Rumbeck (Weser)

Rumbeck (Weser)
Wappen Deutschlandkarte
Wappen der Stadt Hessisch Oldendorf
Hessisch Oldendorf
Deutschlandkarte, Position der Stadt Hessisch Oldendorf hervorgehoben
52.1666666666679.2562Koordinaten: 52° 10′ N, 9° 15′ O
Basisdaten
Bundesland: Niedersachsen
Landkreis: Hameln-Pyrmont
Höhe: 62 m ü. NN
Fläche: 120,39 km²
Einwohner: 19.547 (31. Dez. 2007)
Bevölkerungsdichte: 162 Einwohner je km²
Postleitzahlen: 31840 31833
Vorwahl: 05152
Kfz-Kennzeichen: HM
Gemeindeschlüssel: 03 2 52 007
Stadtgliederung: 24 Ortsteile
Adresse der Stadtverwaltung: Marktplatz 13
31840 Hessisch Oldendorf
Webpräsenz:
Bürgermeister: Harald Krüger (SPD)

Hessisch Oldendorf ist eine Stadt im Landkreis Hameln-Pyrmont in Niedersachsen unweit der Weser. 1905 wurde dem Ortsnamen amtlich der Zusatz „Hessisch“ zwecks besserer Unterscheidung im Bahn- und Postverkehr hinzugefügt. Zu jener Zeit gehörte die Stadt zur preußischen Provinz Hessen-Nassau.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Geographische Lage

An der Weser, 13 km nordwestlich vor der Rattenfängerstadt Hameln, liegt die Stadt Hessisch Oldendorf mit ihrem namensgebenden historischen Kern.

Geologie

Eine geologische Besonderheit sind die Vorkommen von Planicosta-Sandstein.

Stadtgliederung

Seit der Gemeindereform von 1973 gliedert sich Hessisch Oldendorf in 8 Ortschaften mit insgesamt 24 Ortsteilen:

  • Hessisch Oldendorf - ehemaliges Stadtgebiet/Kernstadt
  • Großenwieden - Großenwieden und Kleinenwieden
  • Rohdental - Rohden, Segelhorst und Welsede
  • Hohenstein - Barksen, Krückeberg, Langenfeld, Wickbolsen und Zersen
  • Süntel - Bensen, Haddessen, Höfingen und Pötzen
  • Fischbeck - mit Stift Fischbeck und Weibeck
  • Sonnental - Friedrichsburg, Friedrichshagen, Fuhlen, Heßlingen, Rumbeck
  • Hemeringen/Lachem - Hemeringen und Lachem

Einwohnerentwicklung

Blick von der Paschenburg nach Hessisch Oldendorf

Zahlen beziehen sich auf das heutige Stadtgebiet.
(ab 1998 jeweils zum 31. Dezember)

  • 1939: 10.991
  • 1950: 21.412
  • 1961: 17.461
  • 1970: 17.829
  • 1983: 18.990
  • 1999: 20.108
  • 2000: 20.078
  • 2004: 19.973
  • 2006: 19.612

Geschichte

Flurkarte von Hessisch Oldendorf 1750
  • Die Gründung (Hessisch) Oldendorfs als Stadt fällt höchst wahrscheinlich in das zweite Viertel des 13. Jahrhunderts. Möglicherweise plante Graf Adolf von Schaumburg, das befestigte Oldendorf zum Mittelpunkt der ca. 25 schaumburgischen Ortschaften der Umgebung zu machen und dadurch seine Macht zu sichern.
  • Um 1500 hatte die Stadt ca. 1.300 Einwohner.
  • 1552 erreichte die Reformation die Grafschaft Schaumburg und damit Oldendorf.
  • Durch den Tod des letzten Grafen 1640 entstand ein Streit um die Grafschaft Schaumburg, der zu ihrer Aufspaltung in drei Teile führte. Oldendorf fiel zusammen mit Rinteln als Exklave an die Landgrafschaft Hessen-Kassel.
  • 1807–1813 gehörte Oldendorf, wie ganz Kurhessen, zum napoleonischen Königreich Westphalen.
  • 1866, nach der Annexion von Hessen-Kassel durch Preußen, wurde die Stadt der preußischen Provinz Hessen-Nassau zugeordnet (darin ab 1867 dem Regierungsbezirk Kassel).
  • 1932 kam sie an die Provinz Hannover (darin in den Regierungsbezirk Hannover).
  • Mit der Auflösung des Landkreises Grafschaft Schaumburg (Kreisstadt Rinteln) und Neubildung des Landkreises Schaumburg (Kreisstadt Stadthagen) wurde die Stadt, die jahrhundertelang „Oldendorf unter der Schaumburg“ hieß, am 1. August 1977 aus der historischen Zugehörigkeit herausgenommen und in den Landkreis Hameln-Pyrmont eingegliedert.

