- Außenlager Kottern
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Das Außenlager Kottern-Weidach war von 1. Oktober 1943 bis 27. April 1945 ein Außenlager des Konzentrationslagers Dachau, zunächst im Stadtteil Kottern der Stadt Kempten (Allgäu), später wurde ein eigenes Lager im Ortsteil Weidach der Gemeinde Durach errichtet.
Inhaltsverzeichnis
Entstehungshintergrund
Im Sommer 1943 musste die Textilfabrik „Spinnerei-Weberei Kottern“ einen Teil ihrer Gebäude zur Produktion von kriegswichtigen Jagdflugzeugteilen an die Messerschmitt AG abgeben. Weil für die Fertigung viele Arbeitskräfte benötigt wurden und die Produktion eine hohe Priorität besaß, kamen am 1. Oktober 1943 etwa 100 Häftlinge nach Kempten, überwiegend Italiener, Niederländer und Jugoslawen. Sie wurden kurzfristig im Gasthaus „Zum Stiefel“ in der Ludwigstraße in Kottern untergebracht, mussten aber bald in die Fabrik selbst umziehen, wo eine Produktionshalle als Schlafsaal benutzt wurde. Einige Räume waren für die Wachmannschaft reserviert. In den nicht beschlagnahmten Fabrikteilen der "Spinnerei-Weberei Kottern" lief die Textilproduktion ganz normal weiter.
Errichtung des Lagers
Etwa zeitgleich mit dem Eintreffen der ersten Gefangenen wurde mit dem Bau des eigentlichen Lagers begonnen, dass die Insassen selbst bauen mussten und welches etwa im Frühjahr 1944 bezogen wurde, jedoch bis Kriegsende nie richtig fertiggestellt wurde. Auf 16.000 m² wurden vier Holzbaracken als Unterkünfte für die Häftlinge, sowie mehrere gemauerte Gebäude für die Wachmannschaft errichtet. Dieses Lager befand sich etwa einen Kilometer von der Produktionsstätte der Messerschmitt AG entfernt auf einem freien Feld an der Verbindungsstraße zwischen Weidach und Durach. Umgeben wurde das Lager von einem Starkstromzaun. Nachts beleuchteten Scheinwerfer von den Wachtürmen aus das umliegende Gelände taghell.
Im Lager Kottern-Weidach befanden sich im Durchschnitt 750, aber auch bis zu 1500 Gefangene. Diese stark variierende Belegung orientierte sich am schwankenden Arbeitskräftebedarf der Messerschmitt AG. Von der Arbeit an den Flugzeugteilen waren nur „Strafkommandos“, die zur Arbeit in Kiesgruben eingesetzt wurden, ausgenommen. Ein bekannter Häftling im Lager Kottern-Weidach war der Franzose Louis Terrenoire, er wurde später Minister unter Charles de Gaulle.
Das Außenlager Weidach wurde von etwa 30 bis 40 Mann, sowie von einigen Hunden bewacht, die vor allem zur Bewachung der Häftlinge auf dem täglichen Marsch zur Arbeitsstätte und zurück eingesetzt wurden. Lagerkommandant war zu Beginn SS-Hauptscharführer Fritz Wilhelm, der jedoch aufgrund seines übermäßigen Alkoholkonsums und seiner sehr unmenschlichen Art mit den für die Kriegsproduktion wichtigen Häftlingen umzugehen bald durch SS-Hauptscharführer Georg Deffner ersetzt wurde. Georg Deffner war zuvor Lagerkommandant des Außenlager Kemptens. Im Februar 1945 wurde dieser an das KZ-Kommando Kaufering versetzt, und an seine Stelle trat SS-Hauptscharführer Edmund Zdrojewski, welcher zuvor im KZ_Mauthausen eingesetzt war und ab 1943 stellvertretender Lagerführer des jüdischen Zwangsarbeiterlagers in Krakau-Plaszow war. Die weitere Lagermannschaft bestand alles aus Mitgliedern der SS sowie gegen Kriegsende auch aus nicht mehr fronttauglichen Luftwaffensoldaten.
Im Lager starben in den zwei Jahren des Bestehens insgesamt 17 Menschen, die meisten davon an Typhus, wobei hier nicht sichergestellt ist, ob die von der Mannschaft angegebene Todesursache der Tatsächlichen entspricht. Die niedrigen Sterbezahlen bei der hohen Gefangenenanzahl lässt sich darauf zurückführen, dass Todkranke (nicht mehr Arbeitsfähige) direkt in das Hauptlager nach Dachau abtransportiert wurden. Für den 7. September 1944 ist beispielsweise ein Transport von 87 Häftlingen in das Stammlager dokumentiert. Die Hygienebedingungen im Lager mussten sehr schlecht gewesen sein, da das Gelände sich die ganze Zeit seiner Existenz im Bau befand. So wurden geplante Latrinen und sanitäre Anlagen erst kurz vor Kriegsende errichtet, vermutlich um die Zustände gegenüber den Alliierten etwas zu beschönigen. Die Küche des Lagers Kottern-Weidach befand sich einige hundert Meter außerhalb des Lager in einem privaten Bauernhof nahe dem Bach Durach. Der Häftling Louis Terrenoire berichtet von verwanzten und verlausten Schlafsälen, sowie sehr kalten Wintern im hochgelegenen Allgäu in den nur Holzbaracken der Insassen. Nur die Wachmannschaft hatte gemauerte Unterkünfte.
