Rote Hilfe e.V.

Rote Hilfe e.V.

Die Rote Hilfe e.V. (abgekürzt RH) ist eine Solidaritätsorganisation, die nach eigenen Angaben „politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum“ unterstützt. Die Rote Hilfe hat bundesweit etwa 4300 Mitglieder in 38 Orts- und Regionalgruppen sowie eine Bundesgeschäftsstelle in Göttingen und stellt sich als Nachfolger der historischen Roten Hilfe Deutschlands dar.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Ausgehend von den seit 1968 entstandenen Rechtshilfe- und Gefangenenhilfe-Gruppen der außerparlamentarischen Opposition (wie die Republikanische Hilfe in Frankfurt am Main) gründeten sich ab 1970 in verschiedenen westdeutschen Städten autonome Rote-Hilfe-Gruppen, die erste 1970 im Westteil Berlins. Neben einer Abspaltung der Schwarze-Hilfe-Gruppen, die als Schwerpunkt ihrer Arbeit nicht die Betreuung der politischen Gefangenen sondern aller Gefangenen ansahen, wurde 1970 von der KPD/AO eine Rote Hilfe e.V gegründet, die zentral organisiert und in Landesverbände gegliedert war (sie ist nicht zu verwechseln mit der RH e.V. heute). Diese Rote Hilfe e.V. löste sich 1979 auf.

Rote Hilfe e.V. der KPD/ML (seit 1975)

Ab 1973 entstanden, hauptsächlich auf Initiative der Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) weitere RH-Gruppen, die dieser Partei nahestanden. Ostern 1974 kam es bei einem gemeinsamen Treffen aller Rote- und Schwarze Hilfe-Gruppen in Bochum zu einem Bruch aus politischen Gründen, der am 26. Januar 1975 zur Gründung der KPD/ML-nahen Rote Hilfe Deutschlands (RHD) führte. Sie wurde, nachdem sie sich Anfang der 1980er Jahre politisch geöffnet hatte, 1986 in Rote Hilfe e. V. umbenannt.[1]

Seit Mitte der 1980er Jahre ist die Rote Hilfe sehr dezentral organisiert. Das Spektrum reicht von „Pazifisten bis zu gewaltbereiten Radikalen“[2]. 1986 beschloss die Bundesdelegiertenkonferenz die Umbenennung von „Rote Hilfe Deutschlands (RHD)“ in „Rote Hilfe e.V.“[3] Der Verein wurde als gemeinnützig anerkannt[4]. Hauptaufgabe ist weiterhin die Unterstützung von aus politischen Motiven straffällig gewordenen Linken und Linksextremisten, die einer „Repression“ des Staates ausgesetzt seien. [5] 1989 wurde das Thema Abschiebung vermehrt in den Vordergrund gerückt. Nach der Wiedervereinigung setzt sich die „Rote Hilfe“ auch für angeklagte ehemalige SED-Funktionäre und ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit ein. Anfang der 1990er Jahre wurde von Rote Hilfe e.V. die Kampagne „Anna und Arthur halten's Maul“ aufgegriffen und im Jahr 2000 unter dem Slogan „Bitte sagen Sie jetzt nichts!“ weitergeführt. Darin werden Beschuldigte in jeglichen Verfahren zur totalen Aussageverweigerung aufgefordert, solange die Folgen der Aussage nicht überschaubar sind. In älteren Broschüren wurden Polizisten dabei generell als Bullen bezeichnet:

„Zu den Bullen brauchst du eh nicht hingehen, bei der Staatsanwaltschaft mußt du zumindest erscheinen und Angaben zur Person machen. Der Rest muß im Einzelfall entschieden werden. Das, was sie wollen, dich alleine herausgreifen und einschüchtern, funktioniert nur solange, wie du ihr Spiel mitspielst.“ [6]

Der Verein publiziert die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift Die Rote Hilfe und Broschüren, die Empfehlungen für das Verhalten der Betroffenen bei der Festnahme auf Demonstrationen und bei Hausdurchsuchungen geben.