Idistaviso-Schlacht (16 n. Chr.)

Vermutetes Idistaviso-Schlachtfeld
Gefechtsaufstellung 28. Juni 1633
Schlachtgeschehen 1633 in einem Merian Kupferstich
Französisches Hauptquartier Oldendorf 1776 im Siebenjährigen Krieg

Die Annalen des Tacitus sind die einzige authentische Quelle, die über den Feldzug der Römer unter Germanicus durch Nord-Germanien 15-16 n. Chr. und seinen Sieg über das Heer des Arminius berichten. Angelegt war dieser überaus sorgfältig angelegte Feldzug der Römer als Rachefeldzug für die schmerzliche römische Niederlage in der Varus-Schlacht im Jahre 9 n. Chr. Das Fehlen von exakten Ortsangaben hat seit Jahrhunderten die Historiker mit unterschiedlichen Hypothesen über die geographische Lage des Idistaviso-Schlachtfeldes beschäftigt. Die Mehrzahl der Autoren legen aber überzeugend dar, dass diese Schlacht nur in den Stauwiesen zwischen Hessisch Oldendorf und Fischbeck stattgefunden haben kann.

Schlacht am Süntel (782)

Im Verlauf der gewaltsamen Christianisierung durch Karl den Großen stoßen im Jahre 782 Franken und Sachsen am Süntel aufeinander. Ein Frankenheer, ursprünglich gegen die Sorben in Thüringen ausgesandt, erfährt von einem erneuten Aufstand der Sachsen, entdeckt deren Lager am Süntel und stürmt blindlings auf den Feind ein. Die Sachsen unter ihrem Führer Herzog Widukind erwarten den Angriff in guter Ordnung; ein Teil von ihnen umgeht die Franken, die daraufhin fast alle erschlagen werden. Die Namen Totental und Blutbach am Hohenstein und das Dachtelfeld (tachteln = schlagen) erinnern noch an das Massaker. Karl der Große rächt sich mit dem „Blutgericht in Verden an der Aller“, bei dem angeblich 4500 Edle der Sachsen hingerichtet wurden. Die Historiker sind sich aber hier nicht einig, siehe Blutgericht von Verden.

Schlacht bei Oldendorf (1633)

Das dritte historisch bedeutsame Treffen um Hessisch Oldendorf fand am 28. Junijul./ 8. Juli 1633greg. [1] statt, als ein protestantisches Heer von Schweden, Hessen und Braunschweig-Lüneburgern dem katholisch-kaiserlich besetzten Hameln zu Hilfe kam. Zum Kampf kam es in der Schlucht zwischen Segelhorst und Barksen. Zum glänzenden Sieg über die kaiserlichen Truppen halfen die genaue Ortskenntnis eines Rittmeisters, der in Oldendorf geboren war, und der erste Einsatz beweglicher Feldartillerie. Bei dieser Schlacht wurden an einem einzigen Tag über 7000 Tote gezählt. Ein Chronist der schwedisch-lüneburgischen Truppen, der das Schlachtfeld zwischen Barksen und Segelhorst am folgenden Tage besucht hatte, schrieb darüber: . . . „Sey sonsten diese Stunde auß dem Läger für Oldendorf gekommen und die Walstadt, darauff daß Treffen geschehen, ein wenig besichtigtt, da dan der Augenschein außweiset, daß sie alda einer den andern ernst gemeint haben, weiln das Gehöltze daselbst wie dan auch daß flache Veldt und im Korn überall fast voll todter Körper ohne Zhall liggen, in etzlichen tieffen Gründen aber, da sie im Außweichen durchsetzen wollen, liggen ihrer woll 5 oder 6 auffeinander, alle nacket außgezogen und übell zerhackett und zerhawen, welches grewlich anzusehen, und ist anders hievon nit zu judiciren, alß daß Gott der Allmächtig alda selber in Streit gewesen und den Sieg erhalten.“

