Rätoromanische Sprache

Rätoromanische Sprache

Die Rätoromanischen Sprachen (im weiteren Sinne), zum Teil auch Alpenromanische Sprachen genannt, bilden – nach einigen Forschern, aber durchaus umstritten – eine Gruppe von romanischen Sprachen und Dialekten, die noch in wenigen Alpentälern in der Schweiz (bekannt als Bündnerromanisch, umgangssprachlich Romanisch bzw. Rumantsch) und in Italien (ladinische Sprache, Furlanisch) gesprochen werden. Sie entwickelten sich aus dem Vulgärlatein der ehemaligen römischen Provinz Raetien und behielten durch die Abgeschiedenheit der Gebirgstäler viele archaische Besonderheiten.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsklärung

Art und Grad der Verwandtschaft dieser Sprachen sind umstritten:

Ganz summarisch auf den Punkt gebracht, lassen sich die Extrempositionen wie folgt umschreiben:
1) Es gibt eine linguistisch begründbare Einheit der "rätoromanischen" (oder "ladinischen") Sprachgebiete Bündnerromanisch, Dolomitenladinisch und Friulanisch, eine "unità ladina". Daher ist auch eine gemeinsame Bezeichnung ("rätoromanisch" oder "ladinisch") für das Gesamtgebiet gerechtfertigt.
2) Eine solche Einheit ist ein bloßes Konstrukt der Sprachwissenschaft. Selbst wenn sie auf linguistischer Basis bewiesen werden könnte, findet sie keine Stütze in der soziolinguistisch-historischen Realität der betroffenen Gebiete. "Der Sinn einer gemeinsamen terminologischen Etikette für diese Gebiete ist deshalb zweifelhaft. (Liver 1999, 15)

Man kann die verschiedenen rätoromanischen Idiome, die kein geschlossenes Sprachgebiet besitzen, als Restdialekte des rätischen Latein ansehen, welche sich keiner anderen romanischen Sprache zuordnen oder als deren Dialekt einstufen lassen (Französisch, Italienisch). In der Tat entwickelten sich die rätoromanischen Mundarten weitgehend unabhängig von den benachbarten romanischen Kultursprachen und standen mit diesen seit der Römerzeit nur wenig oder gar nicht in Wechselwirkung.

Der Sprachkenncode (Language Code) für all diese Sprachen (außer Furlanisch) ist verwirrenderweise stets gleich, nämlich rm bzw. roh (nach ISO 639).

Im engeren Sinne bezieht sich "Rätoromanisch" meist auf das Bündnerromanische, wobei die alpinlombardischen Dialekte der Bündner Südtäler Bergell, Puschlav, Misox und Calanca nicht mitgemeint sind). Bis zur Schaffung des Rumantsch Grischun (deutsch: Bündner Romanisch) 1982 gab es keine gemeinsame Schriftsprache, jedoch verschiedene Anstrengungen in diese Richtung. Nach wie vor zerfällt Räterromanisch in fünf Gruppen von Einzeldialekten, Idiome genannt, und deren schriftsprachlichen Ausprägungen. In diesem Artikel werden die rätoromanischen Sprachen im weiteren Sinne betrachtet.

Einteilung

Die Frage, wie die Einteilung dieser Sprachen zu erfolgen habe, ging unter dem Namen "questione ladina" seit Anfang des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein.

Die Sprachforscher Graziadio Isaia Ascoli (1829-1907) und Theodor Gartner (1843-1925) gingen davon aus, dass es eine Art rätoromanische Ursprache im Gebiet zwischen Oberalppass in der Schweiz und dem Friaul in Italien gegeben habe, die sich durch die geographischen Gegebenheiten dann sehr stark in Dialekte zergliedert habe.

Von dieser Theorie aus gesehen ergibt sich folgende Gliederung:

Ehemaliges Verbreitungsgebiet der einzelnen romanischen Idiome in Graubünden

Das Furlanische hat kein rätisches Substrat und unterscheidet sich somit von den anderen rätoromanischen Idiomen.

Geschichte

Noch bis in die Neuzeit war das Sprachgebiet des Rätoromanischen weit weniger lückenhaft. Chur war bis ins 15. Jahrhundert das Zentrum des Bündnerromanischen, dessen östlicher Zweig bis heute den Sprachnamen Ladin erhalten hat. Der daran anschließende obere Vinschgau war noch bis ins 17. Jahrhundert rätoromanischsprachig. Im Nonstal/Val di Non und im Sulztal/Val di Sole wurden noch romanische Idiome gesprochen, die weniger stark von norditalienischen Dialekten beeinflusst waren, als die heute dort gesprochenen Restdialekte des Rätoromanischen. Die Gegend um Cortina d'Ampezzo wurde erst durch die Olympischen Winterspiele von 1956 überwiegend italienischsprachig. Ein vom Surselvischen bis zum Furlanischen reichendes Dialektkontinuum lässt sich so noch erahnen.

Der Anfang des Rückganges des romanischen im heutigen Graubünden lässt sich auf den im Spätmittelalter stattgefundenen Stadtbrand von Chur zurückführen. Viele der Handwerker, welche die Stadt wieder aufbauten, stammen vom Unterland und sind nach getaner Arbeit in Chur geblieben. So wurde Chur innerhalb weniger Jahre zu einer vorwiegend deutschsprachigen Stadt.

Beispiele

Deutsch Surselvisch Sutselvisch Surmeirisch Puter Vallader Rumantsch
Grischun
Ladin
(Gherdëina)
Ladin
(Nones)
Latein
Gold aur or or or or,aur,ar aur or or aurum
hart dir dir deir dür dür dir dur dur durus
Auge egl îl îgl ögl ögl egl uedl ocel oculus
leicht lev leav lev liger leiv lev lesier lizer levis
drei treis tres treis trais trais trais trëi trei tres
Schnee neiv nev neiv naiv naiv naiv neif neu niveus
Rad roda roda roda rouda rouda roda roda rueda rota
Käse caschiel caschiel caschiel chaschöl chaschöl chaschiel ciajuel formai (ciasolet) (caseolus)
Haus casa tgeasa tgesa chesa chasa chasa cësa ciasa casa
Hund tgaun tgàn tgang chaun chan chaun cian ciagn canis
Bein comba tgomba tgomma chamma chomma chomma giama giamba (gamba)
Huhn gaglina gagliegna gagligna gillina giallina giaglina gialina gialina gallina
Katze gat giat giat giat giat giat giat giat cattus
alles tut tut tot tuot tuot tut dut tut totus
Form fuorma furma furma fuorma fuorma furma forma forma forma
Ich jeu jou ja eau eu jau ie mi ego

Siehe auch

Literatur

  • Liver, Ricarda: Rätoromanisch. Eine Einführung in das Bündnerromanische. Tübingen, 1999. ISBN 3-8233-4973-2
  • Asterix il legiunari (Asterix der Legionär, Übersetzung in Unterengadinisch)
  • Il foss grond (Asterix: "Der grosse Graben", Übersetzung in Surselvisch)
  • Asterix ed ils Helvets (Asterix bei den Schweizern, Übersetzung in Rumantsch Grischun)

Weblinks


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