S-Bahnboykott

S-Bahnboykott

Der S-Bahn-Boykott 1961 in West-Berlin war eine Protestmaßnahme gegen den Bau der Berliner Mauer, zu der der damalige Regierende Bürgermeister Willy Brandt gemeinsam mit dem DGB aufrief. Die Deutsche Reichsbahn der DDR betrieb damals das Bahnnetz West-Berlins. Der Streik sollte die DM-Einnahmen der DDR schmälern.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Alliierten der Deutschen Reichsbahn (Bahn in der SBZ) die Verantwortung für den Betrieb der Bahn auch in den Berliner Sektoren der Westalliierten übergeben[1]. Aus diesem und anderen Gründen behielt die Reichsbahn der DDR auch ihren Namen, obwohl dieser an das ehemalige Deutsche Reich erinnerte. Mit der fortschreitenden deutschen Teilung wurde dieser Zustand für Westberlin immer weniger akzeptabel. Die DDR nahm auf diese Art und Weise Devisen ein, da die Fahrscheine in West-Berlin in DM bezahlt werden mussten, während viele Kosten in Mark der DDR entstanden. Zudem behielt die DDR unerwünschten Einfluss auf die Westberliner Infrastruktur.

Schon 1951 rief der Deutsche Gewerkschaftsbund zu einem Boykott der S-Bahnen auf, nachdem die DDR begonnen hatte, Gebühren für Durchfahrten durch ihr Gebiet zu erheben. Dieser Aufruf wurde von der Bevölkerung jedoch zunächst wenig beachtet. Das spezielle Engagement des DGB lässt sich nicht nur durch die Loyalität der BRD zu West-Berlin, sondern auch dadurch erklären, dass der DGB bei der Reichsbahn keine engen Kontakte knüpfen konnte, da er als Westgewerkschaft vom Ostunternehmen nicht als Ansprechpartner akzeptiert wurde. So stellten die niedrigen S-Bahnpreise der Reichsbahn auch eine Gefahr für DGB-Lohnforderungen gegenüber den BVG dar.

Nach dem Mauerbau 1961, als die Lage in der Stadt eskalierte, boykottierten immer mehr West-Berliner die S-Bahn, und drückten auf diese Weise ihren Unmut über die Berliner Mauer aus.

Hergang

Die DDR begann mit den Absperrmaßnahmen am 13. August 1961. Etwa einen Monat später, am 17. September, erfolgte ein erneuter Boykottaufruf. Lautstark verkündeten Posten mit Slogans wie Der S-Bahn-Fahrer zahlt den Stacheldraht oder Keinen Pfennig mehr für Ulbricht ihren Unmut an den S-Bahnhöfen.

Die Berliner Verkehrsbetriebe richteten einen Konkurrenzverkehr mit Bussen ein, und es wurden an U-Bahnhöfen und in Netzplänen, und sogar in Reiseführern, Hinweise auf die S-Bahn entfernt. Nachdem der Boykott sich über Jahre hinzog und kein Ende in Sicht war, begann man, nach und nach U-Bahnlinien parallel zur S-Bahn zu bauen.

Wirkung

Eine erste Reaktion der Deutschen Reichsbahn war ein offener Brief des Direktors an die West-Berliner Fahrgäste. Der Boykottaufruf wurde von der Berliner Bevölkerung angenommen. Es entstand für die DDR ein finanzieller Schaden, da die Deviseneinnahmen fast völlig ausfielen. Gleichzeitig verwahrlosten die kaum genutzten Bahnhöfe. Die leeren Gebäude lockten Kriminelle an, wodurch die Bevölkerung noch mehr abgeschreckt wurde. Hierdurch verlor die S-Bahn in West-Berlin völlig an Bedeutung, etliche Strecken wurden später stillgelegt und die Bahnhöfe zur Vermietung angeboten.

Die Deutsche Reichsbahn plante schon in den 1970er Jahren die Verpachtung der S-Bahn an die BVG. Diese war zunächst daran interessiert. Fahrplaneinschränkungen in den 1980er Jahren, die der Kosteneinsparung dienten, mündeten in den Zweiten Streik der West-Berliner DR-Bediensteten. Als Folge kam es zu zahlreichen Kündigungen und einer weiteren Einschränkung des Netzes.

Am 9. Januar 1984 übernahmen die BVG das S-Bahnnetz von der Deutschen Reichsbahn.

Weblinks

Quellen

  1. http://www.s-bahn-berlin.de/aktuell/2006/121_s_bahn_museum_lesung.htm

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