Siebenjähriger Krieg (1756–1763)

Hauptquartier einer merkwürdigen Schlacht wurde Hessisch Oldendorf 1757: Wilhelm August, ein Sohn des Kurfürsten Georg II. von Hannover, und der englische Herzog von Cumberland standen einer französischen Armee unter dem Kommando des Marschall d'Estrees gegenüber. In der Schlacht bei Hastenbeck wähnte der Herzog von Cumberland das Treffen verloren und gab den Befehl zum Rückzug, während jedoch, ohne sein Wissen, die Franzosen tatsächlich geschlagen waren und zurückfluteten. Als der Herzog seinen Irrtum erkannte, waren die Franzosen bereits wieder auf das Schlachtfeld zurückgekehrt und behaupteten es, ohne eigentlich gesiegt zu haben. Die Folge der Niederlage war die Kapitulation der Festung Hameln und der Verlust des Kurfürstentums Hannover an die Franzosen. Hessisch Oldendorf erlitt enorme Verluste durch Kontributionen, Plünderungen und Einquartierungen.

Der unheimliche Jobst dämmt die Weser ab

Das Oldendorfer Wesertal wurde von mehreren Weserarmen durchflossen, die noch heute bei Hochwasser gut zu erkennen sind. Der Hauptarm der Weser floss direkt am „Münchhausenhof“ und den Stadtwällen von Hessisch Oldendorf entlang und sicherte so der Stadt erhebliche Zolleinnahmen. Schweren wirtschaftlichen Schaden nahm daher die Stadt, als zwischen 1615 und 1682 der Landdrost Jobst von Mengerßen die Weser in den Stauwiesen bei Weibeck abdämmte. Durch die Trockenlegung alter Weserarme wurden aber bedeutende fruchtbare Ackerflächen gewonnen, die dem Vermögen der Grafen von Schaumburg zufielen. Dem Volksglauben nach soll Jobst für seine Tat an nebligen Tagen ruhelos bei der alten Weser umherirren und (Rad-)Wanderer erschrecken.