Im Winter 1944/1945 jedoch war ein Abtransport der Erkrankten aufgrund des allgemeinen Kohlemangels nicht mehr möglich. Es wurde daraufhin im Weiler Fahls der Gemeinde Durach ein eigener Friedhof für KZ-Häftlinge errichtet, da eine Bestattung auf dem kirchlichen Friedhof der Gemeinde aufgrund des Widerstands des NS-Ortsgruppenleiters untersagt war. Dieser Friedhof durfte auch keinesfalls öffentlich als Friedhof gekennzeichnet sein, so z. B. durch Kreuze oder ähnliches, sondern musste nach außen einen äußerst neutralen Eindruck machen.
In der Nacht vom 18. auf den 19. Juli 1944 war das Messerschmitt-Werk Ziel eines Luftangriffs US-amerikanischer Jagdbomber. Die Häftlinge wurden in den Baracken eingesperrt und waren so möglichen Fehleinschlägen schutzlos ausgeliefert. Der Angriff erfolgte allerdings zielgenau: Teile der Produktionsstätten wurden zerstört, das Lager mit den Insassen blieb unbeschädigt.
Kriegsende
Am 26. April 1945 kamen US-amerikanische und französische Panzerverbände ins Allgäu. Der Lagerkommandant Zdrojewski befahl für die etwa 600 gehfähigen Lagerinsassen den sofortigen Aufbruch, ungefähr 50 Kranke und Verwaltungsangestellte blieben zurück. Einen Tag später wurde das fast leerstehende Lager befreit, die geflüchteten Kommandanten mit den 600 Häftlingen wurden knapp 20 Kilometer weiter, in der Nähe von Nesselwang, von amerikanischen Panzern eingeholt. Die Häftlinge wurden dann zunächst bei Privatpersonen, in Gaststätten oder Pfarrheimen untergebracht, bis sie in die Freiheit entlassen wurden.
SS-Hauptscharführer Georg Deffner wurde am 11. Februar 1947 von einem US-amerikanischen Militärgericht in Dachau zu drei Jahren Gefängnis aufgrund seiner Tätigkeit in Konzentrationslagern verurteilt.
Nachkriegszeit
1960 wurden die Leichen des Friedhofs in den KZ-Ehrenfriedhof Flossenbürg umgebettet, allerdings wurden nur noch 13 Häftlinge gefunden. Über das Gelände führt heute die Bundesautobahn 7 zwischen der Anschlussstelle Betzigau und dem Autobahndreieck Allgäu.
Um 1970 versuchte die deutsche Justiz NS-Verbrechen im Außenlager Kottern-Weidach aufzuklären, die Darstellungen der ehemaligen Häftlinge und die Berichte der Wachmannschaft unterschieden sich aber zum Teil sehr stark, sogar untereinander. Da es kaum weitere Quellen für diese Taten gab und die Augenzeugenberichte sich nach dreißig Jahren stark differenzierten, wurden entsprechende Verfahren eingestellt.
Das Gelände blieb lange ungenutzt, teilweise wurden die Baracken in Nachkriegsnot als privater Wohnraum benutzt. Erst in den letzten Jahren wurde das Gelände neu durch Reihen- und Einfamilienhäuser neu bebaut, die den neuen Ortskern des Ortsteils Weidach ausmachen sollen.
Seit 1995 erinnert ein Denkmal der Pfarrei Weidach an das Konzentrationslager.
Literatur
Augenzeugenberichte
- Louis Terrenoire: Sursitaires de la mort lente. Éditions Seghers, Paris 1976.
- Erich Kunter/Max Wittmann: Weltreise nach Dachau. Kulturaufbau-Verlag, Stuttgart-Botnang 1946, ASIN: B0000BKM36.
Darstellungen
- Markus Naumann: Kempten im Zweiten Weltkrieg. Außenkommandos des Konzentrationslagers Dachau in Kempten und Kottern/Weidach. Kempten 1988.
- Gernot Römer: Für die Vergessenen. KZ-Außenlager in Schwaben - Schwaben in Konzentrationslagern. Presse-Druck und Verlags-GmbH, Augsburg 1984, ISBN 978-3896390479.
- Edith Raim: Kottern. In: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terros. Geschichte der nationalsozialstischen Konzentrationslager. C.H. Beck, München 2005, ISBN 978-3406529627 (Band 2), S. 376-378.
47.69696410.326676Koordinaten: 47° 41′ 49,1″ N, 10° 19′ 36″ O
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