Die Rote Hilfe ist an dem nach Hans Litten benannten Hans-Litten-Archiv beteiligt, einem Archiv der Geschichte der Arbeiterbewegung und der sozialen Bewegungen.

Selbstdarstellung

Die Rote Hilfe formuliert ihre Ziele so:[7]

  1. Wir bereiten zusammen mit den Angeklagten den Prozeß vor und machen besonders seinen politischen Hintergrund in der Öffentlichkeit bekannt.
  2. Wir sorgen durch Solidaritätsveranstaltungen, Spendensammlungen und Zuschüsse aus den Beitragsgeldern dafür, daß die finanziellen Belastungen von vielen gemeinsam getragen werden. Besonders Anwalts- und Gerichtskosten können teilweise oder ganz übernommen werden, aber auch Zahlungen zum Lebensunterhalt geleistet werden, wenn hohe Geldstrafen, Verlust des Arbeitsplatzes oder Gefangenschaft die Betroffenen oder ihre Familien in Schwierigkeiten gebracht haben.
  3. Zu politischen Gefangenen halten wir persönlichen Kontakt und treten dafür ein, daß die Haftbedingungen verbessert, insbesondere Isolationshaft aufgehoben wird; wir fordern ihre Freilassung.
  4. Die Rote Hilfe organisiert nach ihren Möglichkeiten die Solidarität für alle, unabhängig von Parteizugehörigkeit oder Weltanschauung, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden. Politische Betätigung in diesem Sinne ist z.B. das Eintreten für die Ziele der ArbeiterInnenbewegung, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische oder gewerkschaftliche Kampf und der Kampf gegen die Kriegsgefahr.

Verfassungsschutzbericht

Im Verfassungsschutzbericht 2007 des Bundesinnenministeriums wird die Rote Hilfe wie folgt charakterisiert: "Ihrem Selbstverständnis als „parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation“ entsprechend, unterstützt die – von Linksextremisten unterschiedlicher Ausrichtung getragene – RH von Strafverfolgung oder „staatlicher Repression“ Betroffene aus dem gesamten „linken“ und linksextremistischen Spektrum politisch und finanziell."[8] Vom Bundesamt für Verfassungsschutz wird sie als linksextremistisch eingestuft.[9][10][11][12]

Wirkungsfeld

Die Rote Hilfe unterstützt Beschuldigte und Straftäter aus dem linken Spektrum - darunter auch inhaftierte ehemalige Mitglieder der Rote Armee Fraktion.[5] Dies geschieht primär durch juristische Unterstützung derjenigen, die bei politischen Aktivitäten verhaftet wurden, unter „Repression leiden“, oder gegen die Ermittlungsverfahren anhängig sind. Die RH leistet Unterstützung durch Medienarbeit, Beratung und gemeinsame Vorbereitung von Prozessen, Organisieren von Demonstrationen und bezuschusst vor allem Rechtsanwaltskosten.[13] Daneben setzt sich die Rote Hilfe auch gegen das Verbot der als verfassungsfeindlich eingestuften, und von der Türkei, der EU und den USA als terroristische Vereinigung eingestuften kurdischen PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen ein und unterstützt deren Rechtshilfefonds „Azadi“ finanziell.[14][15] Ferner unterstützt sie Asylbewerber, denen die Abschiebung droht. Gegen den allgemeinen Trend konnte sie in der Vergangenheit als eine der wenigen linksextremistischen Organisationen ihren Mitgliederbestand und ihre Bedeutung als Hilfs- und Unterstützungsorganisation in der Szene kontinuierlich steigern.[16]

Bekannte Mitglieder

Die im November 2007 gewählte Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel gehörte der Roten Hilfe an. Aufgrund der Diskussion um ihre Mitgliedschaft trat sie im Dezember 2007 aus dem Verein aus.[17] Einige Abgeordnete der Linkspartei haben sich im Dezember 2007 öffentlich zu ihrer Unterstützung der Rote Hilfe bekannt. Die Erstunterzeichner des Aufrufs "Für Solidarität eintreten! Wider Repression und Duckmäusertum!" [18] sind die stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei Die Linke Katja Kipping, Michael Leutert MdB, Sevim Dagdelen, MdB, Nele Hirsch, MdB, Julia Bonk, MdL (Sachsen) und Freya-Maria Klinger MdL (Sachsen).