Aus der Geschichte der Oldendorfer Juden

Juden-Gedenkstein auf dem alten Juden-Totenhof in der Nordostecke des Stadtwalls

Schon im frühen 14. Jh. berichten Hamelner Urkunden von Juden in Oldendorf, die dann nach Hameln übersiedeln. Von 1597 haben sich Schriftstücke erhalten, in denen der Oldendorfer Bürgermeister dem Juden Isaak eine untadelige Führung als Händler und Geldverleiher bescheinigt. Geldgeschäfte aller Art waren ein Erwerbszweig, in den sich die Juden zwangsläufig flüchten mussten, nachdem ihnen die Handwerker-Zünfte und Kaufmannsgilden aus religiösen Gründen versperrt waren. So traten zwischen 1660 und 1723 auch die drei jüdischen Brüder Wallach mehrmals als Kreditgeber der Stadt auf. Um 1675 pachteten sie einen „Totenhof“ auf dem Nordwall und erwarben 1710 den ersten jüdischen Hausbesitz in der Stadt. Auch im weiteren Verlauf des 18. Jh.s lebten hier drei jüdische Familien und handelten mit „Ellenwaren“, Fellen und Häuten – passend in einer Stadt mit zahlreichen Gerbern und Schuhmachern. Die napoleonischen Reformen brachten den Juden die bürgerrechtliche Gleichstellung und dauerhafte Familiennamen – in Oldendorf: „Rosenberg“, „Blumenthal“ und „Lilienfeld“. Der Metzger Baruch Blumenthal nahm an den Befreiungskriegen teil und erhielt dafür 1823 eine Ehrenmedaille des zurückgekehrten hessischen Kurfürsten. Bis zur Mitte des 19. Jh.s wuchs die Zahl der jüdischen Einwohner auf 43, bei 1343 Einwohnern insgesamt. Neben den Metzgern und kleinen Händlern ragten die Brüder Rosenberg (Kolonial- und Bankgeschäfte) und vor allem der wohlhabende Kaufmann Nathan Peritz Lilienfeld heraus, der im Revolutionsjahr 1848 sogar in den Stadtrat gewählt wurde. Aber bereits 1852 entzog eine kurhessische Verfassungsänderung allen Nichtchristen wieder solche Mandate. 1832 hatte Lilienfeld als jüdischer Gemeindeältester mit der Stadt einen Kaufvertrag geschlossen, durch den ein neuer jüdischer Friedhof östlich der Stadt angelegt werden konnte (An der Bollwegstrift, unten an der Zufahrt zum städtischen Friedhof gelegen).

Neuer Jüdischer Friedhof seit 1832

Von der Kaiser- bis zur Nazi-Zeit treten die jüdischen Geschäftsleute (z.B. Bankhaus u. Textilgeschäft Adolf Spanier, Landhandel Max Blumenthal, Viehhandlung Julius Löwenstein) als angesehene und ins Vereinsleben gut integrierte Mitbürger in Erscheinung. Julius Löwenstein war als Weltkriegsteilnehmer auch Ortsvereinsvorsitzender des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten. Im Jahre 1933 erlebten 21 Oldendorfer Juden die Machtübernahme der Nationalsozialisten. Entrechtung, Misshandlung, Vertreibung und Mord wurden ihr Schicksal. Ein erster Tiefpunkt war 1935 eine vom Lehrer Carlowitz mit nachweislich erlogenen Behauptungen angezettelte Kundgebung auf dem Marktplatz wegen einer angeblichen „Rassenschändung“ im Haus des Viehhändlers Löwenstein. Aufgewiegelte Einwohner drangen daraufhin in dessen Haus ein, verwüsteten die Einrichtung und zwangen die Familie zum vorläufigen Verlassen der Stadt. Im August 1935 verbot der Stadtrat den kommunalen Bediensteten jeden Umgang mit Juden, sperrte den städtischen Viehmarkt für die jüdischen Viehhändler und untersagte allen Juden die Benutzung der Badeanstalt. In der Reichspogromnacht zum 10. November 1938 stürmten Oldendorfer SS-Angehörige und Zivilisten die Viehhandlung Löwenstein, plünderten die Wohnung und misshandelten die Ehefrau und deren Schwager. Die Familie Löwenstein emigrierte in die USA und 1939/40 fanden noch drei weitere Jugendliche Asyl in England und den USA. Für die übrigen 14 in Deutschland gebliebenen Oldendorfer Juden gab es keine Rettung. Ihre Spuren verloren sich in Theresienstadt, Riga, Minsk, Lodz und Auschwitz. Nach dem Krieg besuchte Lieselotte Southam – die 1939 nach England entkommene Tochter von David und Lina Blumenthal (Viehhandel und Schuhgeschäft in der Langen Straße) – mehrfach ihren Geburtsort und berichtete 1994 ausführlich über ihre ermordeten Eltern, über das gesellschaftliche Zusammenleben in Hessisch Oldendorf vor 1933 und den Niedergang danach. Seit 1988 erinnert eine Gedenktafel auf dem Nordwall an die Stelle des ersten jüdischen Friedhofs und an die Geschichte der Oldendorfer Juden.

