Reticentia

Reticentia

Die Aposiopese (vom griechischen aposiopao, „abbrechen“, „verstummen“, lateinisch reticentia) ist als Sonderform der Ellipse (phatische Ellipse) eine rhetorische Figur, bei der ein Satz abgebrochen wird, bevor er beendet ist, und der letzte Teil durch eine Pause ersetzt wird. Der Abbruch kann z. B. emotionale Überwältigung (vergl. Pathos) oder eine unausgesprochene Drohung zum Ausdruck bringen. Manchmal kann man auch den Faden verloren haben, oder nach einem Wort suchen. Dann ist es eine Aufforderung zur Hilfe. Oft ist es auch ein Abbruch, der auf gemeinsames Wissen und die Unnötigkeit der Fortsetzung des Satzes hinweisen soll. Der Dialogpartner soll den Satz in Gedanken oder laut ergänzen. In der heutigen Umgangssprache sehr häufig ist auch der Abbruch eines an einen Hauptsatz angeschlossenen Nebensatzes unmittelbar nach der Konjunktion und der Anschluss eines weiteren Hauptsatzes, z. B.: „Die Idee ist ganz gut, obwohl ... völlig überzeugt bin ich noch nicht.“

Eine Sonderform ist die apotropäische Aposiopese: Der Satz bleibt unvollendet, um einen heiligen oder verfluchten Namen nicht aussprechen, „berufen“ zu müssen.

Beispiele

„Er kam, sah und …“

„Guck mal, das ist ein …“

„Der kann mich mal …“

„Denk mal, die kommen heute zu Besuch und ich schaffe es nicht mehr …“

(aufzuräumen, einzukaufen, fertigzuwerden)

„Nehmen wir an, sie sind …“

(einverstanden, hungrig)

„Kommen Sie mit, Sie sind doch sicher auch …“

„Wenn es mir nicht gelingt, den Grafen augenblicklich zu entfernen: so denk’ ich – Doch, doch, ich glaube, er geht in diese Falle gewiß.“

Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti

„Quos ego –“

Vergil: Aeneis

Auf Deutsch:

„Euch werd’ ich –“

Vergil: Aeneis

Verwandte Stilfiguren


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  • Reticentĭa — (Reticenz, lat.), das Verschweigen, eine Redefigur, so v.w. Aposiopese …   Pierer's Universal-Lexikon

  • reticentia —    (s.f.) confutatio, refutatio …   Dizionario di retorica par stefano arduini & matteo damiani

  • réticence — [ retisɑ̃s ] n. f. • 1552; lat. reticentia « silence obstiné », de reticere, rac. tacere → taire 1 ♦ Vieilli Omission volontaire d une chose qu on devrait dire; la chose omise. ⇒ dissimulation; sous entendu. Je dis tout, « il n y a ni réticences …   Encyclopédie Universelle

  • reticenţă — RETICÉNŢĂ, reticenţe, s.f. Omisiune voită, trecere sub tăcere a unui lucru care trebuie spus; reţinere, rezervă într o anumită chestiune. ♦ Figură retorică prin care vorbitorul, întrerupându şi brusc expunerea, trece la altă idee, lăsând numai să …   Dicționar Român

  • reticencia — (Del lat. reticentia.) ► sustantivo femenino 1 Reserva o desconfianza: ■ ha aceptado nuestra propuesta con reticencia. SINÓNIMO duda recelo 2 Acción y resultado de callar parte de una cosa o de insinuarla, dando a entender, por lo general con… …   Enciclopedia Universal

  • Reticence — Ret i*cence, n. [L. reticentia: cf. F. r[ e]ticence.] 1. The quality or state of being reticent, or keeping silence; the state of holding one s tonque; refraining to speak of that which is suggested; uncommunicativeness. [1913 Webster] Such fine… …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Апосиопезис — (греч. т. е. умолчание, у римлян reticentia) так в поэзии и риторике называется остановка в середине предложения, когда известная часть мысли остается недосказанной и слушатель сам должен ее угадать. Известный случай А. встречается в Энеиде… …   Энциклопедический словарь Ф.А. Брокгауза и И.А. Ефрона

  • Aposiopese — Die Aposiopese (vom griechischen aposiopao, „abbrechen“, „verstummen“, lateinisch reticentia) ist als Sonderform der Ellipse (phatische Ellipse) eine rhetorische Figur, bei der ein Satz abgebrochen wird, bevor er beendet ist, und der letzte Teil… …   Deutsch Wikipedia

  • Aposiopēsis — (gr., lat. Reticentia), Redefigur, wo man mitten in der Rede abbricht u. das verschweigt, was folgen sollte, obgleich es aus dem Zusammenhang, der Stimmung des Redenden etc. leicht ergänzt werden kann, z.B. Daß dich – …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Aposiopēsis — (griech., lat. Reticentia, »Verschweigung«), rhetorische Figur, wobei man mitten in der Rede abbricht und dem Hörer die Ergänzung überläßt. Berühmt ist die A. in Vergils »Äneide«, I, 139. »Quos ego!«, entsprechend unserm. »Ich will euch –« …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

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