Literatur

  • Rote Hilfe e.V. (Hrsg.): Vorwärts und nicht vergessen! 70/20 Jahre Rote Hilfe. Die Geschichte der Roten Hilfe von der Weimarer Republik bis zur Wiedergründung in den Siebziger Jahren. Kiel 1996 (1998) Volltext online
  • Broschüre der Rote Hilfe e. V. 20 Jahre Rote Hilfe - Solange es Unterdrückte gab.... Göttingen 2005
  • Albrecht Götz von Olenhusen u. Jens David Runge Die Rote Hilfe. Die Geschichte der internationalen kommunistischen Bewegung. Frankfurt 1998
  • Brauns, Nikolaus Schafft Rote Hilfe! Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene, Pahl-Rugenstein, Berlin 2003

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 70 / 20 Jahre Rote Hilfe (Online-Version der Broschüre Vorwärts und nicht vergessen! 70/20 Jahre Rote Hilfe. der Roten Hilfe e. V.)
  2. Korrekte Referenz fehlt, vermutlich: Verfassungsschutzbericht 2005
  3. Bundesvorstand 2006, Arbeitspapier, S. 1
  4. Linksextremismus: Juso-Chefin verlässt "Rote Hilfe", Artikel auf Spiegel Online
  5. a b Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen: Rote Hilfe e. V.
  6. Ratschläge bei Hausdurchsuchungen der Roten Hilfe auf www.infopartisan.net
  7. Rote Hilfe e. V. - Über uns
  8. Verfassungsschutzbericht 2007
  9. Verfassungsschutzbericht 2004; Seite 167: „Ein wichtiges Betätigungsfeld der RH blieb die finanzielle Unterstützung von Linksextremisten, die nach Auffassung der RH aufgrund ihrer politischen Aktivitäten in der Bundesrepublik strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Dafür gab sie satzungsgemäß fast 50 Prozent ihrer Mittel (nahezu 100.000 Euro) aus“. Dies wird auch in neueren Verfassungsschutzberichten angeführt.
  10. Verfassungsschutzbericht 2005, S. 197f.
  11. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 193ff.
  12. Verfassungsschutzbericht 2007, S. 164ff.
  13. Verfassungsschutzbericht 2004, Seite 167: Unter dem Motto „Gegen die Wiedereinführung der Berufsverbotspraxis! Alle Formen staatlicher Repression bekämpfen!“ rief die RH zu einer Großdemonstration am 23. Oktober in Heidelberg auf
  14. Landesamt für Verfassungsschutz: Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK und ihrer Nachfolgeorganisation
  15. Verfassungsschutzbericht 2004, Seite 166: „Die regelmäßige finanzielle Unterstützung an die Gruppe der ‚Angehörigen und Freunde der politischen Gefangenen‘ sowie von ‚Azadi‘, dem separaten Rechtshilfefonds zu Gunsten von Kurden, die in Deutschland wegen Betätigung für die ‚Arbeiterpartei Kurdistans‘ (PKK) bzw. den ‚Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans‘ (KADEK) oder den „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA GEL) vermeintlich politisch verfolgt werden, wurde aufgestockt.“
  16. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg
  17. welt.de: „Neue Juso-Chefin verlässt 'Rote Hilfe'“, 1. Dezember 2007 und spiegel.de: „Juso-Chefin verlässt 'Rote Hilfe'“, 1. Dezember 2007
  18. Für Solidarität eintreten! Wider Repression und Duckmäusertum! vom 18.12.2007

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