Mühlen in Hessisch Oldendorf

Die Stadtmühle am Westertor war die älteste Mühle der Stadt und bestand bereits seit der Stadtgründung im 13. Jahrhundert. Die Wassermühle Dömich an gleicher Stelle wurde 1863 – verstärkt mit einer Betriebsgrabenverbindung zum Rohdener Bach – errichtet und war bis ca. 1960 in Betrieb. Die Oldendorfer Windmühle wurde auf der Südostecke des Stadtwalles 1589 von der Stadt erbaut, brannte aber im Dreißigjährigen Krieg bereits wieder ab. Die Oldendorfer Schiffsmühle lag seit 1587 auf dem alten Weserarm vor der Südwestecke des Walles. Sie bestand aber nicht lange, denn wenige Jahrzehnte später war die alte Weser abgedämmt. 7 Schleifmühlen der Schmiede und Schlosser wurden 1655 gezählt. 1/2 Thaler Wasserzins verlangte die Stadt für jede Mühle. Die Münchhausen-Mühle an der Fuhler Weserbrücke gehörte bis zu Verkoppelung 1870 zum Münchhausen-Burghof. Vor 1600 wird sie bereits urkundlich erwähnt. Die Dampfmühle an der Segelhorster Straße wurde als Getreide- und Sägemühle 1868 bis ca. 1950 betrieben. Die Kokensmühle am Barksener Weg war ab 1571 Lohmühle des Oldendorfer Schusteramtes. Hier wurde Eichenrinde zu „Lohe“, die von den Gerbern zur Lederherstellung benötigt wurde, gemahlen. Bis 1668 war der Kokensmühle auch eine Walkmühle der Oldendorfer Tuchmacher, die ihre gewebten Leinenstoffe hier „walken“ ließen, angegliedert. Ab 1680 diente die Kokensmühle als Ölmühle.

Dienstsitz des Schaumburger Scharfrichters

Gerber, Lohmüller und Schuhmacher siedeln sich im Gefolge an

Der Dienstsitz des Schaumburger Scharfrichters ist seit Gründung der Stadt nachweisbar und befand sich auf dem Grundstück Mittelstraße 9/ Ecke Paulstraße neben dem „Bürgerzwangturm“, der als städtisches Gefängnis ebenfalls der Aufsicht des Scharfrichters unterstand. Als Grundlage des Strafvollzugs diente die „Karolina“, die peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V.

Der Beruf des Scharfrichters galt als nicht „ehrlich“, er gehörte keiner Gilde an und unterlag auch in Familienangelegenheiten besonderen Vorschriften. Im Ratskeller und in der Kirche hatte der Mann mit dem schrecklichen Handwerk seine festen, vom Rat der Stadt bestimmten Sitzplätze. Geheiratet wurde nur innerhalb der Scharfrichtersippen, niemals mit anderen Berufsgruppen.

In einen so kleinen Land wie der Grafschaft Schaumburg war die „dienstliche Auslastung“ eines Scharfrichters verständlicherweise nur gering. Um dem Scharfrichter sein Auskommen aber zu sichern, wurde deshalb das Amt mit den Aufgaben des Abdeckers verbunden. Alles verendete Vieh der gesamten Grafschaft durfte ausschließlich durch den Oldendorfer Abdecker entsorgt werden. Bei Strafe war es den Bürgern verboten, ihr totes Vieh selbst zu vergraben. Die Abdeckerknechte holten dann das Vieh ab und verwerteten es in der „Fillerei“. Die Geruchsbelästigung in der engen Stadt und die Wasserbeeinträchtigung des Wallgrabens erforderte bald die Verlegung der „Fillekuhlen“ nach außerhalb der Stadtwälle an den Barksener Weg (heute Stadthalle). Verwertet wurden neben den Hufen und Hörnern hauptsächlich die Häute der verendeten Tiere.

Die Verarbeitung der Tierhäute erfolgte dann durch eine neue Berufsgruppe, den Gerbern. An den Bachläufen rund um die Stadt sind mehrere Gerbereien dokumentiert, wovon die Wehrhahnsche Gerberei an der Segelhorster Straße die größte war. Neben den Häuten war das ausreichende Vorhandensein von Eichenlohe, die in der Lohmühle aus Eichenrinde gewonnen wurde, Voraussetzung für die Lederherstellung. Diese fand aber mit der Entwicklung der industriellen Chromgerbung ihr schnelles Ende.

