eigenen Angaben vertritt er 70 % der in Deutschland lebenden Muslime. Die Imame der DİTİB werden in der Türkei ausgebildet und von der dortigen Religionsbehörde nach Deutschland entsandt.
Die Alevitische Gemeinde Deutschland vertritt rund 700.000 in Deutschland lebenden Aleviten, die meisten von ihnen sind ethnische Kurden.
Judentum
Hauptartikel: Juden in Deutschland
Die dem Zentralrat der Juden angeschlossenen Gemeinden und Landesverbände zählen gegenwärtig ca. 105.000 Mitglieder. Jedoch wird die Zahl nichtpraktizierender Juden auf ca. 100.000 geschätzt, so dass in Deutschland heute ca. 200.000 Juden, meistens osteuropäischer Herkunft, leben.
Die beiden größten jüdischen Institutionen sind der Zentralrat der Juden und die Union progressiver Juden. Schon im 1. Jahrhundert gab es am linken Rheinufer erste Jüdische Gemeinden. Damit ist das Judentum die älteste heute noch bestehende Glaubensgemeinschaft in Deutschland. Sie waren die Vorfahren der Aschkenasim. In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten kam es sehr selten zu Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung. Unter Karl dem Großen waren sie sogar gleichwertige Bürger. Diese friedliche Zeit endete jedoch mit den Kreuzzügen. Im Laufe des 13. Jahrhunderts nahmen Ausschreitungen gegen Juden auch wegen der aufkommenden Pest, für die die Juden teilweise verantwortlich gemacht wurden, zu. Immer häufiger kam es zu Pogromen, bis sich viele Juden entschlossen nach Polen auszuwandern. In den Jahrhunderten ließen sich jedoch nicht alle Juden vertreiben und viele zogen auch von Osteuropa nach Deutschland zurück. Ende des 18. Jahrhunderts entstand die Aufklärungs- und Reformbewegung im deutschen Judentum (Haskala). Der wohl bekannteste Vertreter war Moses Mendelssohn. Diese Bewegung forderte die Judenemanzipation und die vollständige Assimilation in der Gesellschaft. Eine vollständige rechtliche Gleichstellung der Juden in Deutschland erfolgte allerdings erst 1871. Zwischen dieser Zeit und 1933 hatten sich die meisten Juden in Deutschland integriert. Seit 1938, nach der Reichspogromnacht, wurden die Juden wieder verfolgt. Allein in der Anfangsphase wurden 1.400 jüdische Gemeinden geschlossen, ca 400 Juden öffentlich hingerichtet und 30.000 Männer in ein KZ verschleppt. Die Gesamtzahl der ermordeten Juden Europas während des Holocausts beträgt etwa 6.000.000 Menschen.
Nach 1945 wurden schon in vielen Großstädten wieder erste Gemeinden gegründet. Viele Juden, die eigentlich über eine Auswanderung nachdachten aber auch Rückkehrer aus dem Exil (siehe Paul Spiegel), blieben dauerhaft in Deutschland. In vielen deutschen Städten wurden neue Synagogen erbaut. Seit der Wende 1989 kamen viele osteuropäische Juden (hauptsächlich aus der Ukraine, Russland, Moldawien und Usbekistan) als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland und stärkten die jüdischen Gemeinden.
Entwicklung der Religionszugehörigkeiten
Während vor 1950 noch fast alle Deutschen Mitglied einer Religionsgemeinschaft waren, nahm seitdem der Anteil konfessionsloser Menschen zu und beträgt heute ungefähr ein Drittel der Bevölkerung. Die Austritte konzentrierten sich hierbei vor allem auf die beiden großen christlichen Konfessionen. Gründe für den Austritt waren und sind beispielsweise die persönliche Nicht-Identifikation mit den Werten und Regeln der entsprechenden Religionsgemeinschaft, eine Abkehr vom Glauben oder der nicht vorhandene Wille, die Pflichten, die eine Kirchenmitgliedschaft mit sich bringt, wie etwa die Zahlung der Kirchensteuer, zu erfüllen.