Als letzte profitierte von dem schaumburger Scharfrichter und Abdecker die lederverarbeitende Zunft der Schuhmacher, die über Jahrhunderte recht bedeutend war. „Oldendorf ist eine Stadt, die neunundneunzig Schuster hat“, sangen die Kinder. Die industrielle Produktion in zwei Schuhfabriken löste auch dieses Kleingewerbe im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ab.

NATO-Kaserne Hessisch Oldendorf

Niederländische Luftwaffe und US-Airforce in Hessisch Oldendorf

ehemalige NATO-Kaserne Hessisch Oldendorf

Auf dem Höhepunkt der Konfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt ab 1960 errichtete die Bundesrepublik im Abstand von ca. 150 km zur Zonengrenze einen Gürtel mit Luftabwehrraketen-Stationen. In Hessisch Oldendorf wurde für dieses Verteidigungsprojekt ab 1963 eine zentrale Kasernenanlage für vier feste Abschussstationen mit jeweils fünf weiteren Ausweichplätzen gebaut.

Die 4. Lenkwaffen-Gruppe der Niederländischen Luftwaffe (4GGW) bezog im Oktober 1964 die neue Kaserne an der Segelhorster Straße mit 1800 Personen. Für die niederländischen Familien entstanden im „Keukenhof“ entsprechende Wohnungen, Schulen und Soldatenheim. Zugeordnet waren der Hessisch Oldendorf Kaserne die Stationen Barsinghausen/ Deister (420. Sqn), Bad Münder/ Süntel (421. Sqn), Goldbeck (422. Sqn) und Reinsdorf/ Bückeberge (423 Sqn). Ausgerüstet waren die Niederländischen Einheiten mit mobilen konventionellen „Hawk“-Luftabwehrraketen und den dazugehörigen Radarsystemen. Anfang der Siebziger Jahre war dieses Luftabwehrsystem schon technisch veraltet und so wurden die niederländischen Luftwaffeneinheiten bereits zum 1. Juli 1975 wieder nach Holland zurückverlegt.

Neuer Hausherr der Kaserne in Hessisch Oldendorf wurde ab Mai 1976 die US-Airforce. Der „600th TCG Hessisch Oldendorf Airstation“ unterstanden große Radarstationen in Bad Münder/ Süntel (609th), Schwelentrup (619th, 620th) und Bremerhaven (606th). Die US Airstation fungierte als eine der zentralen Leitstellen der norddeutschen Radarüberwachung. Logistisch unterstützt wurde die Airstation durch eine unterirdische Treibstoff-Pipeline von Münster nach Hessisch Oldendorf.

Mit dem Ende des Kalten Krieges kam auch das Ende der US-Airstation, die 1991 aufgelöst wurde. Die Kasernenanlage wurde noch einige Jahre als Niedersächsisches Auffanglager für Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion genutzt. Inzwischen ist das gesamte ehemalige Kasernengelände abgebrochen und zu einem modernen Wohngebiet umgenutzt worden. Einzige Erinnerung an die ehemalige Kaserne ist die amerikanische Schule, die heute als „Grundschule am Rosenbusch“ weiter existiert.

Die Treibstoff-Pipeline und die unterirdischen Tanklager im Süntel sind ab Fischbeck stillgelegt und zum Schutz vor Korrosion mit Stickstoff befüllt. Die verbliebene Pipeline wird in Teilbereichen von der Wintershall AG als Gas-Pipeline neu genutzt. Munitionsbunker u.a. in Wahrendahl werden jetzt ebenfalls zivil genutzt.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Sehenswert ist in Hessisch Oldendorf vor allem der Münchhausen-Hof, der 1585 von den Freiherren von Münchhausen im Stil der Weserrenaissance an einem Weserarm erbaut wurde. Seit 21. August 2004 ist als neueste Attraktion die Schillat-Höhle in der Nähe von Langenfeld zugänglich.

Bauwerke

Bronze-Taufbecken von Mante Pelking 1590
Merian-Stich von 1647
Notgeld der Stadt Hessisch Oldendorf
Stadtbefestigung und Burgmannshöfe 16. Jahrhundert
Fachwerkbauten in der Langen Straße: Haus Nr. 60 (rechts) und Nr. 62 (links)
Baxmann-Brunnen
  • Die evangelische Stadtkirche St. Marien ist seit dem 14. Jahrhundert bezeugt. Der jetzige Bau wurde gegen Ende des 14., bzw. zu Anfang des 15. Jahrhunderts errichtet und 1886 erneuert. Zur Ausstattung gehören ein rundes Bronzetaufbecken von 1590, ein Abendmahlsbild aus derselben Zeit und zwei Kreuzigungstafeln des 17. Jahrhunderts.
  • Der ursprünglich an einem Weserarm gelegene Münchhausen-Hof ist einer größten und bedeutendsten Adelshöfe der Weserrenaissance. Die Hofanlage entstand wohl bereits im 13. Jahrhundert. Seit dem 14. Jahrhundert war er in dem Besitz der Familie von Büschen. 1583 begann Börries von Münchhausen mit dem Bau des heutigen Weserrenaissance-Schlosses. Das Herrenhaus ist eine Zweiflügelanlage mit polygonalem Treppenturm. Im Inneren blieb ein Saal erhalten, dessen Tür und Kamin mit Beschlagwerkdekor verziert sind. Von 1579-1640 lebte hier Börries Sohn, Ludolph von Münchhausen. Ab 1783 verpachteten die Münchhausen den Ritterhof und seit 1947 ist der heutige Gutshof nicht mehr im Besitz der Familie.
  • Das einst von zahlreichen Fachwerkbauten geprägte Stadtbild hat in den vergangenen Jahrzehnten starke Veränderungen hinnehmen müssen. So wurden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mehr als 30 historische Wohnbauten abgebrochen, darunter das Herrenhaus des Adelshofes von Mengerssen, das einer modernen Senioren-Wohnanlage weichen musste. In der Innenstadt blieben trotz alledem noch mehrere, zumeist giebelständige Fachwerk-Dielenhäuser erhalten, von denen etliche jedoch verkleidet oder durch Ladeneinbauten entstellt sind. Hervorzuheben:
    • Lange Straße 47, stark restauriert, bezeichnet 1585.
    • Lange Straße 48. Das stark veränderte und zu einem großen Teil verkleidete Haus ist mit zahlreichen Inschriften und Beschlagwerkdekor versehen. Es wurde 1621 errichtet.
    • Lange Straße 60 (Ratsstuben). Der mit Fächerrosetten und geschnitzten Füllbrettern versehene Bau ist am Giebel 1576 bezeichnet. Erst 1709 wurde der utluchtartige Vorbau hinzugefügt. Hinter dem Haus befinden sich die Reste eines angeblich noch aus der Spätgotik stammenden Steinwerkes.
    • Lange Straße 62. Um 1550 entstandenes Traufenhaus mit seitlicher Diele, dessen frei stehender Giebel über Knaggen weit vorkragt. Im 19. Jahrhundert wurde das Gebäude zur Straße hin um 1/2 Fach verbreitert.
    • Lange Straße 63. Zweigeschossiges Dielenhaus mit Zwischenstock und zwei ungleichen Utluchten, bezeichnet 1563. Der Giebel ist mit Fächerrosetten verziert.
    • Lange Straße 84. Stattlicher Bau mit Krüppelwalmdach, dessen Stockwerke einzeln abgezimmert sind. Das zweigeschossige Gebäude wurde 1746 durch den Oldendorfer Bürgermeister und Kaufmann Gelshorn errichtet. In jüngerer Zeit wurde das Erdgeschoss durch Ladeneinbauten stark verändert und die in der linken Hälfte gelegene Diele verbaut.
    • Lange Straße 85. Hinter dem 1983 in Anlehnung an den Vorgängerbau errichteten Bank-Neubau liegt ein zwischen 1500 und 1550 errichtetes Hinterhaus in Fachwerk.
    • Lange Straße 90. Das 1563 bezeichnete Dielenhaus ist mit Fächerrosetten verziert.
    • Südstraße 2. Gut erhaltenes Dielenhaus mit Utlucht, bezeichnet 1550.
    • In der Schulstraße befindet sich noch eine Reihe älterer Handwerkerhäuser, darunter: Nr. 10, bezeichnet 1607 u. Nr. 12, 1608 bezeichnet, beide mit Utlucht und Dielentor.
  • Stadtbefestigung. Die Stadtumwallung mit Graben ist vor allem im Norden und an der Südwest- und Südostecke recht gut erhalten. Stadtmauern hat es nur teilweise im Bereich der Stadttore gegeben. Die Wälle wurden sonst nur durch Palisaden und den natürlichen Schutz der Landschaft (Weserarm im Süden und unwegsames morastiges Schilfgebiet im Norden) geschützt. Nachweisbar sind drei bruchsteingemauerte Rundtürme an der Südost-, Südwest- und Nordseite des Stadtwalls. Im Bürgerzwangturm an der Nordseite des Stadtwalls wurde bis zum Bau des Amtsgerichtsgefängnisses im Jahr 1886 die Turmstrafe als schwerste verhängte Strafe des Stadtgerichts verbüßt.
  • Baxmann-Brunnen, 2003 in Erinnerung an Cord Baxmann errichtet, den sagenumwobenen Ratskeller-Wirt, Tornemann und Stadtmusikus, der 1599 bis 1661 in Oldendorf lebte.