In der DDR wurden Mitglieder einer Religionsgemeinschaft oftmals beruflich oder gesellschaftlich benachteiligt, weshalb hier sehr viele Menschen aus den Kirchen austraten. Zudem wurden deren Kinder nicht automatisch selbst Kirchenmitglieder. So gibt es etwa in den alten Bundesländern das Phänomen der Taufscheinchristen.
Die Religionszugehörigkeit der Menschen in Deutschland hat sich seit 1950 folgendermaßen entwickelt (bis einschl. 1987 nur Westdeutschland):
Entwicklung der Religionszugehörigkeiten
von 1950 bis 2005in % der Gesamtbevölkerung Konfession Jahr evangelisch katholisch ohne Konfession muslimisch1 andere 1950 Westdeutschland 50,6 45,8 ** ** 3,6 1961 Westdeutschland 51,1 45,5 ** ** 3,5 1970 Westdeutschland 49,0 44,6 3,9 1,3 1,2 1987 Westdeutschland 41,6 42,9 11,4 2,7 1,2 1990 Deutschland einschl. Neue Bundesländer 36,9 35,4 22,4 3,7 1,6 2003 Deutschland einschl. Neue Bundesländer 31,3 31,3 31,8 3,9 1,7 2004 Deutschland einschl. Neue Bundesländer 31,0 31,1 32,3 3,9 1,7 2005 Deutschland einschl. Neue Bundesländer 30,8 31,0 32,5 3,9 1,8 Quelle: fowid [11] ** = nicht separat aufgelistet 1Die Zugehörigkeit zum Islam wird in Deutschland nicht standesamtlich erfasst. Man kann deshalb den Anteil der Muslime in Deutschland nicht exakt angeben. In der obigen Darstellung wird angenommen, dass Menschen, welche aus dem islamischen Kulturraum zugewandert sind, Muslime sind, dies ist aber naturgemäß zweifelhaft.
Interkonfessionelle Zusammenschlüsse und Arbeitsgemeinschaften
Viele der genannten Kirchen haben sich sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene unter Wahrung ihrer Autonomie zusammen gefunden. Zu den bedeutenden Zusammenschlüssen und Arbeitsgemeinschaften gehören:
- Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen
- Deutsche Evangelische Allianz
- Vereinigung Evangelischer Freikirchen
- Brot für die Welt
- Diakonisches Werk der evangelischen Kirchen in Deutschland
Interreligiöser Dialog
siehe Hauptartikel Interreligiöser Dialog
Im Interreligiösen Dialog engagiert sich eine immer größere Zahl von Angehörigen der verschiedenen Religionen. Er wird einerseits von offiziellen Vertreten der Religionen geführt, aber auch von speziellen Dialogorganisationen gepflegt. Beispielhaft seien hier genannt:
- Christlich-Islamische Gesellschaft
- Deutscher Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
- Interkultureller Rat in Deutschland
- Koordinierungsrat des christlich-islamischen Dialogs
- Religions for Peace
Quellen
- ↑ Entwicklung der Religionszugehörigkeiten fowid
- ↑ Religion: Gott bewegt die Deutschen und die Welt - NachrichtenPolitik - WELT ONLINE
- ↑ Religion: Gott bewegt die Deutschen und die Welt - NachrichtenPolitik - WELT ONLINE
- ↑ a b Islam im demographischen Aufwind, Focus 1/2007, S. 39, 31. März 2007
- ↑ a b Bevölkerungsentwicklung 2005, Statistisches Bundesamt
- ↑ a b Pressemitteilung Nr. 331 vom 12.08.2005, Statistisches Bundesamt
- ↑ Die Welt: Die Deutschen entdecken ihren Glauben wieder 8. April 2007
- ↑ Orthodoxe Kirche in Deutschland, Deutsches orthodoxes Dreifaltigkeitskloster in Bodenwerder - Buchhagen
- ↑ Siebenten-Taqs-Adventisten - Zahlen und Fakten
- ↑ a b Demographie - unbekannte Größe, Focus 14/2007
- ↑ Entwicklung der Religionszugehörigkeiten fowid
Literatur
- Michael Klöcker, Udo Tworuschka: Handbuch der Religionen: Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland. Olzog Verlag, Landsberg am Lech 2006, ISBN 3-7892-9900-6
Weblinks
Wikimedia Foundation.