Wirtschaft und Infrastruktur

Verkehr

Der dreispurige Neubau der Bundesstraße 83 (Wesertalstraße) tangiert das Weserstädtchen im Süden. Der Münchhausen-Ring entlastet die Innenstadt und sorgt für die gute Erreichbarkeit ihrer Parkplätze. Auf der ausgebauten Landesstraße 434 erreicht man nach 9 km die Bundesautobahn 2 (Anschlussstelle Rehren).

Der neue Bahnhof Hessisch Oldendorf mit Park- und Ride-Parkplätzen und höhengleichen Einstiegsmöglichkeiten ist Haltestelle der Weserbahn, die über Hameln den Anschluss per S-Bahn nach Hannover, zum Flughafen Hannover-Langenhagen sowie nach Hildesheim bietet.

Persönlichkeiten

Literatur

  • Joachim Garfs: Das Weserbergland zwischen Münden und Minden. CW Niemeyer Verlag, Hameln, 1997
  • Rolf Harmening: Hessisch Oldendorf - Beiträge zur Stadtbaugeschichte. Hessisch Oldendorf, 1988
  • Erik Hoffmann: Jüdische Nachbarn in Hessisch Oldendorf 1322-1942. Ihre 600-jährige Geschichte in der schaumburgischen/hessischen/preußischen Kleinstadt. CW Niemeyer Verlag, Hameln, 1998
  • Friedrich Kölling: Hessisch Oldendorf - 300 Jahre Entwicklung einer niedersächsischen Kleinstadt. C. Bösendahl Verlag, Rinteln, 1956
  • Friedrich Kölling: Die Schlacht bei Hessisch Oldendorf Verlag C. Bösendahl, 1959
  • Hans-Georg Spilker: Die Römer in Germanien - Der Feldzug des Germanicus 15-16 n.Chr. Hessisch Oldendorf, 2005
  • Bernd Stegemann: Hessisch Oldendorf damals. Bilder aus vergangenen Jahrzehnten. Horb am Neckar, 1987
  • Bernd Stegemann: Hessisch Oldendorf - wie es einmal war. Bilder erzählen Geschichte(n). Verlag C. Bösendahl, Rinteln an der Weser, 1989
  • Otto Wagenführer: Heimatkunde des Kreises Grafschaft Schaumburg Verlag C. Bösendahl, 1921

Einzelnachweise

  1. Meyers Konversationslexikon von 1905

Weblinks


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